Jerry Cotton Sammelband 2 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sammelband 2 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sammelband 2: Fünf actiongeladene Fälle und über 300 Seiten Spannung zum Sparpreis!

G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!

Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

In diesem Sammelband sind 5 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:

2785: Mord in der 2. Position

2786: Tu Buße und stirb

2787: Fauler Zauber

2788: Der Millionär aus dem Zuchthaus

2789: Auf wen der Tod wartet

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Jetzt herunterladen und garantiert nicht langweilen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 663

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive von © shutterstock: Flik47 | PanicAttack ISBN 978-3-7325-7012-6

Jerry Cotton

Jerry Cotton Sammelband 2 - Krimi-Serie

Inhalt

Jerry CottonJerry Cotton - Folge 2785Unser Plan war perfekt. King Chuan, der Chef der New Yorker Triaden, wollte aussteigen und uns die gesamte Organisation ans Messer liefern. Doch dann lief alles schief und Chuan wurde bei der Aktion erschossen. Wer hatte unseren Plan verraten? Hatten seine Unterführer Chuan umgebracht, um sich selbst zu schützen? Die einzige Spur, die wir hatten, führte zu einem Chinesen, der schon seit 30 Jahren in Rickers Island einsaß...Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2786Es war ein grauenhafter Anblick. Man hatte den Anwalt Clark Veek ein scharfes Reinigungsmittel eingeflößt, das ihn innerlich langsam zerfressen hatte. Der Anwalt war für ein Gangstersyndikat tätig gewesen, also vermuteten wir, dass der Täter aus diesem Milieu kam. Dann wurde in Kalifornien ein Mann auf genau die gleiche Art ermordet. Bestand eine Verbindung zwischen den beiden Opfern? Die Suche danach führte uns in einen kleinen Ort in Missouri und vor eine Mauer des Schweigens...Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2787Ganz Amerika befand sich im Banne zweier Magier, die sich mit ihrer Show gegenseitig versuchten den Rang abzulaufen. Justin Drake in New York und Tommy Lee in Las Vegas. Das Ganze wurde von dem Medien-Tycoon Hesketh in seinem Fernsehsender noch hoch gekocht - bis zum großen Finale im Waldorf Astoria. Alles nur Illusion - so dachten auch Phil und ich, bis wir im Zusammenhang mit dem Duell der Magier vor der ersten ganz realen Leiche standen....Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2788Nach 20 Jahren Haft wurde Vincent Lewis aus dem Gefängnis entlassen, wo er unschuldig wegen Mordes gesessen hatte. Der Staat zahlte ihm 10 Millionen Dollar Entschädigung. Dieser Betrag weckte natürlich bei den unterschiedlichsten Leuten Begehrlichkeiten. Und mit so viel Geld ist man in der Lage, den wahren Täter von damals zu finden und Rache zu üben. Phil und ich waren abgestellt, ein Auge auf Lewis zu haben, denn auch uns interessierte, wer den Mord damals begangen hatte...Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2789Eine Leiche führte uns direkt in die irische Kolonie von New York. Alles deutete darauf hin, dass der Mord im Umfeld der IRA begangen worden war. Bei unseren Nachforschungen stießen wir auf eine Mauer des Schweigens, die allerdings eine Fernsehreporterin durchbrochen haben musste. In ihrer Sendung gab sie immer wieder Informationen preis, die sie eigentlich nicht haben konnte. Phil und ich tauchten in ein Netzwerk von Hass, Gewalt und menschenverachtender Engstirnigkeit ein...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Mord in der 2. Position

Vorschau

Mord in der 2. Position

Wir hatten den Wagen von King Chuan umstellt und feuerten aus allen Rohren. Es lief alles nach Plan. Wie verabredet, hatte Chuan seinem Fahrer einen Tag freigegeben. Mitten auf der Fulton Street, unter den Augen von Dutzenden von Passanten, stieg der King aus seinem Wagen und erwiderte das Feuer. Die Beutel mit dem künstlichen Blut unter seinem Hemd explodierten, und der Triadenfürst brach, begleitet vom entsetzten Geschrei der Augenzeugen, auf der Straße zusammen. Phil und ich liefen auf den am Boden Liegenden zu, um zu verhindern, dass ein Unbeteiligter ihm zu nahe kam und die Scharade bemerkte, als plötzlich ein brauner Ford an uns vorbeiraste. Aus dem geöffneten Beifahrerfenster ragte eine Hand mit einer Pistole. Ein Schuss fiel. Ich sah das Erstaunen in den Augen unseres Kronzeugen, als die Kugel ihn mitten in die Brust traf.

»Ich fasse noch einmal zusammen«, sagte Mr High, massierte sich die Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand, um seine übermüdeten Augen zu entlasten, und deutete wieder auf das Organigramm, das im Besprechungszimmer neben seinem Büro an der Wand hing. »King Chuan war der Chef der New Yorker Sektion der nordamerikanischen Triaden. Er verfügte über eine Organisation, die uns nur in Teilen bekannt ist, die aber, soweit wir das wissen, den gesamten Drogenhandel und das Wettgeschäft in den asiatisch geprägten Bevölkerungsteilen der Stadt kontrolliert.

Was Prostitution und Waffenhandel angeht, machen den Triaden seit einigen Jahren die aus dem Osten kommenden Banden die Vorherrschaft streitig. Aber auch hier kann man davon ausgehen, dass die chinesische Mafia noch immer den größten Anteil am Geschäft hat.

In den 40er- und 50er-Jahren baute Chuans Vater die Organisation in New York nach dem Vorbild der chinesischen Triaden auf und übergab im hohen Alter alles an seinen Sohn. King Chuan übernahm zunächst im Wesentlichen die Organisationsstrukturen, hatte vor einigen Jahren aber die geniale Idee, den gesamten Unterbau von der Führungsebene abzukoppeln und sogenannte ›Lords‹ einzuführen, die als Bindeglied zwischen den kleinen Gangstern auf der Straße und ihm fungieren.«

Der Chef unterbrach seinen Vortrag und deutete mit seinem Laserpointer auf die roten Linien im Organigramm, die von King Chuan ausgehend an den Unterführern der Organisation vorbei direkt auf einen dicken, mit einem Drachen verzierten Balken führten, der die große Masse der chinesischen Straßengangs symbolisierte.

»Die ›Lords‹ lässt Chuan nach Art der japanischen Samurai ausbilden. Sie sind nur ihrem jeweiligen Herrn verpflichtet – in diesem Falle King Chuan selbst – und würden sich notfalls selbst töten oder für ihren Herrn opfern, wenn es denn nötig sein sollte. Er rekrutiert die Lords persönlich von der Straße, lässt sich von bereits eingesetzten Lords Bericht erstatten, ob jemand in Frage kommt, und schickt sie zur Ausbildung für ein halbes Jahr an einen uns unbekannten Ort.

Durch diese Art Organisation schaffte er es, die Unterführer und ihre Familien praktisch zu entmachten. Sie sind nun nicht mehr als Buchhalter, die auf die Operative des Geschäfts keinen Einfluss mehr haben. Einen Lord zum Sprechen zu bringen ist uns bisher noch nie gelungen. Sie schweigen so eisern, wenn wir einen mal lebend erwischen, dass sich bis jetzt selbst unsere härtesten Vernehmungsspezialisten die Zähne an ihnen ausgebissen haben. Genau genommen können wir nicht einmal sicher sein, dass wir es mit einem Lord zu tun haben, wenn wir mal einen schnappen. Bevor sie reden, bringen sie sich lieber selbst um.

Gleichzeitig genoss Chuan ein sehr hohes Ansehen bei den Leuten auf der Straße – obwohl niemand dort ihn direkt kannte oder je zu Gesicht bekommen hätte. Aber jeder kleine Gangster auf der Straße träumte davon, auch einmal zum Lord aufrücken zu können und den großen Mann kennenzulernen.«

»Entschuldigung, Sir«, warf Phil ein, »ist es nicht so, dass nun die gesamte Organisation gefährdet ist, weil der Zusammenhalt zwischen Führung und Straße mit dem Tode Chuans weg ist? Das ist doch auch gut für uns.«

Mr High nickte ernst und deutete auf die Fotos von sieben Männern, die direkt unter dem Foto Chuans – das ganz oben im Organigramm zu finden war – hingen.

»Da haben Sie ganz recht«, sagte er. »Das war das hohe Risiko bei dieser Art von Organisation. Fällt der Kopf aus, sind die einzelnen Teile des Körpers ohne Verbindung untereinander. Das wusste Chuan. Das war auch der Grund, warum er für uns so wertvoll war. Nur er kannte alle Teile der Organisation – Führungsebene und Lords. Wir müssen annehmen, dass es einem der Männer aus der Führungsebene gelungen ist, entweder einige oder sogar die gesamte Ebene der Lords davon zu überzeugen, dass ein Wechsel notwendig ist.«

»Aber«, warf June ein, »wenn es so ist, wie Sie eben sagten, dass Chuans Lords nur ihm selbst verpflichtet waren, wer könnte sie davon überzeugt haben, ihn zu töten?«

Mr High verzog schmerzhaft das Gesicht.

