Jerry Cotton Sammelband 22 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sammelband 22 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sammelband 22: Fünf actiongeladene Fälle und über 300 Seiten Spannung zum Sparpreis!

G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!

Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

In diesem Sammelband sind 5 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:

2885: Flammen tilgen alle Spuren
2886: Die rätselhafte Waffe
2887: Der Tod gab mir die Hand
2888: New York gegen uns
2889: Schüsse aus dem Nichts

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Jetzt herunterladen und garantiert nicht langweilen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 694

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2012 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive von © shutterstock: Flik47 | Milos Kontic ISBN 978-3-7325-8766-7

Jerry Cotton

Jerry Cotton Sammelband 22 - Krimi-Serie

Inhalt

Jerry CottonJerry Cotton - Folge 2885Wir hatten es schon mit vielen brutalen Verbrechen zu tun bekommen, aber als Phil und ich vor den rauchenden Trümmern der ausgebrannten Villa standen, war uns doch etwas mulmig zumute. Eine Gang hatte das chinesische Ehepaar überfallen, ausgeraubt und dann sie und das Haus angezündet. Es gab kaum Spuren, auch keine Hinweise von den Nachbarn, wir wussten eigentlich nicht so recht, wo wir ansetzen sollten - bis uns ein brutaler Killer auf die richtige Spur brachte-Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2886Der Tag begann mit einer Hiobsbotschaft. Joe Brandenburg und sein Partner, Les Bedell, hatten in der Nacht einen unbewaffneten Farbigen erschossen. Beide beschworen, selbst unter Feuer genommen worden zu sein und in Notwehr gehandelt zu haben. Doch am Tatort wurden weder eine Waffe noch Patronenhülsen gefunden. Wir standen vor einem Rätsel, das wir schnell lösen mussten, bevor man unsere beiden Kollegen wegen Mordes anklagte-Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2887Alain Hosse war vor 10 Jahren von der Bildfläche verschwunden. Er war einer der berüchtigtsten und effektivsten Killer der New Yorker Unterwelt gewesen. Phil und ich ermittelten in einem Drogenfall, der sich schnell zu einem Gangsterkrieg zwischen den verfeindeten Brüdern Willard und Chester Banks ausweitete. Einige der Leichen, die wir fanden, trugen deutliche "Arbeitsspuren" von Hosse. War der Killer wieder aktiv oder trat jemand in seine Fußstapfen-Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2888Aristide Chevalier war einer der gefürchtesten Bosse der New Yorker Unterwelt. Er galt als unbeherrscht, unberechenbar und jähzornig. Aber was immer ihm auch zur Last gelegt wurde, seine Anwälte schafften es, jede Anklage abzuschmettern. Doch dann sollte ihm die Leiche einer jungen Frau zum Verhängnis werden, Bis es allerdings soweit war, mussten meine Kollegen und ich noch harte Knochenarbeit verrichten...Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2889MC Dooley war der Star der New Yorker Rap-Szene. Als er eines Abends in Begleitung einer atemberaubenden Blondine einen angesagten Club verließ, bellten Schüsse auf. Dooley kam mit dem Schrecken davon, doch seine Begleiterin lag tot auf dem Pflaster. Es stellte sich heraus, dass die Kugeln aus einer Waffe stammten, die wenige Tage zuvor bei einem Attentat auf einen bekannten Boxer benutzt worden war, bei dem aber niemand zu Schaden kam. Machte jemand systematisch Jagd auf Prominente?Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Flammen tilgen alle Spuren

Jerry Cotton aktuell

Vorschau

Flammen tilgen alle Spuren

Sie nannten sich Killer, Hurricane, Devil, Munster und Spongebob, und sie waren im Moment ziemlich high.

»Scheiße«, krächzte Spongebob, »mir geht es nicht gut.«

Killer sah ihn an. In seinem Gürtel steckte eine riesige Kanone. »Du hast doch nicht etwa die Hosen voll.«

»Blödsinn«, knurrte Spongebob. »Ich fühle mich bloß nicht richtig wohl. Das ist alles.«

Hurricane drückte Spongebob eine Pille in die Hand. »Hier. Aber das muss jetzt reichen. Zu viel Dope ist ungesund.«

Killer zog seine Pistole. Er stand mit seinen Komplizen auf dem teppichweichen Rasen eines gepflegten Grundstücks, das von einer nicht besonders hohen Natursteinmauer umgeben war. Der Atlantik war so nahe, dass man die Wellen rauschen hörte, und das Haus, das die jungen Kriminellen besuchen wollten, zeugte davon, dass seine Besitzer nicht gerade in ärmlichen Verhältnissen lebten. Das kunstvoll gegliederte Dach war nach allen Seiten hin mehrfach abgesetzt. Im gesamten Erdgeschoss brannte Licht. Auch in den beiden ausladenden Erkern, die eine breite Veranda flankierten.

Killer versammelte seine Komplizen um sich. »Wir erledigen die Sache genau so, wie wir es besprochen haben.«

Munster zeigte auf das Haus. »Da drinnen gibt’s bestimmt sehr viel zu holen.«

Killer bleckte die kräftigen Zähne. »Okay, Amigos. An die Arbeit. Machen wir Schlagzeilen.«

***

Sie näherten sich dem Haus. Spongebob stolperte und rempelte Devil an. Dieser stieß ihn ärgerlich zurück. »Pass auf, wo du hintrittst, Mann.«

»’tschuldigung.«

»Maul halten!«, befahl Killer.

Im Haus schlenderte ein Mann mit einem Glas Milch gemächlich durchs Wohnzimmer. Mittelgroß, wohlgenährt, dunkelhaarig, mandelförmige Augen – ein Chinese. Er trug einen rostroten Pullover und schwarze Leinenhosen. Hurricane und Munster duckten sich unwillkürlich. Killer hob seine Pistole und zielte auf den Mann. »Peng!«, sagte er grinsend. »So schnell kann man tot sein.«

Hurricane rümpfte die Nase. »Ich mag keine Chinesen.«

Killer lachte leise. »Du magst keine Chinks, keine Japse, keine Latinos, keine Schwarzen. Du bist ein gottverdammter Rassist.«

Der Hausbesitzer verschwand aus ihrem Blickfeld. Sie schlichen die Verandastufen hinauf.

»Sieh dir diesen Luxus an«, flüsterte Spongebob, während er seinen Blick durch das Wohnzimmer wandern ließ.

Killer trat an die halb offen stehende Verandatür. Bevor er sie mit dem Ellenbogen etwas weiter aufdrückte, entsicherte er seine Pistole.

Dann trat er rasch ein und sagte laut: »Guten Abend, Leute.«

Katara Tseng sprang schreiend auf. Sie trug einen Kimono aus gelber Seide. Ihr breites Gesicht wurde aschfahl. Sie starrte Killer und seine Freunde entsetzt an. Er richtete seine Pistole auf sie.

»Hinsetzen!«

Sie zitterte. »Nicht schießen.«

»Hinsetzen!«

Sie schluchzte. »Bitte tun Sie uns nichts.«

»Wenn Sie tun, was ich sage, wird Ihnen nichts geschehen«, erklärte Killer.

Katara Tseng setzte sich. »Zuko«, krächzte sie. »Was wollen diese Männer von uns?«

Zuko Tseng stand mit erhobenen Händen neben der HiFi-Anlage, die den Raum noch immer mit Puccini-Klängen beschallte.

»Mach das Gejaule aus!«, verlangte Hurricane. »Ist ja fürchterlich. Davon wird man krank.«

Zuko Tseng beendete die Musik mit einem raschen Knopfdruck. Es war schlagartig still im Haus.

Killer wandte sich an Zuko Tseng. »Würden Sie bitte neben Ihrer Frau Platz nehmen, Mister?«

Der Chinese setzte sich langsam in Bewegung. Schweiß glänzte auf seiner Oberlippe.

»Angst?«, fragte Killer.

Zuko Tseng nickte.

Killer schüttelte den Kopf. »Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Wir tun nur unsere Pflicht. Wir kommen vom Finanzamt. Sind ’ne Sondereinheit. Sollen von Ihnen und Ihresgleichen eine Art Sondersteuer einziehen. Wenn wir die haben, gehen wir wieder, und Sie können weiter mit Ihrer Frau Musik hören. Sie dürfen uns nur nicht verscheißern oder gar belügen. Das würden wir Ihnen nämlich sehr übel nehmen. Haben Sie mich verstanden?«

»Ja.«

»Gut. Dann setzen Sie sich.«

Zuko Tseng ließ sich auf dem Sofa neben seiner Frau nieder. Sie weinte. Er nahm ihre Hand und hielt sie fest. Mach dir keine Sorgen, sollte das heißen. Ich bin bei dir. Es wird alles gut. Ich lasse nicht zu, dass sie dir etwas antun.

»Ist außer Ihnen noch jemand im Haus?«, erkundigte sich Killer.

»Wir sind allein«, antwortete Zuko Tseng.

Killer wandte sich an Hurricane und Devil. Er zeigte mit seiner Pistole auf das Ehepaar und sagte: »Fesseln.«

»Ist das wirklich nötig?«, fragte Zuko Tseng.

»Bloß eine Sicherheitsmaßnahme«, beruhigte Killer den Mann.

»Sie sagten …«

»Ich weiß, was ich gesagt habe«, fiel Killer dem Chinesen barsch ins Wort. Seine Stimme wurde aber gleich wieder weich und freundlich. »Ihnen wird kein Leid geschehen. Vertrauen Sie mir. Lassen Sie sich fesseln, damit wir ungestört unseren Job erledigen können. Je bereitwilliger Sie sich fügen, desto schneller sind Sie uns wieder los.«

Hurricane und Devil fesselten das Ehepaar mit Klebebändern.

Killer ging vor der Frau in die Hocke und sah ihr von unten ins Gesicht. »Besitzen Sie Schmuck, Madam?«

»Bitte.« Sie schluchzte.

