Jerry Cotton Sammelband 24 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sammelband 24 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sammelband 24: Fünf actiongeladene Fälle und über 300 Seiten Spannung zum Sparpreis!

G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!

Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

In diesem Sammelband sind 5 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:

2895: Zeugen leben nicht lange
2896: Die Wahrheit bringt den Tod
2897: Tödlich rauschen die Wälder
2898: Leichen brauchen kein Alibi
2899: Zu viel Geld im Spiel

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Jetzt herunterladen und garantiert nicht langweilen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 677

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2012/2013 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive von © shutterstock: Flik47 | Nebosja Kontic ISBN 978-3-7325-8768-1

Jerry Cotton

Jerry Cotton Sammelband 24 - Krimi-Serie

Inhalt

Jerry CottonJerry Cotton - Folge 2895Es war ein echtes Worst-Case-Szenario. In einem sicheren Haus des FBI, in dem sich vier Zeugen aufhielten, war es zu einem Massaker gekommen, dem die Zeugen und drei FBI-Agents zum Opfer fielen. Ohne Zweifel waren die Täter von jemanden angeheuert worden, der die Aussage von einem der Zeugen mehr las fürchtete. Phil, ich und jeder freie Agent des Field Office New York machten sich auf, den vielen Spuren zu folgen - dabei hatten wir nicht den geringsten Hinweis auf die Identität der Täter-Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2896Richard Belding begann an einem richtig großem Rad zu drehen. Er startete eine Erpressung in ganz großem Rahmen und dazu benutzte er ein Wahrheitsserum, das aus einem Labor der Regierung stammte. Es dauerte lange, bis wir vom FBI ihm auf die Schliche kamen und auch dann wussten wir nur, was er tat, doch beweisen konnten wir es ihm nicht-Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2897Auch G-men brauchen einmal Urlaub, und so hatten Phil und ich uns auf einen Trekking-Trip in die Rocky Mountains begeben. Natur pur war die Devise. Die ersten Tagen konnten wir auch in vollen Zügen genießen, doch dann fanden wir eine frische Leiche, stießen auf ein geheimnisvolles Camp und wurden schließlich zur Beute einer Jagdgesellschaft, die ausschließlich auf zweibeiniges Wild aus war-Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2898Jake Reed war eine "Ratte". So nannte man in der Unterwelt Informanten, die mit der Polizei oder dem FBI zusammenarbeiteten. Und Reed war unsere "Ratte". Er hatte uns einen Tipp gegeben, woraufhin wir einen Ring von Produktpiraten sprengen konnten. Ihn hatte es allerdings das Leben gekostet, und wir waren es Reed schuldig, seinen Mörder zu finden-Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2899Troy Mulligan und Owen Mitchell hatten zwei Dinge gemeinsam - sie waren Spieler der Footballmannschaft "New York Jets" und sie waren tot. Erschossen mit derselben Waffe. Phil und ich begannen zu ermitteln, doch eine wirkliche Spur konnten wir nicht finden, bis wir auf einen Journalisten stießen, der uns etwas über Mulligan und Samantha Beeches, der Lebensgefährtin des Clubeigners Franklin Green, erzählen konnte...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Zeugen leben nicht lange

Jerry Cotton aktuell

Vorschau

Zeugen leben nicht lange

Derek löste sich vom Waschbecken, als er ein leises Geräusch vernahm. Mit dem Handtuch in der Hand trat er hinaus und schaute den Unbekannten an.

»Gibt es Probleme, Agent?«, fragte er.

Sein Blick hatte die eingeschweißte Legitimation am Revers des Mannes erfasst, weshalb Derek Storm sich entspannte.

»Das löse ich gerade«, erwiderte der Aufpasser des FBI.

Seine Hand erschien in Hüfthöhe und dann löste sich der Schuss, der das Leben von Derek beendete. Im Gebäude wurden weitere Schüsse abgegeben.

Der unfassbare Überfall in dem Safe House, dem sicheren Haus, löste die höchste Alarmstufe im Field Office aus. Mr High zog Phil und mich von dem laufenden Fall ab und schickte uns zu dem Haus in der Bronx.

»Es befanden sich sechs Kollegen im Haus, die für die Sicherheit der vier Opfer zuständig waren. Die erste Auswertung der Überwachungsanlage läuft noch«, erklärte Steve.

Der Stellvertreter von Mr High leitete die Untersuchungen und wirkte extrem angespannt. Es war ein bisher nicht da gewesener Zwischenfall, der alle Kollegen bis ins Mark erschüttert hatte. Das Safe House sollte eine sichere Oase für Menschen sein, die von irgendwelchen Gangstern bedroht wurden. Dem FBI oblag es, diesen Schutz zu gewährleisten. Jetzt hatten wir vier tote Schutzbefohlene sowie drei ebenfalls erschossene Kollegen. Zwei weitere Agents waren lebensgefährlich verletzt, während einer der Kollegen mit leichten Verletzungen davongekommen war.

»Was kann Bryan uns erzählen?«, fragte Phil.

Der einzige Kollege, der uns zurzeit etwas über die Abläufe des Überfalles erzählen konnte, war sicherlich bereits intensiv befragt worden.

Steve Dillaggio zuckte verärgert mit den Schultern.

»Nichts, Phil«, erwiderte er.

Nichts? Mein Partner warf mir einen verwunderten Blick zu.

»Wo befand Bryan sich, als die Killer ins Gebäude eingedrungen sind?«, fragte ich.

Er war in der Garage des Hauses gewesen, um einige Dinge aus seinem Dienstwagen zu holen. Als er Schüsse aus dem Inneren vernahm, befolgte Bryan die Vorschriften.

»Er hat alles richtig gemacht, doch dadurch kam er leider zu spät nach oben. Als er im Haus nach den Schützen suchte, war der Überfall bereits vorbei«, erklärte Steve.

Man musste dem Kollegen zugutehalten, dass er allein auf sich gestellt ein zweistöckiges Haus überprüfen musste. Natürlich ging Bryan dabei sehr vorsichtig vor, denn er stieß bereits an der Haustür auf den ersten erschossenen Kollegen.

»Hast du ihn ins Field Office bringen lassen, damit unsere Spezialisten ihn befragen?«, fragte Phil.

Genauso war es, weshalb wir uns nunmehr am Tatort ohne die Hilfe des Kollegen einen Überblick verschaffen mussten. Das Kriminallabor hatte seine komplette Freischicht ins Safe House geschickt, um alle möglichen Spuren zu sichern. Die Techniker arbeiteten sich akribisch von Raum zu Raum voran.

»Wir haben etwas gefunden, Agent Dillaggio«, meldete einer von ihnen.

Wir gingen mit Steve hinüber zu dem Techniker, der in der geräumigen Küche die Hinweise auf die Killer sicherstellte. Er streckte Steve einen in Plastik eingeschweißten Ausweis hin, der mich stutzen ließ.

»Den gleichen Ausweis trug der tote Kollege am Eingang an seinem Revers«, sagte ich.

Steve nickte und studierte gleichzeitig eine Liste auf einem Klemmbrett. Seine Verwunderung war unübersehbar.

»Der Name des Kollegen steht nicht auf der Liste. Wieso war er hier?«, staunte Steve.

Phil und ich nahmen den Ausweis in die Hand, um uns die Fotografie sowie die persönlichen Daten anzusehen.

»Kennst du ihn?«, fragte ich.

Mein Partner schüttelte den Kopf und reichte den Ausweis an den Techniker zurück.

»Wo haben Sie den Ausweis gefunden?«, fragte ich.

Der Spezialist zeigte es uns. Einer der zur Bewachung eingeteilten Kollegen war offensichtlich bei der Zubereitung einiger Sandwiches von seinem Mörder überrascht worden. Der Techniker hatte den zweiten Dienstausweis unter der Hüfte des Opfers entdeckt.

»Das fand ich auffällig«, erklärte er.

Nicht nur er. Auch Steve, Phil und ich sahen darin eine Abweichung, die umgehend überprüft werden musste.

»Blair?«, rief er.

Unser farbiger Kollege kam aus dem Vorraum und ließ sich von Steve instruieren.

»Findet heraus, ob der Kollege eventuell zu einem anderen Field Office gehört«, befahl Steve.

