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1905 - diese Zahl hatten die Gangster nach einem brutalen Überfall auf einen Geldtransporter zurückgelassen. Wir versuchten jeden möglichen Ansatz, um hinter die Bedeutung dieser Zahl zu kommen - ohne Erfolg. Aber es musste eine Bedeutung geben, denn die Ziffern tauchten wieder am Tatort eines Juwelenraubs auf, den dieselben Täter verübt hatten. Die Lösung war schließlich so unwahrscheinlich, dass Phil und ich sie kaum glauben konnten...
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Seitenzahl: 138
Veröffentlichungsjahr: 2013
Cover
Impressum
Mein Vater - mein Feind
Jerry Cotton aktuell
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Film: »Amityville 2 – Der Besessene«/ddp images
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-8387-4966-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Mein Vater – mein Feind
»Alle auf den Boden, sofort!«, schrie Frazer. Die wenigen Menschen, die schon am frühen Morgen in die Bank gekommen waren, folgten der Aufforderung augenblicklich.
Frazer richtete die Waffe auf einen der am Boden liegenden Kunden und schob eine Plastiktüte durch das Geldfach am Schalter.
»Los, alles da rein«, befahl er.
Der Bankangestellte nahm einige Bündel mit Dollarscheinen und stopfte sie in die Plastiktüte.
»Her damit«, sagte Frazer knapp. Nachdem er die Tüte an sich genommen hatte, drehte er sich um und rannte zur Tür. Der Angestellte folgte ihm und versuchte, ihn von hinten zu überwältigen. Frazer wand sich aus seinem Griff, hielt ihm die Waffe an die Brust und drückte ab.
Noch am selben Tag verließ Frazer Chicago und legte das Geld gut an. Einer der besten Passfälscher der Vereinigten Staaten verhalf ihm zu einer neuen Identität. Unter dem Namen Robert Davis würde er bald schon im Süden der USA ein neues Leben beginnen. Doch zunächst zog er in eine Wohnung in Brooklyn, die er von einem Austauschstudenten für ein halbes Jahr ohne Vertrag gemietet hatte. Das Geld aus dem Banküberfall war damit fast aufgebraucht, aber er hatte eine Idee, wie sich sein Konto schon bald wieder füllen würde.
Frazer kannte Neil Black aus Chicago. Sie gehörten der gleichen Gang an, die das Viertel terrorisierte und von Ladenbesitzern Schutzgelder erpresste.
Black war hochbegabt und besessen – bei allem, was er tat. Er suchte immer den ultimativen Kick. Er hatte nach der Highschool Computertechnik und Informatik studiert und mit dem besten Abschluss seines Jahrgangs die Universität verlassen. Einige Monate bot er Unternehmen an, den Feuerwehrmann zu spielen. Wenn Datenverluste oder der Zusammenbruch eines Computersystems drohten, dann kam Black und rettete, was zu retten war.
Er sah das als sportliche Herausforderung, wie ein Schachspieler, der gegen einen Computer antrat. Wenn Black es fertigbrachte, die Daten zu rekonstruieren, dann hatte er den Computer geschlagen. Oft waren die Unternehmen in arger Bedrängnis und entlohnten Black für seine Dienste sehr gut. Aber nach einigen Monaten war auch diese Arbeit zur Routine geworden. Black suchte nach einer neuen Herausforderung. Und die kam in Form eines Telefonanrufs.
»Neil, du alte Ratte.«
Black dachte kurz daran, das Gespräch sofort zu beenden. Die Stimme hatte allerdings etwas Vertrautes, daher entschied er sich dagegen.
»Wer stört mich?«, fragte er scharf.
»Da kommst du nie drauf, Kollege.« Frazer lachte kurz auf.
Black war nun sicher, dass er die Stimme kannte, konnte sie aber keinem Gesicht oder Namen zuordnen.
»Ich habe keine Lust auf Spielchen. Wer bist du und was willst du?«
»Ach komm, Blacky. Du kommst bestimmt drauf, wenn du dich anstrengst.«
Black nahm das Smartphone vom Ohr und wollte das Gespräch beenden. Dann zögerte er, hielt das Handy wieder ans Ohr und schrie hinein.
»David, Scheiße.«
»Yeah«, rief Frazer. »Mann, ich freu mich, deine Stimme zu hören.«
»Ich glaub es nicht. Du lebst?«, fragte Black überrascht.
