Jerry Cotton Sammelband 14 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sammelband 14 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sammelband 14: Fünf actiongeladene Fälle und über 300 Seiten Spannung zum Sparpreis!

G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!

Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

In diesem Sammelband sind 5 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:

2845: Der Klub der Schwarzen Witwen

2846: Bilder, die den Tod bedeuten

2847: Ein echt mieser Job

2848: Nicht wert ein Cop zu sein

2849: Das FBI tötet keine Zeugen

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

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Seitenzahl: 666

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive von © shutterstock: Flik47 | OSTILL is Franck Camhi ISBN 978-3-7325-7024-9

Jerry Cotton

Jerry Cotton Sammelband 14 - Krimi-Serie

Inhalt

Jerry CottonJerry Cotton - Folge 2845Ein geheimnisvoller Killer hatte in Europa zugeschlagen und jetzt auch in New York. Seine Opfer waren jeweils hohe Bosse der russischen Mafia. Natürlich dachten wir zuerst an einen beginnenden Bandenkrieg im organisierten Verbrechen, doch irgendwie passte es nicht so recht zusammen. Phil und ich machten uns auf nach St. Petersburg, wo alles begonnen zu haben schien...Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2846Phil und ich drangen bei unseren Ermittlungen in die Welt der Stars und Sternchen ein und natürlich auch in die der Paparazzi. Fotos können da eine Karriere vernichten, aber auch beflügeln. Wir fanden bei einem toten Fotografen Bilder, die beides bewirken konnten. Allerdings war nicht klar, welche Bilder für seine Ermordung verantwortlich waren und welche Rolle die Pornodarstellerin Lory Lovelipps bei der Sache spielte ...Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2847Howard Bernstein erwartete das Erlebnis seines Lebens, aber es kam ganz anders, als er es sich gedacht hatte. Als die junge, bildhübsche Prostituierte tot über ihm zusammenbrach, wusste der PR-Berater des Senators, dass er ein Problem hatte - und zwar ein großes. Phil und ich fanden schnell heraus, dass die junge Frau eine Illegale war und kamen so auf die Spur eines menschenverachtenden Mädchenhändler...Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2848In New York gingen kurz hintereinander zwei Bomben hoch. Die eine im Kriminalgericht, die andere im Gebäude der Staatsanwaltschaft Manhattan Süd. Sofort kam der Verdacht auf einen terroristischen Anschlag auf, doch der erledigte sich schnell. Wir vom FBI standen mit leeren Händen da. Es dauerte lange, bis Phil und ich auf eine Spur stießen und die führte in die Vergangenheit ...Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2849Durch einen Fund am JFK-Airport kamen wir den Machenschaften internationaler Waffenhändler auf die Spur - und die führte nach Las Vegas. Dort trafen wir auf eine Schlüsselfigur im Geschäft mit dem Tod. Madeleine Eklund war die schönste Schlüsselfigur, die mir je untergekommen war - und gerissener als der schlimmste Mafioso...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Der Klub der Schwarzen Witwen

Vorschau

Der Klub der Schwarzen Witwen

Der Wasserdampf stieg aus dem Whirlpool auf. Lew verfolgte die Dampfschwaden und fixierte dann einen Stern am Nachthimmel über New York. Genussvoll zog er den aromatischen Duft seiner Montecristo ein, als eine kalte Männerstimme ihn aufschreckte.

»Genieße deinen letzten Zug, Popow.«

Der Gangsterboss zuckte zusammen und versuchte, sich aus dem Wasser zu erheben. Bevor er sich auch nur halb aufgerichtet hatte, trafen Popow drei Kugeln und stießen den massigen Körper zurück ins wirbelnde Wasser. Der Killer warf noch einen Blick in das Gesicht Popows, bevor er sich von der Dachterrasse entfernte.

Als Phil und ich die Dachterrasse des Luxusapartments von Lew Popow in der Madison Avenue betraten, war es ein seltsames Gefühl. Wie viele Anläufe hatten wir unternommen, um dem berüchtigten Anführer der russischen Mafia das Handwerk zu legen? Es war uns nie gelungen, und nun war Popow ermordet worden.

»Special Agent Cotton und Special Agent Decker vom FBI. Sie haben Mister Popow gefunden?«

Meine Frage richtete sich an einen distinguiert wirkenden Mann von Ende fünfzig, der mit verschlossener Miene den Kriminaltechnikern bei der Arbeit zusah.

»Ja. Arkadij Smirnow. Ich bin der Rechtsberater der Firma«, stellte er sich vor.

Mir fiel seine nur mühsam unterdrückte Wut auf. Offenbar ging ihm der Mord an seinem Boss sehr nahe.

»Können Sie sich erklären, wie der Mörder unbemerkt eindringen und auch wieder verschwinden konnte?«, fragte ich.

Mit einem verächtlichen Schnauben deutete Smirnow auf drei Männer, die an einem Tisch neben dem Durchgang zur Dachterrasse saßen. Mit finsteren Blicken verfolgten sie das Geschehen rund um den Whirlpool.

»Diese Männer waren für die Sicherheit von Lew Popow zuständig, Agent Cotton. Sprechen Sie mit ihnen. Vielleicht erfahren Sie ja, wie es zu diesem Mord kommen konnte. Mir sind sie die Antwort schuldig geblieben«, antwortete der Anwalt.

Mit einem Blick verständigten Phil und ich uns, bevor ich zu den Bodyguards an den Tisch trat. Mein Partner sprach währenddessen mit den Kriminaltechnikern, um mehr über die Abläufe am Pool zu erfahren.

»Special Agent Cotton vom FBI. Mister Smirnow sagte mir, dass Sie für die Sicherheit von Mister Popow verantwortlich waren. Ist das korrekt?«

Mehr als ein stummes Nicken erhielt ich nicht als Antwort. Ich ließ mir die Führerscheine reichen und notierte die Namen. Wie erwartet handelte es sich ausschließlich um Angehörige der russischen Mafia, was die Nachlässigkeit umso unverständlicher machte.

»Wie konnte der Mörder an Ihnen vorbeikommen?«, fragte ich.

Es war offensichtlich etwas Ungewöhnliches passiert, wodurch diese erfahrenen Gangster abgelenkt worden waren. Anders konnte ich mir den Anschlag nicht erklären.

»Mister Popow hatte uns ausdrücklich aufgefordert, sein Apartment zwischen zehn Uhr am Abend und Mitternacht nicht zu betreten. Wir hatten klare Anweisungen«, antwortete der dunkelblonde Gangster.

»Nannte er einen Grund dafür?«

Wütende Blicke flogen über den Tisch. Diese Männer waren in ihrer Ehre gekränkt und brannten darauf, den Mörder ihres Bosses zu jagen. Egal was ich ihnen verbieten würde, wir würden uns im Verlauf der Ermittlungen mit Sicherheit öfter begegnen.

»Mister Popow erwartete Damenbesuch und wir durften die Lady nur oberflächlich kontrollieren«, antwortete der dunkelblonde Mann.

Auf Nachfrage erhielt ich den Vornamen der Besucherin, die ohne Frage ein exklusives Callgirl war. Mit der Beschreibung der jungen Frau sollte es uns möglich sein, Nina ausfindig zu machen.

»Wenn Sie mir den Nachnamen oder andere Informationen vorenthalten, machen Sie sich strafbar. Also? Können Sie mir mehr über die Besucherin sagen?«, bohrte ich nach.

Doch mehr als den Vornamen und die Personenbeschreibung konnten sie mir angeblich nicht anbieten. Daher ging ich ein Stück zur Seite und rief im Field Office an. Dort würde sich ein Kollege um das Callgirl mit dem Namen Nina kümmern. Es war extrem wichtig, dass wir die junge Frau vor den Russen fanden. Nach dem Telefonat ging ich zu den Männern am Tisch zurück.

»Wer könnte einen Grund haben, Mister Popow zu ermorden?«, fragte ich.

Dazu konnten oder wollten die Gangster nichts sagen. Unsere Ermittlungen würden in diesem Fall noch weniger Unterstützung durch die Menschen im Umfeld des Opfers erfahren, als es sonst schon üblich war. Ich trat erneut hinaus auf die Dachterrasse und überließ die Aufpasser ihren düsteren Gedanken.

»Was sagen die Techniker?«, fragte ich Phil.

Drei Kugeln waren in den Oberkörper von Lew Popow eingedrungen. Wenigstens ein Projektil musste das Herz getroffen haben.

»Sieht nach der Arbeit eines Profis aus, Jerry. Das warme Wasser erschwert die Arbeit der Spezialisten zusätzlich. Viele Spuren wurden dadurch vernichtet«, antwortete mein Partner.

Einen vorläufigen Bericht des Labors durften wir im Laufe des Nachmittags erwarten. Ich erzählte Phil von meinem wenig ergiebigen Gespräch mit den Bodyguards.

»Die sind stinksauer, oder?«

»Und wie, Phil. Sie zerren buchstäblich an der Leine, um endlich auf die Jagd nach dem Mörder gehen zu dürfen«, sagte ich.

Auch ein weiteres Gespräch mit dem Rechtsberater führte zu keinen brauchbaren Ergebnissen. Es war mehr als offensichtlich, dass die Mafia uns raushalten wollte.

»Ich habe es schon den Leibwächtern gesagt, Mister Smirnow. Wir ermitteln den Mörder und dessen Auftraggeber. Sollten uns dabei Männer aus Popows Organisation in die Quere kommen, gibt es Ärger«, warnte ich Smirnow.

Als Phil und ich im Jaguar saßen, fiel mein Blick auf eine junge Putzfrau. Sie betrat das Foyer des Apartmenthauses in der Madison Avenue, um ihren Dienst anzutreten. Während wir bereits seit zwei Stunden auf den Beinen waren, trafen die meisten Menschen erst nach und nach auf ihrer Arbeitsstelle ein.