»Haben Sie Schmuck?«

»Bitte. Bitte.«

»Hey, was soll das?«, schnauzte Killer die Chinesin an und schnellte ungeduldig hoch. »Ich habe Ihnen eine einfache Frage gestellt und erwarte darauf eine klare Antwort. Mit ›Bitte. Bitte.‹ kann ich nichts anfangen.« Er zielte mit der Pistole auf ihre Stirn. »Also, wo sind die Klunker?«

»Oben«, stieß Zuko Tseng ängstlich hervor. »Sie sind oben. Im Schlafzimmer. In der Schmuckschatulle.«

»Und das Geld?«, fragte Killer.

»Im Safe«, antwortete Zuko Tseng.

»Auch oben?«

»Nein. Hier unten. In meinem Büro.«

»Wie viel ist drin?«, wollte Killer wissen.

»Zwanzigtausend.«

»Nicht mehr?«

Zuko Tseng presste ängstlich die Lippen zusammen und schwieg. Killer schickte Spongebob und Munster ins Obergeschoss.

Sie brachten die Schmuckschatulle herunter, stellten sie auf den Couchtisch und öffnete sie. Es befanden sich Halsketten, Ringe, Armbänder und Uhren darin.

»Wie viel ist das wert?«, wollte Killer wissen.

»Ich weiß es nicht«, gab Zuko Tseng zur Antwort.

Devil fasste sich an die Stirn. »Er weiß es nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Mann, die besitzen so viel Geld, dass es sie überhaupt nicht interessiert, was das Glitzerzeug kostet. Sie sehen es im Schaufenster eines Juweliers. Es gefällt ihnen. Sie gehen hinein und kaufen es. So, wie wir uns ’nen Kaugummi kaufen.«

Killer wollte von Zuko Tseng hören, wie man den Safe aufbekam. Der Chinese verriet es ihm.

Hurricane und Devil plünderten auf Killers Geheiß den Safe und brachten auch noch einen Laptop, einen E-Book-Reader, ein Netbook, zwei Smartphones, eine Digi-Cam und einen Tablet-PC mit. Killer war sehr zufrieden. Der Beutezug hatte sich gelohnt. Er strahlte vor Freude und setzte sich vor Zuko und Katara Tseng auf den Couchtisch.

»Bitte gehen Sie«, flehte die Frau mit zitternder Stimme.

»Wir sind noch nicht fertig«, sagte Killer.

»Sie haben doch, was Sie wollten.«

»Jetzt möchten wir noch ganz schnell auf euer Wohl trinken«, sagte Killer. »Munster, sieh nach, was sie haben.«

Munster ging zur fahrbaren Hausbar, die vor einem riesigen Drachengemälde stand. »Bourbon. Cognac. Scotch. Reisschnaps.«

»Wunderbar«, sagte Killer. »Bring alles her.«

Munster schob die Hausbar durch den Raum.

»Hurricane. Devil.«

»Ja?«, antwortete Hurricane.

»Klebt den Schlitzaugen den Mund zu«, verlangte Killer.

Hurricane riss einen Klebestreifen von der Rolle und tat, was Killer gesagt hatte. Devil machte das Gleiche bei Katara Tseng, die jetzt offenbar das Schlimmste befürchtete.

»Jeder nimmt sich eine Flasche«, sagte Killer. »Flaschen öffnen!«

Seine Komplizen taten es.

»Wir nehmen jetzt alle einen kräftigen Schluck auf das Wohl unserer großzügigen Gastgeber.«

Alle tranken, und was sich danach noch in den Flaschen befand, leerten sie ringsherum aus. Sie gingen mit umgedrehten Pullen durch das Wohnzimmer und verteilten das hochprozentige Zeug überall.

Den wasserklaren Reisschnaps schüttete Killer auf Katara und Zuko Tseng. Der Mann bekam davon etwas mehr ab als die Frau, aber das hatte in Killers Augen seine Richtigkeit, denn Zuko Tseng war auch wesentlich dicker.

»Ist ein bisschen kühl hier drinnen«, bemerkte Killer und tat so, als würde ihn frösteln.

»Finde ich auch«, gab ihm Devil grinsend recht.

»Sollen wir dafür sorgen, dass es ein klein wenig wärmer wird?«, erkundigte sich Munster und holte mit sichtlicher Freude sein Feuerzeug heraus.

Killer nickte. »Ich denke, das kann nicht schaden.«

Munster schnickte sein Feuerzeug an. Augenblicke später brannte ein Vorhang. Hurricane zündete den teuren Seidenteppich an, Spongebob einen gepolsterten Sessel, Devil einen Zeitungsständer und Killer das gefesselte Ehepaar.

***

Das Haus brannte zwar nicht mehr, als Phil und ich eintrafen, aber die Feuerwehrleute schossen noch eine Weile ringsherum armdicke Wasserfontänen hinein, um ein neuerliches Aufflackern des Feuers zu verhindern.

Uniformierte Cops sorgten dafür, dass die Arbeit der Löschmannschaften nicht von Schaulustigen behindert wurde. Phil und ich wiesen uns aus und durften die Absperrung passieren. Die Flammen hatten ganze Arbeit geleistet. Sie hatten das große Gebäude restlos verwüstet.

Es gab kein Dach mehr. Mauern waren umgefallen, Decken herabgestürzt. Das Glas nahezu aller Fenster war geborsten. Beißender Rauch lag fett und schwarz in der Luft. Ohne schwere Atemschutzgeräte hätten die Männer vom Fire Department nicht arbeiten können.

Hank Hogan kam uns entgegen. Der blonde Hüne mit den buschigen Augenbrauen hatte mich vor einer halben Stunde angerufen und gesagt: »Jerry, hier ist Hank.«

»Weißt du, wie spät es ist? Um diese nachtschlafende Zeit ruft man niemanden mehr an«, belehrte ich den Privatdetektiv. »Es sei denn …«

»Es geht um Mord, Jerry«, sagte Hank mit Nachdruck.

»Wer wurde ermordet?«

»Freunde von mir«, antwortete Hank.

»Wo?«

»Auf Staten Island«, sagte Hank. Er nannte die Adresse und sprach von Nachbarn, die mehrere verdächtige Gestalten auf dem Anwesen seiner Freunde gesehen hätten. »Sie haben die Polizei alarmiert, doch als die Cops eintrafen, stand das Haus in Flammen und die Täter waren über alle Berge.«

Als er die Namen seiner Freunde erwähnte, sagte ich: »Wir kommen sofort.«

Anschließend hatte ich Phil angerufen, und jetzt waren wir hier.

»Katara und Zuko Tseng«, sagte Hank Hogan und deutete mit dem Kopf auf die rußschwarze Ruine.

Phil nickte. »Die Tseng-Kette.«

»Top-China-Restaurants in nahezu allen großen amerikanischen Städten«, ergänzte Hank Hogan.

»Speisen auf höchstem Niveau«, fügte mein Partner hinzu. »Das ist der Slogan der Tseng-Kette.«

»Ich habe vor vier, fünf Jahren einen Kerl ins Kittchen gebracht, der die Tsengs erpressen wollte«, sagte Hank.

Daran konnte ich mich dunkel erinnern. »So lange ist das schon wieder her?«

»Tja, so schnell vergeht die Zeit«, sagte Hank, der nicht nur Privatdetektiv war, sondern uns ab und zu ein paar hilfreiche Tipps gab.

Die Tsengs waren dankbare Leute gewesen, deshalb waren sie mit Hank auch in Verbindung geblieben, nachdem es ihm gelungen war, den Erpresser dingfest zu machen, und aus der zunächst beruflichen Bekanntschaft hatte sich im Laufe der Zeit eine private Freundschaft entwickelt.

»Sie waren nette, anständige Menschen«, sagte Hank Hogan ernst. »Prahlten nicht mit ihrem Reichtum, lebten weitgehend zurückgezogen, gaben viel Geld für karitative Zwecke aus, ohne dass sie dafür namentlich genannt werden wollten.«

»Gibt es Erben?«, wollte ich wissen.

»Sie haben zwei Söhne«, antwortete Hank. »Liang Tseng und Jared Watson.«

Ich horchte auf. »Moment mal …«

»Jared Watson wurde von ihnen adoptiert«, klärte Hank mich auf. »Nach einer komplizierten Scheinschwangerschaft, die Katara Tseng beinahe das Leben gekostet hätte, konnte sie keine Kinder mehr bekommen. Da die Tsengs aber nicht wollten, dass Liang allein aufwuchs, holten sie ihm einen gleichaltrigen Bruder aus dem Waisenhaus.«

»Wieso heißt er nicht ebenfalls Tseng?«, erkundigte ich mich.

»So hieß er fünfzehn Jahre lang. Er wurde mit drei Jahren adoptiert. Als er achtzehn war, nahm er den Namen seiner leiblichen Eltern an und verließ die Familie.«

»Warum?«, fragte ich.

Hank zog die breiten Schultern hoch. »Er wollte auf eigenen Füßen stehen.«

»War er mit seinen Adoptiveltern nicht zufrieden?«, fragte ich. »Ging er im Streit?«

Hank Hogan schüttelte den Kopf. »Es gab keinen Streit. Er ging einfach, weil er sein eigenes Leben leben wollte.«

»Wie alt ist Jared Watson heute?«, fragte ich.

»Zweiundzwanzig.«

»Was macht er beruflich?«

»Sein Vater hat für viele Leute, die sich die Finger nicht schmutzig machen wollten, eine Menge Drecksarbeit erledigt«, erzählte Hank. »Er hat Schulden eingetrieben, Leute zur Räson gebracht, Vergeltungsschläge inszeniert und dergleichen mehr.«

»Heißt das, Jared Watsons Daddy war ein Gangster?«, warf Phil ein.

Hank nickte. »Könnte man sagen. Ja. Eines Tages geriet er zwischen zwei extrem gefährliche Fronten. Das haben er und seine Frau nicht überlebt.«

»Was ist passiert?«, wollte mein Partner wissen.