»Das ist ein wunder Punkt«, gab er zu, »wenn nicht sogar der zentrale Punkt unserer zukünftigen Ermittlungen. Wir kennen sieben Männer der mittleren Führungsebene mit Namen …« Die rote Marke des Laserpointers wanderte von den sieben Porträts unterhalb des Fotos von Chuan zu drei schwarzen Kästchen, die jeweils von einem weißen Schattenriss ausgefüllt wurden. »Daneben gibt es aber noch mindestens drei Männer, von denen wir rein gar nichts wissen. Ehrlich gesagt, wissen wir nur von Gerüchten, dass es noch drei weitere Führungsmitglieder gibt.

Das alles wollte Chuan uns in den nächsten Tagen eröffnen, wenn wir so weit gewesen wären. Als kleines Antrittsgeschenk eröffnete Chuan uns übrigens, dass wir einen Maulwurf in unseren eigenen Reihen haben. Irgendjemand verrät seit Jahren Details unserer Arbeit an die Organisation. Chuan wollte uns den Mann präsentieren, gleich nachdem die heutige Aktion erfolgreich abgeschlossen wäre – wozu es jetzt ja leider nicht mehr kommen wird. Seien Sie also vorsichtig in allem, was Sie planen, lassen Sie möglichst alles, was Sie wissen oder tun wollen, in diesen vier Wänden.«

»Entschuldigung, Sir«, mischte sich Blair ein, der bis jetzt ruhig zugehört und sich nur ab und zu ein paar Notizen gemacht hatte. »Ich war bis jetzt mit einem anderen Fall beschäftigt. Jerry hat mir am Telefon kurz erklärt, worum es geht, aber könnten Sie uns noch einmal erklären, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass Chuan erschossen wurde?«

Ich wechselte einen kurzen Blick mit Mr High und drehte mich zu Blair um. Die Luft im Besprechungsraum wurde langsam stickig, die Klimaanlage war ausgefallen und die New Yorker Sommerhitze hatte auch mit dem Untergehen der Sonne nicht nachgelassen. Aber das war nicht der einzige Grund, warum mir immer noch Schweißperlen auf der Stirn standen. Vor nicht einmal sechs Stunden war eine der bestvorbereiteten geheimen Aktionen, an denen ich je teilgenommen hatte, schiefgelaufen, und ich fragte mich immer noch, wie zum Teufel jemand darauf hatte kommen können, was wir vorgehabt hatten.

»Das kann ich am besten erzählen«, sagte ich. »Chuan hat vor etwa drei Monaten Kontakt zu uns aufgenommen. Er hat uns angeboten, uns seine ganze Organisation auszuliefern, wenn wir ihm eine neue Identität verschaffen. Wir sollten ihm dabei helfen, nach China auszureisen. Seine halbe Familie ist letztes Jahr beim großen Erdbeben in der Yunnan-Guizhou-Region umgekommen. Die komplette Stadt wurde dem Erdboden gleichgemacht. Chuan fühlte sich verpflichtet, seiner Familie und der Stadt, aus der seine Vorfahren kamen, zu helfen.

Er wusste, dass das bei seinem Vorleben unmöglich sein würde. Er konnte sich nicht einfach aus der Organisation ausklinken. Teil unserer Abmachung war es, dass wir sein Vermögen unangetastet lassen würden. Ausgestattet mit einer neuen Identität, wollte er zurück nach China und mit seinem Geld den Aufbau der Stadt vorantreiben. Voraussetzung für sein Abtauchen war, dass alle glauben sollten, dass er tot wäre. Deshalb das Manöver heute auf der Fulton Street.

Aber wir mussten davon ausgehen, dass die Triaden über ein ausgezeichnetes Netz von Informanten verfügen, das sich natürlich in Bewegung setzen würde, um herauszubekommen, warum wir gerade an diesem Tag aktiv geworden sind, ganz abgesehen von dem Maulwurf, den Mr High eben erwähnte. Also mussten wir die Nachricht streuen, dass es uns gelungen ist, Chuan etwas nachzuweisen, was den Einsatz rechtfertigte. Wir haben uns schließlich darauf geeinigt, dass wir ihn wegen Steuerbetrugs belangen würden.

Gestern wäre Chuans Steuererklärung hinsichtlich seiner sieben Häuser und vierzehn Apartments, die er privat in Manhattan vermietet, fällig gewesen. Er hat die Erklärung nie abgegeben. Also würde jedem unser Einsatz am heutigen Tag einleuchten. Die neue Identität Chuans war schon vorbereitet. Unser Mann wäre für ein halbes Jahr in unserer Obhut verblieben, bis wir seine Organisation ausgehoben hätten, danach hätte er nach China ausreisen dürfen.«

»Habt ihr schon eine Ahnung, wer den Anschlag ausgeführt hat?«, wollte Blair wissen.

Ich schüttelte den Kopf und wies auf das Organigramm an der Wand.

»Die uns bekannten Mitglieder der Führungsriege standen seit Wochen unter strengster Überwachung. Das heißt natürlich nicht, dass wir lückenlos über alles informiert sind, was sie veranlasst haben, und natürlich würde niemand von ihnen persönlich an einem Anschlag teilnehmen.

Vielleicht war es auch einer von Chuans Lords, der von dem Verrat erfahren hat und der Meinung war, dass selbst die unbedingte Loyalität eines Lords seine Grenzen hat. Ich persönlich tendiere allerdings zu der Meinung, dass es sich bei dem Auftraggeber um einen der drei bis jetzt unbekannten Unterführer handelt. Wir wissen bisher nichts über sie, und das deutet meiner Meinung nach darauf hin, dass sie in der Organisation eine Funktion ausüben, die wir noch nicht kennen und die ihnen vielleicht Möglichkeiten gibt, von denen wir noch nichts ahnen.

Vielleicht aber handelt es sich auch um ein Komplott aller zehn Unterführer, die die Gelegenheit gesehen haben, die Macht wieder an sich zu reißen, die Chuan ihnen genommen hat. Oder sie wussten, was wir vorhatten, und haben die Chance ergriffen, die Legende, dass Chuan vom FBI erschossen wurde, für sich zu nutzen. Nach dem heutigen Tag dürfte es für sie in der kriminellen Szene ein Leichtes sein, uns die Schuld an seinem Tod in die Schuhe zu schieben. Alles ist möglich. Wir stehen da noch ganz am Anfang der Ermittlungen.«

Mr High, der auf der Kante des Tisches saß, um den wir uns versammelt hatten, nickte zu meinen Ausführungen und übernahm wieder das Wort.

»Nach dem Wagen, aus dem heraus geschossen wurde, wird zurzeit gefahndet. Ansonsten haben wir tatsächlich wenig. Wir sind gerade dabei, die uns bekannten Unterführer zu einem Gespräch zu bitten. Wir können niemanden verhaften – noch nicht –, deshalb erschien es uns geeignet, höflich um ein Gespräch zu bitten. Ansonsten müssen wir sehen, dass wir alles von vorne aufrollen. Sie, June und Blair, sollen Phil und Jerry dabei helfen. Die beiden waren bei der Planung des Ausstiegs von Chuan federführend und sollten deshalb auch jede weitere Aktion den Fall betreffend leiten.«

Mr High sah auf seine Uhr und stand auf.

»Ich glaube, das wäre es fürs Erste«, sagte er. »Das Gespräch mit den Unterführern ist für neun Uhr morgen früh angesetzt. Ich hoffe einfach mal, dass sie alle – natürlich bis auf die drei, die wir nicht kennen – kommen werden. Ich rechne damit, dass sie neugierig darauf sein werden, was wir ihnen zu erzählen haben. Phil und Jerry werden mit mir an dem Gespräch teilnehmen.«

***

Phil und ich trafen uns am nächsten Morgen an der üblichen Ecke und fuhren zusammen ins Field Office. Mir steckte immer noch der Misserfolg des gestrigen Tages in den Knochen und auch Phil machte einen eher unausgeschlafenen Eindruck. Gleich nachdem er in den Wagen eingestiegen war, fragte er mich, ob es etwas Neues gebe. Vor knapp zehn Minuten hatte ich über NYSIS ein Memo bekommen, das im Wesentlichen nicht mehr besagte, als dass die angelaufene Fahndung nach dem oder den Attentätern bisher noch nichts ergeben hatte.

Phil knurrte unzufrieden, als ich ihm das mitteilte, und sah nachdenklich aus dem Fenster.

»Sobald wir mit der Besprechung fertig sind, sollten wir uns selbst daranmachen und ein paar Informanten aufsuchen«, schlug ich vor.

Phil nickte.

»Wir werden das Ding schon schaukeln«, sagte ich, um ihn zu trösten.

»Das werden wir wohl müssen«, antwortete Phil düster, »sonst bleibt es ewig an uns hängen, dass wir einen Kronzeugen, dem wir Schutz versprochen haben, vor unseren Augen haben abknallen lassen.«

Genau daran hatte ich auch die halbe Nacht denken müssen. Die Nachricht, dass wir nicht in der Lage waren, unsere Zeugen zu schützen, würde sich wie ein Lauffeuer in der Szene verbreiten. Dann war es nur noch eine Frage der Zeit, bis unsere Glaubwürdigkeit Schaden nahm. Auch wenn bisher noch niemand außerhalb des FBI überhaupt wusste, dass es sich bei der gestrigen Aktion um eine Finte gehandelt hatte, früher oder später würde es durchsickern, und dann waren wir für alle zukünftigen Aussteiger verbrannt. Unsere einzige Chance war es, den Fall aufzuklären und die Organisation von King Chuan zu zerschlagen – nur so konnten wir unseren Ruf wieder herstellen.