»Das Callgirl wird vermutlich längst untergetaucht sein. Selbst wenn sie nicht von Anfang an eingeweiht war, wird sie sich die Zusammenhänge zusammenreimen können. Sobald die Frühnachrichten vom Tod Popows berichten, weiß Nina, in welcher Gefahr sie schwebt«, sagte ich.

Phil teilte meine Einschätzung, und doch war dieses Callgirl vorerst unsere beste Spur. Endlich eilte der Portier aus dem Haus und kam zur Fahrerseite des Jaguar.

»Hier sind die Sicherungskopien der Überwachungskameras, Agent Cotton.«

Ich dankte dem Portier und startete den roten Flitzer, während Phil mit einem anerkennenden Lächeln auf die Disks schaute.

»Guter Einfall, Jerry. Jetzt können wir nur hoffen, dass Smirnow nicht vor dir auf diese Idee gekommen ist und für eine Manipulation der Aufzeichnungen gesorgt hat.«

Natürlich bestand dieses Risiko, aber dabei setzte ich auf die Fähigkeiten unserer Spezialisten. Die würden hoffentlich die ursprünglichen Aufzeichnungen wieder herstellen können, sodass wir sowohl das Callgirl als auch den Killer sehen konnten.

***

Die Auswertung der Aufzeichnungen erwies sich als Fehlschlag. Selbst unsere Spezialisten sahen keinen Weg, wie die beschädigten Aufnahmen wiederhergestellt werden konnten. Daher fuhren Phil und ich am frühen Nachmittag nochmals ins Apartment von Popow.

»Wir sehen uns einfach nur ein wenig um«, erzählte ich dem Portier.

Phil und ich waren uns einig, dass der Mann ein loyaler Zuträger für Popows Organisation war. Als wir die Befragung der Nachbarn erledigt hatten, die wie erwartet nichts mitbekommen hatten und ansonsten nur wenig über ihren Nachbarn erzählen konnten, gingen wir zum zweiten Mal an diesem Tag in die Luxuswohnung.

»Wenn Smirnow hiervon erfährt, erhebt er garantiert Protest«, sagte Phil.

Davon ging ich zwar ebenfalls aus, aber wir hatten jedes Recht, uns in dem Apartment umzusehen. Deswegen sah ich keinen Grund, den Rechtsberater der Organisation auf unseren Besuch hinzuweisen.

»Ich sehe mich im Badezimmer und Schlafzimmer um«, rief Phil.

Während mein Partner im Badezimmer verschwand, schlenderte ich über die Terrasse und blieb nachdenklich am Whirlpool stehen. Popow musste mit dem Rücken zur Tür darin gesessen haben, da sein Mörder sich unbemerkt hatte anschleichen können.

»Wo war dein Besuch zu dieser Zeit? Schon wieder weg?«, dachte ich laut nach.

Im Field Office hatten wir darüber diskutiert, ob die Frau mit dem Namen Nina möglicherweise sogar selbst die Mörderin gewesen sein könnte. Die bisherigen Fakten widersprachen dieser Theorie jedenfalls nicht. Unweit des Whirlpools stand ein kleiner Servierwagen, auf dem verschiedene Getränke, ein Eiskühler sowie eine Kiste exklusiver Zigarren zu sehen war.

»Im Badezimmer und im Schlafzimmer konnte ich nichts finden, Jerry. Wie sieht es bei dir aus?«

Phil hatte seinen Rundgang beendet und stand am Durchgang zur Dachterrasse. Ich deutete auf den Servierwagen.

»Es gibt nicht das kleinste Anzeichen dafür, dass Popow mit Schwierigkeiten gerechnet hätte. Auf dem Wagen hier lag nicht einmal seine Pistole, wenn ich mich richtig erinnere«, erwiderte ich.

Mein Partner trat zu mir und schaute nachdenklich auf den Servierwagen.

»Stimmt, Jerry. Die Kriminaltechniker haben keine Waffe auf der Dachterrasse gefunden.«

Einige Sekunden starrten wir schweigend auf den Wagen. Mein Blick blieb an einer Holzpuppe hängen, die eine Erinnerung in mir auslöste.

»Das hier ist doch eine spezielle Puppe aus Russland, Phil. Wie heißt die noch?«

Mein Partner nahm die Holzpuppe in die Hand und dachte angestrengt nach.

»Matrjoschkapuppe. Mensch, Jerry! Das hat bislang niemand erkannt«, stieß Phil hervor.

Vermutlich hatte keiner der Techniker bisher von dem Killer mit dem besonderen Markenzeichen etwas gehört. Der Grund war einfach, dass der sogenannte Matrjoschkakiller noch nicht in den USA zugeschlagen hatte. Bis jetzt jedenfalls.

»Wir müssen mit Smirnow sprechen, Phil. Möglicherweise war Popow nur ein Sammler dieser Holzpuppen und wir haben es überhaupt nicht mit dem Killer zu tun«, mahnte ich.

Zum Glück war das Büro des Rechtsanwalts nicht weit entfernt, sodass wir eine halbe Stunde später mit Arkadij Smirnow sprechen konnten. Zuerst verhielt er sich sehr abweisend, doch beim Anblick der bunten Holzpuppe verschlug es ihm die Sprache.

»Sammelte Mister Popow diese Puppen, Sir?«, fragte ich.

Smirnow schüttelte mit angespannter Miene den Kopf.

»Sie wissen über den Killer Bescheid, der diese Holzpuppen als Markenzeichen am Tatort zurücklässt, oder?«, hakte ich nach.

Der Rechtsanwalt ging drei Schritte zum Besprechungstisch, an dem er sich in einen der Stühle fallen ließ. Es war ihm anzusehen, wie hart ihn die Erkenntnis getroffen hatte.

»Es gab mehrere Anschläge auf dem Kontinent, die alle dem Matrjoschkakiller zugeordnet werden. Seine Opfer waren immer Landsleute von Lew«, sagte Smirnow.

Damit lag er richtig. Es waren sowohl Russen als auch hochrangige Anführer der russischen Mafia gewesen, wie wir aus den Meldungen von Interpol wussten.

»Gibt es einen Machtkampf innerhalb der russischen Mafia, Mister Smirnow?«

Phils Frage trieb dem Rechtsanwalt die Farbe zurück ins Gesicht.

»Lew Popow war ein Geschäftsmann, Agent Decker. Jede Verbindung zur russischen Mafia ist eine böswillige Unterstellung!«

Es war unglaublich, wie Männer wie Smirnow trotz der erkennbaren Zusammenhänge weiterhin den Anschein ehrlicher Geschäftsleute aufrechtzuerhalten versuchten.

»Sparen wir uns diese Spielchen, Mister Smirnow. Popows Organisation ist eine der Mächtigsten innerhalb der russischen Mafia und wir müssen von einem entsprechenden Hintergrund für den Mord ausgehen«, sagte ich.

Als der Rechtsanwalt erneut protestieren wollte, hob ich abwehrend eine Hand hoch.

»Nur mal angenommen, es wäre so. Würden Sie dann von internen Machtkämpfen ausgehen, die als Auslöser für den Mord in Betracht kämen?«, fragte ich.

Der Rechtsanwalt erwiderte meinen Blick, ohne auf meine Frage zu reagieren. Zuerst wollte ich nachsetzen, doch dann verstand ich seine Anspielung.

»Also gehen Sie nicht von dieser Möglichkeit aus. Wer käme dann in Frage, Mister Smirnow? Sie müssen doch wenigstens einen Verdacht haben?«, bohrte ich weiter.

Doch der Rechtsanwalt sah weit und breit keinen Widersacher, der Popow einen Auftragskiller auf den Hals gehetzt haben konnte. Smirnow sagte uns natürlich nicht die Wahrheit, aber seine Ratlosigkeit wirkte nicht geheuchelt. Vermutlich gab es eine Anzahl von Kandidaten, die seinem Boss den Tod gewünscht hatten. Aber keiner von ihnen war nach Smirnows Einschätzung der Auftraggeber. Phil und ich verließen das Büro, um im Jaguar über unser weiteres Vorgehen zu beraten.

»Die Beschreibung passt«, sagte ich nach einem Blick auf das Display des Bordcomputers.

Unsere Kollegen im Field Office hatten ein Callgirl ausfindig gemacht, das zu der Beschreibung der Leibwächter von Popow passte. Ihr bürgerlicher Name lautete Wendy Hamilton.

»Sie wohnt in der Columbus Avenue, Jerry. Du kannst durch den Park abkürzen«, schlug Phil vor.

***

Wir gingen davon aus, dass ein Callgirl am Nachmittag vermutlich in seiner Wohnung anzutreffen sein würde. Als wir das Mietshaus betraten, in dem Wendy Hamilton wohnte, fragte ein junger Portier nach unseren Wünschen. Das Haus gehörte zur gehobenen Klasse und leistete sich daher einen ständigen Portiersdienst.

»Special Agent Cotton vom FBI. Wir wollen zu Miss Hamilton.«

Der junge Mann schaute überrascht auf meinen Dienstausweis, bevor er den Blick hob und mich erschrocken anschaute.

»Hat Wendy Schwierigkeiten, Agent Cotton?«, fragte er.

»Nein, überhaupt nicht. Sie könnte uns eventuell als Zeugin in einem Fall weiterhelfen. Ist Miss Hamilton in ihrem Apartment?«

Meine Antwort beruhigte den Portier einigermaßen. Nach seinem Wissen sollte sich die junge Frau in ihrer Wohnung aufhalten. Wir fuhren mit dem Fahrstuhl hinauf ins sechste Stockwerk, wo sich das Apartment befand. Phil drückte kurz darauf den Klingelknopf neben der dunkelgrünen Wohnungstür, wobei er mir einen skeptischen Seitenblick zuwarf.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Miss Hamilton unser gesuchtes Callgirl sein soll«, sagte er.

Meine Zweifel deckten sich mit seinen, aber gleich darauf wurde die Tür aufgerissen. Vor uns stand eindeutig nicht Wendy Hamilton.