»Jemand hat ihnen eine Bombe unters Auto gepackt.«

»Wo war Jared, als die Bombe hochging?«, fragte ich.

»Im Kindergarten.«

»Und jetzt macht Jared das, was ihm vor zweiundzwanzig Jahren gewissermaßen in die Wiege gelegt wurde«, fasste Phil zusammen.

»Das können die Tsengs wohl kaum gutgeheißen haben«, sagte ich.

»Haben sie auch nicht«, pflichtete Hank mir bei, »aber sie waren machtlos. Jared hätte in ihrem exklusiven Restaurant-Imperium Karriere machen können, doch das wollte er nicht.«

»Kennst du ihn?«, fragte ich.

Hank nickte. »Ich bin ihm ein paar Mal begegnet.« Er rümpfte die Nase. »Er ist nicht mein Fall.«

Phil zeigte auf das Haus. »Könnte er damit etwas zu tun haben?«

»Mit diesem Brand?«, fragte Hank.

Phil zog die Schultern hoch. »Vielleicht um sich nachhaltig abzunabeln.«

»Ausgeschlossen«, sagte Hank Hogan überzeugt. »Man kann von ihm halten, was man will, aber so etwas hätte er seinen Adoptiveltern niemals angetan. Er hat sie geliebt. Auf seine Weise. Hört sich irgendwie seltsam an, aber es ist so. Er bricht jedem sämtliche Knochen im Leib, ohne mit der Wimper zu zucken, ist hart wie Granit. Nur Katara und Zuko Tseng hätte er nie ein Leid zufügen können. Da hatte er so etwas wie eine Beißsperre.«

»Was ist mit Liang Tseng?«, fragte ich.

»Der hatte in letzter Zeit Probleme mit seinen Eltern«, antwortete Hank Hogan. »Deshalb wohnt er auch nicht mehr hier.«

»Probleme welcher Art?«, hakte ich nach.

»Er ist ein Träumer«, sagte Hank. »Ein Spinner. Ein Fantast ohne jeden Realitätsbezug. Er hat zu viele unausgegorene Pläne. Nahezu jede Woche einen neuen. Er möchte die Restaurantkette total umkrempeln, aber damit kam er bei seinen Eltern, vor allem bei seinem Vater, nicht durch.«

»Da schickt er ein paar Typen los, die es gern mal brennen sehen«, sagte Phil, als würde er laut nachdenken.

Doch Hank ließ diese Seifenblase augenblicklich platzen, indem er heftig den Kopf schüttelte und ganz laut »Nein!« sagte. »So etwas würde auch Liang Tseng niemals tun.«

»Und wer hat’s getan?«, wollte Phil wissen.

»Ich würde sagen, es wird eure Aufgabe sein, das herauszufinden«, lautete Hank Hogans Antwort.

»Wieso bist du eigentlich hier?«, erkundigte ich mich.

»Ich hatte in der Nähe zu tun«, sagte Hank.

»Beruflich?«, fragte Phil.

»Privat«, antwortete Hank, ohne näher darauf einzugehen. »Auf der Heimfahrt hatte ich den Polizeifunk laufen und bekam die Meldung mit, dass es hier brennt.«

Ich richtete meinen Blick auf das rauchende Gebäude und seufzte. Die Nacht war noch lange nicht zu Ende, und an Schlaf war nun nicht mehr zu denken.

***

»Sieh mal, wer da kommt, Jerry«, sagte Phil. Gleichzeitig versetzte er mir grinsend mit dem Ellenbogen einen leichten Rippenstoß.

Ich sah in dieselbe Richtung wie er und erblickte Melanie Wagner. »Oje.«

»Dein Augenstern«, meinte mein Partner. »Ich lasse dich mit ihr allein.«

Er entfernte sich und nahm Hank Hogan mit. Die blonde Journalistin kam auf mich zu. Sie trug ein Kostüm, das ihre hübsche Figur hervorragend zur Geltung brachte. Obwohl sie ungemein attraktiv war, freute ich mich nicht, sie zu sehen.

»Jerry.« Sie schenkte mir ein warmes Lächeln.

»Melanie«, gab ich zurück, ohne zu lächeln. Ich hatte keinen Grund dazu.

»Ich habe Sie angerufen«, sagte die schöne Journalistin.

»Ich weiß.«

»Geht das klar mit morgen?«, erkundigte sich Melanie Wagner.

Ich seufzte, als täte es mir leid. »Ich muss Ihnen leider einen Korb geben.«

Sie machte einen Schmollmund. »Ach, kommen Sie.«

»Ich habe wirklich keine Zeit …«

»Auch ein G-man muss ab und zu essen«, sagte Melanie. »Im Twitter gibt es die besten Spareribs von New York«, versuchte sie mich zu ködern.

Sie war hartnäckig. Ich aber auch. Sogar noch einen Tick mehr als sie. Und dadurch erreichte sie auch diesmal nicht, was sie wollte. Also wechselte sie das Thema. Ich war aber sicher, dass sie ihr Ziel auch weiterhin im Auge behalten würde.

»Mit wem haben Sie bereits gesprochen?«, wollte ich wissen.

»Mit dem Captain, der den Polizeieinsatz leitet.«

»Wie ist sein Name?«, fragte ich.

»Ellis. Randall Ellis. Captain Randall Ellis.«

Ich kannte den Mann. Er war ein bulliger, stiernackiger Ire. Laut, kompromisslos und geradlinig. Unbestechlich und ehrgeizig. Melanie Wagner verriet mir, dass sie auch schon mit den Nachbarn gesprochen hatte, mit Sarah und Jeremy Dynarski.

»Sie ist Schmuckdesignerin, er Finanzberater«, fügte sie hinzu.

Ich hörte mir an, was Melanie von dem Ehepaar erfahren hatte, und beschloss, mich nachher selbst mit den Leuten zu unterhalten.

Inzwischen spritzten die Feuerwehrleute kein Löschwasser mehr in die Ruine. Es brannte nirgendwo mehr. Jetzt machten sich mehrere bestens ausgerüstete und geschützte Männer auf die Suche nach eventuellen Glutnestern. Ein gefährlicher Job, denn das Gebäude war extrem einsturzgefährdet. Als Captain Ellis mich entdeckte, kam er zu mir, und Melanie Wagner ließ mich mit ihm allein.

Er sah ihr nach. »Die Lady ist ja ganz nett anzusehen«, sagte er, »und ich würde mich privat liebend gern mal mit ihr verabreden, aber beruflich ist sie eine ziemliche Nervensäge.«

Ich schmunzelte. »Das sind die meisten Journalisten. Sie würden sich sonst nicht für diesen Beruf eignen.«

Er gab mir die Hand. »Haben uns lange nicht gesehen. Geht’s gut?«

»Geht so«, antwortete ich. »Und selbst?«

Er nickte. »Auch. Wenn ich nicht immer zu solchen Tatorten gerufen würde, würde es mir sogar prächtig gehen. Sie kriegen meinen Bericht morgen.« Einer seiner Leute rief ihn. »Entschuldigen Sie«, sagte er und eilte davon.

Ich winkte Phil zu mir und suchte mit ihm das Nachbarhaus auf. Die Dynarskis – beide um die vierzig – standen schwer unter Schock.

Die Frau hatte geweint. Ihre Augen waren stark gerötet. Aber auch der Mann hatte ziemlich arg mit sich zu kämpfen. Sarah Dynarski trug unter dem fliederfarbenen Morgenmantel ein dünnes Spitzennachthemd.

Wir wiesen uns aus und nannten unsere Namen. Der Mann sagte, sie hätten schon mit Captain Ellis und einer Reporterin gesprochen. Er wollte uns damit vermutlich klarmachen, dass er keine Lust hatte, alles noch einmal zu wiederholen.

Ich bat ihn trotzdem, es zu tun. Er seufzte genervt. »Na schön. Also … Sarah und ich … Wir lagen schon im Bett. Ich hatte einen schweren Tag, war müde und dämmerte langsam hinüber. Sarah hat noch ein wenig gelesen. Sarah braucht immer erst ›müde Augen‹, um einschlafen zu können.«

So genau wollen wir es eigentlich nicht wissen, dachte ich, ließ ihn aber weiterreden.

»Meine Frau hatte Durst, stand noch einmal auf, ging in die Küche, und als sie den Kühlschrank öffnen wollte, bemerkte sie Gestalten auf dem Nachbargrundstück. Sie rief mich. Aber ich konnte niemanden sehen.«

»Wieso nicht?«, fragte Phil.

Jeremy Dynarski zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Weil die Täter vermutlich schon im Haus der Tsengs waren.«

»Wie viele waren es?«, erkundigte sich mein Partner.

Dynarski sah seine Frau etwas unsicher an und sagte: »Fünf.«

»Hatten Sie ein gutes Verhältnis zu Ihren Nachbarn?«, wollte Phil wissen.

Jeremy Dynarski nickte. »Das beste.«

»Ich nehme an, Sie haben die Polizei gerufen«, sagte mein Kollege.

Dynarski nickte wieder. »Als es drüben anfing zu brennen, wollte ich hinüberlaufen.«

»Aber?«

»Sarah hielt mich zurück«, sagte Jeremy Dynarski. »Sie hatte Angst um mich. Irgendwann huschten diese Kerle plötzlich wie Gespenster durch die Dunkelheit. Es sah so aus, als würde jeder etwas tragen. Einer hat sich übergeben. Glaube ich.« Er richtete seinen Blick wieder auf seine Frau, strich liebevoll über ihre fahle Wange, legte den Arm um sie und drückte sie an sich.

»Wie sahen die Täter aus?«, erkundigte sich Phil.