***

Wir saßen in dem Raum, den Mr High für das Treffen vorgesehen hatte, und warteten. Es handelte sich um den großen Konferenzraum auf der Etage, auf der Mr High sein Büro hatte. Lichtdurchflutete hundert Quadratmeter mit einem Tisch aus hellbraunem Teakholz, bequemen Sesseln und einem dicken orangen Teppich. Helen hatte Kaffee, Kaltgetränke, Obst und Kekse auf den Tisch gestellt. Alles sah so aus, als erwarteten wir Geschäftsfreunde, denen man das Gefühl geben wollte, dass man sie gern empfing.

Mr High, der neben uns an einer Längsseite des Tisches saß, schaute ungeduldig auf seine Uhr.

»Jetzt warten wir schon eine Stunde«, murmelte er, »eine halbe gebe ich ihnen noch, dann holen wir sie uns einzeln und reden mal ein paar deutliche Worte mit ihnen.«

Mr High wollte sich gerade noch einen Orangensaft eingießen, als sein Handy klingelte und Helen ihm mitteilte, dass die Herren soeben vorgefahren waren.

Zehn Minuten später öffnete sich die Tür und sieben Männer in den gleichen dunklen Anzügen, mit den gleichen knallig rosafarbenen Krawatten und den gleichen schwarzen, blitzblank geputzten Schuhen traten ein. Nur die harten Gesichter über den Anzügen verrieten, dass wir es hier mit der Crème de la Crème des organisierten Verbrechens zu tun hatten.

Mr High, Phil und ich standen auf und kamen um den Tisch herum, um unsere Gäste zu begrüßen. Grob geschätzt versammelten sich hier neunzig Jahre Gefängnis – und noch einmal bestimmt fünfhundert Jahre, wenn wir jedes der uns bekannten Delikte, das diese Männer auf dem Kerbholz hatten, hätten beweisen können.

Nachdem die Begrüßungsrunde vorbei war, setzten wir uns: Mr High, Phil und ich nahmen wieder unsere Plätze an der einen Seite des Tisches ein, die sieben Unterführer nebeneinander auf der gegenüberliegenden Seite. Sie gossen sich Wasser oder Saft in ihre bereitstehenden Gläser, rührten aber nichts an, sondern stellten die Gläser vor sich hin und sahen uns schweigend an.

Mr High eröffnete das Gespräch.

»Bedauerlicherweise ist gestern in den späten Abendstunden Hu Chuan, ihr Geschäftspartner, bei einer Schießerei auf der Fulton Street ums Leben gekommen. Wir hatten seinen Wagen angehalten, um Mister Chuan zu einer Angelegenheit zu befragen, die uns zur Bearbeitung vorliegt. Mister Chuan zog es vor, das Feuer auf uns zu eröffnen. Das war ein Fehler. Er wurde von mehreren Schüssen aus den Pistolen unserer Beamten getroffen. Während des Geschehens fuhr ein brauner Ford Mustang auf Chuan zu. Der Fahrer gab aus dem Fenster seines Wagens einen Schuss auf den am Boden Liegenden ab. Wir wissen noch nicht genau, ob es dieser Schuss war, der zum Tode führte, oder ob Mister Chuan schon von einer Kugel aus einer unserer Waffen tödlich getroffen wurde. Trotzdem würde es uns natürlich brennend interessieren, ob Sie vielleicht wissen, wer Mister Chuan nach dem Leben getrachtet haben könnte. Schließlich waren Sie mit ihm – nun, sagen wir: befreundet. Es wäre sehr nett, wenn Sie uns weiterhelfen würden.«

Eine Weile sagte niemand etwas. Die Unterführer sahen sich an und schienen sich mit Blicken darüber zu verständigen, wer reden sollte. Dann ergriff derjenige von ihnen das Wort, der in der Mitte saß. Ich wusste, dass er Lin Wen hieß und sieben Jahre wegen gefährlicher Körperverletzung in Rikers gesessen hatte. Wir verdächtigten ihn, vor vier Jahren zwei russischstämmige Kleindealer auf der Straße erschossen zu haben, weil sie es gewagt hatten, ihren Stoff vor dem Lokal anzubieten, in dem er regelmäßig sein Frühstück einnahm. Trotz regen Verkehrs auf den Straßen und einigen Dutzend Fußgängern hatte es – seltsamerweise – keine Augenzeugen gegeben, sodass der Staatsanwalt die Anklage wieder fallengelassen hatte. Ansonsten war wenig über Wen bekannt, nur dass er, wie die anderen auch, unzufrieden mit der neuen Organisationsstruktur gewesen war, die Chuan eingeführt hatte.

»Und deshalb haben Sie uns hierhergebeten?«, fragte Wen mit einem leichten Akzent. »Weil Sie glauben, dass wir Mörder kennen, die auf den Straßen unserer Stadt unschuldige Leute erschießen?«

Mr High, dem nichts mehr von seiner Verärgerung anzusehen war, sah Wen gerade in die Augen.

»Wir hoffen nur, dass Sie uns in einer laufenden Ermittlung behilflich sind, wie man das von jedem Staatsbürger erwarten kann«, sagte er.

»Wieso haben Sie Mister Chuan angehalten?«, wollte Wen wissen. »Was hat er Ihnen getan?«

»Mr Chuan hat unsere Steuergesetze missachtet«, antwortete Mr High in beiläufigem Ton. »Wir wollten ihn deswegen befragen und er hat, zu unserer eigenen Überraschung, das Feuer auf unsere Männer eröffnet, was wir natürlich erwidert haben.«

»Waren das diese hier?«, fragte Wen mit abfälliger Stimme und zeigte mit dem Finger auf Phil und mich, als wären wir Hunde, die an sein Auto gepinkelt hätten. Ich sah, wie Phil sich anspannte. Seine Augen wurden zu Schlitzen und sein Atem setzte für einen Moment aus, dann hatte er die Provokation verdaut, nickte und lächelte Wen an.

»Ja, Sir«, sagte er. »Das waren wir.«

Wen fixierte Phil finster.

»Wie können Sie auf so einen Mann schießen? Haben Sie Ehre? Haben Sie in Ihrem Leib auch nur ein Hundertstel von dem, was King Chuan auf der Spitze eines seiner Finger hatte? King Chuan war ein Drache. Und Sie sind nicht einmal ein Hase.«

Phil lächelte immer noch, aber in seine Augen war ein gefährlicher Ausdruck getreten. Ich wusste, dass der Hase in China als Symbol für diverse sexuelle Störungen galt – und ich wusste, dass Phil das auch wusste. Es handelte sich um eine der schlimmsten Beleidigungen, die ein Chinese nur machen konnte, und war eigentlich ein Affront, der nicht unbeantwortet bleiben konnte. Phil öffnete schon den Mund zu einer Entgegnung, als Mr High sich über den Tisch zu Wen beugte, eine Hand auf die Tischplatte legte und mit den Fingerspitzen einmal kurz auf das Holz pochte.

»Hüten Sie Ihre Zunge«, sagte er zu Wen, immer noch mit betont ruhiger Stimme, aber schon mit deutlich drohendem Unterton. »Wir dulden keine Beleidigungen. Wir sind zu einem Gespräch zusammengekommen. Unser Interesse ist es – genauso wie Ihres, wie ich annehme –, dass wir den Mörder von Mister Chuan finden. Ich frage Sie also noch einmal: Können Sie sich vorstellen, wer ein Interesse am Tod von Chuan haben könnte?«

Wen sah Mr High durchdringend an. Seine Kiefermuskeln arbeiteten. Die Fingerknöchel seiner rechten Hand, die er, zur Faust geballt, auf dem Tisch liegen hatte, wurden weiß.

»Bei meiner Ehre«, stieß er schließlich durch kaum geöffnete Lippen hervor, »ich weiß nicht, wer King Chuan umgebracht hat, aber ich kann Ihnen versichern, dass wir demjenigen, wenn wir ihn erwischen sollten, eine lange Zeit des Leidens bereiten werden.«

***

»Ich bin der Meinung, dass die Unterführer weder wissen, wer Chuan umgebracht hat, noch, dass es eine inszenierte Schießerei war, während der Chuan umkam«, fasste unser Chef das Gespräch zusammen, nachdem die Unterführer sich knapp, aber höflich wieder verabschiedet hatten.

»Die wissen gar nichts«, bestätigte Phil die Einschätzung von Mr High.

Ich nickte zustimmend. Auch ich hatte nicht den geringsten Hinweis darauf entdecken können, dass Wen oder ein anderer der Anwesenden etwas wusste.