»Verschwindet!«, fauchte der Mann grob.

Es bedurfte keiner sonderlichen geistigen Anstrengung, in dem unfreundlichen Burschen einen Gangster aus Popows Organisation zu erkennen. Da nun einmal auf einen groben Klotz ein grober Keil gehörte, trat ich genauso unfreundlich wie der Russe auf.

»FBI! Geben Sie die Tür frei oder Sie wandern ins Gefängnis«, sagte ich.

Da ich gleichzeitig meine Jacke zurückschlug, sodass der Gangster sowohl einen Blick auf meine Marke wie auch auf die SIG Sauer werfen konnte, gab er sich geschlagen. Langsam wich er ins Wohnzimmer zurück. Dort stand Arkadij Smirnow und funkelte uns erbost an.

»Was wollen Sie hier?«, fragte er.

Sein Auftreten war unverschämt, und da er offenbar unmittelbar nach unserem Gespräch zu Wendy Hamilton gefahren war, brodelte Zorn in mir auf.

»Sie sollten sich lieber ganz schnell etwas einfallen lassen, Smirnow. Bei unserem Gespräch haben Sie so getan, als wenn Ihnen keine Informationen in Bezug auf den Mord zur Verfügung standen. Ihre Anwesenheit hier widerlegt diese Aussage!«

Während der Rechtsanwalt nach einer passenden Antwort suchte, schaute ich die bildhübsche Frau auf der senffarbenen Ledercouch an. Wendy Hamilton hatte eine leichte Sonnenbräune, die allerdings auch von regelmäßigen Besuchen eines Bräunungsstudios stammen konnte. Der warme Hautton harmonierte hervorragend mit den weizenblonden Haaren sowie den braunen Augen, die mich gelassen musterten.

»Special Agent Cotton vom FBI. Das ist mein Partner, Special Agent Decker. Sie sind Miss Wendy Hamilton?«

Das Callgirl nickte zustimmend und reichte mir ihren Führerschein, damit ich mich selbst überzeugen konnte. Nachdem ich die Angaben geprüft hatte, wandte ich mich zu Smirnow um.

»Ich erwarte Sie morgen Vormittag um neun Uhr im Field Office, Mister Smirnow. Sie können jetzt gehen«, teilte ich ihm mit.

Das wütende Funkeln in seinen Augen übersah ich geflissentlich. Mit einer herrischen Geste gab Smirnow den beiden Gangstern in seiner Begleitung ein Zeichen und verließ das Apartment. Phil schloss hinter den Russen sorgsam die Wohnungstür.

»Sie waren gestern Abend in der Wohnung von Lew Popow, Miss Hamilton?«

Ich war sehr gespannt, wie das Callgirl reagieren würde. Hatte Smirnow genügend Vorsprung gehabt, um sie einzuschüchtern?

»Das ist korrekt, Agent Cotton«, antwortete sie.

Phil und ich tauschten einen überraschten Blick aus. Offenbar hatte Miss Hamilton sich für die Wahrheit entschieden, was ich natürlich sehr begrüßte.

»Demnach ist Nina eine Art Künstlername von Ihnen?«, fragte ich.

»Ja, auf Verlangen des Kunden. Lew muss einmal in eine Nina verliebt gewesen sein, Agent Cotton. Er wollte mich immer nur so ansprechen«, erwiderte das Callgirl.

Ich ließ mir schildern, wie oft Miss Hamilton ihre speziellen Dienste bei Popow ausgeübt hatte. Es stellte sich heraus, dass sie zum ersten Mal bei dem Gangsterboss gewesen war.

»Wie ist Popow auf Sie aufmerksam geworden?«, wollte ich wissen.

Ihr Blick flackerte unstet und sofort wusste ich, dass sie uns gleich eine Lüge auftischen wollte. Bevor sie antworten konnte, mischte Phil sich ein.

»Seit wann wohnen Sie hier, Miss Hamilton?«

Zuerst verstand ich sein Vorgehen nicht, doch dann schaute ich mich im Zimmer genauer um, so wie Phil es seit einigen Minuten bereits getan hatte. Die Möbel sahen fabrikneu aus und auch die Bilder sowie die Stereoanlage schienen noch nicht lange an ihrem Platz zu sein.

»Was spielt das für eine Rolle?«, fragte Wendy Hamilton.

Mein Partner hob eine Dauerkarte für die U-Bahn in die Höhe.

»Weil es sehr merkwürdig für ein Callgirl mit eigenem Apartment in der Columbus Avenue ist, wenn sie gleichzeitig eine Dauerkarte für die U-Bahn in Queens hat.«

Wendy Hamilton setzte zum Reden an, doch dann erstarrte ihr Gesichtsausdruck, und während ich mich noch darüber wunderte, kippte das Callgirl seitlich von der Couch.

»Deckung, Phil! Heckenschütze.«

Ich ließ mich einfach zu Boden fallen, kaum dass ich das Loch im Hinterkopf des Callgirls bemerkte. Dann zog ich die SIG Sauer aus dem Holster und schob mich näher ans Wohnzimmerfenster. Mein Partner alarmierte mit seinem Mobiltelefon die Cops, während ich vorsichtig durch das Fenster schaute. Der Schütze hatte verschiedene Möglichkeiten, von wo aus er das Apartment von Wendy Hamilton einsehen und das Callgirl erschießen konnte.

»Vermutlich hat der Heckenschütze das Dach des Gebäudes mit der Dachterrasse genutzt«, rief ich Phil zu.

Wir eilten aus der Wohnung, zogen beim Verlassen die Tür ins Schloss und fuhren mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss. Der Portier stand an den Briefkästen und verteilte die Post, als wir mit den Waffen in den Händen an ihm vorbeistürmten.

»Die Cops sollen die Wohnung von Miss Hamilton sichern. Verstanden?«, rief ich ihm zu.

Mit vor Schreck geweiteten Augen nickte er, sodass ich weiterlaufen konnte. Auf der Straße prallte ich mit meinem Partner zusammen. Phil deutete auf einen hellblauen Buick Lucerne, der rechtswidrig an der nächsten Kreuzung abbog.

»Der Mann kam aus dem Haus gegenüber und fährt völlig rücksichtslos«, rief er.

Mir reichte es als Hinweis, weshalb ich zum Jaguar rannte und mich schleunigst hinter das Lenkrad klemmte. Phil sprang in den Beifahrersitz und setzte über Funk eine Meldung ab.

»Die Cops helfen uns bei der Verfolgung, Jerry.«

Der Vorsprung des Killers war nicht sehr groß. Es bestand eine gute Chance, dass wir ihn demnächst stoppen würden. Sollte uns tatsächlich der Matrjoschkakiller heute in die Hände fallen?

***

Der Buick jagte über die Central Park West und weiter in den Park hinein.

»Der Wagen rast über den West Drive in Höhe des Jacqueline Kennedy Onassis Reservoir in Richtung Süden«, informierte Phil mich.

Ich nickte stumm, da ich alle Hände voll zu tun hatte. Trotz eingeschalteter Sirene sowie Warnlichtern machten viele Fahrzeuge nur widerwillig den Weg frei. Wir holten einfach nicht schnell genug auf und dadurch verbesserten sich die Chancen des Flüchtigen.

»Die Cops haben den Buick verloren.«

Phils Meldung bestätigte meine schlimmsten Befürchtungen. Wir setzten die Verfolgung noch eine kurze Zeit fort, doch der Buick tauchte in den Straßen der Upper West Side unter.

Es machte keinen Sinn, wenn Phil und ich ziellos durch die Gegend kurvten und hofften, die Spur des Killers wieder aufnehmen zu können. Die Cops fahndeten weiter nach dem blauen Buick, während wir in die Wohnung von Wendy Hamilton zurückkehrten.

»Die Spurensicherung ist soeben eingetroffen«, meldete ein Cop.

Er sicherte die Wohnungstür und reagierte auf die am Revers angebrachten Marken. Phil und ich betraten das Wohnzimmer, nachdem der Leiter der Kriminaltechniker uns ein Zeichen gegeben hatte.

»Die Frau muss auf der Stelle tot gewesen sein. Dem Schusswinkel nach zu urteilen, kam der Schuss vom Dach des genau gegenüberliegenden Gebäudes. Ich habe zwei meiner Leute bereits hinübergeschickt, um dort ebenfalls alle Spuren zu sichern«, erklärte der Techniker.

Ich schaute in das bleiche Gesicht von Wendy Hamilton, deren Leichnam soeben in einen Leichensack gelegt wurde. Dann konzentrierte ich mich wieder auf den Leiter der Kriminaltechniker.

»Die Tote leistete vermutlich Beihilfe im Mordfall Popow. Sorgen Sie bitte dafür, dass alle Spuren dahingehend überprüft werden«, wies ich ihn an.

Für Phil und mich blieb in dem Apartment nichts mehr zu tun, weshalb wir zurück ins Field Office fuhren. Dort setzten wir uns mit Mr High zusammen, da unser Chef einen vorläufigen Bericht erwartete.

»Können wir einen Machtkampf innerhalb der russischen Mafia definitiv ausschließen?«, fragte Mr High.

Ich wollte diese Möglichkeit zwar nicht völlig außer Acht lassen, sah aber keinen vordringlichen Ermittlungszwang in dieser Richtung.

»Dann stellen Sie den Mord an Popow in eine Reihe mit den Morden in Marseille und St. Petersburg?«

»Ja, Sir. Ich habe bereits eine Anfrage an die Kollegen geschickt, damit die sichergestellten Beweismittel von den Tatorten nach diesen Matrjoschkapuppen überprüft werden«, antwortete ich.

Die Antworten aus Frankreich und Russland standen noch aus, aber ich vertraute auf meine Instinkte.

»Wer könnte über solche Mittel verfügen, um einen der teuersten Profikiller für drei Morde zu beauftragen? Gibt es Hinweise auf einen Krieg zwischen den Russen und anderen kriminellen Organisationen?«, fragte Mr High weiter.