Blair machte mit einem Nicken auf dem Absatz kehrt und verließ das Haus. Auf dem abgesperrten Teilstück der Straße war eine mobile Einsatzzentrale aufgebaut worden. Dort drinnen verfügte Blair über die gleiche Ausstattung wie in seinem Büro im Field Office, sodass er unverzüglich seine Arbeit aufnehmen konnte.

»Welche zu schützenden Personen befanden sich im Haus?«, fragte ich.

Steve reichte mir die geheime Aufstellung. Phil und ich lasen sie durch, um auf mögliche Hinweise zu stoßen.

»Derek Storm ist unter den Opfern!«

Der Name löste sofort eine Reihe von Erinnerungen aus, da Phil und ich einen Teil der Ermittlungen mitgemacht hatten. Später mussten Joe Brandenburg und Les Bedell allein weitermachen, da Mr High meinen Partner und mich auf die Jagd nach einem gesuchten Attentäter schickte.

»Ihr kennt den Fall?«, fragte Steve.

Ich erklärte ihm, wie gut wir damit vertraut waren.

»Sind Joe und Les mit im Team?«, fragte Phil.

Unser Chef hatte seinem Stellvertreter völlig freie Hand gelassen, damit Steve sich die besten Ermittler ins Untersuchungsteam holen konnte. Joe Brandenburg und Les Bedell gehörten ohne Zweifel dazu, doch leider standen sie Steve nicht zur Verfügung.

»Alaska? Viel weiter weg ging wohl nicht«, stieß ich hervor.

Dummerweise verfolgten unsere beiden Kollegen ein Trickbetrügerpärchen und hatten dazu den langen Weg nach Anchorage antreten müssen.

»Macht euch mit dem Hintergrund der Ermittlungen vertraut. Ich erwarte spätestens in einer Stunde einen Vorschlag, wie ihr vorgehen wollt«, sagte Steve.

Mit dem klaren Auftrag eilten Phil und ich aus dem Haus, um uns in der mobilen Einsatzzentrale einen freien Computerterminal zu organisieren. Von dort aus klickten wir uns ins System ein, um die notwendigen Informationen zusammenzustellen.

»Alles scheint sich um Hector Ortega zu drehen. Storm hat ihn in seiner Zeugenaussage schwer belastet. Sobald das Abkommen mit der Staatsanwaltschaft unter Dach und Fach gewesen wäre, hätte man direkt gegen Ortega ermitteln können«, fasste ich zusammen.

Wir hatten gut vierzig Minuten benötigt, um auf eine verdächtige Person zu stoßen. Joe und Les waren einem Netzwerk korrupter Personen im öffentlichen Dienst auf der Spur gewesen. Mit der Festnahme von Derek Storm fiel den Kollegen ein erstklassiger Informant in die Hände, mit dessen Aussage sie an die »Strippenzieher« des Netzwerks kommen wollten. Mit Hector Ortega, der für die Vergabe von Aufträgen der Stadt New York an private Unternehmen verantwortlich war, fand sich eine verdächtige Persönlichkeit.

»Ohne die Aussage von Storm haben wir nichts mehr in der Hand«, sagte ich.

Damit standen für Phil und mich die nächsten Schritte fest. Wir informierten Steve und machten uns auf den Weg zu Ortega.

***

Als Vizedirektor in der Stadtverwaltung musste man sich als Besucher bei der Assistentin von Hector Ortega anmelden.

»Nehmen Sie bitte noch einen Moment in der Wartezone Platz, Agent Cotton. Mister Ortega befindet sich in einer Besprechung«, teilte sie uns mit.

So kamen Phil und ich in den Genuss, dem Treiben in der Abteilung zusehen zu dürfen. Es bewegten sich auf jeden Fall eine Menge Menschen über die Flure. Wir mussten über dreißig Minuten warten, bevor wir endlich ins Büro des Vizedirektors geführt wurden.

»Setzen Sie sich«, sagte er knapp.

Dabei deckte er mit einer Hand die Sprechmuschel seines Telefons ab, weil er offenbar mitten in einem Telefonat war. Also setzten Phil und ich uns vor den Schreibtisch, auf dem diverse Dokumente gestapelt waren. So wie es aussah, musste er ein viel beschäftigter Mann sein. Ich nutzte die erneute Wartezeit, um mir den Vizedirektor einmal genauer anzusehen.

Ortega war etwa in meinem Alter, hatte dunkelbraune Haare mit einigen Silberfäden darin und seine braunen Augen musterten uns beiläufig. Seine feingliedrigen Hände ließen die Vermutung zu, dass Ortega sein gesamtes Arbeitsleben hinter einem Schreibtisch zugebracht hatte.

»Sie haben genau drei Tage, dann ist die Frist abgelaufen«, sagte er.

Damit beendete Ortega sein Telefonat und wies anschließend seine Mitarbeiterin an, dass er in den kommenden zehn Minuten für niemanden zu sprechen sei.

»Verzeihen Sie mir, Agent Cotton. Der Job hier frisst einen auf, aber ich wollte es ja nicht anders«, entschuldigte er sich.

Seine Art, uns zuerst einen Zeitraum für das Gespräch zu verdeutlichen, um anschließend entgegenkommend aufzutreten, sagte viel über Ortega aus.

»Wir ermitteln im Mordfall Derek Storm, Mister Ortega. Sie kennen den Namen doch, oder?«, fragte ich.

Wenn er uns schon nur zehn Minuten seiner Zeit einräumen wollte, schien mir der Verzicht auf Höflichkeitsfloskeln nachvollziehbar zu sein.

»Ja, natürlich. Storm hat Aufträge der Stadt vermittelt. Ursprünglich war er selbst Auftragnehmer, doch er erkannte das Potenzial in der Vermittlung. Wer hat ihn ermordet und warum?«, erwiderte Ortega.

Er gab zu, was man sowieso nicht leugnen konnte. Gleichzeitig zeigte er sich ausreichend schockiert über den Mord und bewies die zu erwartende Neugier eines unschuldigen Menschen. Hätte ich nicht bereits über sehr viel Erfahrung in meinem Beruf verfügt, wäre ich vermutlich verunsichert gewesen. Doch ich erkannte lediglich einen abgebrühten Mann, der seine Rolle perfekt beherrschte.

»Außerdem wollte Derek Storm dem FBI eine Auflistung aller Mitarbeiter der Stadtverwaltung übergeben, die in einen umfangreichen Korruptionsskandal verwickelt sind«, antwortete ich.

Hector Ortega lehnte sich zurück, rückte die Krawatte zurecht und studierte meinen Gesichtsausdruck. Es wurde ein Kräftemessen ohne Worte.

»Solange Sie nicht unterstellen wollen, dass ich etwas mit dem Skandal zu schaffen habe, bekommen wir keine Schwierigkeiten«, sagte er schließlich.

Ortega hatte gekonnt eine Drohung in seine Aussage eingebaut und bewies mir damit, dass wir auf dem richtigen Weg waren.

»Ihr Name steht sogar ziemlich weit oben auf der Liste«, warf Phil ein.

Hector Ortega schnaubte verärgert und drückte auf eine Taste an seiner beeindruckenden Telefonanlage.

»Mir ist bewusst, worauf Sie hinauswollen. Bevor ich mich jedoch dazu äußere, möchte ich Frank Fredericks hinzuziehen«, erklärte er.

Während wir auf Fredericks warteten, erläuterte Ortega uns dessen Funktion in der Stadtverwaltung. Es überraschte mich nicht, dass Fredericks ein Jurist war und dass Ortega ihn zu dem Gespräch hinzuzog. Es gab jedoch eine Sache, die für mich von einigem Interesse war: Handelte es sich bei Frank Fredericks um einen weiteren korrupten Angestellten oder riskierte Ortega nur sehr viel?

Der leicht übergewichtige Fredericks erschien innerhalb von drei Minuten im Büro des Vizedirektors und ließ sich erklären, weshalb wir mit Ortega sprachen.

»Ein Netzwerk korrupter Angestellter? Ich kann mir kaum vorstellen, dass es so etwas in New York gibt. Vermutlich wollte Derek Storm sich nur wichtig machen, um für eigene Verfehlungen einen Strafnachlass zu erreichen«, wehrte Fredericks ab.