»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Agent Decker«, antwortete Jeremy Dynarski. »Es war zu dunkel.«

»Sie würden sie nicht wiedererkennen?«

»Auf gar keinen Fall«, sagte Dynarski. »Als sie weg waren, bin ich dann doch hinübergelaufen, aber da stand das Haus schon in hellen Flammen.« Er presste die Kiefer zusammen. Seine Wangenmuskeln zuckten. »Ich habe Katara und Zuko gesehen. Sie saßen mitten im Feuer, waren gefesselt und – und – und …«

»Ja?«

»Und sie brannten«, stieß Dynarski mit belegter Stimme hervor. »Es war grauenvoll«, sagte er erschüttert.

Sarah Dynarski begann daraufhin wieder zu weinen.

***

Spongebob hatte seit kurzem eine heiße Freundin. Sie gefiel ihm unheimlich gut. Wenn er mit ihr zusammen war, schwebte er auf Wolke sieben. Er liebte Donna Moon über alles, hätte jedes Opfer für sie gebracht. Irgendwann würde sie ihm gehören. Ihm ganz allein. Nur ihm und sonst keinem.

Im Moment war das leider noch nicht so, aber wenn sie in seinen Armen lag und er sie wild und leidenschaftlich lieben durfte, verdrängte er alles, was ihm nicht gefiel. Kennengelernt hatte er sie auf die verrückteste Art, die es gab. Sie hatte ihn angesprochen. Auf dem Parkplatz. Vor dem Supermarkt. Es war ein warmer, sonniger Nachmittag gewesen.

»Hey.«

Er stand zwischen einem alten blauen Toyota und einem noch älteren goldenen Chevrolet und drehte sich um. Ganz langsam und betont lässig.

Wie es John Wayne getan hätte. Oder Mickey Rourke. Sie war jung und frisch und blinzelte im grellen Sonnenlicht. Sie trug knallenge Stretch-Jeans und ein sexy Tank-Top, sah verdammt scharf aus.

»Meinst du mich?«, fragte er.

Älter als achtzehn ist die bestimmt nicht, ging es ihm durch den Sinn. Mega-Körper. Wow. Und für ihr Alter schon beachtlich große Brüste. Zu ihrem blonden Pferdeschwanz fiel ihm ein bescheuerter Witz ein, und er musste sich ein Grinsen verkneifen.

»Ist ja sonst keiner in der Nähe«, gab sie schnippisch zurück.

»Kann ich irgendetwas für dich tun?«, erkundigte er sich. Die weiß im Bett schon, wo’s langgeht, dachte er. Jungfrau ist die mit Sicherheit schon lange nicht mehr.

»Ich hab’s gesehen«, sagte sie mit einem schelmischen Funkeln in den Augen.

»Was hast du gesehen?«

»Du hast dich ziemlich geschickt angestellt, aber ich habe es trotzdem mitgekriegt.«

»Was denn?«

»Du hast da drinnen was mitgehen lassen.« Sie zeigte mit dem Daumen auf den Supermarkt.

Ihm wurde warm. »Spinnst du?«

Sie lachte. »Leugnen ist zwecklos. Du hast ’n iPhone geklaut, und ich habe dich dabei beobachtet. Du warst nicht vorsichtig genug.«

Mist, dachte er. Was will sie von mir?

Er klaute seit frühester Kindheit. Manchmal war er erwischt worden, man hatte ihm weggenommen, was er eingesteckt hatte, und dann hatte er eine ordentliche Abreibung bekommen. Aber jetzt schon lange nicht mehr, weil er aus seinen Fehlern gelernt hatte und immer besser, routinierter und vorsichtiger geworden war. Du fängst an zu schludern, Blödmann, schalt er sich ärgerlich. Die Leute sind nicht blind, wie man sieht.

»Ich war in Gedanken, hab vergessen, zur Kasse zu gehen«, versuchte er sich herauszureden.

»Quatsch.« Sie glaubte ihm nicht. Natürlich nicht. Sie war nicht dumm.

Er seufzte. »Ich geb das Ding zurück, okay?«

Sie schüttelte den Kopf. »Behalt es. Ich habe nicht die Absicht, dich zu verraten.«

Er musterte sie argwöhnisch. »Und was willst du dafür?«

»Nichts.«

»Es gibt im Leben nichts umsonst.«

Sie zog die Schultern hoch. »Vielleicht bist du mir sympathisch, und ich möchte nicht, dass man dich wegen eines iPhones ins Kittchen steckt.«

Er lud sie spontan zum Essen ein.

Sie sah ihn zweifelnd an. »Kannst du dir das leisten?«

Er grinste. »Du musst dir ja nicht das teuerste Gericht auf der Karte aussuchen.«

So hatte es angefangen. Tags darauf hatte er sie wiedergesehen. Und nach dem dritten Date war sie mit ihm ins Bett gegangen.

Halleluja! Er hatte die Engel singen gehört. Gleich mehrmals.

Ihre wunderbare Beziehung hatte nur einen einzigen Schönheitsfehler, aber das erfuhr er erst an einem anderen Tag.

Er hatte Donna Moon gerade mal wieder in seinem winzigen Apartment atemlos und wie von Sinnen geliebt, und sie hatte alle erotischen Register ihrer berauschenden Weiblichkeit gezogen, um ihm die absolute sexuelle Erfüllung zu bescheren. Hinterher hatte er ihr schweißnass und glückselig ins Ohr geflüstert, wie sehr er sie liebe.

»Ich liebe dich auch«, sagte sie.

Hörte sich das nach einem Aber an? Er hob den Kopf und sah ihr in die Augen. Sie drehte ihr Gesicht von ihm weg.

»Was hast du?«, fragte er beunruhigt. »Bedrückt dich irgendwas?«

»Ich muss dir etwas gestehen«, sagte Donna leise.

»Was denn?«

»Ich kann nicht mehr hierherkommen.«

Er erschrak. »Was redest du denn da? Wieso nicht?«

»Ich darf nicht«, sagte sie mit belegter Stimme.

»Du darfst nicht? Gibt es jemanden, der dir etwas verbieten kann?«

»Leider ja. Ich … Wie soll ich sagen? Ich gehöre mir nicht.«

Er zog unwillig die Augenbrauen zusammen. »Was soll der Blödsinn, Donna? Was heißt, du gehörst dir nicht? Natürlich gehörst du dir. Jeder Mensch gehört sich selbst. In erster Linie. Und in zweiter Linie seinem Partner. Aber nur dann, wenn er das auch möchte.«

Sie wandte ihm ihr hübsches Gesicht zu. Ihr Blick war warm und traurig. »Das Leben ist nicht immer so einfach, wie man es gerne hätte. Manchmal kommt es zu Weichenstellungen, auf die man keinen Einfluss hat, verstehst du?«

»Nein. Verstehe ich nicht.«

»Mein Dad ist ein Idiot. Aber er ist trotz allem mein Vater, und ich bin seine Tochter. Ich kann nicht so tun, als würde es ihn nicht geben. Ohne ihn wäre ich nicht auf der Welt. Ich schulde ihm etwas.«

»Was?«

»Mein Leben.«

Er wusste nicht, ob er auf der Leitung stand oder ob sie sich so unklar ausdrückte. »Worauf willst du hinaus?«

»Mein Alter hat sich in eine ziemlich üble Sache hineingeritten. Er sitzt in der Klemme, hat Schulden, die ihn zu erdrücken drohen. Ich musste mich bereit erklären, sie abzuarbeiten, sonst hätte man ihn umgelegt.«

»Wie hoch sind die Schulden denn?«

»Mehr als hundert Riesen.«

»Und wie arbeitest du den Schuldenberg ab?«

»Kannst du es dir nicht denken?«, fragte Donna Moon zurück.

Er schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Nicht einmal ahnen? Muss ich es dir wirklich sagen?« Sie seufzte tief. »Es gibt ein Haus in Brooklyn. Die Besitzerin heißt Kim Brando. Da gehen Männer hin, wenn sie Langeweile haben oder eine ganz bestimmte Art von Abwechslung suchen. Dämmert es allmählich bei dir?«

Endlich fiel bei ihm der Groschen. »Du schläfst für Geld mit Kerlen?«

»Ich muss.«

»Hat Kim Brando dir verboten, weiter hierherzukommen?«

»Sie hat nichts dagegen, dass ich mit dir schlafe. Aber nicht hier, sondern in ihrem Haus und für Geld.«

Zorn schoss ihm in den Kopf. »Ich drehe dieser dreckigen Puffmutter den Hals um.«

»Wir müssen uns fügen«, sagte Donna Moon gepresst. »Wenn du das nicht willst, können wir uns nicht mehr sehen.«

Sie stand auf und zog sich an. Er sah ihr wie vom Donner gerührt zu. Als sie ihn küsste, befürchtete er, es könnte ein Abschied für immer sein. Das hätte er nicht ertragen.

Deshalb erklärte er sich mit Kim Brandos Bedingung einverstanden. Zwar höchst widerstrebend, aber gezwungenermaßen. Und das war auch der Hauptgrund, weshalb er bei Killer, Hurricane, Devil und Munster mitmachte. Weil er ganz dringend viel Geld brauchte. Weil er Donna Moon um jeden Preis so rasch wie möglich aus diesem Sumpf, in den ihr verantwortungsloser Vater sie gezogen hatte, herausholen wollte.

Einen Tag nach dem Überfall auf Katara und Zuko Tseng war Spongebob wieder in Kim Brandos Haus mit Donna zusammen. Sie liebten sich, als gäbe es kein Morgen, und Spongebob war sicher, dass Donna bei keinem anderen Mann so ehrlich war und sich so viel Mühe gab wie bei ihm. Er blieb so lange, bis Donna leise sagte: »Du musst jetzt gehen, sonst bekomme ich Ärger mit Kim.«

Er nickte mürrisch und zog sich an. »Ich möchte dir etwas schenken«, sagte er. Und dann schob er ihr einen Ring an den Finger, der gestern noch Katara Tseng gehört hatte. Er hatte ihn heimlich von der Beute abgezweigt.