»Zurzeit sehe ich darin eine Möglichkeit, Mister High. Eine Anfrage bei unseren Informanten blieb bislang allerdings erfolglos«, sagte ich.

»Die Kollegen aus dem Bereich der organisierten Kriminalität haben ebenfalls keine Hinweise darauf«, warf Phil ein.

Unsere einzige Spur war quasi vor unseren Augen getötet worden. Um einen Hinweis auf den Matrjoschkakiller zu finden, wollte ich den persönlichen Hintergrund von Wendy Hamilton komplett erforschen.

»An einem Punkt ihres Lebens muss Miss Hamilton mit dem Mörder in Verbindung getreten sein. Vielleicht hatte sie früher schon Aufträge aus den Reihen der russischen Mafia«, erklärte ich mein Vorgehen.

In Ermangelung besserer Ideen stimmten unser Chef und mein Partner diesem Vorgehen zu. Also kehrten Phil und ich an unsere Schreibtische zurück, um auf verschiedenen Wegen mehr über das Callgirl zu erfahren. Wir benötigten zwei Stunden, dann lag das Leben von Wendy Hamilton offen vor uns. Bis vor drei Wochen ging sie zwei Beschäftigungen nach: Tagsüber arbeitete sie als Kellnerin in einem Diner und abends bot sie ihre Dienste für zahlende Kundschaft an.

»Sie hat gleich den Sprung ins Milieu der Callgirls geschafft, Phil. Wie ging das? Ohne Hilfe aus dem Umfeld schafft eine Kellnerin aus Queens das nicht.«

Mein Partner sah es genauso und hatte daraufhin auch die beruflichen Kontakte stärker untersucht.

»Der Diner, in dem Hamilton gearbeitet hat, gehört zu einer der vielen Firmen von Alexander Orlow«, sagte er.

Das war niemand Geringerer als der Patriarch der russischen Mafia in New York. Während Popow die täglichen Geschäfte geführt hatte, zog Orlow im Hintergrund die Fäden. Der Respekt vor seiner Person war so groß, dass man ihn als Schlichter bei allen internen Streitigkeiten akzeptierte.

»Angesichts der vielen Unternehmen, die irgendwie zum Firmenimperium Orlows zählen, ist es wohl eher eine sehr schwache Verbindung«, mahnte ich.

Mein Partner teilte meine Skepsis, wollte sich aber trotzdem ein wenig im Diner umhören. Wir meldeten uns ab und fuhren hinüber nach Queens. Der Diner lag in der Myrtle Avenue in Glendale. Der Geschäftsführer war ein eingewanderter Mann aus Pakistan, der sich besorgt über unser Erscheinen zeigte.

»Alle Papiere sind in Ordnung, Agent Cotton«, wiederholte er ständig.

»Daran zweifeln wir auch nicht, Sir. Es geht um eine ehemalige Mitarbeiterin von Ihnen. Wendy Hamilton hat doch bis vor etwa einem Monat im Diner gekellnert, oder?«

Bei meiner Frage beruhigte der Geschäftsführer sich ein wenig.

»Ja, das stimmt. Wendy war eine sehr fleißige, zuverlässige Mitarbeiterin. Leider hat man sie abgeworben, und nun hat sie eine Stelle irgendwo in Manhattan. Warum interessiert sich das FBI für Wendy?«

Ich erklärte dem entsetzten Mann, wie seine ehemalige Kellnerin ums Leben gekommen war. Als ich dann auf die Orlows zu sprechen kam, rechnete ich mit einem schnellen Ende der Kooperationsbereitschaft. Doch ich erlebte das genaue Gegenteil.

»Oh, ja. Mistress Orlow kommt regelmäßig in den Diner und hat sich auch mit Wendy gut verstanden«, teilte der Geschäftsführer mit.

Galina Orlow war die Tochter des Patriarchen und unterstützte ihren Vater bei der Steuerung des Firmenimperiums. Ich war ihr nie persönlich begegnet, doch ein solches soziales Engagement machte mich misstrauisch. Lag der Schlüssel zu unserem Fall womöglich in diesem Diner?

»Was hältst du von der Sache mit Galina Orlow?«, fragte ich Phil.

Wir hatten den Diner verlassen und standen beim Jaguar.

»Möglicherweise ist Mistress Orlow lediglich eine Geschäftsfrau moderner Prägung, der die Mitarbeitermotivation sehr am Herzen liegt. Es könnte aber auch sein, dass mehr hinter diesem Diner steckt, als der erste Anschein es vermuten lässt«, antwortete Phil.

Ich schlug ihm einen Überraschungsbesuch in der Firmenzentrale der Orlows vor, um uns einen unmittelbaren Eindruck von Galina zu verschaffen. Da Phil keine Einwände erhob, lenkte ich den Jaguar gleich darauf zurück in Richtung Manhattan.

Unser Vorhaben scheiterte an der Abwesenheit der Geschäftsfrau. Einer von Galina Orlows Assistenten teilte uns mit, dass seine Chefin geschäftlich auf Reisen war. Auf mein Drängen hin gab er ihre Reiseroute heraus und drückte mir eine Visitenkarte von ihr in die Hand. Ich versuchte sofort, Mrs Orlow zu erreichen, doch mir blieb vorerst nur ihre Mailbox. Also hinterließ ich eine Nachricht und verließ zusammen mit Phil die Firmenzentrale.

»Hast du eine brauchbare Theorie, wie Hamilton und Orlow in Verbindung mit dem Mord an Popow zu bringen sind?«, fragte Phil.

Ich stieg in den Jaguar und startete die Viper-Maschine, bevor ich nur den Kopf schüttelte. Bisher fehlten konkrete Hinweise, die ich zur Schaffung einer solchen Theorie benötigte. Der Fall entwickelte sich frühzeitig zu einem schwer zu knackenden Rätsel. Meine Befürchtung ging dahin, dass wir es mit einer sehr zähen, langatmigen Ermittlung zu tun haben könnten.

***

Die schwer bewaffneten Männer der Spezialeinheit SOBR drangen blitzschnell aus vier verschiedenen Richtungen in das Gebäude ein. Major Koslow führte den Zugriff, der sich gegen die Organisation von Jefim Golubew richtete.

»Dieses Mal muss es klappen«, sagte der Major.

Sein Stellvertreter, Hauptmann Fjodre Saizew, nickte mit skeptischer Miene. Die beiden Offiziere der schnellen Einsatzgruppe aus St. Petersburg hatten in der Vergangenheit überwiegend Fehlschläge hinnehmen müssen, wann immer sie einen Zugriff gegen die Organisation von Golubew unternahmen. Das Problem kannten beide Männer nur zu gut. Die Unterstellung der Spezialeinheit unter die örtliche Polizeibehörde machte nahezu alle Ermittlungen gegen das organisierte Verbrechen zunichte. In der Verwaltung der Polizei saßen viele Spitzel von Golubew, die sich ihr mageres Gehalt gerne durch Bestechungsgelder aufbesserten.

»Vorsicht!«

Der Warnruf ließ Koslow mit einem Satz hinter einer der Druckerpressen abtauchen. Zwei mit AK-47 bewaffnete Gangster eröffneten das Feuer auf die Einsatzkräfte. Mehrere Kugeln prallten von den teuren Druckmaschinen ab und heulten als Querschläger durch die Halle. Im Grunde taten die Gangster den Männern unter Koslows Kommando einen Gefallen, wenn sie die wertvollen Maschinen beschädigten oder gar zerstörten. Solange sie stillstanden, konnte kein weiteres Falschgeld gedruckt und in Umlauf gebracht werden.

»Polizei! Ergeben Sie sich. Das Gelände ist umstellt«, brüllte Koslow.

Es war ein sinnloses Unterfangen, diese Gangster zur Aufgabe bewegen zu wollen. Dank ihrer gut gesicherten Position dauerte es länger als gewünscht, um die beiden Männer auszuschalten. Dann rückte der Major mit zehn seiner Spezialisten in das obere Stockwerk vor, wo seiner Ansicht nach die Druckvorlagen für die Blüten sowie eine größere Menge Falschgeld lagern sollten.

»Die Tür ist zu, Herr Major. Sie wurde offenbar mit Stahl verstärkt, damit wir sie nicht so schnell aufbekommen«, meldete einer der Polizisten.

Hauptmann Saizew benötigte keine Aufforderung, um sich des Problems anzunehmen. In kürzester Zeit organisierte er ein Schweißgerät und zwei Polizisten, die es bedienen konnten. In der Wartezeit durchsuchte der Major die anderen Räumlichkeiten, die kaum etwas Verwertbares hergaben. Koslow ahnte, dass Golubews Gangster auch dieses Mal eine Warnung erhalten hatten. Ihre ganze Hoffnung ruhte nun auf den Dingen, die sich hinter der Stahltür verbargen.

»Wir sind gleich so weit, Demjan«, meldete Hauptmann Saizew.

Voller Anspannung verfolgte Major Koslow, wie die Polizisten die Stahltür aufstießen und zunächst dahinter sicherten. Schließlich folgte der Anführer des Einsatzkommandos seinem Stellvertreter. Hinter der Tür stießen die Einsatzkräfte auf einen Gang, von dem sechs Türen abgingen. Die Spezialisten überprüften die Räume, ohne auf Falschgeld oder eine der Druckvorlagen zu stoßen.

»Herr Major? Das müssen Sie sich ansehen.«

Koslow folgte dem aufgeregten Polizisten, der ihn zu einer Tür führte. Von dort ging eine schmale Stahltreppe in die Tiefe.

»Die Gangster müssen die Zeit genutzt haben, um über diese Treppe zu fliehen«, erklärte der Beamte.

»Stimmt. Aber dann müssten sie doch von den Kollegen im Außenbereich bemerkt worden sein«, knurrte der Major.