»Also scheidet die Theorie, dass es sich um eine Art Putsch der Unterführer handelte, aus«, überlegte ich. »Das bedeutet, dass der Mörder entweder aus den Reihen der Lords kam oder dass es einer der drei uns unbekannten Unterführer war, der den Mordauftrag gegeben hat.«

»Ja«, bestätigte Mr High, sah auf seine Uhr und ging zur Tür, »auf diese beiden Szenarien sollten wir uns zunächst einmal konzentrieren. Schnappen Sie sich alle Lords, die Sie kennen, und pressen Sie sie ordentlich aus. Ich weiß, dass diese Jungs so unempfindlich sind wie Backsteine, aber es würde mir schon reichen, wenn einer von ihnen beim Verhör mit den Augenbrauen zuckt, damit wir wissen, wo wir ansetzen können. Außerdem würde ich mich freuen, wenn die drei Scherenschnitte im Organigramm von Chuans Bande endlich durch ein paar bekannte Gesichter ersetzt werden könnten.«

Mr High öffnete die Tür, nickte uns kurz zu und hatte schon wieder sein Handy am Ohr, um mit Assistant Director Homer in Washington zu reden, dem unsere verpatzte Aktion natürlich nicht entgangen war. Ich beneidete unseren Assistant Director nicht um die Aufgabe, dem Leiter der Field Operation Section East auseinanderzusetzen, dass wir ganz neu ansetzen mussten, um die Organisation von Chuan zu zerschlagen.

***

Wir fuhren los, um unser Glück zu versuchen. Fast alle Lords waren uns namentlich bekannt und wir wussten auch, wo sie sich aufhielten. Unseren Informationen nach gab es zurzeit zwölf aktive Lords, die auf den Straßen unterwegs waren. Von zweien kannten wir die Identität nicht, wussten aber, wo ihre Reviere lagen. Wir hielten uns zuerst an die, die wir kannten, und hatten nach drei Stunden zwei von ihnen eingesammelt und zum Verhör ins Field Office gebracht, während June und Blair sich um die anderen kümmerten.

Der Erste, den wir uns vornahmen, war ein Kerl namens Hua Ten, ein junger Typ mit kurzen Haaren und sehnigen Armen, der uns aus seinen unschuldigen Kinderaugen so freundlich ansah, als könnte er nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun. In Wirklichkeit hatten ihn die Kollegen vom NYPD seit geraumer Zeit wegen Mordes an einer alten Lady in Verdacht, der er die Handtasche hatte stehlen wollen. Die tapfere alte Frau hatte sich redlich gewehrt. Ten hatte sie mit einer Eisenstange erschlagen, die er zufällig am Ort des Überfalls auf der Straße gefunden hatte.

Für Chuan und seine Organisation war Ten interessant geworden, weil er bei den anschließenden Verhören nicht einmal seinen Namen preisgegeben hatte. Er hatte so eisern geschwiegen, dass die verhörenden Beamten schon vermuteten, dass er stumm sei. Das war genau das Holz, aus dem die Lords geschnitzt sein mussten: skrupellos und verschwiegen bis zum Tod. Schließlich hatte man ihn laufen gelassen, weil der einzige Zeuge, ein Mann, der zufällig aus dem Fenster gesehen und den Mord beobachtet hatte, auf unerklärliche Weise aus der Stadt verschwunden war.

»Wie läuft es denn so, Hua?«, begann Phil die Befragung. »Werden eure Leute das ganze Zeug los, das ihr aus China einführt, oder stecken die Russen ihre Finger immer noch in euer Drogengeschäft?«

Ten zuckte nicht einmal mit den Augenlidern.

»Wir haben gehört, dass es nicht mehr so gut läuft«, nahm ich den Faden auf. »Immer mehr der Jungs auf der Straße finden es uncool, dass sie nicht auf eigene Rechnung arbeiten dürfen. Die Zeiten ändern sich. Große Firmen wie eure sind unmodern. Die jungen Leute wollen lieber in kleinen Banden operieren und unabhängig sein. Wäre das nicht auch für dich das Richtige?«

Nicht einmal der Anflug einer Reaktion war in Tens Gesicht zu erkennen.

Ich fand, dass wir nun genügend Konversation gemacht hatten, und ließ den ersten Versuchsballon starten.

»Man sagt, dass nicht alle in der Organisation damit einverstanden sind, dass ihr Chuan direkt unterstellt seid, und dass man darüber nachdenkt, die Lords abzuschaffen. Ist da was dran?«

Ten blieb unbewegt, aber unter seinem T-Shirt, direkt am Kragen, wurde seine Muskulatur ein wenig härter, der Kragen spannte sich und das Shirt warf eine lange Falte, die eben noch nicht da gewesen war. Der Mann hatte also doch Emotionen – und auch, wenn er sie nicht offen zeigte, dem geübten Blick konnte er sie nicht ganz verbergen.

»Die Unterführer sagen, dass Schluss sein muss mit Chuans Alleinherrschaft und dass man auch über einen Wechsel in der Führungsspitze nachdenken muss«, vertiefte Phil den von mir eingeschlagenen Weg.

Das Gesicht von Ten bekam einen winzigen Riss. Man sah es kaum. Die Lippen blieben unbewegt, die Mundwinkel gerade, aber die kleine Vertiefung unterhalb der Nase verfärbte sich weiß. Ein Zeichen für die innere Anspannung, unter der Ten mittlerweile litt.

Ich dachte, dass wir unseren Kandidaten nun genügend weichgekocht hatten, um eine deutliche emotionale Reaktion auf die Nachricht vom Tode Chuans zu bekommen. Seine bisherigen Reaktionen ließen nur den Schluss zu, dass das Thema der innerorganisatorischen Querelen nicht ohne Spuren an ihm vorübergegangen war. Ob er mit der Ermordung Chuans etwas zu tun hatte oder nicht, wagte ich bisher nicht aus seinem Verhalten abzulesen. Die nächsten Minuten würden darüber entscheiden, ob wir Ten im Auge behalten würden oder ob er für unsere weiteren Ermittlungen ohne Bedeutung wäre.

»Nun. Es scheint, dass das hier zu nichts führt«, leitete ich den entscheidenden Angriff ein, lehnte mich zurück und versuchte, den Eindruck zu vermitteln, dass mich die Befragung zusehends ermüdete. Ich legte eine Hand vor den Mund und gähnte, ließ dabei aber Ten nicht einen Augenblick aus den Augen. »Aber das macht auch nichts. Es scheint nämlich, dass der Wechsel in der Führungsebene, von dem mein Kollege eben sprach, bereits vollzogen wurde.«

Ten versuchte weiterhin, sich keinerlei Regung anmerken zu lassen. Meine letzte Bemerkung hatte ihn allerdings hellhörig werden lassen, und das konnte er schlecht verbergen. In seine Augen trat ein interessierter Ausdruck. Das deutete für mich schon einmal darauf hin, dass das Thema für ihn neu war und dass er nichts mit dem Tode Chuans zu tun hatte. Sein plötzlich aufflackerndes Interesse konnte aber immer noch bedeuten, dass er sich lediglich dafür interessierte, was wir wussten, und dass er selbst den Mord an seinem ehemaligen Herrn emotional schon ad acta gelegt hatte. Zuzutrauen war dies einem Mann wie Ten auf alle Fälle.

Ich machte eine Kunstpause und beobachtete mein Gegenüber weiterhin ganz genau. Ich sah ihm an, dass er wartete, was wir noch hätten. Ich konnte praktisch sehen, wie in seinem Kopf die Gedanken anfingen zu rasen, und wartete noch ein paar Sekunden, bevor ich befürchten musste, dass ihm vielleicht dämmerte, dass wir ihn in eine Falle locken wollten – dann ließ ich die Bombe hochgehen.

»Es ist nämlich so«, räusperte ich mich, um einen Anschluss an das eben Gesagte zu finden, seufzte einmal kurz auf und machte ein bedauerndes Gesicht, »King Chuan ist gestern Abend auf der Straße erschossen wurde.«

Ten blinzelte. Seine Pupillen weiteten sich vor Überraschung. Er schien abschätzen zu wollen, ob ich die Wahrheit sagte. Dann ging ein Zittern durch seinen Körper und für einen Moment dachte ich, er würde aufspringen und mich angreifen. Er öffnete seinen Mund und zischte eine Reihe von chinesischen Flüchen. Ich blieb ganz ruhig und freute mich im Stillen darüber, dass es uns doch noch gelungen war, den Lord aus der Reserve zu locken.

Jetzt, wo der Damm einmal gebrochen war, hatten wir die größte Mühe, Ten wieder zum Schweigen zu bringen, um ihm noch ein paar Fragen stellen zu können. Aber als die Flut aus Flüchen und wilden Beschimpfungen einmal abgebrochen war, schien Ten sich zu besinnen und verfiel wieder in sein eisernes Schweigen. Uns kümmerte es nicht, denn wir wussten im Wesentlichen, was wir wissen wollten. Dieser Mann war ganz sicher nicht in die Ermordung Chuans verwickelt und würde uns auch nicht weiterhelfen. Also entließen wir ihn wieder auf die Straße und widmeten uns unserem nächsten Kandidaten.

***

Vier Stunden später und um einige Dutzend chinesischer Flüche reicher, aber um keinen Schritt weiter, was den oder die Mörder Chuans anging, ließen wir uns den letzten noch verbleibenden Mann aus der Zelle holen.

»Wie heißen Sie?«, begann ich, schon etwas müde geworden von den immer gleichen Reaktionen, die uns bisher nichts weiter gebracht hatten als die Erkenntnis, dass zumindest die Lords von nichts gewusst hatten.

»Gao Teng«, kam die knappe Antwort.

Ich stellte die mittlerweile schon zur Routine gewordenen Fragen, die uns zeigen sollten, ob unser Gegenüber schon vom Tod Chuans wusste, und erntete die schon gewohnte Mischung aus Ablehnung und Ahnungslosigkeit.