In den folgenden Minuten demonstrierte uns der aalglatte Jurist, wie er unsere Ermittlungen zu behindern gedachte. Solange wir nicht mehr als die nicht mehr zu überprüfende Liste vorlegen würden, gab es keine weiteren Auskünfte seitens der Stadtverwaltung.

»Sie müssen doch selbst einsehen, auf welch dünnem Eis Sie sich bewegen. Gibt es keine wichtigeren Ermittlungen des FBI, Agent Cotton?«, fragte Fredericks.

Mir genügten die Ausführungen des Juristen, um ihn als wahrscheinliches Mitglied des Netzwerks einzustufen. Zu keiner Sekunde erschien mir die Aussage Storms als fragwürdig, weshalb es also eine Gruppe korrupter Angestellter geben musste. Phil und ich würden ihnen auf die Schliche kommen. Sollten sie hinter dem brutalen Anschlag auf die Männer im Safe House stecken, sah ihre Zukunft sehr düster aus.

»Wir ermitteln zum Glück unabhängig, Mister Fredericks. Das FBI hat das größte Interesse daran, den Mord an sieben Menschen aufzuklären! Sie sollten sich in Ruhe besprechen, ob Ihre Taktik wirklich die beste für Sie ist«, erwiderte ich scharf.

Damit war das Gespräch beendet und wir verließen Ortegas Büro. Die eingeräumte Zeit von zehn Minuten überschritten wir nur minimal, dennoch hatte unser Besuch einige Wirkung erzielt. Die Assistentin warf uns neugierige Blicke zu, und als ich vom Lift aus zu Hector Ortega zurückschaute, befand er sich in einer heftigen Auseinandersetzung mit Frank Fredericks. Die halbhohen Glaswände ließen die beiden Männer wie Fische in einem Aquarium wirken. Ich musste aber auch nicht die Worte verstehen können, die im Büro ausgetauscht wurden. Die Gesten und verzerrten Gesichter reichten völlig aus, um den Inhalt erraten zu können.

»Ortega und Fredericks sind wenig erbaut über unseren Besuch«, sagte Phil.

Mein Partner wirkte ausgesprochen zufrieden mit dem Ergebnis.

***

June und Blair hatten sich die Aufgaben geteilt. Während der farbige Agent sich durch die Informationen im System des FBI arbeitete, wählte June den unkonventionellen Weg: Sie frischte diverse Kontakte auf, um so an das Wissen verschiedener Halb- und Unterwelttypen zu gelangen. Nach einer Stunde intensiven Arbeitens trafen sie sich in der Ecke mit dem Kaffeeautomaten, um ihre Erkenntnisse auszutauschen.

»Wie heißt der Mann?«, fragte Blair alarmiert.

Seine Partnerin war auf den Namen eines Dokumentenfälschers gestoßen, der auch Blair aufgefallen war.

»Douglas Sundmark. Wieso fragst du?«, erwiderte June.

Blair schob seiner Partnerin einige Ausdrucke hin, die alle wesentlichen Informationen seiner Nachforschungen enthielten. Zunächst überflog June die Fakten lediglich, bis sie zu der Druckerei und deren Geschäftsführer kam.

»Sieh mal einer an. Da hatte der gute Sundmark ja alle erforderlichen Maschinen und Grundstoffe zur Verfügung«, sagte sie.

Aus den Gesprächen mit ihren Informanten kristallisierte sich der Name Douglas Sundmark an erster Stelle heraus. Er war ein hochqualifizierter Techniker im Druckbereich und bereits wegen illegaler Aktivitäten mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Ausgerechnet dieser denkbare Fälscher der Ausweise hatte eine Weile die Geschäfte einer Großdruckerei im Staat New York geführt, an die verschiedene Bundesbehörden immer wieder sensible Aufträge vergeben hatten.

»Der Name auf dem Ausweis ist genauso falsch wie die Legitimation selbst«, sagte June.

Sie und Blair hatten Steve aufgesucht, um ihn über den Stand ihrer Ermittlungen zu informieren.

»So etwas habe ich mir bereits gedacht. Wer steckt dahinter?«, erwiderte er.

Abwechselnd berichteten June und ihr Partner von ihren Ergebnissen.

»Wir suchen Sundmark, Steve. Ich habe zwei Hinweise bekommen, wo man ihn meistens antreffen kann«, sagte June.

Seit dem Überfall auf das Safe House waren drei Stunden vergangen und das FBI hatte bereits einen Namen. Steve war sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis und willigte in Junes Vorgehen ein.

»Schafft ihn schnellstmöglich ins Field Office. Irwin und Malcolm sind für die Vernehmungen zuständig«, ordnete er an.

Steve hatte also sein Team um die Vernehmungsspezialisten Irwin Foster und Malcolm Snyder erweitert. Er würde nichts unversucht lassen, um so schnell wie möglich eine heiße Spur zu den Hintermännern des hinterhältigen Anschlags zu finden. June und Blair meldeten sich ab.

***

»Douglas sollte sich jetzt in seinem Saunaklub aufhalten. Da müssten wir doch herausfinden können, ob wir ihn nicht noch mehr ins Schwitzen bringen«, sagte June.

Sie hatte wie gewöhnlich den Beifahrersitz des Dodge Nitro eingenommen, während ihr Partner den Wagen geschickt über die Straßen New Yorks lenkte.

»Der Klub befindet sich am nördlichen Ende der Houston Street«, informierte sie Blair.

Die Fahrt dauerte nicht so lange wie erwartet, da es am späten Vormittag ruhiger auf den Avenues zuging. Schließlich erreichten sie das Fitnesscenter, in dem sich die Saunalandschaft von Douglas Sundmark befand.

Bei der hübschen jungen Frau hinter dem Empfangstresen erkundigte Blair sich nach dem Weg in die Saunalandschaft.

»Da müssen Sie nur die Treppe hinaufgehen und sich in den Umkleidekabinen ausziehen. Wertmarken sowie Handtücher bekommen Sie bei mir«, antwortete sie.

Da zückte June den Dienstausweis und machte der jungen Frau klar, dass sie und Blair nicht als Kunden gekommen waren.

»In Ihrer Saunalandschaft befindet sich ein Mann, mit dem wir dringend sprechen müssen. Wie machen wir es am besten?«, fragte sie.

Es musste für etwaige Notfälle immer einen Weg geben, um einen der Saunagänger unauffällig aus der Sauna zu holen. Die Angestellte deutete auf ein kleines Handfunksprechgerät.

»Ich kann Tom anfunken und ihn bitten, den Mann wegen eines dringenden Anrufs hierherzubringen«, schlug sie vor.

Das war ein guter Weg, fand June. Sie gab der Angestellten den Namen von Douglas Sundmark und schärfte ihr ein, auf keinen Fall etwas über die Anwesenheit zweier Agents des FBI zu erwähnen. Dann eilte sie zusammen mit Blair die Treppe hinauf. Sie wollten Sundmark in einem schmalen Gang abfangen, der von den Umkleidekabinen zur Treppe führte. Auf diese Weise konnten sie das Risiko minimieren, dass ein unschuldiger Zivilist in eine mögliche Auseinandersetzung hineingezogen wurde.

***

Bislang hatte June sich nur das Gesicht des Gesuchten eingeprägt, während sie sich nicht weiter um andere Merkmale gekümmert hatte. Daher wurde sie von dem athletisch gebauten Mann überrascht, der durch eine der Türen aus der Umkleidekabine auf den Gang trat. Douglas Sundmark verfügte über ähnlich beeindruckende Körpermaße wie Blair Duvall. Sein Gesicht war von der Hitze gerötet und in den eisblauen Augen tanzten Funken. Die Unterbrechung seines Saunaganges schien ihm wenig zuzusagen.

»Douglas Sundmark?«, fragte June.

Sie hatte genau wie ihr Partner die Marke an ihrer Jacke befestigt, um mögliche Irrtümer bereits im Keim zu ersticken. Der Angestellte des Fitnesscenters bekam große Augen, als er die Dienstmarken bemerkte, und zog sich hastig zurück.

»FBI? Was zum Teufel wird hier gespielt?«, fragte Sundmark.

»Special Agent Clark, und das ist mein Partner, Special Agent Duvall«, sagte June.

Sundmark stopfte seine mächtigen Fäuste in die Taschen des hellgelben Bademantels und starrte June wütend an.

»Nehmen Sie bitte die Hände wieder heraus und halten Sie sie so, dass wir sie gut sehen können«, rief Blair.