Sie sah den Ring mit offenem Mund an. »Jesus.«

»Gefällt er dir?«

»Er ist wunderschön«, antwortete Donna Moon. »Was hat er gekostet?«

Spongebob grinste. »Sag ich nicht.«

Sie sah ihn ernst an. »Ich möchte nicht, dass du so viel Geld ausgibst.«

»Mit mir geht es von nun an finanziell steil bergauf«, behauptete er.

»Wieso?«

»Hab einen recht einträglichen Job ergattert«, antwortete er, ohne näher darauf einzugehen. »Deine Tage in diesem Haus sind gezählt, Baby. Ich hole dich hier raus, und dann fangen wir ein fantastisches Leben an. Nur du und ich. Und alle andern … Die ganze Welt … Alle, die sich für so unheimlich wichtig halten, können uns den Buckel runterrutschen.«

***

Assistant Director John D. High war nicht allein, als wir sein Büro betraten. Den Mann, der bei ihm war, brauchte er uns nicht vorzustellen. Wir kannten ihn.

Das war David Pinter, ein exzellenter Brandermittler. Klein, schwammig, fuchsschlau, mit hellwachen Augen, denen so gut wie nichts entging. Wo Laien nur noch Schutt und Asche sahen, vermochte Pinter immer noch sehr viel zu finden. »Im Prinzip ist ja noch immer alles da, was da war«, hatte er mir einmal erklärt. »Es sieht nach einem Brand nur anders aus.«

Dem konnte niemand widersprechen. David Pinter ging bei seiner Arbeit immer vom geringsten Zerstörungsgrad zum stärksten vor, und sein Job bestand in erster Linie darin, nachzudenken und abzuwägen, Hypothesen aufzustellen und zu prüfen, ob sie zu den gefundenen Spuren passten. Wenn nicht, musste er sie verwerfen und wieder von vorn anfangen. Seine Tätigkeit hatte große Ähnlichkeit mit der eines Archäologen. Ich beneidete ihn nicht um seine schwierige Aufgabe. Der Inhalt seines Aktenkoffers lag auf dem Konferenztisch. Fotos, Berichte, Notizen, Skizzen … Mr. High bat uns, Platz zu nehmen.

Wir setzten uns, und der Assistant Director forderte David Pinter auf, mit seinen Ausführungen zu beginnen. Dass im Haus des Ehepaars Tseng Brandstifter am Werk gewesen waren, stand für uns alle von Anfang an außer Zweifel.

»Die Art, wie die Täter vorgingen, hat mich einigermaßen geschockt«, gestand David Pinter. »Ich habe ja schon vieles gesehen und erlebt, und es war nicht immer alles leicht zu verdauen, doch was diese Teufel sich hier an Grausamkeit, Brutalität, Unmenschlichkeit und Hartherzigkeit geleistet haben, setzt allem die Krone auf.«

Hat sich deshalb einer von ihnen hinterher übergeben?, fragte ich mich. War das Ganze für ihn ein wenig zu heftig? Blieb er nur deshalb bei der Stange, weil er nicht den Mut aufbrachte auszusteigen?

Pinter breitete die Tatortfotos auf dem Tisch aus. Die rußige Schwärze, die auf allen Bildern vorherrschte, bereitete mir Unbehagen.

»Diese Barbaren haben das Ehepaar Tseng bei lebendigem Leib verbrannt«, sagte David Pinter mit belegter Stimme. »Stellen Sie sich diese Rohheit vor. Sie haben die Frau und den Mann gefesselt und mit Schnaps übergossen, damit sie besser brennen. Der Alkohol wirkte dabei als Brandbeschleuniger. Damit die Opfer nicht schreien konnten, haben sie ihnen den Mund zugeklebt.«

Phil räusperte sich. »Wie lange haben sie gelitten?«

»Schwer zu sagen«, lautete Pinters Antwort. »Das wird Ihnen der Gerichtsmediziner sagen. Auf jeden Fall viel zu lange.«

Pinter reichte seine Unterlagen an uns weiter. Gleichzeitig versuchte er den Tathergang verbal zu rekonstruieren.

»Sie betreten das Haus, schüchtern die Frau und den Mann ein, fragen nach Schmuck und Geld, verlangen den Safecode, plündern den Tresor und nehmen mit, was sich zu Geld machen lässt. Vermutlich ließen sie Katara und Zuko Tseng zunächst in dem Glauben, ihnen würde nichts geschehen, wenn sie keinen Ärger machten, doch dann, als sie alles hatten, was sie wollten, fällten sie über ihre bedauernswerten Opfer das Todesurteil.«

»Jerry, Phil«, sagte Mr High mit finsterer Miene. »Wir müssen diese grausamen Mörder schnellstens zur Rechenschaft ziehen.«

Nichts war für uns klarer als das. Wir nickten grimmig. Der Assistant Director erwähnte das Erbrochene, das man auf dem Grundstück entdeckt hatte. Man war bereits dabei, die DNA zu ermitteln.

»Sie bekommen das Ergebnis umgehend«, versprach unser Chef.

Als wir uns von David Pinter verabschiedeten, brummte er: »Ich weiß, ich sollte so etwas nicht sagen, aber ich wünschte, es ginge dieser Satansbrut schon sehr bald genauso wie ihren armen Opfern.«

***

Munster und Hurricane waren schon da, als Spongebob eintraf. Sie lagen im Gras. Killer und Devil fehlten noch. Spongebob setzte sich zu den Komplizen. Sie waren sehr schweigsam. Vor allem Munster.

Eichhörnchen hüpften über die Wiese. Spongebob sah ihnen nach. Killer und Devil trafen ein. Munster stand auf. Spongebob erhob sich ebenfalls. Hurricane blieb noch kurz liegen. Dann kam auch er auf die Beine. Spongebob fühlte sich zum ersten Mal unbehaglich im Kreis seiner Freunde.

An wem liegt das?, fragte er sich unsicher. An ihnen? An mir? Wieso sind sie so auffallend schweigsam? Hängt es mit unserem Überfall auf die Chinesen zusammen? Haben sie inzwischen eingesehen, dass es nicht nötig gewesen wäre, die Schlitzaugen anzuzünden?

Das erbeutete Bargeld hatten sie gleich gestern aufgeteilt. Für das, was sie sonst noch hatten mitgehen lassen, musste Killer erst einen Käufer finden. Er spielte zumeist geschickt mehrere Hehler gegeneinander aus, und der Meistbietende bekam dann den Zuschlag. Killer war, obwohl noch nicht einmal 21, ein ziemlich gerissener Hund und ein harter Verhandlungspartner. Den konnte man nicht über den Tisch ziehen.

»Ärger? Probleme? Schwierigkeiten?«, erkundigte sich Spongebob. »Etwas, wovon ich noch nichts weiß?« Seine Augen machten die Runde. Wer würde antworten?

Killer steckte sich langsam und bedächtig eine Zigarette an. Er inhalierte tief und ließ den Rauch aus Mund und Nase sickern. »Ärger«, sagte er nach einer Weile. »Ja.« Er nickte. »Es gibt Ärger, Spongebob. Bedauerlicherweise.« Killer zog wieder an seinem Glimmstängel. »Wir sind ein Team, richtig?«

»Klar sind wir das«, bestätigte Spongebob.

»Freunde. Kumpels. Komplizen. Einer für alle. Alle für einen.«

Was soll der Musketier-Scheiß?, ging es Spongebob durch den Kopf.

»Wir sind füreinander da, sind eine eingeschworene Bruderschaft, die nichts und niemand trennen kann«, fuhr Killer beinahe feierlich fort. Die anderen standen nur da und sagten nichts. Aber ihre Mienen verrieten, dass sie mit seinen Worten einverstanden waren.

»Wir werden in naher Zukunft zu viel Geld kommen«, sagte Killer. »Mit einem Job, den nur harte Männer erledigen können. Männer, die ehrlich miteinander umgehen, die sich gegenseitig voll vertrauen und sich aufeinander absolut verlassen können müssen.«

Worauf will er hinaus?, fragte sich Spongebob. »Ich bin ganz deiner Meinung, Killer«, sagte er.

»Ist es so, Spongebob?« In der Frage schien ein erheblicher Zweifel mitzuschwingen. »Bist du das wirklich?«

»Aber ja.« Spongebob kratzte sich am Hintern. Er wurde immer kribbeliger. »Bist du etwa anderer Ansicht?«

Killer nahm wieder einen tiefen Zug und behielt den Rauch so lange in seiner Lunge, dass Spongebob sich schon fragte: Braucht er denn nicht mehr zu atmen? Wann kriege ich endlich eine Antwort auf meine Frage?

»Für uns fünf sollte Ehrlichkeit oberstes Gebot sein«, sagte Killer endlich. Seine Worte waren in Rauch verpackt.

Spongebob nickte zustimmend.

»Vertraust du uns, Spongebob?«, wollte Killer wissen.

»Selbstverständlich.«

Killer kniff die Augen zusammen. »Du würdest uns nie betrügen?«

»Nie im Leben.«

Jetzt reichte es Spongebob. Wie lange wollte Killer noch um den heißen Brei herumreden? Womit hielt er so lange hinterm Berg?

»Würdest du mir bitte endlich erklären …«

Killer runzelte die Stirn. »Ich muss gestehen, dass ich von dir schwer enttäuscht bin, Spongebob.«

Spongebob überlief es eiskalt. »Aber wieso denn? Was habe ich getan? Ich habe gestern genauso mitgemacht wie Devil, Munster oder Hurricane. Okay, ich hatte ein kleines nervliches Problem, aber ich habe nicht gekniffen. Ich habe die Sache mit euch voll durchgezogen. Vom Anfang bis zum Ende.«

Killer senkte den Kopf und betrachtete seine Schuhspitzen. »Weißt du, was ich überhaupt nicht ausstehen kann, Spongebob?«

»Was?«

»Wenn einer glaubt, mich für blöd verkaufen zu können.«

»Hast du das Gefühl, dass ich das tue?«

Killer nickte langsam, bedächtig und vorwurfsvoll. »Ja, Spongebob, das habe ich. Und es ist bedauerlicherweise nicht bloß ein Gefühl. Ich weiß es.« Sein Blick wurde kalt. Er starrte Spongebob fest in die Augen. »Du dreckiger Mistkerl hast uns beklaut. Du gottverfluchtes Arschloch hast deine Freunde bestohlen.«

»Bist du verrückt?«, brauste Spongebob auf.