Aber als ich unsere kleine Bombe hochgehen ließ, erlebte ich eine kleine Überraschung: Teng ließ Anzeichen von echter Trauer erkennen. Er senkte den Kopf und sah seine Knie an, als bete er für den Verstorbenen, dann hob er den Kopf wieder und sah mich weiter an.

»Sie wussten, dass Chuan tot ist?«, fragte ich überrascht.

Teng nickte.

Ich reckte mich nach vorn, war nun hellwach und voller Aufmerksamkeit.

»Woher wussten Sie es?«, wollte ich wissen.

Teng überlegte kurz, dann antwortete er: »Mister Chuan hat gewusst, dass er es auf ihn abgesehen hat.«

Inzwischen hatte sich auch Phil von seinem Platz an der Wand, wo er die ganze Zeit über mit verschränkten Armen gestanden hatte, gelöst und war an den Tisch getreten.

»Wer ist ›er‹«?«, fragte er, beugte sich zu Teng hinunter und kam ihm mit seinem Gesicht so nahe, dass der Atem der beiden Männer sich vermischte.

Teng lächelte verächtlich, hob seine Hand und schob Phil weg. Mein Partner zog die Augenbrauen zusammen und machte sich bereit, Teng zurechtzuweisen, aber ich gab ihm mit einem Zeichen zu verstehen, dass das gerade jetzt keine gute Idee war. Phil verstand den Wink und zog sich etwas zurück.

»Von wem sprechen Sie?«, wiederholte ich die Frage meines Partners.

Teng dachte wieder nach, dann nannte er einen Namen. »Ao Xie.«

Phil und ich sahen uns an. Wir hatten den Namen noch nie gehört.

»Wer ist dieser Ao Xie?«, wollte ich wissen.

Aber Teng hatte dichtgemacht.

Wir versuchten es noch eine Weile und gaben dann auf. Gegen diese Mauer aus Regungslosigkeit und verächtlichem Lächeln kamen wir nicht an.

Aber Teng hatte uns einen Namen gegeben. Und das war mehr, als wir erwartet hatten.

***

»Ao Xie, genannt: der Schlächter«, klärte uns Mr High auf, als wir ihn über unseren ersten Erfolg in diesem Fall unterrichteten. »Ich bin mir gar nicht sicher, ob der Mann noch lebt. Das war um einiges vor Ihrer Zeit. Er war damals gerade einmal Anfang zwanzig, soweit ich mich erinnere. Die Triaden begannen erst Fuß zu fassen. Xie wollte sich damals bei den Chefs der Organisation als Schutzgelderpresser einen Namen machen. Der Betreiber einer chinesischen Wäscherei wollte nicht zahlen. Xie setzte den Laden in Brand. Als die Wäscherinnen aus dem brennenden Gebäude flüchten wollten, verbarrikadierte er die Tür von außen. Siebzehn Frauen starben. Das Gericht verurteilte Xie zu 510 Jahren Gefängnis – für jede der Getöteten dreißig Jahre. Er sitzt seine Strafe in Rikers ab.«

»Wäre es möglich, dass Xie von Rikers aus den Mord an Chuan befohlen hat?«, wollte ich wissen.

»Möglich, natürlich«, antwortete der Chef. »Das wäre schließlich nicht das erste Mal, dass ein Häftling Kontakte nach draußen hat und sie für kriminelle Geschäfte nutzt. Am besten, Sie setzen sich mit dem Direktor von Rikers in Verbindung und erkundigen sich nach Xie, dann werden Sie schon sehen, ob da was dran ist oder ob unser Lord Sie nur an der Nase herumführen wollte.«

***

Zwei Stunden später saßen Phil und ich im Büro von Mr Cabot, dem Direktor von Rikers Island. Aus dem Fenster des Büros hatten wir einen guten Blick auf die fast zwei Quadratkilometer große Insel, auf der jedes Jahr bis zu 130.000 Gefangene – zum größten Teil Untersuchungshäftlinge – registriert wurden, von denen wiederum mehr als 15.000 für einen längeren Zeitraum hier verblieben. Mehr als 10.000 Beamte und rund 1.500 Zivilangestellte sorgten dafür, dass diese Anlage mit ihren Kirchen, Autowerkstätten, Friseurgeschäften und allem, was eine kleine Stadt ausmachte, unterhalten werden konnte.

Xie, so hatten wir eben von Cabot erfahren, war in einer der x-förmigen Gebäudeteile am äußeren Rand der Insel untergebracht, in denen sich die Schwerverbrecher mit zum Teil lebenslänglichen Strafen befanden.

»Ist Mister Xie in den letzten Jahren in irgendeiner Weise auffällig geworden?«, wollte ich jetzt von dem Direktor wissen.

»Lassen Sie mich sehen«, antwortete Cabot und blätterte in der Akte auf seinem Tisch, die so dick war wie das New Yorker Telefonbuch.

»Vor zwölf Jahren hat der Häftling einen Wärter schwer verletzt, als dieser versuchte, ihn mit Wasser abzuspritzen, weil der Häftling sich weigerte zu duschen. Er hat den Mann mit dem Schlauch fast erwürgt. Der Wärter erlitt ein schweres Kehlkopftrauma. Vor acht Jahren wurde Xie von zwei Häftlingen während des Hofgangs attackiert. Einer der Männer ist tot, der andere verlor eine Hand. Xie klemmte sie ihm in einer Tür ein. Sie war vollkommen zerquetscht und musste amputiert werden.

Danach ist der Häftling nicht mehr auffällig geworden. Allerdings verweigerte er sich jedem Ansinnen unsererseits, ihn in den letzten vier Jahren – nachdem unsere Gefängnispsychologin ihm mehrmals bei den jährlichen psychologischen Untersuchungen eine nachlassende Aggressivität bescheinigt hatte – mit einer Arbeit in den Gefängnisalltag zu integrieren. Wir haben ihm verschiedene Tätigkeiten angeboten, von einem Job in der Bibliothek bis zu einer Ausbildung in einem unserer Frisiersalons. Umsonst.«

Cabot runzelte die Stirn und blätterte in der Akte hin und her. »Wie ich sehe, ist Xie, nachdem die Psychologin ihm Ungefährlichkeit bescheinigt hat, von seiner Einzel- in eine Doppelzelle verlegt worden. Ich kann aber nirgendwo einen Eintrag finden, wer sein Zellengenosse wäre. Das ist allerdings seltsam. Ich glaube, da muss ich mal telefonieren.« Cabot griff zum Telefonhörer, aber ich ging sofort dazwischen.

»Dürfte ich Sie bitten, damit zunächst noch zu warten?«, bat ich den Mann. »Wir haben Grund zu der Annahme, dass Mister Xie in einen Fall verwickelt ist, den wir gerade bearbeiten.«

Cabot legte den Telefonhörer zurück auf die Gabel und sah uns interessiert an.

»Erzählen Sie«, sagte er.

Ich berichtete von unserer missglückten Aktion und von den Verhören, die wir durchgeführt hatten. Cabot hörte aufmerksam zu.

»Das hört sich ganz danach an, als hätte der Häftling tatsächlich Kontakt nach draußen«, bestätigte er unsere Vermutungen. »Warum sonst hätte Ihr Mann seinen Namen nennen sollen? Das allein ist natürlich nichts Ungewöhnliches. Trotz unserer strengen Überwachung aller Kommunikationswege gibt es jede Menge Möglichkeiten, mit dem Festland in Verbindung zu treten, da erzähle ich Ihnen bestimmt nichts Neues. Jeden Tag haben wir allein über tausend Besucher hier auf der Insel. Dazu kommen Lieferanten, eigene Leute und natürlich die Beamten, die uns jeden Tag Häftlinge überstellen. Ganz zu schweigen von bestimmt Hunderten von abhörsicheren Mobiltelefonen, die es auf Rikers in den Zellen der Gefangenen geben dürfte. Ich würde gern sagen, dass ich meine Hand dafür ins Feuer lege, dass wir das alles kontrollieren können, aber das wäre nichts anderes als eine naive Illusion. Gehen wir also einmal davon aus, dass Ihr Informant recht hat und dass Xie von hier aus den Mord an Chuan in Auftrag gegeben hat. Was wollen Sie, dass ich für Sie tun soll?«

»Zunächst einmal gar nichts«, antwortete ich. »Es reicht uns schon, zu wissen, dass es tatsächlich einen Häftling namens Xie gibt. Wir müssen jetzt überlegen, wie wir weiter vorgehen sollen.«

»Kommen Sie, Agents«, sagte Cabot mit einem Grinsen im Gesicht und sah Phil und mich an. »Ich bin vielleicht in den letzten zwanzig Jahren nicht aus diesem Büro hinausgekommen, aber ich bin nicht dumm. Sie haben sich doch bestimmt schon einen Plan zurechtgelegt, oder?«

Ich sah Phil kurz an. Cabot schien ein intelligenter Mann zu sein, den man sowieso früher oder später ins Vertrauen ziehen musste, also warum nicht gleich? Natürlich bestand immer die Möglichkeit, dass das FBI Aktionen auf Rikers ohne Wissen der Gefängnisleitung durchführte, aber die aufgeschlossene Art des Direktors machte mir Mut, ihn von Anfang an in unsere Arbeit mit einzubeziehen.

Phil bedeutete mir mit einem kurzen Nicken, dass er meine Einschätzung teilte.