Sundmark kam der Aufforderung nur zögerlich nach, doch schließlich verschränkte er seine muskulösen Arme vor der Brust.

»Sie sind vermutlich darüber informiert, dass vor wenigen Stunden ein Anschlag auf eine Einrichtung des FBI ausgeführt wurde. Die Killer sind mit täuschend echten Ausweisen ins Haus gekommen, und darüber müssen wir mit Ihnen reden«, sagte June.

Die Röte im Gesicht des Hünen wurde schwächer und machte einer gesunden Bräune Platz, die wahrscheinlich nicht ausschließlich durch viel Bewegung in der freien Natur entstanden war.

»Werden Sie gefälligst konkret, Agent Clark! Was werfen Sie mir eigentlich vor?«, stieß er hervor.

Sein Auftreten war aggressiv, aber nicht mehr als bei anderen Menschen mit einem aufbrausenden Temperament. Aus dem bisherigen Verhalten ließen sich keine Rückschlüsse auf seine Mitwirkung bei dem Überfall ablesen.

»Vorerst werfen wir Ihnen überhaupt nichts vor, Sundmark. Wir wollen nur reden«, erwiderte Blair.

Der Fälscher nickte ergeben und breitete seine Arme seitlich aus, scheinbar um seine Mitwirkung zu signalisieren. Auf Blair wirkte es jedenfalls so – und dann verschwand Sundmark urplötzlich durch eine Pendeltür.

»Er hat uns reingelegt«, rief June.

Genau wie ihr Partner hatte die Geste des Fälschers sie einen Moment lang unaufmerksam werden lassen. June folgte ihrem Partner, der bereits mit langen Schritten die Verfolgung aufgenommen hatte. Schon nach wenigen Yards schlug ihnen ein starker Chlorgeruch entgegen, sodass June die erforderlichen Schlüsse ziehen konnte.

»Da vorne geht es ins Schwimmbad«, rief sie.

Blair nickte lediglich, während er einen wild protestierenden Mann in weißen Shorts und T-Shirt einfach zur Seite schob.

»Sie dürfen diesen Bereich nicht in Straßenkleidung betreten!«, schimpfte der Angestellte.

June hielt ihm die Dienstmarke unter die Nase, woraufhin der Mann erschrocken zurückzuckte. Lautes Stimmengewirr schlug ihnen entgegen und die feucht-warme Luft führte zu einem unmittelbaren Schweißausbruch.

»Ich gehe links weiter«, sagte June.

Sie ließ ihre Blicke über die Badegäste wandern, die nur mäßiges Interesse an ihr zeigten. Vereinzelt trafen sie missbilligende Blicke, die sich jedoch beim Anblick der Dienstmarke sofort änderten. Allein durch seine Größe musste Sundmark in einer Menschenmenge auffallen, und da June den Fälscher für einen cleveren Mann hielt, schaute sie besonders aufmerksam zu den Schwimmern im Wasser.

Es war schließlich der Kontrast seiner semmelblonden Haare zur dunklen Haut, die ihn verriet. Offenbar wollte Sundmark im Wasser abwarten, bis June an seiner Position vorbeigeeilt war, und dann aus dem Becken kommen.

Sein Fehler war jedoch, dass er seine Haare unbedingt trocken halten wollte. Dadurch fiel er June auf, die zum Schein weiterging. Kaum hievte Sundmark seinen kräftigen Körper aus dem Wasser, änderte June ihr Vorgehen.

»Schau hierher, Blair. Na, los!«, murmelte sie.

Ihr Partner hatte fast das entgegengesetzte Ende des Wasserbeckens erreicht und würde June nicht so schnell zu Hilfe eilen können. Zum Glück funktionierte ihre telepathische Aufforderung, denn unmittelbar am Ende des Beckens suchte Blair mit Blicken nach seiner Partnerin. June konnte ihm durch eine Geste auf Sundmark aufmerksam machen, woraufhin der farbige Agent auf dem Absatz umkehrte und den ganzen Weg zurückhetzte.

»Stopp! Keine Dummheiten mehr, Sundmark«, rief June den Fälscher an.

Der hatte fast schon die Verbindungstür zu den Umkleidekabinen erreicht und verhielt mitten in der Bewegung. Langsam wandte Sundmark den Kopf und musterte June aus seinen hellen Augen. Die hatte ihren Jackenaufschlag nach hinten geschoben, sodass der Fälscher die SIG Sauer im Holster erkennen konnte. Ihre Geste war eindeutig.

»Vorsicht!«

Junes Warnschrei kam zu spät für den rundlichen Mann, der ahnungslos durch die Verbindungstür in die Schwimmhalle trat. Bevor er überhaupt wusste, wie ihm geschah, packte Sundmark den überrumpelten Mann und stieß ihn grob in Junes Richtung.

»He, was soll denn das?«, rief der erbost.

Sie hatte nicht lange gezögert und versetzte dem wütenden Mann ihrerseits einen leichten Stoß, der ihn völlig aus dem Gleichgewicht brachte. Mit rudernden Bewegungen stolperte der Badegast über den Rand des Beckens und fiel ins Wasser.

»FBI! Bleiben Sie stehen, Sundmark!«, brüllte June.

Ihr Ruf sollte vor allem weitere Badegäste warnen, die sich ahnungslos auf dem Weg von den Umkleidekabinen in die Halle befanden. Douglas Sundmark jagte durch den schmalen Gang und schubste andere Badegäste brutal aus dem Weg.

»Wo bleibst du nur?«, dachte June.

Sie verstand nicht, warum Blair so lange für den Weg hierher benötigte. June hatte den Gedanken kaum formuliert, als ihr Partner unvermittelt vor Sundmark auftauchte. Sie revidierte ihr Urteil und gratulierte Blair innerlich zu seinem cleveren Vorgehen.

»Ende der Dummheiten, Sundmark«, sagte er.

Als dem Fälscher urplötzlich der Fluchtweg versperrt wurde, verminderte er sein Tempo. Es war gut zu erkennen, wie er fieberhaft nach einem Ausweg suchte. Schließlich blieb er stehen und spreizte resigniert die Arme zur Seite ab.

»Damit haben Sie sich keinen Gefallen getan«, sagte June.

Der Tumult im Schwimmbad hatte zwei Cops auf den Plan gerufen, denen sie nun den wieder vollständig bekleideten Douglas Sundmark übergaben. Sie sollten den Fälscher im Field Office abliefern.

»Das war ja fast so etwas wie ein Geständnis«, sagte Blair.

Er trocknete sich das schweißnasse Gesicht mit einem Papiertuch ab und schaute dem Fälscher grimmig hinterher.

»So leicht wird er es uns schon nicht machen, Blair. Wer weiß, was Sundmark noch auf dem Kerbholz hat«, blieb June skeptisch.

Wenige Minuten später regulierte Blair die Klimaanlage im Dodge Nitro neu, damit sie sich von dem schweißtreibenden Ausflug ins Schwimmzentrum erholen konnten.

»So oder so, June. Er wird auspacken müssen, und wenn es nur Namen von einigen seiner Kollegen sind, die für die Herstellung der falschen Ausweise in Betracht kommen«, sagte Blair.

June war sich weiterhin nicht so sicher, trotzdem nickte sie zustimmend. Sie würden es bald wissen und daher war jede Diskussion darüber jetzt nur Zeitverschwendung.

***

Es gab eine gute Chance, dass uns entweder Ortega oder Fredericks zu anderen Angehörigen des Netzwerks führen würden. Für den fülligen Juristen hatte ich ein Observationsteam angefordert, damit Phil und ich dem Vizedirektor auf den Fersen bleiben konnten.

»Er ist richtig nervös. Gut so«, sagte ich.

Allein auf dem kurzen Weg zu seinem Chevy schaute Hector Ortega sich mehrfach um, so als ob er mit Verfolgern rechnete. Ich ließ ihm viel Zeit, um in den fließenden Verkehr einzufädeln und seinen Weg anzutreten.

»Das dürfte reichen«, sagte Phil.

Mein Partner war für die technische Seite zuständig, da er den kleinen Sender unter dem Wagen des Vizedirektors angebracht hatte. Das Signal unseres technischen Hilfsmittels verfolgte Phil auf dem Monitor in der Mittelkonsole des Jaguar. Ich befolgte seine Aufforderung und nahm die Verfolgung auf. Zuerst schien es fast so, als wenn Ortega auf direktem Weg nach Hause fahren würde.