Koslow rief seinen Stellvertreter zu sich und kletterte die Stahltreppe hinunter. Auf dem Platz, in dessen Fugen Unkraut wucherte, konnte der Major die Spuren von Reifen erkennen. Als Fjodor Saizew neben seinen Freund und Vorgesetzten trat, deutete Koslow in Richtung Newa.

»Sie haben die Zeit genutzt, um die Druckvorlagen sowie das Falschgeld mit wenigstens zwei Geländewagen zum Fluss zu schaffen. Dort müssen sie in Boote umgestiegen und geflohen sein«, sagte Koslow.

Bei der Vorbereitung des Zugriffs hatte der Major sich stundenlang die Aufnahmen des Geländes angesehen, um kein Schlupfloch zu übersehen. Damit keiner der normalen Polizisten beide Augen zudrückte und so eine Flucht ermöglichte, hatte Koslow in der Außensicherung ebenfalls Angehörige der SOBR eingesetzt.

»Wie konnten die Gangster an unseren Männern vorbeikommen?«, fragte der Hauptmann.

Das war genau die Frage, die auch seinen Vorgesetzten brennend interessierte. Koslow vertraute den Angehörigen der SOBR nahezu blind und wollte einfach nicht glauben, dass es sogar darunter schwarze Schafe geben sollte. Zusammen mit seinem Stellvertreter eilte der Major über den Platz zu dem Sammelpunkt der Einsatzfahrzeuge. Wie erwartet standen dort die normalen Polizeibeamten herum, rauchten Zigaretten und plauderten lässig mit ihren Kollegen.

»Wo sind meine Männer?«, fragte der Major.

Wütend funkelte der Einsatzleiter seinen gleichrangigen Kollegen von der Polizei St. Petersburg an. Der rundliche Major schaute Koslow aus braunen Augen verschlagen an.

»Sie haben offenbar unklare Anweisungen erteilt, Major Koslow. Daher habe ich Ihre Männer neu eingeteilt. Sie sichern die Zufahrt vom Prospekt her«, erwiderte er.

Demjan Koslow machte einen Schritt auf seinen Kollegen der normalen Polizei zu, doch bevor er handgreiflich werden konnte, hielt ihn Hauptmann Saizew am Arm zurück.

»Es hat keinen Sinn, Demjan. Alle werden Major Rostovzew glauben, und du kannst nicht das Gegenteil beweisen. Wetten, dass die Einsatzberichte bereits manipuliert wurden?«

Mit einem verärgerten Ruck befreite Major Koslow sich aus dem Griff seines Freundes und stapfte dann unter den frechen Blicken der Polizisten aus Rostovzews Dienststelle davon. Seine Männer sicherten die Zufahrtsstraße und waren wütend über die Geschehnisse.

»Rostovzew hat uns untersagt, die Funkstille zu brechen. Ständig waren einige seiner Beamten in der Nähe, sodass wir nicht mit Ihnen in Verbindung treten konnten.«

Koslow konnte seinen Männern keinen Vorwurf machen. Wieder einmal hatte das korrupte Element in der Polizei gesiegt, und als der Major der SOBR sich bei der Wasserschutzpolizei nach dem Verbleib des flüchtigen Bootes erkundigen wollte, erhielt er die zweite niederschmetternde Auskunft.

»Unsere Boote wurden vor zehn Minuten abberufen, Herr Major. Uns wurde mitgeteilt, dass der Zugriff beendet wäre«, lautete die Aussage.

Major Koslow wurde bestätigt, dass die Abberufung von der Zentrale der Polizei ergangen war. Er würde es in seinem Bericht festhalten, aber niemand würde sich darum scheren. Jefim Golubew hatte sein Schmiergeld gut eingesetzt und Koslow würde sich nicht wundern, wenn einige der Polizeibeamten höchstpersönlich Falschgeld in Umlauf brachten. Mit oder ohne eigenes Wissen.

***

Zwei lange Tage bewegten sich unsere Ermittlungen nahezu auf der Stelle. Die Überprüfung der Kollegen in Marseille sowie St. Petersburg hatte jeweils das Markenzeichen des Matrjoschkakillers zutage gefördert.

»Die Reaktionen fielen einhellig sehr deutlich aus, Jerry. Sowohl in Frankreich wie auch in Russland zeigte man sich aufs Höchste beunruhigt über die Auftragsmorde«, sagte Mr High.

Er hatte Phil und mich zu einer Besprechung gebeten, an der auch June Clark und Blair Duvall teilnahmen. Offenbar strebte unser Chef eine Ausweitung der Ermittlungen an.

»Konnte einer Ihrer Amtskollegen etwas zu möglichen Motiven sagen?«, fragte ich.

Leider tappten die Kollegen auf dem Kontinent genauso im Dunkeln wie wir auch. Wäre nicht die Matrjoschkapuppe gewesen, würden wir nicht einmal die Identität des Killers kennen. Nur dessen Eitelkeit hatte uns diesen Hinweis eingebracht.

»June und Blair gehen der Spur mit Galina Orlow nach. Sie und Phil bleiben an der Organisation von Popow dran, Jerry. Es muss einen Anlass für diese Morde gegen führende Mitglieder der russischen Mafia geben«, ordnete Mr High an.

Im Grunde gab es keine wirkliche Spur, die Galina Orlow mit dem Mord in Verbindung brachte. Die Tatsache, dass unser Chef die Kollegen dennoch in diese Richtung ermitteln ließ, bewies die Nervosität der Verantwortlichen. In unserem Büro weihten wir June und Blair in die wenigen Erkenntnisse ein, über die wir im Zusammenhang mit der Tochter des Patriarchen der Russenmafia verfügten. Für die Kollegen würde es ein wahrer Drahtseilakt werden, denn Orlow schätzte keine neugierigen Bundesagenten.

»Wir sollten uns in der früheren Nachbarschaft von Wendy Hamilton umhören, Phil. Dort sollten wir eher etwas über ihre Freunde und Bekannten in Erfahrung bringen«, schlug ich vor.

Mein Partner hatte diese mühsame Aufgabe bisher immer in der Priorität nach hinten geschoben, doch für mich war es jetzt der richtige Zeitpunkt. Phil sah es ein und so fuhren wir hinüber nach Queens. Ich hatte noch immer das elegante Apartment in der Columbus Avenue in Erinnerung, als wir uns vom Hausmeister die frühere Wohnung von Wendy Hamilton aufschließen ließen. Sie gehörte eindeutig in die Kategorie günstige Bleibe, denn mehr als ein winziges Wohnzimmer mit offener Küchenzeile sowie ein noch kleineres Badezimmer war nicht vorhanden.

»Sie muss im Wohnzimmer geschlafen haben, Jerry. Diese Couch lässt sich zu einem Bett umbauen.«

Wir hatten den Hausmeister gebeten, einen Blick ins Wohnungsinnere zu werfen. Er konnte auf Anhieb sagen, dass die ehemalige Kellnerin offenbar fast alle Möbelstücke zurückgelassen hatte. Ich sah zu meinem Partner, der sich die Couch samt Beistelltisch näher angesehen hatte.

»Ist das etwa noch geöffnete Post von Miss Hamilton?«, fragte ich.

Auf dem Beistelltisch lagen einige Zeitschriften und ganz obenauf mehrere Kuverts. Phil nahm sie in die Hand und überflog den Adressaten sowie die Absender, bevor er zustimmend nickte.

»Scheinen diverse Mahnungen offener Rechnungen zu sein, Jerry. Der soziale Aufstieg kam offenbar genau zum richtigen Zeitpunkt«, kommentierte Phil.

Ich hatte so meine Zweifel. Möglicherweise hatte jemand eher die finanzielle Not der jungen Frau ausgenutzt. Ihr Luxusleben als gut bezahltes Callgirl hatte nicht lange gedauert.

»Ist da vielleicht ein Brief dabei, der Miss Hamilton ein interessantes Angebot unterbreitet?«, fragte ich.

Mein Partner tat mir den Gefallen und las alle Schreiben aufmerksam durch.

»Nein. Von diesen Leuten wollte keiner für eine bessere Lage im Leben einer kleinen Kellnerin sorgen.«

Der Einfall war so gut gewesen, aber leider schien es an diesem Tag mit meiner Intuition nicht allzu weit her zu sein. Phil und ich verbrachten eine komplette Stunde mit der gründlichen Durchsuchung der Wohnung, ohne auf einen hilfreichen Hinweis zu stoßen.

»Ich bitte die Spurensicherung, sich die Sachen nochmals gründlich vorzunehmen«, entschied ich schließlich.

***

Als ich im Labor anrief und zugeben musste, dass Phil und ich bereits in der Wohnung aktiv geworden waren, erhielt ich einen Rüffel. Ich beruhigte den Schichtleiter und machte die Angelegenheit auch nicht sonderlich dringend. Wir versiegelten die Wohnungstür und informierten den Hausmeister darüber, damit er das Apartment nicht weitervermietete.

»Miss Hamilton ist also tot?«

Die Frage des Mannes überraschte mich.

»Ja, ist sie. Gibt es noch etwas, was Sie uns mitteilen möchten?«, wollte ich wissen.

Der Hausmeister druckste ein wenig herum, um schließlich mit der Wahrheit herauszurücken.

»Es geht um die Kaution, Agent Cotton. Miss Hamilton hat sie nie abgeholt.«

Einen Augenblick starrte ich den Mann nur an. Sein Hinweis auf die Mietkaution löste eine Idee bei mir aus, auf die ich ruhig schon früher hätte kommen können.

»Da Sie vermutlich die Möbel entsorgen lassen und die Wohnung renovieren müssen, sollten Sie die Kaution dafür einsetzen. Ich informiere Sie aber noch, ob es Verwandte gibt, die eventuell Anspruch auf die Kaution erheben könnten«, antwortete Phil.

Auf dem Weg zum Jaguar erzählte ich meinem Partner von der Idee, die mir gekommen war. Phil stieg ein und schüttelte verwundert den Kopf.