»Sie haben natürlich recht«, sagte ich zu Cabot. »Wir würden gern einen Informanten einschleusen, der sein Vertrauen gewinnt und uns Aufschluss darüber geben kann, warum Xie Chuan ermorden ließ. Schließlich müssen wir vermuten, dass Xie schon seit längerer Zeit Einfluss auf die Organisation Chuans hatte. Eventuell handelt es sich bei ihm sogar um einen der drei entmachteten Unterführer, deren Identität wir noch nicht kennen. Sollte es uns gelingen, Xies Vertrauen zu gewinnen, so erreichen wir es vielleicht doch noch, die Organisation zu zerschlagen.«

»Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Mafiaangehöriger seine Geschäfte aus dem Gefängnis heraus koordiniert«, stimmte Cabot mir zu. »Wie wäre es, wenn wir mal ein Wort mit den Wärtern in seinem Trakt reden? Vielleicht ist denen etwas aufgefallen?«

»Lieber nicht«, wehrte ich – etwas heftig – ab. »Wenn Ihren Leuten etwas aufgefallen wäre, hätten sie es sicher schon gemeldet. Und wenn sie es nicht gemeldet haben, dann besteht durchaus auch die Möglichkeit, dass Xie sie unter Druck setzt oder dass einzelne Ihrer Beamten mit ihm gemeinsame Sache machen.«

Cabot sah mich schweigend an und kaute auf seiner Unterlippe. Mir war klar, dass meine letzte Bemerkung dazu führen konnte, dass er dichtmachte und uns unsere weitere Arbeit erschweren würde. Aber ich hatte mich in meiner Einschätzung nicht getäuscht. Cabot reagierte ganz gelassen und weiterhin kooperativ.

»Nun gut, Agents«, sagte er. »Die Tatsache, dass sich kein Vermerk über einen Zellengenossen von Xie in den Unterlagen finden lässt, lässt mich aufhorchen. Da scheint tatsächlich etwas nicht zu stimmen. Wir sind ständig überbelegt, ich kann mir nicht vorstellen, dass die Zelle auf Dauer nur mit einem Gefangenen besetzt sein sollte. Insofern verstehe ich Ihre Vorsicht und würde Sie bei allem, was Sie vorhaben, unterstützen. Vorausgesetzt natürlich, Sie halten mich auf dem Laufenden.«

***

Auf dem Rückweg ins Field Office diskutierten Phil und ich, was wir auf der Hinfahrt schon kurz angesprochen hatten: den Einsatz eines verdeckten Ermittlers auf Rikers Island.

»Ich würde ja sehr gern selber da reingehen«, meinte Phil, »aber ich denke, dass das wenig Sinn hätte.«

»Das denke ich auch«, sagte ich. »Mal ganz abgesehen davon, dass wir einen asiatisch-stämmigen Kollegen brauchen, müssten wir damit rechnen, dass unser Maulwurf davon Wind bekommt und dich verrät. Außerdem könnte dich jederzeit einer unserer früheren Kunden erkennen. Wir müssen auch damit rechnen, dass unsere asiatischen Kollegen durch den Maulwurf in der Organisation bekannt sind. Wir können also nicht das Risiko eingehen und einfach jemanden von uns da reinschicken.«

»Ich verstehe«, nickte Phil. »Und woran hast du gedacht?«

»Quantico«, meinte ich mit einem Lächeln. »Wir fahren zu unserer alten Alma Mater und suchen uns einen geeigneten Kandidaten, der kurz vor seinem Abschluss steht. Unwahrscheinlich, dass jemand von der Straße hier jemanden aus Quantico schon einmal gesehen hat.«

»Ein Frischling«, brummte Phil. »Der Gedanke ist nicht ohne Risiko. Der Mann hätte keinerlei Erfahrung vorzuweisen.«

»Darüber bin ich mir im Klaren«, erwiderte ich. »Wir müssen eben drauf hoffen, dass die dortigen Ausbilder uns einen geeigneten Mann präsentieren können. Zur Not können wir ihm ja selber auf den Zahn fühlen.«

***

Nachdem wir Mr High Bericht über unseren Besuch auf Rikers erstattet und uns die Erlaubnis von ihm geholt hatten, nach Quantico zu fahren, um uns einen geeigneten Mann zu suchen, führte er ein paar Telefongespräche, um unseren Besuch abzusichern. Da wir ungefähr fünf Stunden unterwegs sein würden, waren wir uns schnell darüber einig, dass wir erst am nächsten Morgen fahren würden. Niemandem wäre damit gedient, wenn wir mitten in der Nacht in Quantico ankämen.

Den Rest des Tages nutzten wir, um die Akte von Xie, die Cabot uns über NYSIS freigeschaltet hatte, auf dem Computer zu studieren. Dieser Mann hatte schon in jungen Jahren, lange bevor er für die Triaden tätig geworden war, eine bemerkenswerte kriminelle Karriere hingelegt. Mit vierzehn Autos geklaut und alten Damen die Handtaschen gestohlen. Mit siebzehn waren es Einbrüche gewesen und mit neunzehn das Dealen mit Drogen. Und so war es weitergegangen, bis zu dem Vorfall in der Wäscherei.

Im Gefängnis hatte es dann – bis auf die von Cabot schon geschilderten Vorgänge – immer wieder kleinere Auseinandersetzungen mit den Wärtern und mit Mitgefangenen gegeben, bis hin zu dem Zwischenfall vor acht Jahren, der einen Mann das Leben und einen anderen die Hand gekostet hatte. Seitdem war es seltsam still um Xie geworden. Es gab keine Beschwerden mehr von den Wärtern und keine Streitereien mehr mit Mithäftlingen. Glaubte man der Akte und dem beiliegenden Bericht der Psychologin, dann war Xie vom Saulus zum Paulus mutiert – sah man einmal von seiner Weigerung ab, einen Job im Gefängnis anzunehmen.

»Entweder dieser Xie ist tatsächlich ein Heiliger geworden …«, sagte Phil und rieb sich die vom Lesen müde gewordenen Augen.

»… oder es traut sich nur niemand mehr, sich ihm in den Weg zu stellen«, führte ich seinen Satz weiter und klickte die Akte weg.

»Ja«, stimmte Phil zu. »Für mich sieht es auch ganz danach aus, dass wir auf der richtigen Spur sind. Xie ist im Knast zu mächtig geworden, als dass sich ihm noch jemand in den Weg stellen würde, einschließlich der Wärter. Und wenn er mal einen dreckigen Job zu erledigen hat, dann schickt er wahrscheinlich einen anderen los und macht sich nicht mehr selbst die Finger schmutzig. Immerhin ist der Mann jetzt auch schon Ende fünfzig, da hat er wahrscheinlich Besseres zu tun, als selber zuzupacken.«

»Schlauer und älter geworden. Hoffen wir, dass wir mit unserer Vermutung richtig liegen«, seufzte ich, »und dass Xie auch derjenige ist, der Chuan auf dem Gewissen hat. Andernfalls schicken wir jemanden ganz umsonst auf die Insel, nur weil unser kleiner Lord uns irgendeinen Namen hingeworfen hat.«

***

Wir kamen am nächsten Tag zur frühen Mittagsstunde in Quantico an. Wir wurden von Wayne Shuter, dem derzeitigen Leiter des Ausbildungslagers, und einem Mann chinesischer Herkunft empfangen, den Shuter uns als Ma Sun, einen der Ausbilder, vorstellte.

»Ich habe Mister Sun dazugebeten, weil er die Rekruten während der Ausbildung auf die ethnisch bedingten Konfliktpotenziale, die während ihrer zukünftigen Einsätze auftauchen können, vorbereitet. Er leitet, neben dem normalen Ausbildungstraining, diverse Kurse, die sich mit dem Thema beschäftigen. Er scheint mir der geeignete Mann für Ihre Operation.«

Wir schüttelten Agent Sun die Hand. Er war ein mittelgroßer Mann mit kurzen, dunklen Haaren und einem sympathischen Gesicht, dessen Symmetrie nur durch eine Narbe, die sich von seinem rechten Auge bis hinunter zu seiner Oberlippe zog, durchbrochen wurde.

»Ein Ausbildungsunfall«, sagte Sun, als er meinen Blick bemerkte.

»Ich habe Agent Sun noch nicht eingeweiht«, übernahm Shuter wieder das Gespräch. »Ich dachte, das überlasse ich besser Ihnen.«

»Ich danke Ihnen«, sagte ich. »Um es kurz zu machen«, wandte ich mich an Sun, »wir suchen einen Rekruten, der in der Lage wäre, für uns einen Undercover-Einsatz durchzuführen. Er müsste nach Rikers gehen, nach Möglichkeit das Vertrauen eines dort einsitzenden Häftlings gewinnen und für uns herausbekommen, ob dieser Häftling aus seiner Zelle heraus einen Mord in Auftrag gegeben hat.«

»Der Mord, von dem Sie sprechen, fand nicht in Rikers selbst statt, nehme ich an?«, wollte Sun von mir wissen.

Ich nickte.

»Es handelt sich bei dem Ermordeten um einen Mann, den wir als Kronzeugen in einem Prozess aufbauen wollten.«

Sun lächelte.

»Ich tippe auf King Chuan. Nicht wahr?«

Ich sah Sun erstaunt an, blickte dann Shuter an, der aber genauso überrascht schien wie ich.