»Das könnte eine sehr lange und auch langweilige Veranstaltung werden«, unkte Phil.

Doch zehn Minuten später korrigierte er seine Meinung, denn der Chevy wich von der Strecke ab und tauchte in ein Gewirr von Seitenstraßen ein. Als ich ebenfalls diesem Weg folgte, konnten wir die Williamsbridge bewundern.

»Er will jedenfalls nicht nach Hause«, sagte ich.

Fünf Meilen weiter endete vorerst die Verfolgungsjagd, denn Ortega parkte seinen Chevy vor einer kleinen Bar. Phil und ich tauschten einen zufriedenen Blick aus.

»Sollten wir ihn so sehr aufgeschreckt haben, dass er sich unbedingt mit einigen seiner Komplizen treffen muss?«, fragte ich.

Wir mussten das Wagnis eingehen und uns der Bar nähern. Mit ein wenig Glück fanden wir ein Fenster, von dem aus wir Ortega beobachten konnten. Zum Glück hatten wir es nur mit einem Haufen korrupter Angestellter zu tun, sodass wir das Risiko für vertretbar hielten. Selbst wenn man auf uns aufmerksam werden sollte, drohte uns nicht sofort eine wilde Schießerei mit zu allem entschlossenen Gangstern.

»Hierher, Jerry«, rief Phil.

Während ich die Fenster an der Straßenseite der Bar überprüfte, schaute mein Partner zur Rückseite des Gebäudes. Während uns die bunt angemalten Scheiben der Fenster zur Straße keinen Durchblick erlaubten, schien Phil etwas gefunden zu haben.

»Hier treffen sich die Raucher«, erklärte er.

Sein Finger deutete auf die Kippen in einer Ecke hinter einem Müllcontainer. Die Hintertür wurde durch einen Holzkeil daran gehindert, ins Schloss zu fallen. Vermutlich hatte einer der Raucher vergessen, diese Sicherheitsmaßnahme bei seiner Rückkehr in die Bar wieder zu beseitigen. Uns konnte es nur recht sein, da wir so unbemerkt hineingelangten.

»Du hast nicht zufällig eine Zigarette bei dir?«, fragte ich.

Mein Partner schaute mich nur strafend an. Es gab Situationen, in denen der gesunde Lebensstil auch hinderlich war. Unsere Tarnung wäre eindeutig besser ausgefallen, wenn wir eine Zigarettenschachtel in der Hand halten würden.

»Siehst du Ortega?«, fragte Phil.

Ich stand am Durchgang, der sowohl zu den Toiletten als auch hinaus auf den Hinterhof führte. Von dort konnte ich die Gäste der Bar in aller Ruhe mustern.

»Ja. Er sitzt mit drei anderen Männern an einem Tisch und sieht sehr angespannt aus«, antwortete ich.

Der Vizedirektor redete auf die Männer ein, die allesamt wie mittlere Angestellte aussahen. Unauffällig schob ich mich durch die Tischreihen hinüber zum Tresen. Phil tat es mir gleich, sodass wir erheblich näher zu dem Tisch mit Ortega und seinen Freunden kamen.

»Jetzt wäre es toll, wenn einer von uns Lippenlesen beherrschen würde«, sagte Phil.

Leider konnte es keiner von uns, sodass wir uns lediglich aus der Gestik und dem Gesichtsausdruck einen Reim auf den Inhalt der heftigen Diskussion machen konnten.

»Wir haben Ortega auf jeden Fall verunsichert, und das überträgt er soeben auf seine Freunde«, sagte ich.

Dann erhob der Vizedirektor sich und eilte hinüber zu den Toiletten. Da er sein halb volles Glas auf dem Tisch stehen hatte, gingen wir von seiner baldigen Rückkehr aus.

»Da stimmt doch etwas nicht«, stellte ich nach einigen Minuten fest.

Ortega hatte den Tisch bereits vor geraumer Zeit verlassen und nun stand auch noch die Bedienung bei seinen Freunden, die offensichtlich ihre Rechnung beglichen. Ich ging ebenfalls zur Toilette und fand dort keine Spur von dem Vizedirektor mehr. Sofort eilte ich zurück zu Phil, der soeben sein Mobiltelefon in der Innentasche seiner Jacke verstaute.

***

»Ortega hat sich aus dem Staub gemacht«, sagte ich.

Mein Partner nickte verstehend und deutete mit dem Kopf zu den Männern am Tisch, die im Aufbruch waren.

»Ich habe einige Fotos gemacht. Wir können später ermitteln, mit wem Ortega am Tisch gesessen hat«, erklärte er.

Eine zufällige Überwachung eines der Männer erschien uns wenig sinnvoll, weshalb wir die Bar verließen und zum Jaguar gingen.

»Ist das nicht Ortegas Wagen?«, fragte Phil.

Nachdem ich mich innerlich mit dem Scheitern unserer Überwachungsaktion abgefunden hatte, war ich überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, mich nach dem Chevy von Ortega umzuschauen.

»Ja, das ist der Wagen. Was treiben die Kerle denn da?«, erwiderte ich.

Wir änderten die Laufrichtung und näherten uns dem Chevy, an dem sich zwei Männer zu schaffen machten. Als wir keine hundert Yards mehr entfernt waren, schaute einer von ihnen hoch und bemerkte uns.

»Vorsicht, Phil!«, rief ich.

Aus der bislang unklaren Situation wurde übergangslos eine Schießerei. Beide Männer eröffneten ohne Zögern das Feuer auf uns, womit sie uns zunächst in Deckung zwangen. Phil und ich fanden hinter geparkten Fahrzeugen ausreichend Schutz, um die SIG zu ziehen und das Feuer zu erwidern. Querschläger heulten durch die Gegend und Glasscheiben gingen zu Bruch.

»Ich komme über den Hof der Bar«, rief ich Phil zu.

Mein Partner verstand meine Absicht und deckte daher die Schützen mit einer langen Salve ein, damit ich ungefährdet zurück in die Bar sprinten konnte. Dort herrschte helle Aufregung, und als ich mit der gezogenen Pistole hineinplatzte, stoben die Gäste erschrocken auseinander.

»FBI! Alarmieren Sie die Cops. Zwei Männer schießen auf der Straße wild um sich«, rief ich.

Der eine Barkeeper hielt bereits sein Mobiltelefon in der Hand und nickte verstehend. Ich raste weiter und stand wenige Augenblicke später auf dem Hinterhof, über den Phil und ich kurze Zeit zuvor in die Bar gekommen waren.

»Wo sind die Kerle nur?«, murmelte ich.

Als ich vorsichtig zu dem Chevy von Ortega schaute, konnte ich keinen der Schützen ausmachen. Mein Blick zuckte hinüber zur Position meines Partners, von dem allerdings auch keine Spur zu sehen war. Was war passiert?

»Jerry! Spring rein«, rief Phil.

Urplötzlich schob sich die schnittige Silhouette meines Jaguar vor die Ausfahrt. Ich war mit drei langen Sätzen am Wagen und sprang auf den Beifahrersitz. Phil gab sofort richtig Gas und erklärte mir, was in der Zwischenzeit geschehen war.

»Die Gangster haben erkannt, dass ihre Zeit ablief. Vermutlich haben sie bereits die Sirenen der Streifenwagen gehört und wollten den Cops aus dem Weg gehen«, sagte er.

Als die Männer in einen Escalade stiegen und sich dabei gegenseitig Deckung gaben, reagierte mein Partner sofort und holte den roten Flitzer. Jetzt jagten wir dem SUV nach, während ich über Funk mit den Cops sprach. Als der Jaguar an der offenen Fahrertür des Chevy vorbeigefahren war, konnte ich einen schnellen Blick ins Innere werfen.

»Der Besitzer des Wagens heißt Hector Ortega und liegt wahrscheinlich verletzt im Chevy. Wir brauchen also auch einen Krankenwagen«, sagte ich.

Aus der eher harmlosen Observierung wurde eine ausgewachsene Jagd auf zwei Killer. Das Kennzeichen des Escalade brachte uns nicht weiter, da es offenkundig gefälscht war.