»Wieso sollte ich nicht leben?«
»Weil ich gehört habe, dass der Boden für dich in Chicago ziemlich heiß geworden ist.«
»Aus welcher Quelle stammt denn dein Wissen?«, fragte Frazer misstrauisch.
Black lachte. »Das weiß ich nicht mehr. Ich habe immer mal wieder Mailprogramme geknackt. Wenn ich in der Zeitung gelesen habe, dass sie einen Gangster hochgenommen haben, dann habe ich mir seinen Mailverkehr angeschaut. Das ist spannender als jeder Thriller, kann ich dir sagen.«
»Hast du etwa meinen E-Mail-Account gehackt?«
»Nein. Aber ich habe ein wenig mitgelesen, was ein Gangster seinen Geldeintreibern gemailt hat. Und da fiel auch der Name David Frazer.«
»Und da hast du mich nicht gewarnt?«
»David, ich kenne dich doch. Und ich weiß, dass du sehr gut auf dich selbst aufpassen kannst.«
Es entstand eine kurze Pause. »Also, was willst du?«
»Ich will dir ein Angebot machen, Blacky. Ein fabelhaftes Angebot.«
Black grinste. »Lass hören.«
***
Im Field Office war es unerträglich heiß. Die Klimaanlage im gesamten Gebäude war ausgefallen, und die Techniker suchten seit fast zwei Stunden nach dem Fehler.
Wir hatten einige Sachen auf dem Schreibtisch, insbesondere aus dem Bereich der organisierten Kriminalität. Ein Fall lag mir besonders schwer im Magen.
»Vielleicht war das ja Pasquano«, sagte Phil und blickte mich auffordernd an.
»Was war Pasquano?«, fragte ich gereizt.
»Das mit der Klimaanlage.« Phil war scheinbar allerbester Stimmung. »Eine Retourkutsche. Weil wir ihn so ins Schwitzen bringen.«
Phil lachte und legte die Füße auf den Schreibtisch. Er hatte die oberen beiden Knöpfe seines Hemdes geöffnet und wedelte sich mit der Akte Pasquanos Luft zu. Michele Pasquano war einer der mächtigsten Männer der Mafia in New York – und ein skrupelloser Mörder, dem bislang kein Gericht einen Mord oder einen Mordauftrag hatte nachweisen können.
»Siehst du, Jerry? Das hat er nun davon. Nun muss mir Pasquano Luft zufächeln, ob er es will oder nicht.«
Ich nickte mit gespielter Anerkennung. »Ist in der Akte, die du vor dir herwedelst, denn etwas enthalten, das ich noch nicht kenne? Zum Beispiel zum Mord an Giordano?«
Phil verzog das Gesicht. »Nada.«
»Ich verstehe das nicht. Da hat sich eine der New Yorker Mafia-Familien neu aufgestellt, und es ist nichts passiert, weswegen wir bei unserem alten Bekannten Pasquano vorbeischauen könnten? Eigentlich ist so etwas ja immer mit einigen unschönen Aktionen verbunden. Kleiner Mord, kleine Schießerei, kleiner Überfall. Und hier nun eine friedliche Revolution?«
»Ich verstehe es auch nicht. Normalerweise dauert es immer, bis sich die Hierarchien gefestigt haben.«
Unser Kollege Zeerookah kam zu uns Büro. Er hatte eine Liste dabei. »Wollt ihr auch etwas zu essen haben?«
»Wo gehst du hin, Zeery?«, fragte Phil.
»Zu Ryan’s.«
»Dann kannst du für mich ein Truthahn-Sandwich mitbringen. Mit extra Barbecue-Ketchup.«
»Was ist mit dir, Jerry?«
»Nein danke. Ich habe keinen Appetit.«
Phil zuckte mit den Schultern. »Ihm schlägt die Sache mit Giordano auf den Magen.«
»Giordano? Der ermordete Mafioso?« Zeery schien in seinem Gedächtnis zu kramen.
Vor nicht allzu langer Zeit war Mike Giordano erschossen worden, der als Nachfolger auf den Chefsessel der Familie Russo galt. Giordano hatte aber zu viel auf eigene Rechnung gemacht, und das war dem Oberhaupt der Russos, Renato Mazzotta, zugetragen worden.
»Giordanos Leiche hat man noch immer nicht gefunden«, sagte ich knapp.