»Darauf hätten wir wirklich kommen müssen, Jerry. Irgendwer muss Wendy Hamilton die Kaution für die teure Wohnung in der Columbus Avenue vorgeschossen haben. Mal sehen, wer der großzügige Geldgeber war«, stimmte er zu.

Während Phil sich ins System einloggte, lenkte ich den Jaguar zurück nach Manhattan. Ich erwartete eine schnelle Antwort auf die Frage nach dem edlen Sponsor des Callgirls, doch die blieb Phil mir leider schuldig.

»Das Geld ist über mehrere Wege an den Makler geflossen, Jerry. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als wenn Miss Hamilton ihre Familie und Freunde um Unterstützung gebeten hätte. Doch das halte ich nur für ein Scheinmanöver«, sagte Phil.

Ein cleverer Schachzug, da es auf diese Weise häufig gemacht wurde. Sobald jemand eines der begehrten Apartments in Aussicht hatte, bat er seine Eltern oder Freunde um ein kurzfristiges Darlehen. Die Makler reagierten zugänglicher, wenn die neuen Mieter ihnen einen Nachweis der erforderlichen Mietkaution vorlegten. In unserem Fall glaubten wir aber beide nicht an diese Option, sondern schätzten es als Ablenkungsmanöver ein. Im Büro machte Phil sich sofort an die Arbeit, um den Hintermann zu finden.

»Geld hinterlässt wunderbare Spuren, egal wie gut man sie verwischen will«, meinte Phil lakonisch.

Da mein Partner mit dieser Aufgabe bestens beschäftigt war, besuchte ich einen Kollegen aus der Abteilung für organisierte Kriminalität. Mir war es wichtig, die Querverbindungen zwischen Lew Popow und Alexander Orlow aufzudecken. Vielleicht fand ich so das Motiv für den Mord.

»Drei ermordete Anführer der russischen Mafia, und alle durch die Hand desselben Profikillers. Da muss ein Zusammenhang bestehen, der über New York hinausgeht«, musste auch der Kollege zugeben.

Ich teilte seine Auffassung, aber an irgendeiner Ecke musste ich nun einmal anfangen. Da lag es auf der Hand, sich über die Situation innerhalb der russischen Mafia von New York zu informieren.

***

Major Koslow umging wieder einmal die Dienstvorschriften, als er dem Hinweis eines seiner Informanten nachging. Er hatte viele Gläser Wodka und diverse Bündel Rubelscheine eingesetzt, um an Informationen über den Mord an Taras Kusmin zu kommen. Normalerweise musste der Major des Spezialkommandos jeden seiner Schritte mit dem Kollegen der normalen Polizei abstimmen. Doch angesichts des allzu häufigen Durchsickerns von Informationen unterließ Koslow es dieses Mal.

»Du weißt, was dir blüht, wenn du mir einen Bären aufbindest?«

Koslow war zusammen mit Saizew zu dem Treffen gegangen. Seine Warnung richtete sich an Grigori, den Informanten. Der grinste schief und legte dabei eine Anzahl gelblicher Zähne frei.

»Das würde ich nie im Leben wagen, Major. Du giltst nicht als nachsichtig, wenn dich jemand verrät«, erwiderte er.

Diesen Ruf hatte Major Koslow einem Zufall zu verdanken, bei dem ein verlogener Informant auf brutale Weise ums Leben gekommen war. Der Mann hatte eine Fehlinformation an den Major weitergeleitet, um diesen in einen Hinterhalt zu locken. Doch Koslow hatte die Falle gewittert und konnte sich in letzter Sekunde absetzen, was dem stark alkoholisierten Informanten jedoch nicht mehr glückte. Seit diesem Ereignis hielt sich hartnäckig das Gerücht, Major Koslow würde nicht zimperlich mit Lügnern umspringen.

»Dann erzähl mal, Grigori«, forderte Koslow.

Sie hockten an einem leidlich sauberen Tisch in einem einfachen Restaurant. Von ihrem Fensterplatz aus konnte Koslow die träge dahinfließende Moika erkennen, die sich unter der Grünen Brücke ihren Weg bahnte.

»Es gibt einen Exilrussen, der aus New York kommt und bei dem Anschlag geholfen haben soll. Du findest ihn fast jeden Abend im Gribojedow«, sagte Grigori.

Der Major kannte den Club in der Voroneschskaja, der seine Räumlichkeiten in einem alten Bunker hatte. Dort trafen sich Russen und Ausländer völlig zwanglos, da nur vermögende Menschen sich die Preise in dem Club leisten konnten. Es würde Sinn machen, wenn ein aus den USA stammender Russe sich dort aufhielt.

»Ich brauche einen Namen, Grigori. Sonst ist diese Informationen kein Glas Wodka wert«, drängte Koslow.

Während der Major sich ausschließlich auf das Gespräch mit dem Informanten konzentrierte, behielt sein Stellvertreter die Umgebung sorgsam im Auge. Hauptmann Saizew ging davon aus, dass die Mafia dieses Treffen durchaus als Störung ansehen konnte. Daher stellte jeder der Anwesenden eine mögliche Bedrohung dar. Koslows Stellvertreter fand besonders drei Männer an einem Ecktisch auffällig, da ihre Blicke schon mehrmals zum Tisch des Informanten gegangen waren.

»Er nennt sich Kirill Below. Es ist vermutlich sogar sein richtiger Name. Welche Rolle er bei dem Mord gespielt hat, weiß ich aber nicht«, antwortete Grigori.

Koslow ließ sich den Mann ausgiebig beschreiben und hakte so lange nach, bis er sich seiner Sache sicher war. Mit mehr konnte sein Informant wirklich nicht dienen. Mit einem zufriedenen Nicken schob der Major das Bündel mit Rubelscheinen über den Tisch, das Grigori blitzschnell in seiner Jackentasche verschwinden ließ. Er tat gut daran, da der Informant ab sofort ein lohnenswertes Opfer war. Koslow kippte den restlichen Wodka in einem Zug hinunter, bevor er sich erhob.

»Vorsicht, Demjan!«

Hauptmann Saizew hatte die Männer am Ecktisch keine Sekunde aus den Augen gelassen, sodass er ihren Angriff rechtzeitig erkannte. Beide Polizisten zogen ihre Makarows und feuerten auf die Gangster. Die Schüsse krachten zeitgleich los und lösten umgehend ein Chaos aus. Gäste schrien laut auf und kippten Tische um, wobei Gläser und Geschirr zu Boden fielen. Koslow erwischte den hünenhaften Mann auf der linken Seite, während Saizew den Angreifer in der Mitte von den Beinen holte.

»Die Miliz rückt an«, rief eine Männerstimme.

Viele Russen nannten die Polizei immer noch bei ihrem vertrauten Titel und ignorierten den Namenswechsel. Koslow vernahm das auf- und abschwellende Heulen der Sirenen verschiedener Einsatzfahrzeuge. Vermutlich zahlte der Inhaber des Restaurants eine gepfefferte Gebühr an die zuständige Wache, wenn man dermaßen schnell reagierte. Ausnahmsweise war es dem Major nur recht, denn die Gangster wandten sich sofort zur Flucht.

»Nein, lass sie«, rief er dem Hauptmann zu.

Sein Stellvertreter wollte die Flüchtigen verfolgen, doch damit sollten sich nach Koslows Auffassung lieber die Kollegen der normalen Polizei herumschlagen. Als wenige Augenblicke später die Uniformierten ins Restaurant stürmten, wiesen Koslow und Saizew sich aus. Sie durften ohne viele Fragen das Lokal verlassen.

»Sehen wir mal, was der Name taugt«, sagte der Major.

Die beiden Polizisten saßen im dunkelblauen Audi A6. Hauptmann Saizew schaute seinem Vorgesetzten zu, während der in dem Bordcomputer nach Kirill Below suchte.

»Die Schützen haben entweder Grigori oder uns beobachtet, Demjan«, sagte Fjodor.

Der Major hob den Kopf kurz an und musterte seinen Stellvertreter alarmiert.

»Du meinst, es könnten Männer von Kusmin gewesen sein?«, fragte er.

Der Anschlag auf einen der mächtigsten Gangsterbosse von St. Petersburg hatte bereits eine Welle von Gewalt ausgelöst, und es wurde viel Einfluss auf die Ermittlungen ausgeübt. Niemand wollte, dass die SOBR ihre Nasen zu tief in die Geschäfte der kriminellen Organisation steckte.

»Ja. Sie haben die ganze Zeit unser Treffen beobachtet, und kaum hatte Grigori uns die Informationen anvertraut, zogen die Typen ihre Waffen.«

Nachdenklich kratzte Major Koslow sich am Kinn, an dem sich erste Bartschatten zeigten. Oft rasierte er sich zweimal am Tag, doch noch öfter ließ er die Bartstoppeln einfach stehen. Ein kühler Lufthauch streifte Koslows Gesicht, nachdem der Hauptmann den Audi gestartet und die Klimaanlage eingeschaltet hatte.

»Dann halte ja die Augen auf, mein Freund. Wir wollen die Gangster nicht direkt zu Below führen«, mahnte Koslow.

Auf dem Monitor des Bordcomputers war eine Meldung erschienen, die dem Major einen leisen Pfiff entlockte.

»Es gibt einen Kirill Below im Polikoff«, sagte der Major.

Fjodor Saizew legte den Gang ein und lenkte den Audi in den fließenden Verkehr. Der Hauptmann kannte das moderne Hotel in der Altstadt, nur wenige Hundert Meter vom Newski-Prospekt entfernt.

»Passende Wahl für einen Profikiller, Demjan. In der Altstadt kann man schnell untertauchen, und die nächste U-Bahn-Station ist ganz in der Nähe«, stellte er fest.

Major Koslow sah es genauso und so stieg in ihm die Hoffnung, dass der Tipp von Grigori gut gewesen war. Jetzt mussten sie nur noch dafür sorgen, nicht von Gangstern verfolgt zu werden.