»Leugnen ist zwecklos, Spongebob«, herrschte Killer ihn an. »Munster hat einen Ring gesehen.« Er forderte Munster auf, den Ring zu beschreiben.

Großer Gott, der Ring!, schrie es in Spongebob. Der Ring, den ich Donna geschenkt habe! Spongebob begann zu schwitzen. Was mach ich denn jetzt nur?, dachte er bestürzt. Wieso hat Munster den Ring gesehen? Ich dachte … Verfluchte Scheiße.

»Munster kennt sich mit Schmuck aus«, sagte Killer. »Und kurz darauf war der Ring weg«, fügte er nachdenklich hinzu..

Spongebob schluckte trocken. »Vielleicht haben wir ihn verloren.«

Killer schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht.«

»Vielleicht ist er in der Garage runtergefallen und unter die Werkbank gerollt.«

»Du hast ihn dir unter den Nagel gerissen.«

»Wie kannst du so etwas von mir annehmen? Ich bin doch kein … Also wirklich, das ist ungeheuerlich.« Ich muss dabei bleiben, hallte es in Spongebobs Kopf. Ich kann jetzt nicht mehr zurück. Ich muss weiter lügen und alles abstreiten. »Du verdächtigst mich der Unehrlichkeit, der Untreue, der Lüge, des Diebstahls …«

»Nein, Spongebob, ich verdächtige dich nicht«, widersprach Killer mit lauter Stimme. »Ich beschuldige dich!« Er wandte sich an Munster, Devil und Hurricane. »Jungs.«

Sie wussten, was er meinte, schienen das schon vorher besprochen zu haben. Sobald sie Spongebob gepackt hatten, klemmte sich Killer die Zigarette zwischen die Zähne und drosch mit ganzer Kraft auf ihn ein.

Die ersten Treffer verkraftete Spongebob noch mit zusammengepressten Lippen, obwohl sie wahnsinnig wehtaten, doch schon bald begann er zu stöhnen, zu schreien und zu wimmern. Als sie ihn losließen, sank er zu Boden und wand sich in Krämpfen.

Aber es kam noch schlimmer.

Killer holte unter seiner Jacke ein Kinderspielzeug hervor: eine knallbunte Wasserpistole mit X-large-Tank – in dem sich jedoch kein Wasser befand, sondern Benzin, und damit besprühte er Spongebob von Kopf bis Fuß.

Als Spongebob roch, was seine Kleider nässte, schnappte er vor Angst beinahe über. »Killer!«, schrie er entsetzt. »Um Himmels willen, tu das nicht!«

Killer steckte die leergespritzte Wasserpistole weg. »Du hast uns bestohlen, stimmt’s?«

Spongebob schwieg.

»Stimmt’s?« Killer nahm die Zigarette aus dem Mund. Wenn er sie auf Spongebob hätte fallen lassen, hätte dieser augenblicklich lichterloh gebrannt.

Jetzt wagte Spongebob nicht länger zu schweigen. »Ja«, gab er schluchzend zu.

»Du hast deine Freunde bestohlen.«

»Ja. Es tut mir leid. Ich dachte, es ist noch so viel von dem Glitzerzeug da …«

»Du dachtest, wir würden nicht merken, dass was fehlt.«

»Ja.«

»Aber es ist uns aufgefallen.«

»Bitte, Killer«, flehte Spongebob. Rotz floss ihm aus der Nase, Speichel rann ihm aus dem Mund. Er weinte wie ein kleines Kind, hatte grässliche Angst. »Bitte zünde mich nicht an. Ich bereue, was ich getan habe. Ich bereue es von ganzem Herzen und aus tiefster Seele. Ich werde so etwas ganz bestimmt nie wieder tun. Nie, nie wieder. Ich gebe dir mein Wort. Ich schwöre es bei allen Heiligen.«

»Wo ist der Ring?«, wollte Killer mit rauer Stimme wissen.

»Ich habe ihn Donna geschenkt.«

»Du hast unseren Ring dieser Nutte geschenkt?«

»Sie ist keine …«

»Sie lässt sich von jedem vögeln, der dafür blecht«, schnappte Killer. »Wie sagt man zu so jemandem?« Er klemmte sich die Zigarette wieder zwischen die Lippen. »Hör zu«, sagte er entspannt, »du gehst zu deiner kleinen Hure und verlangst den Ring zurück. Wir wollen ihn wiederhaben. Ist das klar?«

»Ka-kann ich nicht beim nächsten Mal auf meinen Anteil verzichten?«, stammelte Spongebob.

Killer schüttelte unnachgiebig den Kopf. »Entweder bringst du uns den Ring oder du gehst in Flammen auf.«

***

Das Telefon läutete. Ich meldete mich. Am anderen Ende war Liang Tseng, der Sohn des ermordeten Ehepaars. Er hatte erfahren, dass wir in diesem Fall ermittelten, und wollte mit uns reden.

»Okay, Mister Tseng«, sagte ich. »Wann können Sie hier sein?«

»In zwanzig Minuten«, antwortete der Chinese. Das schaffte er nicht ganz. Er trat erst nach dreißig Minuten durch die Tür, erzählte von einem Megastau, der ihn aufgehalten und zu einem großen Umweg gezwungen hatte.

»Kein Problem, Mister Tseng«, sagte ich freundlich, stand auf und reichte ihm die Hand. »Ich bin Special Agent Jerry Cotton.« Ich zeigte auf Phil. »Das ist mein Kollege Phil Decker.« Nun wies ich auf den Besucherstuhl und sagte: »Bitte nehmen Sie Platz.«

Er setzte sich und wir sprachen ihm unser Beileid aus. Er nahm es ernst nickend entgegen. Liang Tseng war ein schlanker, drahtiger Chinese, mittelgroß mit dichtem, schwarzem Haar. Als der Name Hank Hogan fiel, nannte ihn Liang Tseng einen guten Freund der Familie.

Das Gespräch verlief zunächst in angenehmen, friedlichen Bahnen, doch dann schien der Chinese irgendetwas in die falsche Kehle bekommen zu haben, und von da an baute sich zwischen ihm und uns eine spürbare Spannung auf. Vielleicht bereute er schon, ins Field Office gekommen zu sein.

»Wie weit sind Sie mit Ihren Ermittlungen?«, wollte er leicht unterkühlt wissen.

Phil hob die Schultern. »Wir stehen noch am Anfang, können jeden wertvollen Hinweis gebrauchen. Wenn Sie also einen für uns hätten …«

»Ich weiß mit Sicherheit weniger als Sie«, erklärte Liang Tseng.

»Wie kamen Sie mit Ihren Eltern klar, Mister Tseng?«, erkundigte sich Phil.

Liang Tsengs Lippen wurden dünn wie zwei Bleistiftstriche. »Wissen Sie das nicht?«, fragte er spröde. »Hat Ihnen Hank nicht erzählt, dass ich mit meinen Eltern sehr oft nicht einer Meinung war?«

»Doch, das hat er.«

»Warum fragen Sie mich dann, wie ich mit meinen Eltern klarkam?«

Phil ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Hank sagte, Sie hätten die Restaurantkette gerne komplett umgekrempelt.«

»Das will ich noch immer«, sagte Liang Tseng. »Man muss mit der Zeit gehen, sonst muss man mit der Zeit gehen. Aber das wollten meine Eltern, vor allem mein Vater, nicht einsehen.«

Mir kam in den Sinn, wie Hank Hogan Liang Tseng beschrieben hatte. »Ein Spinner. Ein Fantast ohne jeden Realitätsbezug. Er hat zu viele unausgegorene Pläne. Nahezu jede Woche einen neuen.« Das waren Hanks Worte gewesen.

»Nun kann Sie niemand mehr davon abhalten, Ihre Pläne zu verwirklichen«, sagte mein Partner.

»Was soll das heißen?«, brauste Liang Tseng sogleich auf. »Was wollen Sie damit sagen, Agent Decker?«

Phil hob abwehrend die Hände. »Nur, dass Sie nun, nach dem Tod Ihrer Eltern, schalten und walten können, wie Sie es für richtig halten.«

Es zuckte heftig in Liang Tsengs Gesicht. »Warum sagen Sie nicht, was Sie denken?«

»Was denke ich Ihrer Meinung nach denn?«, fragte Phil gelassen zurück.

»Glauben Sie, ich weiß nicht, was Sie von mir halten?«, ereiferte sich der Chinese. »Der Mann hat viele Flausen im Kopf. Er kann sich gegen seinen Vater nicht durchsetzen, also fängt er an, sich zu überlegen, welche Alternativen es gibt, und plötzlich hat er die ›rettende‹ Idee.«

»Haben Sie den Eindruck, wir möchten Ihnen etwas anhängen, Mister Tseng?«, warf ich ein.

»Wollen Sie das etwa nicht, Agent Cotton? Ist für Sie nicht jede Person zunächst einmal verdächtig, bis sich das Gegenteil herausstellt?«

Ich wollte etwas erwidern.