»Pasquano hat erst Giordanos Platz eingenommen, und dann ist er noch eine Stufe höher gestiegen, nachdem Mazzotta sich zurückgezogen hat«, ergänzte Phil. »Pasquano hat wahrscheinlich seinerzeit den Auftrag erhalten, sich um die Sache mit Giordano zu kümmern, und er hat die Gelegenheit genutzt, seinen Neffen Federico durch den Mord an Giordano in der Familienhierarchie zu positionieren.«
Zeery sah sich die Wand hinter meinem Schreibtisch an. Ich hatte sie meterhoch mit Packpapier verklebt und alles, was wir über die Familie Russo wussten, darauf verzeichnet. An verschiedenen Stellen befanden sich Fotos mit Familienmitgliedern, die allesamt eine Gemeinsamkeit aufwiesen: Sie waren von einer Ermittlungsbehörde aufgenommen worden.
Zwischen Fotos und Aufzeichnungen hatte ich rote Verbindungslinien gezogen und Textbausteine aufgeklebt. In der Mitte der Collage befand sich das Foto von Michele Pasquano.
Zeery hob das Kinn in Richtung Fotowand. »Ist das der neue Bebauungsplan für South Brooklyn, Jerry?«
»Das ist Mind Mapping. Man zeichnet auf, was man an Informationen hat, und verbindet die Stellen, die zusammengehören. Und daraus erschließt sich möglicherweise etwas Neues.«
Zeery verzog den Mundwinkel. »Sag mal, was ist das hier? Die Polizeischule in Quantico? Außerdem haben wir Whiteboards, Kollegen. Das hat sich offenbar zu euch beiden wohl noch nicht herumgesprochen.« Zeery deutete auf mein Wandgemälde. »Das lässt sich alles wunderbar mit dem Computer darstellen und dann direkt an der Projektionsfläche verändern.«
»Als ob du damit arbeiten würdest.« Phil deutete ein Lachen an.
Zeery schüttelte den Kopf. »Ich brauche das nicht, Freunde. Ich nehme den Begriff wörtlich. Mind Mapping.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf seine Stirn. »Bei mir ist das alles hier drin.«
***
Eine Woche später saßen sich Frazer und Black im Hinterzimmer eines chinesischen Restaurants in der Lexington Avenue gegenüber. Frazer wollte nicht, dass Black mehr als nötig über ihn erfuhr. Je weniger Black wusste, desto besser. Wenn irgendjemand geschnappt werden würde, der Frazer kannte, dann würde der nur wissen, dass der große, blonde, gutaussehende Typ David Frazer hieß.
Aber niemand wusste, dass es einen David Frazer aus Chicago nicht mehr gab, sondern nur noch den New Yorker Robert Davis. Selbst seine Freundin Eve wusste nichts von Frazers neuem Namen. Er wollte abwarten, wie sich die Sache mit ihr weiter entwickelte.
»Nun erzähl schon, wann geht es los?«, fragte Frazer ungeduldig.
Black sah auf seine Uhr. »Lass uns auf Ruiz warten.«
Ein Windspiel signalisierte, dass ein weiterer Gast das Restaurant betreten hatte. Man konnte auf den ersten Blick sehen, dass Hector Ruiz südamerikanische Vorfahren hatte. Seine Haut war kaffeebraun, seine dunklen Augen lagen tief im Kopf. Das Haar war glatt, pechschwarz und zu einem Zopf zusammengebunden, der auf dem breiten Rücken auflag.
Er trug eine Piloten-Sonnenbrille und bugsierte einen Zahnstocher stetig vom einen in den anderen Mundwinkel. Schnell hatte er Frazer und Black im hinteren Teil des Restaurants ausgemacht und trat an ihren Tisch.
»Setz dich, Ruiz«, sagte Frazer, ohne ihn zu begrüßen.
Ruiz nahm Platz.
Black begann leise und ruhig zu sprechen.
»In den nächsten vierzehn Tagen müssen wir uns alle genauestens an die Pläne halten, die ich entwickelt habe. Jeder bekommt einen Ablaufplan für jeden einzelnen Überfall. Nach dem letzten Überfall trennen wir uns. Vorher schwört jeder von uns, dass er zwei Jahre lang nichts von dem Geld aus den Raubzügen ausgeben wird. Wir werden uns auch nie wiedersehen. Jeder sucht sich ein passendes Versteck für das Geld und vernichtet alles, was mit den Überfällen und den anderen zusammenhängt.«
Frazer nickte. »Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Wir sind vierzehn Tage ein Team. Und dann kennen wir uns nicht mehr. Hast du das kapiert, Ruiz?«
»Bin ja nicht blöd«, antwortete Ruiz gelangweilt.
»Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?«, wollte Black wissen.
»Ich habe Frazer zwei Rippen gebrochen«, antwortete Ruiz. »Beim Sparring im Boxgym Annie’s Hall. Ich habe ihn dreimal niedergeschlagen. Er ist immer wieder sofort aufgestanden und hat weitergekämpft. Das war …« Ruiz suchte nach dem passenden Wort. »Beeindruckend«, sagte er schließlich. Das Kompliment entspannte die Stimmung.
Eine junge Frau in einem bunt geblümten Kimono trat an den Tisch und erkundigte sich nach den Wünschen. Alle bestellten Huhn in roter Currysauce, dazu chinesisches Bier.
Black öffnete seinen Rucksack und entnahm ihm drei Mappen unterschiedlicher Farbe.
»Rot ist für dich, Frazer, blau für dich, Ruiz, und ich nehme schwarz.« Black lachte.
Er reichte Frazer und Ruiz die Mappen. Dann erläuterte er den Inhalt.
»In den Mappen findet ihr sämtliche Instruktionen und Hinweise, die für den ersten Überfall wichtig sind. Wir besprechen es nicht jetzt. Lest alles genau durch, mehrmals. Es kommt darauf an, dass wir uns alle strikt an den Plan halten. Die Ankunft, die Dauer des Überfalls, die Bewegungsabläufe, wer wann wo steht und wer wann was sagt, alles ist haargenau festgelegt. Wenn wir es so machen, wird es klappen. Die Details zu den anderen Überfällen bekommt ihr, wenn es so weit ist.«
»Du hast noch nicht gesagt, was dabei herausspringt.«
»Bei den Überfällen werden wir so viel Geld erbeuten, dass für jeden eine Million Dollar übrig bleibt. Nach Abzug der Kosten für Ausstattung und Fahrzeuge. Und für die Miete der Lagerhalle auf Staten Island, in der wir die Überfälle vorher durchspielen.«
»Haben wir mit Gegenwehr zu rechnen?«, wollte Frazer wissen.
»Wenn wir es so machen, wie ich es geplant habe, dann werden unsere Gegner keine Chance haben, sich zu wehren. Aber ein Restrisiko gibt es immer. Und dann gibt es einen Plan B.«
»Und was heißt das?«, fragte Ruiz stirnrunzelnd.
»Das heißt, dass viele Wege nach Rom führen. Wir versuchen, den Weg mit dem geringsten Risiko zu gehen. Sollte das nicht möglich sein, haben wir noch immer die Waffen. Aber die dürfen wir nur im äußersten Notfall benutzen.«
Sofort war Frazer die Szene aus dem Banküberfall wieder präsent – als er die Waffe auf den Bankangestellten richtete und abdrückte. Aber so unvermittelt die Bilder gekommen waren, so schnell waren sie auch wieder verschwunden.
»Okay«, sagte Frazer und nickte.
In Ruiz’ Gesicht war keine Gefühlsregung sichtbar. Im Irak-Krieg hatte Ruiz als Soldat viele Menschen getötet. Es machte ihm nichts aus.
Black hob seinen Zeigefinger. »Und zu keinem Menschen ein Wort. Habt ihr mich verstanden?«
Beide nickten.
»Wieso bist du dir so sicher, dass alles so läuft, wie du es dir gedacht hast?«, hakte Frazer nach.
»David, warum hast du mich gefragt, ob wir die Sache gemeinsam durchziehen wollen?«
»Weil du ein Genie bist. Und verrückt.«
»Genau. Also verlass dich auf mich. Für die Vorbereitung des ersten Überfalls habe ich mich in die Computer der Sicherheitsfirma Loomis gehackt. Frazer hat einen ihrer Geldtransporter ja schon seit einigen Wochen beobachtet und eine Straße ausfindig gemacht, durch die sie regelmäßig fahren, auch wenn sie ihre Route oft variieren. Die Straße liegt im 102. Revier. Schön ruhig.« Black grinste.