»Sie sind erstaunlich gut informiert«, sagte ich. »Woher wissen Sie das?«

»Nun«, antwortete Sun. »Wir beobachten die Aktivitäten unserer Kollegen von hier aus ganz genau. Schließlich brauchen wir für unsere Rekruten immer realistisches Material, um unsere Übungseinheiten dementsprechend gestalten zu können. Die Nachricht vom Tod Chuans hat sich herumgesprochen. Als Sie mir eben erzählten, dass es um einen Mord geht, musste ich nur noch eins und eins zusammenzählen. Wobei ich allerdings sagen muss, dass diese Aktion einiges an Fehlern aufwies, die wir unsere Rekruten hier zu vermeiden lehren.«

Ich spürte, wie Verärgerung in mir hochkroch. Weniger, weil Sun so gut über unser Debakel in der Fulton Street Bescheid wusste, sondern vielmehr, weil er uns mit seiner Bemerkung abkanzelte wie ein paar seiner Schüler.

»Ich denke, dass die Tatsachen vor Ort sich immer ein wenig anders darstellen als in der Simulation hier in Quantico«, sagte ich deshalb.

Sun zuckte mit den Schultern.

»Sie haben es versäumt, die Umgebung auf Gefahrenquellen hin abzuschirmen. Zwei verdeckte Einheiten, die den Ein- und Ausgang des Geländes kontrolliert hätten, hätten gereicht, um die Aktion zu decken.«

Ich räusperte mich und sah Shuter an.

»Ich wusste nicht, dass wir hier eine Schulstunde nachholen sollten«, sagte ich zu ihm und konnte meine Verärgerung nun doch nicht mehr verbergen. Dann wandte ich mich wieder an Sun. »Aber um auf Ihre Einwände einzugehen, Agent Sun. Wegen der Wichtigkeit der Aktion und weil wir davon ausgehen mussten, dass wir einen Maulwurf in unseren eigenen Reihen haben, hatten wir uns dafür entschieden, nur einige wenige und absolut vertrauenswürdige Leute einzusetzen. Es galt abzuwägen zwischen dem Erfolg der Aktion und gewissen Standards, die vielleicht in der Ausbildung, nicht immer aber im wirklichen Leben eine Rolle spielen.«

Sun lächelte mich an und nun glitt auch ein Lächeln über das Gesicht von Direktor Shuter.

»Entschuldigen Sie meine Bemerkung, Agent Cotton«, sagte Sun und deutete eine Verbeugung an. »Natürlich wissen wir, dass Sie einer der besten Agents sind. Und Sie haben ganz richtig auf den Unterschied zwischen Ausbildung und dem wirklichen Leben auf der Straße hingewiesen. Aber Ihre Reaktion mir gegenüber, Agent Cotton – erlauben Sie mir diese Bemerkung – hat Sie emotional angreifbar gemacht, und das hat Sie dazu verführt, mir eben ein Detail zu verraten, von dem Sie nicht wissen konnten, ob wir schon darüber informiert waren.«

Ich schaute verwirrt in die Runde und bemerkte, dass Phil nun ebenfalls lächelte, auch wenn sein Lächeln nicht ganz so fröhlich war wie das von Sun und Shuter.

»Du hast Ihnen verraten, dass wir einen Maulwurf in unseren Reihen vermuten«, sagte Phil mit einem bedauernden Schulterzucken.

Ich zuckte innerlich zusammen. Sun hatte nicht meinen Einsatz kritisiert, sondern hatte mich aus der Reserve geholt und mir ein wichtiges Detail entlockt, das ich gar nicht hatte preisgeben wollen. Ich hatte mich tatsächlich aufgeführt wie ein Anfänger und musste es nun wohl oder übel mit Humor ertragen.

»Sie sind gut, Ausbilder Sun«, sagte ich und versuchte ein Lächeln, was mir nicht ganz so gut gelang, wie ich gehofft hatte.

Direktor Shuter lachte laut und klopfte mir auf die Schulter.

»Machen Sie sich nichts draus, Agent Cotton«, sagte er. »Sun ist der Beste. Gewöhnlich braucht er schon etwas länger, um einen Aspiranten zu knacken, aber Sie wussten ja nicht, was er mit Ihnen vorhat – wie ich übrigens auch nicht. Assistent Director High hat mir natürlich alle Implikationen des Falles geschildert, aber ich wollte es Ihnen überlassen, was Sie Kollege Sun davon mitteilen. Aber kommen wir wieder zum Thema.«

Shuter sah Sun an.

»Denken Sie, wir haben den richtigen Mann für diese Aufgabe?«

Sun überlegte einen Moment.

»Ich denke, es kommen zwei Bewerber in Frage, die beide in der letzten Woche ihrer Ausbildung sind«, sagte er dann. »Ich würde vorschlagen, dass wir sie uns einmal ansehen und Sie sagen mir, was Sie von ihnen halten.«

Sun sah auf seine Uhr.

»Soweit ich weiß, ist die Einheit, in der die beiden sind, soeben nach Hogans Valley unterwegs. Es steht eine Übung in Personenschutz auf dem Plan. Aber in einer Stunde stehen sie zu Ihrer Verfügung.«

***

Eine knappe Stunde später saßen wir in Suns Büro. Wir hatten aus der Kantine Kaffee und etwas zu essen bekommen.

Wir plauderten ein wenig mit Sun und warteten auf die beiden Rekruten. Neben Suns Schreibtisch stand eine offene Vitrine, in der sich ein rundes Dutzend Buddhafiguren befanden. Alle Figuren waren vom selben hellen Grau mit winzigen braunen Flecken. Phil bewunderte die filigran gearbeiteten Figuren, stand auf, nahm eine in die Hand und fragte: »Jade?«

»Nein«, sagte Sun mit kaum unterdrückter Verachtung für die Unkenntnis meines Partners, nahm ihm die Figur ab und stellte sie zurück an ihren Platz. »Lavastein. Die Lava stammt vom Ausbruch des Tambora auf Java vor zweihundert Jahren. Es gibt nicht mehr als vielleicht fünfzig Figuren dieser Art.«

Phil nickte ein wenig dümmlich, und ich konnte einen leichten Anflug von Schadenfreude nicht verbergen, dass sich nun auch mein Partner von dem strengen Ausbilder gemaßregelt sah.

Es klopfte an der Tür und die beiden Rekruten traten ein. Sun stand auf und stellte sie vor.

»Das ist Ye Ming«, sagte er und legte dem einen die Hand auf die Schultern. »Er ist unser bester Mann, was Kampftechniken und Psychologie angeht. Er hat sein Studium in Princeton abgebrochen, um zu uns zu kommen. Und das ist Li Bao«, fuhr Sun fort und deutete mit dem Finger auf den anderen jungen Mann. »Bao ist in China geboren. Er ist seit seinem vierzehnten Lebensjahr hier in den USA und spricht fließend Kantonesisch, Ming und drei andere chinesische Dialekte. Am besten, Sie erklären den beiden, worum es geht.«

»Wir würden es vorziehen, wenn wir ihnen erst einmal ein paar Fragen stellen könnten«, widersprach ich Sun, der meinen Vorschlag sofort annahm und sich auf einen Stuhl etwas abseits setzte.

Ich betrachtete die beiden jungen Männer vor mir und versuchte, dem ersten Eindruck eine genauere Einschätzung hinzuzufügen. Beide waren etwa Mitte zwanzig. Ming war ein wenig untersetzt, kräftig und hatte einen offenen, ehrlichen Blick. Bao war schlanker, weniger kräftig, aber durchtrainierter als Ming. Sein Blick verriet nichts. Seine Augen waren so dunkel wie Steine. Keine Regung der dahinter verborgenen Seele spiegelte sich in diesen Augen.

Ich fing mit Ming an.

»Warum haben Sie Princeton verlassen?«, wollte ich wissen.

Ming zuckte mit den Schultern.

»Es war mir zu langweilig, Agent«, antwortete er. »Ich wollte etwas machen, wobei Körper und Geist zusammenkommen.«

»Was haben Sie studiert?«, schaltete sich Phil ein.

»Wirtschaft und Psychologie«, antwortete Ming.

»Leben Ihre Eltern noch?«, machte wieder ich weiter.

Ming nickte.

»Bei Niagara Falls. Sie haben dort einen Souvenirladen.«

»Geschwister?«

»Drei. Zwei Brüder und eine Schwester.«

»Was machen sie?«

»Meine Schwester studiert Kunst. Meine beiden Brüder haben zusammen eine Reparaturwerkstatt.«

»Freundin?«

Ming schüttelte den Kopf.

»Warum sind Sie beim FBI?«

»Es ist interessant. Eine verantwortungsvolle Tätigkeit.«

»Das ist alles? Nur eine verantwortungsvolle Tätigkeit?«, hakte ich nach.

Ming drehte unsicher seinen Kopf etwas zur Seite, als suche er Sun in seinem Rücken, dann wandte er sich wieder mir zu.

»Es gibt mir Gelegenheit, meinem Land, den USA, zu zeigen, dass ich dankbar bin für alles, was meine Familie hier erreicht hat.«

Ich nickte.

»Das ist gut. Sehr patriotisch. Danke.«

Dann wandte ich mich Bao zu.

»Wie ist es mit Ihnen? Warum sind Sie beim FBI?«, wollte ich wissen.

Bao sah mich ausdruckslos an.