***

Als ich in unser Büro zurückkam, erwartete mich ein sichtlich zufriedener Phil.

»Jetzt kenne ich mich bei der Russenmafia noch besser aus, aber es gibt immer noch keinen brauchbaren Verdächtigen«, teilte ich mit.

Mit einem Seufzer ließ ich mich auf meinen Bürostuhl fallen und sah meinen Partner auffordernd an.

»Du siehst aber so aus, als wenn du mehr Erfolg gehabt hättest«, sagte ich.

Phil benötigte keine weitere Aufforderung, um mir von seinen mühsamen Recherchen zu berichten. Akribisch hatte er die Wege der verschiedenen Überweisungen zurückverfolgt, um an den ursprünglichen Zahler der Maklerkaution zu kommen.

»Alle Wege führen bekanntlich nach Rom. In unserem Fall müsste es jedoch heißen, sie führen zur Firmengruppe Orlow«, schloss er seinen Bericht.

Sofort fiel jede Erschöpfung von mir ab.

»Die gesamte Kaution kam von Orlow? Der Patriarch höchstpersönlich hat Wendy Hamilton die nötigen Mittel für die Wohnung an der Columbus Avenue zukommen lassen?«, fragte ich ungläubig.

Mein Partner hatte die Spuren sorgfältig überprüft und konnte den Verlauf der Überweisungen dokumentieren. Es bestand kein Zweifel, dass das Callgirl von der Organisation Orlows unterstützt worden war: erst die Anstellung in einem Diner der Familie und nun diese finanzielle Zuwendung.

»Das sollte reichen, um ein ernsthaftes Gespräch mit Alexander Orlow und dessen Tochter zu führen«, sagte ich.

Wir besprachen unser Vorhaben mit Mr High, da eine Vernehmung des Patriarchen der russischen Mafia durchaus seine Fallstricke hatte. Möglicherweise stachen wir in ein Wespennest und lösten ungewollt einen Krieg mit der Mafia aus.

»Versuchen Sie Ihr Glück, Jerry. Möglicherweise gewährt Ihnen Alexander Orlow tatsächlich eine Audienz, aber wahrscheinlich werden Sie sich mit Galina begnügen müssen«, meinte der Chef.

Zurück in unserem Büro diskutierten wir das weitere Vorgehen. Phil sprach sich für einen unangemeldeten Besuch in der Firmenzentrale aus, während ich mehr für einen festen Termin war. Wir hatten uns schließlich schon einmal umsonst auf den Weg gemacht.

»Ich mache es sehr dringend, Phil. Mit ein wenig Glück ist Galina Orlow ein neugieriger Mensch, sodass sie sehr bald einen Termin ermöglicht.«

Mit diesem Kompromiss konnte Phil leben. Der Hinweis auf den Matrjoschkakiller verschaffte uns ein Treffen noch am gleichen Nachmittag. In dem modernen Bürohochhaus wurden wir von einem sehr effizienten Sicherheitsmitarbeiter in Empfang genommen. Sein Misstrauen uns gegenüber war quasi mit Händen greifbar, als wir gemeinsam im Fahrstuhl in das 32. Stockwerk fuhren.

»Gibt es Anlass zur Besorgnis?«, erkundigte ich mich.

Der Sicherheitsmann schaute mich aus flaschengrünen Augen irritiert an.

»Was meinen Sie damit, Agent Cotton?«, fragte er.

»Sie wirken sehr nervös und daher denke ich mir, dass Sie sich Sorgen um die Sicherheit machen«, antwortete ich.

Der Mann wiegelte ab und flüchtete sich in Allgemeinplätze, die ich ihm jedoch nicht abkaufte. Offenbar gab es Anzeichen für eine Gefahr, weshalb der Sicherheitsmann uns direkt ins Büro von Galina Orlow führte. Mit einer Geste scheuchte die Tochter des Patriarchen ihren Mitarbeiter aus dem Büro.

»Special Agent Cotton vom FBI. Das ist mein Partner, Special Agent Decker.«

Natürlich wusste die Frau längst, wer wir waren. Ich wahrte aber das offizielle Protokoll, indem ich uns vorstellte. Galina Orlow deutete zu dem Besprechungstisch und setzte sich auf den Stuhl am Kopfende.

»Was führt Sie zu mir, Agent Cotton?«

Rein äußerlich fand ich die Frau eher unauffällig, aber ihre Ausstrahlung war bemerkenswert. Galina Orlow war durch und durch eine erfahrene Geschäftsfrau, die bereits diverse Krisen gemeistert hatte – darunter sicherlich einige, die normalen Managern nie unterkamen. Als Angehörige der russischen Mafia musste Galina Orlow Situationen bewältigen, die spezielle Fähigkeiten erforderten. Bereits wenige Augenblicke nach unserem Kennenlernen traute ich ihr diese zu.

»Wir ermitteln im Mordfall Lew Popow, Miss Orlow. Es geht um die Maklerkaution, die durch Ihr Unternehmen für Wendy Hamilton gezahlt wurde«, erwiderte ich.

Meine Angaben blieben gewollt vage, da ich die Reaktion der Frau beobachten wollte. Ich konnte nicht einmal ein minimales Flackern in den graublauen Augen ausmachen.

»Mir sagt der Name leider überhaupt nichts, Agent Cotton. Gehört Miss oder Mistress Hamilton zu meinen Angestellten?«, reagierte sie gelassen.

Ich erklärte die Zusammenhänge, was kaum mehr als ein verwundertes Kopfschütteln auslöste.

»Das klingt seltsam, Agent Cotton. Wenn Sie mir alle erforderlichen Fakten überlassen, setze ich einen meiner Buchhalter auf das Problem an. Kann ich dem FBI sonst noch behilflich sein?«

Galina Orlow ließ sich zu keiner Zeit in die Karten blicken und bestätigte meine Einschätzung zu ihren Fähigkeiten.

»Könnten Sie in der Tat, Miss Orlow. Verraten Sie uns, wer am Tod von Lew Popow interessiert sein könnte. So sehr, dass ein Topkiller auf ihn angesetzt wird«, antwortete ich.

Sie hob die sorgsam ausgezupften Augenbrauen leicht an, um ihre Missbilligung meines Vorgehens auszudrücken.

»Würde ich über derartige Kenntnisse verfügen, hätte ich mich natürlich längst beim FBI gemeldet«, sagte Galina Orlow.

»Natürlich«, antwortete ich.

Ihr entging nicht die kleine Spitze in meiner Antwort, aber es kam keine Erwiderung. Stattdessen erhob Miss Orlow sich und komplimentierte uns aus ihrem Büro. Der Sicherheitsmitarbeiter hatte im Vorraum auf uns gewartet, um uns bis zur Ausgangstür im Erdgeschoss zu begleiten.

»Ihre Chefin macht sich übrigens auch keine Sorgen in Bezug auf die Sicherheit«, teilte ich ihm mit.

Ich genoss das verblüffte Stirnrunzeln des Mannes und folgte Phil auf die Straße.

»Die Lady ist eine gute Schauspielerin, Jerry. Sollte sie jemals an einem Pokertisch sitzen, dürften die Mitspieler ihre Bluffs kaum erkennen können«, sagte er.

Wir stiegen in den Jaguar.

»Stimmt. Trotzdem hat es sie geärgert, dass wir überhaupt auf diese Überweisungen gekommen sind. Möglicherweise aber auch nur, weil es nicht mit ihrer Genehmigung geschehen ist«, sagte ich.

Mir war ein Gedanke gekommen, wie sich die Vorbereitungen für den Mordanschlag eventuell abgespielt hatten.

»Wir sollten uns die mittlere Führungsebene in Orlows Firma einmal genauer ansehen, Phil. Vielleicht findet sich dort ein ungeduldiger Aufsteiger, der die Anschläge in Russland und Frankreich nur als Trittbrettfahrer genutzt hat.«

Phil dachte eine Weile über meine Theorie nach.

»Klingt ein wenig weit hergeholt, aber eine Überprüfung müssen wir sowieso vornehmen. Ich bin gespannt auf die Rückmeldung zu den Überweisungen, Jerry. Wetten, dass es sich dabei um einen Fehler der Banken handeln soll?«

Auf diese Wette stieg ich nicht ein. Keiner von uns erwartete, dass Galina Orlow uns eine echte Begründung für die Überweisungen liefern würde. Sie wollte nur das FBI aus ihrer Firma raushalten, weshalb sie sich nach außen kooperativ zeigte.

***

Major Koslow und Hauptmann Saizew wiesen sich am Empfangstresen des Hotels Polikoff als Polizeibeamte aus, um vom Hotelmanager zunächst die Auskünfte über den Gast Kirill Below einzuholen.

»Das sind alle Angaben, über die Sie verfügen?«, fragte der Major.

Er hatte den Ausdruck, den der Manager ihm ausgehändigt hatte, vor sich auf den Holztresen gelegt und hob nun den Blick. Der Hotelmanager erwiderte den prüfenden Blick ganz offen, sodass Koslow ihm Glauben schenkte.

»Ist der Gast auf seinem Zimmer?«

Als der Hotelmanager dies bestätigte, bat Major Koslow um einen Generalschlüssel.

»Verraten Sie mir, weshalb die Polizei sich für Herrn Below interessiert?«, fragte der Manager.

Um unnötigen Diskussionen aus dem Weg zu gehen, erfand der Major einen angeblichen Devisenbetrug.

»Du willst Below überrumpeln? Ohne weitere Unterstützung festnehmen?«

Hauptmann Saizew entsicherte seine Makarow-PMM und wartete auf eine Antwort seines Vorgesetzten.

»Below ist ein Profi, wenn er mit dem gesuchten Matrjoschkakiller zusammenarbeitet. Ich denke, wir beide sollten genügen für seine Festnahme«, sagte Koslow.