»Ich habe die eingehenden und ausgehenden Mails ausgewertet, ich habe mir die Videoüberwachungen angesehen und daraus Bewegungsdiagramme erstellt, und ich habe die Arbeitsroutinen der Mitarbeiter erfasst. Ich weiß, wer wann zum Pinkeln geht. Und ich weiß, wer was sagt. Ich weiß, wer was über wen denkt. Ich weiß alles. Und alles fließt in meinem Masterplan zusammen. Und der Masterplan ist die Grundlage für den reibungslosen Ablauf des Überfalls. Frazer hat bereits die Klamotten besorgt, die wir tragen werden.« Black strahlte. »Nach dem letzten Überfall trennen wir uns und tauchen ein paar Monate unter«, ergänzte er und lächelte zufrieden.
»Ich werde gar nicht mehr auftauchen«, zischte Hector Ruiz. »Ich habe genug von New York.« Dann trat ein breites Grinsen auf sein Gesicht. »Auf den Bahamas soll man sehr schön leben können mit dem nötigen Kleingeld.«
»Was wirst du mit dem Geld machen, Davy?«, fragte Ruiz und steckte sich einen neuen Zahnstocher zwischen die rissigen Lippen.
»Das geht dich nichts an«, sagte Frazer kalt. »Und nenn mich nie wieder Davy!«
Ruiz beugte sich über den abgestoßenen Holztisch. Seine Augen funkelten. Frazer erwiderte kühl Ruiz’ Blick. Sie starrten sich an wie zwei Boxer auf der Pressekonferenz.
»Okay, David«, sagte Ruiz dann und gab einen grunzenden Laut von sich.
Die Stimmung in der kleinen Gruppe war nun umgeschlagen. Ein Streichholz schien zu genügen, um den Raum in die Luft zu sprengen.
»Freunde«, sagte Black beschwichtigend. »Beruhigt euch bitte.«
»Ich bin ruhig«, sagte Ruiz, ohne den Blick von Frazer abzuwenden.
Frazer sagte nichts. Seine Augen schienen Ruiz zu durchbohren.
»Hey, Leute, das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um Stress zu machen. Wir müssen uns jetzt voll auf das konzentrieren, was vor uns liegt.« Blacks Blick wechselte von Ruiz zu Fraser und wieder zurück.
»Wenn alles so klappt, wie ich es geplant habe, dann sind wir sehr bald Millionäre. Wenn wir uns aber auch nur einen Fehler erlauben, dann wartet auf uns Knast bis zum Lebensende.« Black schloss die Augen und zischte. »Also reißt euch zusammen.«
Frazer fixierte Ruiz noch immer, der nun den Zahnstocher ausspie.
»Kein Problem«, gab Ruiz gelangweilt von sich.
»Wie ist es bei dir, David?«, fragte Black kühl.
Frazer sagte nichts. Dann nickte er.
***
Alvin Brooks machte einen ausgedehnten Rundgang durch das 102. Revier. Sein Revier. Er liebte New York und ganz besonders dieses Viertel. Hier in Queens war er groß geworden. Wenn er seinen Jahresurlaub nahm, dann verbrachte er ihn hier.
Brooks bog von der Jamaica Avenue in die 119th Street und sah Detective Gilbert Scott auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Auto sitzen. Er überquerte die Straße. Scott deutete an, Brooks sollte auf der Beifahrerseite einsteigen.
»Was machst du denn hier, Scott? Hast du heute nicht frei?«, fragte der Brooks überrascht.
»Hat ein Cop jemals frei?«, antwortete Scott ironisch und lächelte.
Brooks schüttelte langsam den Kopf. »Es ist wichtig, auf andere Gedanken zu kommen, sonst macht der Job dich kaputt. Dann kommt erst die große Leere und dann kommen die vielen, offenen Fragen. Warum bin ich Cop geworden? War es das jetzt oder kommt noch was?«
»Ich bin okay. Wirklich.«
Brooks nickte bedächtig. »Und? Was machst du hier?«
»Ich observiere James Coldwell. Er sitzt drüben im Diner mit einem Russen, Sergej Kirov. Der Typ ist Waffenschieber, und vermutlich bezieht Coldwell von ihm seine Ware.«
»Ich erinnere mich, dass bei einer Kontrolle vor einigen Monaten in einem Truck eine Kiste mit Pistolen beschlagnahmt wurde. Die waren doch für Coldwell bestimmt, oder?«