Doch er ließ mich nicht zu Wort kommen. »Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich meine Eltern sehr gern hatte. Ich habe meine Mutter und meinen Vater, ja, auch ihn, sehr geliebt und hätte mir gewünscht, dass sie hundert Jahre alt werden. Nie im Leben wäre ich imstande gewesen, ihnen ein Leid zuzufügen. Fragen Sie Hank. Er wird es Ihnen bestätigen.« Er machte eine kurze Pause. Dann fuhr er fort: »Okay, wir haben uns bisweilen ziemlich heftig gestritten, und es fielen dabei manchmal auch recht harte Worte, die aber von beiden Seiten nie so gemeint waren. Wenn eine Mutter im Zorn zu ihrem Kind sagt, ›Ich erschlage dich!‹, würde sie das niemals wirklich tun. Und so war das auch bei uns. Ich habe nichts, absolut gar nichts, mit dem Tod meiner Eltern zu tun. Das möchte ich zu Ihrer unausgesprochenen, aber doch spürbar im Raum stehenden Frage festgehalten wissen.«

Ich forderte ihn auf, sich zu entspannen. »Niemand hat die Absicht, Ihnen etwas anzuhängen, Mister Tseng«, sagte ich beschwichtigend. »Ich denke, Sie und wir wollen im Grund genommen genau dasselbe, nämlich jene finden und vor Gericht bringen, die Ihre Eltern auf dem Gewissen haben.«

Liang Tseng atmete schwer aus und wurde allmählich etwas lockerer.

»Hatten Ihre Eltern Feinde?«, erkundigte ich mich.

»Neider vielleicht«, antwortete Liang Tseng. »Aber Feinde – nein.«

»Ich neige dazu anzunehmen, dass die Täter sich auf den Überfall gewissenhaft vorbereitet haben«, sagte Phil. »Falls ich recht habe, müssten sie das Haus und Ihre Eltern eine Weile beobachtet haben. Haben die beiden Ihnen gegenüber etwas in der Art erwähnt?«

Liang Tseng schüttelte den Kopf. »Mit keiner Silbe.«

Ich sah ihn an. »Irgendeine Vorstellung, wer die Tat begangen haben könnte?«

»Leider nein«, gab der Chinese zur Antwort. Er war nicht mit leeren Händen zu uns gekommen, legte uns eine Liste des geraubten Schmucks vor. Jede Halskette, jede Brosche, jeder Ring war darauf abgebildet.

Katara und Zuko Tseng hatten die Liste für die Versicherung angelegt, für den Fall, dass einmal in ihr Haus eingebrochen werden sollte.

»Das ist ein Duplikat«, erklärte Liang Tseng. »Die Originalliste ist im Haus verbrannt.«

»Dürfen wir diese hier kopieren?«, fragte ich.

Liang Tseng hatte nichts dagegen. Phil übernahm das und gab dem Chinesen anschließend das Duplikat zurück.

Mir fiel Jared Watson ein. »Weiß Ihr Halbbruder schon, was passiert ist?«, fragte ich.

Liang Tseng zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung, Agent Cotton. Ich habe versucht, ihn zu erreichen, aber es ist mir nicht gelungen. Wahrscheinlich ist die Handynummer, die ich von ihm habe, nicht mehr aktuell. Und eine andere kenne ich nicht.«

***

Donna Moon wollte sich ausziehen, sobald sie mit Spongebob allein war, doch er schüttelte den Kopf. »Nein, Donna.«

Sie staunte. »Nein? Du möchtest heute nicht …«

Er schüttelte den Kopf. »Nein.«

Sie sah ihn verwundert an. »Aber du hast dafür bezahlt.« Sie setzte sich aufs Bett, zog die Beine an und verschränkte sie. Er sah ihren roten String-Tanga. »Willst du bloß reden?« Sie schmunzelte. »Wie ein Mann in den besten Jahren, der seine guten Jahre bereits hinter sich hat?«

Er leckte sich nervös die Lippen. »Ich habe ein Problem, Donna.«

Sie kicherte. »Lass mich nur machen. Ich kriege das schon hin. Ich habe reichlich Erfahrung darin.«

Sie griff nach seinem Gürtel. Er wehrte sie ab und trat zurück. »Hör mir bitte zu, Donna«, sagte er eindringlich. »Die Sache ist sehr ernst.«

»Also willst du tatsächlich nur mit mir reden.« Sie klopfte neben sich auf die Matratze. »Setz dich. Nun mach schon. Setz dich und erzähle Mutti, was dich bedrückt.«

Er setzte sich nicht, blieb stehen, damit sie mit ihm nicht Dinge anstellte, die jetzt nicht angebracht waren und ihn ablenkten. »Ich bin wegen des Ringes hier, den ich dir geschenkt habe.«

»Was ist damit?«, fragte Donna Moon.

»Du musst …« Spongebob massierte seinen verspannten Nacken. »Du bekommst von mir einen anderen, einen viel schöneren und wertvolleren, aber den musst du mir leider zurückgeben.«

»Was? Aber – aber wieso?«

»Bitte frag mich nicht, Donna. Gib ihn mir einfach.«

»Das kann ich nicht.«

Spongebob geriet beinahe in Panik. Er wollte das, was er im Central Park mitgemacht hatte, nicht noch mal erleben. »Wieso nicht?«

»Weil ich ihn nicht mehr habe.«

Spongebob glaubte sich verhört zu haben. Das gibt’s doch nicht!, dachte er. »Was heißt, du hast ihn nicht mehr?«, fragte er hysterisch. »Hast du ihn verloren?«

»Kim wollte ihn haben.«

»Kim?« Die Sache wurde immer schräger.

Donna Moon nickte. »Ich musste ihn ihr geben. Sie sagte, dadurch würden sich meine Schulden erheblich verringern.«

»Ich muss den Ring wiederhaben.«

»Kim wird ihn dir nicht geben.«

Spongebob ballte die Hände zu Fäusten. »Das werden wir sehen.«

»Bitte mach keinen Ärger«, beschwor ihn Donna.

»Ich brauche den verdammten Ring. Es geht um Leben und Tod.« Er verließ das Zimmer. Gleich darauf stürzte er in Kim Brandos Büro.

Sie feuerte einen bösen Blick auf ihn ab. Sie war eine elegante Erscheinung, sah für ihr Alter noch immer gut aus, war nur ein bisschen aufgeschwemmt – von allem. Vom guten Essen, vom Alkohol, von Drogen. »Schon mal was von Anklopfen gehört?«, fragte sie ihn streng. »Ich kann Männer mit schlechten Manieren nicht ausstehen.« Sie maß ihn abschätzig.

»Donna hat Ihnen einen Ring gegeben«, sagte Spongebob heiser.

»Ist es eine Imitation?«, fragte Kim Brando.

»Er ist echt, und ich muss ihn wiederhaben.«

Die Puffmutter schüttelte den Kopf. »Geht nicht. Er wird bereits zu Geld gemacht.«

Spongebob verlor die Beherrschung. »Du fette Hexe rückst jetzt auf der Stelle den Ring heraus, sonst kannst du was erleben!«, brüllte er.

Ehe Kim Brando wusste, wie ihr geschah, hatte Spongebob sie am Hals gepackt, hochgerissen und auf ihren Schreibtisch geworfen.

Er würgte sie, war nicht mehr Herr seiner Sinne. »Her damit!«, keuchte er. »Her damit! Her damit!« Er schlug ihren Kopf immer wieder auf das Hartholz. So lange, bis Harry kam.

Solche Etablissements brauchten Kerle wie ihn. Sie sorgten mit enormem Krafteinsatz und einer der jeweiligen Situation angemessenen Brutalität für Ruhe und Ordnung und gewährleisteten somit auf ihre spezielle Weise einen reibungslosen Betrieb.

Er sah mit einem Blick, dass Kim Brando schon fast hinüber war, und griff ohne Verzögerung ein – und das bekam Spongebob überhaupt nicht.

Ihm steckte noch in den Gliedern, was ihm Killer im Central Park verabreicht hatte. Das hatte ihn ziemlich geschwächt, und Harry Lord sorgte nun für eine Zugabe, die er fast nicht überlebt hätte.

Lord warf ihn wie einen Kleidersack durch das Büro. Spongebob zertrümmerte mit seinem Körper eine Glasvitrine, und die scharfen, spitzen Scherben stachen und schnitten ihm tief und schmerzhaft ins Fleisch. Blutend kämpfte er sich auf die Beine.

Er hätte besser daran getan, liegen zu bleiben, denn Harry packte ihn sofort wieder und schleuderte ihn wuchtig in die andere Richtung. Nach drei kraftvollen Würfen und ebenso vielen äußerst schmerzhaften Landungen setzte es noch viele brutale Fußtritte, und als Spongebobs Kopf auch noch mit dem festen Schuh Bekanntschaft machte, gingen für ihn die Lichter aus.

***

Jared Watson betrat den Fischladen in der 40th Street West. »Hier stinkt’s nach Fisch«, stellte er mit gerümpfter Nase fest.

Er trug einen eleganten Anzug von Armani. Taubengrau. Modern geschnitten. Seine Miene war ernst, sein Blick finster. Und seine Fäuste waren Totschläger.

»Was hast du erwartet?«, knurrte Clive Page, ein rotgesichtiger Mann mit bläulichen Lippen, hinterm Verkaufspult. »Dass es hier nach Lavendel riecht?«

»Hoffentlich zieht der Gestank nicht in meine Klamotten. Ich mag nämlich keinen Fisch und möchte deshalb auch nicht danach riechen.«

»Dann hättest du nicht herkommen dürfen«, schnappte der Fischhändler.

Watson hob die Schultern. »Ich wurde geschickt«, sagte er. Es klang beinahe traurig. »Du bist mit der Zahlung im Verzug. Deine letzte Monatsrate ist überfällig.«

»Denkst du, das weiß ich nicht?«, erwiderte Page verdrossen. »Sieh dich um. Der Laden ist leer. Das ist er die meiste Zeit. Die Leute essen auf einmal lieber Fleisch. Weiß der Geier, warum.« Er zog die Schultern hoch. »Nimm einem Nackten was aus der Tasche. Das wirst du nicht schaffen.«

»Es interessiert mich nicht, ob dein Geschäft gut geht, schlecht oder überhaupt nicht«, sagte Watson emotionslos. »Mein Auftrag ist klar umrissen.«

»Sollst du mir den Arsch versohlen?«

Jared Watson schloss die Ladentür ab. »Gehen wir nach hinten?«

In einem Aquarium schwammen ein paar fette Fische, die auf ihre Hinrichtung warteten, und eine Languste, die keiner haben wollte, hockte reglos auf dem sandigen Boden. In Watsons Augen war der Glasbehälter eine nasse Todeszelle.