In Verbindung mit dem Überraschungsmoment sollte es tatsächlich möglich sein, wie Hauptmann Saizew einsah. Außerdem barg jede Anforderung für Unterstützung die Gefahr, dass ein korrupter Beamter Below warnte. An der Hotelzimmertür lauschte der Major kurz, bevor er seinem Stellvertreter ein Zeichen gab. Daraufhin schob Saizew die Schlüsselkarte in den dafür vorgesehenen Schlitz am Schließmechanismus. Kaum sprang die kleine Anzeige auf Grün, stieß Major Koslow die Tür auf und war mit drei langen Schritten im Wohnraum der Suite.

»Polizei! Keine falsche Bewegung, Below!«

Der drahtige Mann mit dunkelblonden Haaren und hellblauen Augen blieb ruhig in seinem Sessel sitzen. Seine feingliedrigen Hände lagen locker auf den Armlehnen, während Hauptmann Saizew hinter dem Major vorbeiging und sich dem Komplizen des Killers vorsichtig von der Seite her näherte.

»Langsam aufstehen und die Hände hinter den Kopf legen«, befahl Saizew.

Below befolgte die Anordnung präzise und wehrte sich nicht gegen die Leibesvisitation. Dann legte der Hauptmann ihm Handfesseln an und drückte ihn zurück in den Sessel.

»Ihr Name ist Kirill Below? Sie sind amerikanischer Staatsbürger mit Wohnsitz in New York?«

Der Mann nickte zustimmend.

»Das ist korrekt. Meine Papiere befinden sich in der Innentasche meines Sakkos«, sagte Below.

Sein Russisch war perfekt, aber es schwang ein leichter Akzent mit.

»Major Koslow und Hauptmann Saizew von der SOBR.«

Beide Polizisten hatten ihre Waffen wieder zurück ins Gürtelholster geschoben, da sich Below als ausgesprochen kooperativ erwies. Der Major klappte sein Etui mit dem Dienstausweis auf und hielt es Below hin, der einen neugierigen Blick darauf warf.

»Dann sind Sie keine normalen Polizisten, oder?«

Koslow erklärte ihre Zugehörigkeit zum Spezialkommando, das bevorzugt im Bereich der Schwerkriminalität ermittelte. Der Major bemerkte einen Ausdruck von Verblüffung in den blauen Augen von Below.

»Die Papiere sind vorläufig eingezogen«, sagte der Hauptmann.

Eine steile Falte bildete sich zwischen Belows Augenbrauen.

»Warum? Was werfen Sie mir eigentlich vor, Herr Major?«

Koslow war sich nicht schlüssig, was er von Below halten sollte. Für einen Unbeteiligten verhielt er sich, angesichts der außergewöhnlichen Situation, entschieden zu ruhig. Seine Fragen waren aber mit genügend Verdruss gestellt, so wie ihn ein Unschuldiger empfinden musste.

»Sie stehen unter dem Verdacht, an dem Mordanschlag auf Taras Kusmin beteiligt gewesen zu sein«, antwortete Koslow.

Erstaunlicherweise blieb der Protest von Kirill Below aus, was den Major einen Seitenblick mit seinem Stellvertreter austauschen ließ. Wären sie im Zimmer eines Unschuldigen gewesen, hätte dieser sich gegen einen solchen schweren Vorwurf verwahren müssen.

»Gibt es Beweise dafür oder gehen Sie einer Eingebung nach?«, fragte Below.

Es war schwer, seine wahren Gefühle abzulesen. Major Koslow hatte genügend Vernehmungen mit abgebrühten Gangstern geführt, um sich auf seine Erfahrung verlassen zu können. Doch das Verhalten von Below wollte so überhaupt nicht in eine der Schubladen passen.

»Wir haben einen Zeugen, der Sie in Begleitung des Killers gesehen hat«, antwortete Saizew.

Ohne lange Absprache wählten die beiden Polizisten ihr gewohntes Vorgehen, um den Befragten unter Druck zu setzen. Saizews sehr großzügige Auslegung von Grigoris Hinweis gehörte zu ihrem Spielraum, den Koslow und er sich gewährten.

»Ach, tatsächlich? Ihr Zeuge taugt nichts, Herr Hauptmann. Ich glaube, es wird Zeit, mein Konsulat über den Vorfall zu informieren. Oder wollen Sie mich davon abhalten?«

Jetzt zeigte Below das erwartete Auftreten, und doch blieb sein Verhalten fragwürdig. Wieso wehrte er sich erst jetzt gegen die Beschuldigungen?

»Keineswegs, Herr Below. Sie können von meiner Dienststelle aus mit dem Generalkonsulat in Verbindung treten. Folgen Sie uns bitte.«

Hauptmann Saizew legte Kirill Below dessen Sakko über die Schultern, sodass die Handfesseln nicht so leicht zu sehen waren. Wortlos ließ er es sich gefallen und auch, wie der Hauptmann ihn am Arm auf den Gang dirigierte.

»Nur, um mögliche Missverständnisse auszuschließen: Bei einem Fluchtversuch wird sofort geschossen. Verstanden?«, mahnte Saizew seinen Häftling.

»Dazu wird es nicht kommen, Herr Hauptmann«, antwortete Below.

Es lag etwas in Belows Stimme, was Major Koslow verunsicherte. Spielte er ein Spiel? Wartete Below eventuell darauf, dass der Matrjoschkakiller ihm zu Hilfe kam?

»Wir fahren mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage, Fjodor. Dort wartest du, bis ich den Wagen geholt habe«, sagte er.

Sein Stellvertreter nickte und hatte jetzt wieder seine Makarow schussbereit in der Hand. Offensichtlich teilte er Koslows Unbehagen und wollte auf alle Eventualitäten vorbereitet sein. Der Major hatte ein schlechtes Gefühl, als er Saizew allein mit Below in der Tiefgarage zurückließ. Während er durch eine Seitentür das Hotel verließ und auf den Audi zueilte, wanderte sein Blick unablässig hin und her. Koslow rechnete jede Sekunde mit einem Angriff. Als er die Limousine erreichte und die Türen entriegelte, spürte der Major ein unangenehmes Kribbeln im Nacken. Hatte der Matrjoschkakiller ihn bereits im Visier?

***

Mir fiel der Chevy schon nach kurzer Zeit auf. Der schwere SUV passte sich nicht dem fließenden Verkehr an, sondern wechselte unnötig die Fahrspur. Anfangs hielt ich den Fahrer einfach für einen ungeduldigen Menschen, der sich mit dem Verkehrsfluss schwer tat. Doch dann meldete sich mein Instinkt.

»Wir haben einen Schatten, Phil.«

Mein Partner hatte sich ins System eingeloggt und schaute verblüfft vom Monitor in der Mittelkonsole hoch. Phil schaute in den Innenspiegel und benötigte keinen weiteren Hinweis von mir.

»Du meinst den schwarzen Chevrolet Equinox?«, fragte er.

»Genau, Phil. Er hängt seit dem Büro von Orlow an uns dran«, antwortete ich.

Als der SUV auch eine urplötzliche Beschleunigung mit anschließendem Richtungswechsel konsequent nachvollzog, waren auch die letzten Zweifel verflogen. Ich überließ es Phil, sich über das Autokennzeichen mehr Informationen zum Halter des Equinox zu verschaffen. Es dauerte wenige Minuten, bis wir absolute Sicherheit hatten.

»Miss Orlow oder Alexander der Große haben uns die Verfolger beschert«, sagte Phil.

Da mein Partner den Spitznamen des Patriarchen benutzte, konnte ich seine Angespanntheit erkennen. Phil nahm die Beschattung nicht auf die leichte Schulter.

»Wir finden am besten sofort raus, was die Russen von uns wollen«, sagte ich.

Mir stand nicht der Sinn nach einer ausgiebigen Verfolgungsjagd, außerdem mussten die Gangster schleunigst ihre Grenzen aufgezeigt bekommen. Ich lockte den Chevrolet in eine Verbindungsgasse und stoppte den Jaguar völlig unerwartet. Dann sprangen Phil und ich mit gezückten Pistolen aus dem Wagen, um die Gangster sofort unter Kontrolle zu bringen.

»Die spinnen doch!«, entfuhr es mir gleich darauf.

Eine Seitenscheibe senkte sich und der Lauf einer Maschinenpistole wurde sichtbar. Bevor die Salve die Mündung verlassen konnte, donnerten unsere Pistolen los. Die Projektile jaulten als Querschläger vom SUV davon, da die Karosserie sowie die Scheiben offenbar verstärkt waren.

»Die meinen es verdammt ernst«, schoss es mir durch den Kopf.

Mir wäre niemals in den Sinn gekommen, dass Galina Orlow oder gar ihr Vater zu so einem Schritt bereit war. Üblicherweise vermieden die Russen eine unmittelbare Konfrontation mit den Cops, und mit dem FBI erst recht. Wieso änderten sie auf einmal ihr bisheriges Verhalten dermaßen radikal?

»Stopp!«

Der Chevrolet setzte mit aufheulendem Motor zurück, was mich zu dem Ausruf brachte. Die Gangster hatten uns aus dem Jaguar gelockt und in Deckung gezwungen, um sich jetzt leichter absetzen zu können. Phil und ich jagten dem rückwärtsfahrenden SUV mehrere Schüsse hinterher, doch selbst die Reifen waren gegen Beschuss gesichert.

»So nicht, Freunde!«, stieß ich hervor.

In Windeseile kletterten wir in den Jaguar, und während ich den Wagen rückwärts aus der Gasse steuerte, organisierte Phil die Verfolgung des Chevrolet.

»Wie bitte? Wann war das?«

Mit halbem Ohr hörte ich seine überraschten Kommentare und schaffte es gleichzeitig, ohne eine Kollision auf die breite Avenue einzubiegen. Der schwarze SUV jagte mit hoher Geschwindigkeit bereits über die nächste Kreuzung. Phil schaltete Warnlampen und Sirene ein, damit wir freie Fahrt hatten.