»Falsche Dienstausweise und jetzt auch noch falsche Autokennzeichen. Da möchte jemand seine Identität besonders gut schützen«, sagte Phil.

Das brutale Vorgehen bewies mir außerdem, dass die Hintermänner kein Risiko eingehen wollten. Dank der Unterstützung der Cops konnten wir den Escalade gut verfolgen.

»Der Fahrer riskiert Kopf und Kragen«, sagte Phil.

Das flüchtige Fahrzeug hatte bereits eine rote Ampel ignoriert und dadurch einen Unfall auf der Kreuzung verursacht. Anschließend rammte der Escalade einen Streifenwagen, der sich ihm in die Quere stellen wollte. Wir hatten es mit Gangstern zu tun, die keine Scheu vor harten Bandagen hatten.

***

Phil ließ den Jaguar ausrollen, als wir die Zufahrt zu dem Komplex erreicht hatten. Der Escalade war in den zurückliegenden Minuten kurzzeitig verschwunden gewesen und dann meldete ein Motorradcop, dass der Wagen in die Straße mit diesem Kunstzentrum gefahren war.

»Special Agent Cotton vom FBI. Das ist mein Partner, Special Agent Decker. Sind Sie sich absolut sicher, dass es der gesuchte Escalade ist?«, fragte ich.

Der Officer war Mitte vierzig, und er war sich völlig sicher, dass die Gangster in dieser Ansammlung von Gebäuden aus der Jahrhundertwende verschwunden waren.

»Es gibt hier über ein Dutzend Ateliers und Galerien. Außerdem befinden sich hier zwei private Ausstellungshallen für moderne Kunst«, erklärte der Cop.

»Bleiben Sie hier und weisen Sie die Kollegen ein. Agent Decker und ich suchen die Gangster«, sagte ich.

Wir wollten nicht warten, bis die Verstärkung eintraf. Nach Aussage des Cops gab es zwar nur diesen einen Zugang zu dem Komplex, aber ich traute den Killern durchaus zu, dass sie ihr Fahrzeug zurückließen und die Flucht zu Fuß fortsetzten.

»Wir fahren einmal die Straße hinunter und schauen, ob wir den Escalade entdecken«, sagte ich.

Mein Partner nickte und gab wieder Gas. Im schnellen Schritttempo rollten wir über die schmale Straße, die auf der Seite zum Gebäudekomplex hin von Pappeln gesäumt wurde.

»Vorsicht, Phil! Ein Schütze steht neben dem Baum unmittelbar vor dem Haupteingang«, rief ich warnend.

Der Killer hatte seine Position verändert, vermutlich um besser auf uns schießen zu können. Für den Bruchteil einer Sekunde lugte seine Schulter hinter dem Baum hervor, und ich sah im nächsten Augenblick die Hand mit der Waffe. Phil reagierte instinktiv richtig, indem er das Gaspedal bis zum Bodenblech durchdrückte, wodurch der Jaguar einen mächtigen Satz machte.

»Ich schnappe mir den Schützen«, stieß ich hervor.

Während Phil den Wagen zum Halten brachte, sprang ich bereits hinaus und suchte hinter einer Pappel Deckung. Die nächsten Sekunden lauschte ich angestrengt und wurde schließlich für meine Geduld belohnt. Offenbar verfügte der Schütze nicht über sehr gute Nerven, denn er rannte auf einmal auf den Haupteingang zu. Ich sprang aus der Deckung und rief ihn an.

»FBI! Waffe fallen lassen und auf den Boden legen!«

Erneut reagierten die Gangster mit großer Brutalität und gefährlicher Raffinesse. Der Ausbruch des Schützen war kein übereiltes Manöver gewesen, weil er seine Nerven nicht im Griff hatte. Es hatte seinen Zweck erfüllt, als ich aus der Deckung kam.

Ein Projektil riss ein langes Stück aus der Rinde der Pappel, hinter der ich gerade noch gestanden hatte. Mir blieb nur ein verzweifelter Hechtsprung, mit dem ich mich hinter eine mannshohe Metalltafel warf. Mehrere Kugeln schlugen mit einem klatschenden Geräusch ins Metall ein, während ich blitzschnell an den westlichen Rand robbte.

»FBI! Das Gelände ist umstellt. Geben Sie auf und werfen Sie die Waffen weg«, rief ich.

Es war ein billiger Bluff, der uns hoffentlich ein wenig Zeit zum Durchatmen verschaffte. Leider zog er nicht, wie eine weitere Salve in meine Richtung bewies. Einzelne Schüsse aus einer SIG Sauer mussten von Phil kommen, der mich zu schützen versuchte.

»Jetzt oder nie«, dachte ich.

Mein Partner lenkte die Gangster für einen Moment ab, was mir die Gelegenheit gab, zu einem riskanten Spurt anzusetzen. Meine Füße flogen geradezu über die Rasenfläche, und dann tauchte ich im Schatten des Gebäudes ein. Zu meiner Verwunderung feuerte in dieser Zeit niemand auf mich, was meinen Mut weiter anfachte.

»Vielleicht kann man euch doch überrumpeln«, murmelte ich.

***

Mein suchender Blick wanderte über die Fensterreihe, die sich unmittelbar oberhalb meines Kopfes befand. Mit ein wenig Glück konnte ich auf diesem Wege ins Gebäude gelangen. Wenn sich hier bevorzugt Künstler aufhielten, durfte man mit offen stehenden Fenstern und Türen rechnen. Sie gehörten normalerweise nicht zu der Berufsgruppe, die besonders viel Wert auf Sicherheit legten.

»Jetzt drehen wir den Spieß einmal um«, sagte ich.

Ich nutzte die Gelegenheit, Phil über mein Mobiltelefon die veränderte Lage zu schildern. Er wollte die Gangster noch eine Weile vor dem Gebäude beschäftigen, um mir die Zeit für die Annäherung zu verschaffen. Angesichts der rücksichtslosen Vorgehensweise, die diese Killer bisher an den Tag gelegt hatten, war es eine sehr gefährliche Situation für Phil.

»Ich beeile mich«, sagte ich.

Schnell verstaute ich das Mobiltelefon wieder und machte mich auf den Weg. Zum Glück gab es reichlich beleuchtete Hinweisschilder, die mich zum Haupteingang lotsten. Als meine Hand auf der Türklinke lag, erkannte ich zwei Dinge: Vor der Tür wurde heftig geschossen, was meine Hoffnung auf einen unversehrten Phil erhöhte. Das andere war eine Alarmanlage, die offenbar an den Türschlossmechanismus gekoppelt war.

Eine bessere Möglichkeit, den bald eintreffenden Cops den Weg zu weisen, gab es kaum. Mit einem zufriedenen Grinsen drückte ich die Türklinke nieder und wartete auf das Schrillen der Alarmglocken. Vergeblich!

»Natürlich verschlossen. Was auch sonst?«, schimpfte ich.

Der Ärger auf mich selbst musste warten, auch wenn mein Fehler mich extrem wurmte. Bei meinen ganzen Überlegungen hatte ich leider komplett ausgeblendet, dass die Haupteingangstür mit Sicherheit sorgfältig verschlossen sein würde. Jetzt war guter Rat teuer.

»Dann muss es eben mit der rabiaten Methode gehen«, murmelte ich.

Die zweitbeste Lösung erwies sich als durchschlagender Erfolg. Ich jagte eine Kugel durch die große Fensterscheibe neben der Eingangstür und wurde mit dem Aufheulen von Alarmsirenen belohnt. Gleichzeitig wurde die Schießerei vor dem Gebäude weitaus heftiger, was durch das Eintreffen der Cops verursacht wurde.

»Ziel erreicht. Jetzt wollen wir doch einmal sehen, wer sich mit solcher Brutalität gegen uns stellt«, sagte ich zufrieden.

***

Es gab tatsächlich einen nachvollziehbaren Grund, warum Douglas Sundmark sich dem Zugriff der Agents hatte entziehen wollen.

»Ich habe auf eigene Rechnung Eintrittskarten für den Auftritt der Stones gedruckt, um sie dann übers Internet zu verkaufen«, gestand er sehr bald.

Es war eine herbe Enttäuschung für June und Blair, die sich natürlich ein anderslautendes Geständnis erhofft hatten. Sundmark wurde nach allen Regeln der Kunst vernommen, ohne seine ursprüngliche Aussage abzuändern. Die scheinbar heiße Spur erkaltete zusehends und sorgte für lange Gesichter im Field Office.