»Mein Onkel war in China Polizist. Er hat immer gut verdient.«

»Haben Sie noch Familie hier?«

»Nein«, antwortete Bao knapp. »Alle sind in China. Ich bin allein hergekommen.«

»Allein?«, fragte ich überrascht. »Mit vierzehn?«

»Meine Eltern waren arm, wie Ausbilder Sun schon erwähnte. Ich bin fortgegangen. Ich bin in den Irak gegangen.«

»In den Irak?«, fragte Phil überrascht. »Was wollten Sie dort?«

»Ich wollte mich den amerikanischen Truppen anschließen«, antwortete Bao und lächelte schief. Die erste emotionale Reaktion, die wir von ihm bekamen. »Ich war jung und dumm. Dort hat ein Offizier mich unter seine Fittiche genommen und nach Amerika gebracht. Ich bin hier zur Schule gegangen.«

»Was ist mit Ihrem Wohltäter?«, fragte Phil weiter.

»Eine Granate hat ihn getötet«, antwortete Bao, nun wieder absolut kontrolliert.

Ich sah Bao einige Sekunden schweigend in die Augen, dann wiederholte ich meine erste Frage noch einmal.

»Warum sind Sie beim FBI, Bao?«

Bao sah mich aus seinen ausdruckslosen Augen an.

»Sagen Sie es mir, Agent«, kam es leise. »Damit ich Gangster erledigen kann?«

Die Augen von Ming weiteten sich und sein Mund öffnete sich, als wolle er sich für die Unverschämtheit seines Mitschülers entschuldigen. Gleichzeitig hörte ich, wie Ausbilder Sun hinter mir seinen Atem scharf einzog und ihn ebenso scharf wieder ausstieß. Beim Aufstehen rückte sein Stuhl heftig nach hinten.

Ich hob meine Hand, um ihm zu bedeuten, dass ich sein Eingreifen im Moment nicht wünschte, dann reichte ich Ming die Hand und wartete, bis er verstand und sie ergriff.

»Ye Ming«, sagte ich, »ich möchte mich bei Ihnen bedanken. Sie haben sicher eine große Karriere in unserer Behörde vor sich.«

Ming stand auf, meine Hand noch in der seinen, dann errötete er, ließ meine Hand los und verließ den Raum. Ich wartete, bis ich sicher sein konnte, dass er sich entfernt hatte, dann wandte ich mich an Bao.

»Würden Sie bitte im Vorzimmer auf uns warten? Wir würden gern noch ein paar Worte mit Agent Sun wechseln.«

Bao stand auf, nickte Sun kurz zu und ging.

Sun kam um den Tisch herum und stützte sich mit beiden Händen auf.

»Sind Sie sicher, dass Sie das Richtige tun?«, fragte er. »Offensichtlich habe ich mich in Bao nicht getäuscht. Er war unverschämt. Er hat mich blamiert. Seine Einstellung ist gefährlich. Chronisch unzuverlässig. Deshalb wollte ich ihn von Anfang an nicht dabeihaben. So etwas lassen wir hier unseren Rekruten nicht durchgehen. Bao steht sowieso schon auf unserer Abschussliste, bis jetzt hat er sich nur noch nichts zuschulden kommen lassen, was eine Entlassung aus Quantico gerechtfertigt hätte. Nehmen Sie Ming. Er hat die bessere Ausbildung. Er ist zuverlässig. Er wird es schaffen.«

»Da bin ich ganz anderer Meinung«, sagte ich und stand auf. »Ming ist ein guter Mann. Aber er ist zu unsicher. Er hat noch nicht die innere Härte, die man braucht, um einen Aufenthalt in Rikers durchzustehen. Bao dagegen ist nicht zu durchschauen. Das ist ein Vorteil. Außerdem brauchen wir an seiner Vita kaum etwas zu verändern. Mit seiner Biografie könnte er genauso gut einer von diesen Gangstern sein. Zudem spricht er fließend Chinesisch. Ich will Bao.«

Sun sah zu Phil, der mir zustimmend zunickte, dann hob er resignierend die Hände und ließ sie wieder fallen.

»Nun gut«, stöhnte er. »Wenn Sie unbedingt wollen. Nehmen Sie ihn mit.«

***

Die schwere Zellentür schloss sich hinter Li Bao und er setzte sich sofort auf die untere der beiden Pritschen. Der Mann, der bis eben mit dem Rücken zu ihm am Fenster gestanden und in einem Magazin gelesen hatte, drehte sich zu ihm um.

»He, Junge«, sagte er scharf, »das ist mein Bett.«

Bao sah sich den Mann an. Er war groß, hatte am ganzen Körper Tätowierungen und einen Zopf wie ein Pirat. Bao tippte auf Mexikaner oder Hispano-Amerikaner. Sein Gesicht war von Pockennarben übersät, an der linken Hand fehlte ihm der kleine Finger. Der winzige Stumpf, der noch übrig war, sah nicht danach aus, als habe man ihm den Finger sauber in der chirurgischen Abteilung eines Krankenhauses abgetrennt. Es sah eher danach aus, als habe man ihn ihm abgerissen.

»Jetzt nicht mehr«, sagte Bao, raffte die Bettdecke, das Kissen und ein halbes Dutzend Pornomagazine, die offen auf der Matratze lagen, zusammen und warf sie auf den Boden. Der Mann ließ vor Erstaunen sein Magazin sinken und den Mund offen stehen. Dann hatte er sich wieder so weit gefangen, dass er sprechen konnte.

»Hör mal zu, Schlitzauge«, knurrte er böse, ließ das Magazin fallen und kam auf Bao zu, »du verpisst dich jetzt von meinem Bett und sammelst meine Sachen wieder auf, sonst kannst du das Klo mit deiner Zunge sauber machen, hast du mich verstanden?«

Der Mann war bei Bao angekommen, baute sich vor ihm auf und langte mit der rechten Hand nach unten, um Bao zu packen. Bao blieb sitzen, fasste mit beiden Händen nach der Hand des Mannes, griff sich kleinen Finger und Ringfinger mit der linken und Mittel- und Ringfinger mit der rechten Hand und riss sie kräftig auseinander. Es gab ein hässliches Geräusch und der Mann ging zu Boden, presste seine Hand gegen den Körper und schrie.

Bao stand auf, packte den Mann unter den Achseln und zog ihn in eine Ecke der Zelle, wo er ihn hocken und schreien ließ. Dann nahm er die saubere Bettwäsche, die schon auf einem der beiden Stühle für ihn bereitgelegen hatte, und begann, sein Bett zu beziehen.

Es dauerte fünfzehn Minuten, in denen der Mann sich langsam beruhigte, nur noch jammerte und fluchte, bis die Wärter kamen und ihn und seine Magazine und alles, was er an persönlichen Gegenständen hatte, auf die Krankenstation mitnahmen.

Bao sah ihn nie wieder.

Zwei Stunden später steckte man einen anderen Gefangenen in seine Zelle.

Einen Chinesen.

Einen, der sich mit der oberen Pritsche zufrieden gab.

***

»Es gibt Ärger mit Bao«, sagte Phil und schloss die Tür zu unserem Büro hinter sich.

Ich war gerade damit beschäftigt gewesen, mir zum hundertsten Mal die Akte über Chuans Organisation zu Gemüte zu führen, bevor Phil und ich uns auf den Weg machen wollten, um unsere unterbrochenen Recherchen fortzusetzen. In den letzten zwei Wochen waren wir damit beschäftigt gewesen, Bao auf seinen Einsatz vorzubereiten. Wir hatten an seiner Biografie gearbeitet, wobei wir an seine Zeit in China anknüpften und nur den Teil änderten, der seinen Aufenthalt in den USA betraf. Wir statteten ihn mit einer gefälschten Strafakte aus und sprachen immer und immer wieder jeden Teil seiner neuen Identität durch.

Gleich anschließend an drei Jahre in einem Erziehungsheim in Texas hatte er zwei Jahre wegen gefährlicher Körperverletzung in einem Gefängnis in Wisconsin abgesessen, wo er einen Mitgefangenen schwer mit einer abgefeilten Zahnbürste verletzt hatte. Nach seiner Freilassung war er nach Los Angeles gegangen, wo er sich mit kleineren Diebstählen durchgeschlagen hatte, bis er sich den dortigen Triaden anschloss. Er erledigte kleinere Kurierfahrten für sie, fuhr Drogen herum und besorgte ab und zu für einen der Bosse etwas Persönliches.

Bei der Erstellung dieses Profils war uns die Tatsache zugute gekommen, dass es den Kollegen aus L.A. vor gut einem Jahr gelungen war, die dortigen Triaden fast vollständig zu zerschlagen. Die meisten der Triadenfürsten saßen – unerreichbar für jeden aus der kriminellen Szene – in Hochsicherheitstrakten und warteten auf ihre Verurteilung, und diejenigen, die in der mittleren und unteren Ebene etwas über einen ehrgeizigen, jungen Chinesen hätten sagen können, würden sich dunkel an ihn erinnern – denn es hatte tatsächlich einen jungen Mann in L.A. gegeben, der sich den Triaden angedient hatte, allerdings war dieser junge Mann im Gefängnis an einer Lungenentzündung gestorben.

Die Kollegen hatten uns alle nötigen Informationen gegeben, um Li Bao alias Tu Yao mit einer kompletten Geschichte auszustatten.