Clive Page verließ mit ihm den Verkaufsraum. Er hatte keine Lust, sich vermöbeln zu lassen, deshalb nahm er im Vorbeigehen ein Messer mit. Die Klinge war breit, scharf und ungefähr dreißig Zentimeter lang. Der Kunststoffgriff war senfgelb.

Page schlitzte für gewöhnlich damit die Bäuche der Fische auf, schabte die Schuppen ab und nahm sie aus. Es war sein Lieblingsmesser, weil es so gut in der Hand lag. Jetzt war er entschlossen, es Jared Watson zwischen die Rippen zu jagen, falls ihn dieser anfassen würde. Watson drehte sich um und sah das Messer.

»Was soll das, Clive?«, fragte er ungerührt.

»Ich hab’s bloß zu meinem Schutz mitgenommen«, antwortete der Fischhändler. »Damit unser Gespräch friedlich verläuft.«

»Glaubst du im Ernst, es kann dich vor mir schützen?«

»Du wirst doch wohl nicht so verrückt sein, mich anzugreifen, solange sich das Messer in meiner Hand befindet.«

»Ich möchte, dass du es weglegst, Clive.«

Page lachte blechern. »Hältst du mich für bescheuert?«

»Leg es weg.«

»Spar dir den Atem, Jared.«

»Verdammt, Clive!«, sagte Watson verdrossen.

»Ich verpasse deinem Bauch einen Kreuzschnitt, wenn du auch nur versuchst, mich anzugreifen«, warnte Page.

»Okay.« Watson nickte. »Wie du willst, Clive.« Er machte sich locker. »Und wie soll es nun weitergehen?«

»Du marschierst dorthin zurück, woher du kommst, und sagst diesem widerlichen Parasiten, dass er sein Geld bekommt, sobald ich wieder flüssig bin.«

»In Ordnung«, bemerkte Watson ruhig. »Sonst noch was?«

»Nein«, knurrte Page. »Das wäre alles.« Er sah Watson verächtlich an. »Du darfst dich jetzt verabschieden, Laufbursche.«

»Dir ist hoffentlich klar, dass ich persönlich nichts gegen dich habe.«

»Verpiss dich, Jared.«

»Ich tue nur meinen Job«, sagte Watson, als wollte er sich entschuldigen. »Du verkaufst Fische. Ich sorge unter anderem dafür, dass ins Stocken geratene Geldflüsse wieder in Gang kommen.«

»Du weißt, wo die Tür ist, Jared.« Der Fischhändler vibrierte innerlich. Er traute dem Frieden nicht. Hatte Jared Watson tatsächlich genug Angst vor seinem Messer? Er konnte es kaum glauben.

»Ich bin schon weg, Clive«, sagte Watson sanft wie ein gütiger Wanderprediger, und im nächsten Moment explodierte er mit ungeheurer Wucht.

Er schlug blitzschnell zu. Hart. Brutal. Zielsicher. Punktgenau. Page schrie erschrocken auf und flog gegen die gekachelte Wand. Pfeifend wich die Luft aus seinen Lungen. Ehe er das Messer gegen Watson einsetzen konnte, hatte dieser es ihm aus der Hand gerissen und damit zugestochen. Ein glühender Schmerz raste durch seinen Arm.

Watson ließ das Messer stecken. »Oh, Mann«, sagte er kopfschüttelnd, als könne er es selbst kaum begreifen, »was bist du doch für ein unglaublicher Glückspilz.«

Page wimmerte.

»An jedem anderen Tag hätte ich dir zuerst die Scheiße aus dem Leib geprügelt und dich anschließend filetiert, aber heute bin ich so gut drauf und in einer so versöhnlichen, friedfertigen Stimmung, dass ich dir einfach nicht böse sein kann.«

Page jammerte und ächzte. Von seinen Fingern tropfte Blut auf den Boden.

»Du hast achtundvierzig Stunden Zeit, deine Schulden zu begleichen«, sagte Watson. »Falls du auch diese Frist ungenützt verstreichen lässt, komme ich wieder, und dann bin ich mit Sicherheit nicht mehr so verträglich gestimmt.« Er schlug völlig unvermittelt noch einmal zu. Page kippte nach vorn und brach zusammen. »Und sag nie wieder Laufbursche zu mir«, knurrte Watson zu ihm hinunter. »Das klingt für mich nämlich ziemlich beleidigend und diskriminierend, und deshalb will ich es nicht hören.«

Er verließ das Fischgeschäft, ohne sich weiter um den Verletzten zu kümmern.

***

Marty Garrett hieß nicht nur deshalb das Ohr, weil er das Gras wachsen und das Laub faulen hörte, sondern weil er fast so riesige Lauscher hatte wie ein afrikanischer Elefant. Er freute sich aus zwei Gründen, uns zu sehen: erstens, weil wir ihm sympathisch waren, und zweitens, weil er seinen Drink nun nicht mehr selbst bezahlen musste.

»Du siehst gut aus«, stellte ich fest, nachdem wir uns zu ihm gesetzt hatten.

»Schön braun«, ergänzte mein Partner.

Marty grinste. »In Miami scheint die Sonne fast rund um die Uhr.« Er wurde ernst. »Leider war der Anlass, weshalb ich da war, kein besonders erfreulicher.«

Ich erinnerte mich an seinen Anruf. Er war bei seinem Stiefvater gewesen und hatte ihn beim Sterben begleitet. »Wie habt ihr zueinander gestanden?«, fragte ich. »Du und dein Stiefvater?«

»Anfangs konnte ich ihn nicht ausstehen«, gestand Marty.

»Warum nicht?«, fragte Phil.

»Ich dachte, er würde mir meine Mutter wegnehmen. Als ich dann aber merkte, dass das nicht der Fall war, kamen wir prima miteinander aus. Er war zwar fünfunddreißig Jahre älter als ich, aber er liebte dieselben Eishockeystars wie ich, war wie ich ein großer Fan der New York Giants, spielte mit Begeisterung Schach und Backgammon – wie ich … Wir waren einander sehr ähnlich, obwohl er mich nicht gezeugt hatte.«

»Du warst so nett, dich bei mir zurückzumelden«, sagte ich.

»Wo drückt euch der Schuh, Freunde?«, erkundigte sich das Ohr.

Das Red Rooster war gut besucht. Nahezu alle Tische waren besetzt. Ich erzählte Marty Garrett von dem Brand auf Staten Island.

Er nickte. »Davon habe ich gehört. Ein besonders abscheuliches Verbrechen. Wie kann man nur so grausam sein?«

»Wir sind ganz deiner Meinung, Marty«, sagte Phil. »Und wir möchten dieses Satansquintett begreiflicherweise schnellstens aus dem Verkehr ziehen.«

»Im Moment kann ich euch leider noch nicht helfen«, sagte Marty Garrett, »aber ich werde meine Lauscher aufsperren und mich bei euch melden, sobald ich etwas Interessantes erfahre.«

Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. »Darum wollten wir dich bitten.«

***

Jared Watson glotzte entgeistert auf den Bildschirm. Er hatte die pechschwarze Ruine gesehen und augenblicklich gewusst, um welches Haus es sich dabei handelte. Das war das Heim seiner Adoptiveltern. Viele Jahre war es auch sein Zuhause gewesen.

Er hatte sich zwar von den Tsengs, die bis dahin seine Familie gewesen waren, abgenabelt, hatte sogar seinen ursprünglichen Geburtsnamen wieder angenommen, aber er fühlte sich ihnen noch immer stark verbunden, und deshalb traf es ihn sehr schmerzhaft und mit unbeschreiblicher Wucht bis in den letzten Winkel seiner schwarzen Seele, dass Katara und Zuko einem dermaßen grauenvollen Verbrechen zum Opfer gefallen waren.

Der gelackte Reporter, der sich offenbar selbst zu schön fand, um sich mimisch irgendwelche Gefühlsregungen zu erlauben, weil sie seine attraktiven Gesichtszüge zu sehr in Unordnung gebracht hätten, sprach kühl, arrogant und distanziert über das, was in der vergangenen Nacht passiert war, und zwischendurch wurden immer wieder Szenen von gestern eingespielt. Wie das Haus gebrannt hatte. Wie die Feuerwehrleute verbissen gegen die Flammen gekämpft hatten. Wie die verkohlten Toten in schwarzen Leichensäcken aus dem Haus getragen worden waren. Ein Captain Randall Ellis kam zu Wort, und der Kommentar einer Reporterin namens Melanie Wagner wurde gesendet.

Jared Watson sprang auf. Wut, Hass, Trauer und der brennende Wunsch nach Rache funkelten in seinen Augen. Er ballte die Hände zu Fäusten, konnte nicht stillstehen, rannte im Wohnzimmer aufgewühlt hin und her.

»Nein! Nein! Nein!«, sagte er immer wieder. Und: »Warum? Warum sie? Sie waren anständig, fromm, strebsam, ehrlich, hilfsbereit, edelmütig … Katara und Zuko Tseng waren alles, was gute Menschen ausmacht. Sie waren all das, was ich nicht bin. Warum müssen so wertvolle Menschen auf eine so grausame Art sterben? Ich verstehe das nicht.« Er schlug sich mit den Fäusten gegen die Schläfen. »Ich kann es nicht begreifen! Wieso trifft es immer die Besten? Ich erkenne keinen Sinn darin.«