»Wir müssen solche Fehlschläge zügig abhaken, damit unser Kopf wieder frei wird«, mahnte Mr High.

Er hatte sich von Steve auf den aktuellen Stand der Ermittlungen bringen lassen und besprach sich jetzt mit June und Blair.

»Es gibt da aber eine Randbemerkung von Sundmark, der ich nachgehen möchte«, warf Blair ein.

Er hatte sich die Vernehmungsprotokolle mehrfach gründlich durchgelesen und war dabei auf diese Merkwürdigkeit gestoßen.

»In Fälscherkreisen wird über den Verlust von Originalpapier aus einer Druckerei spekuliert, die auch Regierungsbehörden beliefert«, erklärte Blair.

Der farbige Agent zitierte die entsprechende Passage aus dem Protokoll und erntete ein anerkennendes Nicken seiner Kollegen. Sie spürten ebenfalls, dass in dieser winzigen Information durchaus ein entscheidender Hinweis verborgen sein könnte.

»Sehr gute Arbeit, Blair. Wie wollen Sie weiter vorgehen?«, fragte der Chef.

Nach einem Blick auf June, die mit ihm einer Meinung war, schlug Blair einen offiziellen Besuch in der Druckerei vor.

»Die Geschäftsführung muss sich kooperativ zeigen, wenn sie keine Zweifel an ihrer Seriosität wecken wollen. Wenn wir die Druckerei unauffällig unter die Lupe nehmen, fällt uns möglicherweise etwas auf«, antwortete Blair.

Dieses Vorhaben fand die Zustimmung sowohl von Mr High als auch von Steve. Da die Druckerei gut achtzig Meilen außerhalb der Stadtgrenze im Staat New York lag, planten June und Blair den Besuch für den kommenden Tag. Die frühe Abendstunde ließ ihnen genug Zeit, um sich im Vorfeld intensiv mit der Druckerei beschäftigen zu können.

»Wenn wir die Qualität der Ausweise der Killer berücksichtigen, dann käme die Druckerei schon in Betracht«, sagte June.

Sie stürzte sich daher mit großer Energie in die Erarbeitung des Hintergrunds der Druckerei, damit sie für den Besuch am folgenden Tag bestens gerüstet war. Als sie dabei auf den Namen Douglas Sundmark stieß, schüttelte June grimmig den Kopf.

»Hoffentlich hast du uns keinen Bären aufgebunden. Vielleicht willst du dich ja nur für den berechtigten Rauswurf rächen, nachdem deine kleine Privatarbeit entdeckt worden ist«, sagte sie halblaut.

Als Blair sie verwundert anschaute, wiederholte June ihre Zweifel laut. Ihr Partner schüttelte den Kopf.

»Hat er nicht, June. Ich konnte mehrere Informanten befragen, und die bestätigen das Gerücht. Es ist definitiv etwas dran an Sundmarks Story. Vielleicht wissen wir morgen schon viel mehr«, widersprach er.

Das beruhigte June immerhin so weit, dass sie ihre Arbeit am Computer ohne störende Gedanken fortsetzen konnte. Ab und an warf sie einen prüfenden Blick auf die aktuelle Lage zu der Schießerei mit ihren Kollegen. Offenbar hatte sich die Überwachung des Verdächtigen schon jetzt gelohnt.

***

Mein Triumph kam zu früh. Ich wollte mich auf dem gleichen Weg wieder aus dem Gebäude zurückziehen, als mich eine leider sehr vertraute Stimme ansprach.

»Agent Cotton. Welch eine ausgesprochene Freude, dass ausgerechnet Sie mir vor die Mündung laufen«, sagte Coburn.

Das markante Lispeln mit dem starken Akzent seiner texanischen Heimat verriet mir, dass es Seth Coburn war. Wir waren uns schon einmal begegnet, wobei ich den Psychopathen damals nicht hatte überführen können. Wie gefährlich der Mann war, hatte ich jedoch niemals vergessen.

»Coburn? Sie stecken also mit in diesem Irrsinn drin?«, fragte ich.

Er war der passende Killer, der gnadenlos alle über den Haufen schoss. Wenn ich es recht überlegte, hätte ich ihn schon früher als möglichen Kandidaten ins Auge fassen können. Bekanntlich war man hinterher immer klüger, und im Augenblick sollte ich mir lieber Sorgen um meine Zukunft machen.

»Sie sind leider ein hartnäckiger Bastard, Cotton. Am liebsten würde ich Sie an Ort und Stelle umlegen, aber vorerst sind Sie mir lebendig von größerem Nutzen«, erwiderte der Killer.

Gekonnt nahm er mir die Waffe sowie das Mobiltelefon ab, bevor ich mir selbst die Handschellen anlegen durfte. Anschließend schubste der Texaner mich voran und führte mich zu einem der hinteren Ausgänge. Ich baute auf die Sorgfalt meines Partners sowie der Cops und erwartete, dass Coburns Fluchtversuch bereits an der Hintertür sein Ende fand.

»Mach dir keine Hoffnung, Cotton. So schnell sind deine Kollegen nicht«, höhnte Coburn.

Er sollte recht behalten, und so fand ich mich kurze Zeit später im Kofferraum eines älteren Buick wieder. Hilflos musste ich mit anhören, wie der Killer den Motor startete und gelassen davonfuhr. Vermutlich kannte er sich sehr gut im Umfeld des Komplexes aus und nutzte daher Seitenwege, um den Cops nicht in die Quere zu kommen.

Einmal stoppte Coburn den Wagen, stieg aus und schien ein Tor zu öffnen. Kurze Zeit später rollte der Buick mit vielen anderen Fahrzeugen über eine der großen Straßen. Wohin? Mir war noch nicht klar geworden, welchen Nutzen der Texaner aus meiner Entführung ziehen wollte.

***

Die Fahrt endete nach einer scheinbaren Ewigkeit mit diversen Richtungswechseln, sodass ich keine Ahnung über das Ziel hatte. Coburn stieg aus, wie mir das leichte Wippen des Buick zeigte. Er holte mich nicht sofort aus dem Kofferraum, sondern verschwand und ließ mich im Wagen zurück. Ich vernahm das Quietschen einer schlecht geölten Tür und dann eine Weile überhaupt nichts mehr. Schließlich näherten sich seine Schritte wieder und der Deckel des Kofferraums wurde geöffnet.

»Raus da, Cotton«, befahl er.

Seth Coburn wich einige Schritte zurück und hielt die Pistole auf mich gerichtet. Die Handschellen behinderten meine Bewegungsfreiheit erheblich, sodass ich nur mühsam aus meinem Gefängnis herausklettern konnte. Obwohl das Licht in der Halle dämmrig war, musste ich mehrfach blinzeln.

»Los! Vorwärts zu der Tür dort drüben«, sagte Coburn.

Mit einer knappen Kopfbewegung deutete er in die gewünschte Richtung. Ich setzte mich in Bewegung und musterte meine Umgebung sehr genau. Wir befanden uns in einer Halle, die offenkundig noch in Betrieb war. Drei Trucks standen an der einen Längsseite, und die zum Teil eingeschweißten Kartons auf Paletten verrieten mir, dass jemand diese Halle noch intensiv nutzte.

»Nach links, und keine Dummheiten, Cotton. Du lebst nur noch auf Abruf«, wies Coburn mich an.

Erneut befolgte ich seinen Befehl, ohne zu zögern. Mich beschäftigte seine merkwürdige Formulierung. Auf Abruf? Das konnte eigentlich nur bedeuten, dass Coburn einen Boss hatte und er ohne dessen Genehmigung offenbar nicht handeln durfte. Das brachte mir einen zeitlichen Aufschub, den ich besser gut nutzen sollte.

»Stopp!«

Seth Coburn entriegelte eine Tür, an der ich gerade eben vorbeigegangen war. Anschließend musste ich eintreten und spürte beim Anblick der gekachelten Wände einen kurzen Schreck in mir aufsteigen. Der Killer hatte mich in einen Kühlraum eingesperrt!

»Warme Gedanken allein werden hier nicht weiterhelfen«, murmelte ich.

Langsam vollführte ich eine Drehung um meine eigene Achse und betrachtete mein Gefängnis. Außer der Tür, durch die ich hereingekommen war, gab es keinen weiteren Ausgang. Zudem könnte ich im Raum so viel Lärm machen, wie ich wollte. Es würde kein Laut nach draußen gelangen.

»Das wirkt alles sehr improvisiert«, dachte ich.

Meine gesamte Entführung konnte kaum Teil eines groß angelegten Planes sein, ansonsten hätte Coburn mich sicherlich in ein besseres Versteck gebracht. Dieser Gedanke war nur bedingt tröstlich, denn er zeigte mir auch die Zeitknappheit auf.

»Du solltest baldmöglichst einen Ausweg finden«, mahnte ich mich selbst.

So langsam kroch die Kälte an meinen Beinen hinauf und ich begann mich zu bewegen. Ich musste locker bleiben und verhindern, dass meine Muskulatur unter den niedrigen Temperaturen zu sehr litt. Zum Glück hingen hier keine Schweine- oder Rinderhälften an Haken von der Decke. Dafür war der Raum aber sehr klein und bot kaum Hilfsmittel, um zunächst einmal die Handschellen loszuwerden.

Während ich mich umschaute, arbeitete mein Gehirn bereits an einem Plan. Sollte Coburn früher als erwartet zurückkommen, musste ich den Killer irgendwie überrumpeln. Angesichts seiner bislang gezeigten Vorsicht sollte ich mir dafür etwas Besonders ausdenken. Es dürfte kaum Aussicht auf Erfolg haben, wenn ich ihn lediglich mittels eines Sturmangriffs über den Haufen rennen wollte. Dabei würde ich mir bestenfalls eine oder zwei Kugeln einfangen.

»Streng dich an, Jerry. Es geht schließlich um dein Leben«, murmelte ich.

Diese Motivation sollte eigentlich ausreichen, um einen guten Plan zu entwickeln.

***

Bei der Besprechung am nächsten Vormittag herrschte eine nervöse Unruhe. Jerry war bei dem Einsatz am Abend zuvor verschwunden, und noch wusste niemand, wie es dazu hatte kommen können.

»Er hat sein Mobiltelefon ausgeschaltet oder man hat es ihm abgenommen«, sagte Phil. Er wirkte verständlicherweise sehr angespannt und wurde vorzeitig aus der Besprechung entlassen. Er sollte seine Kraft darauf verwenden, seinen Partner zu finden.

»Wir können nicht ausschließen, dass Jerry einer Entführung zum Opfer gefallen ist. Diesen Umstand sollten Sie unbedingt im Hinterkopf behalten, wenn Sie sich in der Druckerei umsehen«, sagte Mr High.

June und Blair tauschten einen kurzen Blick aus, bevor sie verstehend nickten. Wenn ihre Gegner so weit gingen, einen Agent des FBI zu entführen und eventuell sogar zu töten, waren sie extrem gefährlich. Sie besprachen noch einige Details, bevor June und Blair die Fahrt hinaus aus der Stadt antraten.

»Schade, dass wir keinen Hubschrauber zur Verfügung haben«, sagte Blair.

June schaute ihn verwundert an. Bei einer Strecke von rund achtzig Meilen erschien ihr der Einsatz eines Hubschraubers reichlich überzogen.

»Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir Jerry im Stich lassen«, fuhr Blair fort.

June konnte sein Gefühl nachvollziehen.

»Geht mir ganz ähnlich, Blair. Vorerst können wir ihm aber am besten dadurch helfen, dass wir die Ermittlungen vorantreiben«, erwiderte sie.

Blair sah es ein und daher konzentrierten sie sich auf das bevorstehende Gespräch mit dem Geschäftsführer der Druckerei. Sie erreichten die Kleinstadt im Staat New York am späten Vormittag und konnten davon ausgehen, dass zu dieser Tageszeit der Geschäftsführer oder seine Vertretung im Unternehmen sein würde.

»FBI. Special Agent Clark, und das ist mein Partner, Special Agent Duvall«, sagte June.

Sie hatten sich am Empfangstresen der Druckerei gemeldet und zeigten ihre Legitimationen vor. Der Mann im mittleren Alter reagierte gelassen und fragte höflich nach den Wünschen.

»Wir möchten mit Joseph Martin sprechen«, antwortete June.

Sie hatten Glück, denn der Geschäftsführer war in der Firma und sofort bereit, die Besucher zu empfangen. Martin holte June und Blair persönlich ab, wofür er aber eine sehr gute Erklärung parat hatte. Er hielt einen Stapel frischer Ausdrucke in die Höhe.

»Das ist ein Auftrag einer Abteilung aus dem State Department, daher prüfe ich jeden Arbeitsschritt noch einmal persönlich«, sagte Martin.

Der mittelgroße schlanke Mann lächelte bei seinen Ausführungen, so als wenn er um Nachsicht für seine übertriebene Sorgfalt bitten würde. Auf June wirkte der Geschäftsführer wie ein typischer Manager eines mittleren Unternehmens, der sich persönlich um vieles kümmerte. Würde so ein Mann sein Unternehmen durch illegale Geschäfte gefährden? Es fiel June schwer, sich Martin in dieser Rolle vorzustellen.

»Setzen Sie sich bitte. Ich bin gleich wieder bei Ihnen. Dann gibt es auch einen frischen Kaffee«, sagte er.

June schaute sich im Büro des Geschäftsführers um und nahm die leichte Unordnung als Beleg für einen überbeschäftigten Menschen zur Kenntnis. Es gab Stapel von Druck-Erzeugnissen, die auf einem langen Tisch nebeneinanderlagen. Darauf lagen außerdem Bestellscheine, die sich Martin offenbar noch ansehen und anschließend abzeichnen sollte.

Auf dem Schreibtisch aus Eschenholz thronte ein gewaltiger Monitor, der fast ein Drittel der Fläche beanspruchte. Der restliche Platz wurde von Terminkalendern und irgendwelchen Schreiben belegt. Auch der Schreibtisch deutete auf einen Joseph Martin hin, der viele Stunden am Tag arbeitete und trotzdem nie ganz fertig wurde.

»Entschuldigen Sie, aber jetzt kann ich mich völlig auf Ihr Anliegen konzentrieren«, sagte der Geschäftsführer.

Mit einem neugierigen Lächeln schenkte Martin drei Tassen Kaffee aus einer Thermoskanne ein und lehnte sich dann zurück. Beiläufig schob er einige Unterlagen auf dem runden Tisch zusammen, sodass June und Blair sie sich nicht näher ansehen konnten.

»Wir möchten uns darüber informieren, wann diese Ausweise in Ihrer Druckerei angefertigt wurden und wer dazu den Auftrag erteilt hat«, sagte June.

Sie schob einen der im Safe House sichergestellten Lichtbildausweise über den Tisch zu Joseph Martin hin. Der zog eine Hornbrille aus der Hemdtasche und schaute sich den Ausweis sehr genau an. Schließlich schüttelte er den Kopf.

»Dieser Ausweis wurde mit Sicherheit nicht in meiner Druckerei angefertigt«, sagte er.

Die Sicherheit in seiner Stimme ließ kaum Platz für Zweifel, dennoch hakte Blair nach.

»Wieso können Sie sich so sicher sein? Die Qualität passt doch zu Ihren normalen Druck-Erzeugnissen«, fragte er.

Dem stimmte Martin unumwunden zu.

»Es gibt aber keinen Auftrag, der nicht über meinen Schreibtisch geht. Speziell Regierungsaufträge kontrolliere ich immer persönlich. Sie haben es ja bereits selbst mitbekommen«, sagte er.

Martin erhob sich und ging an einen mannshohen Schrank mit Schubladen, so wie man sie aus Registraturen kannte. Er schloss eine Schublade auf und entnahm einen Ordner, den er vor den Agents auf den Tisch legte.

»Hier drin sind alle Auftragsbescheinigungen von Regierungsstellen. Sie sind sicherlich mit dem Prozedere vertraut und kennen die nötigen Formulare«, sagte Martin.

Darüber hatten June und Blair sich ausreichend informiert, um eine erste Überprüfung vornehmen zu können. Sie konnten sehr schnell ausschließen, dass es einen Auftrag vom Justizministerium gegeben hatte. Doch diese Tatsache wunderte weder June noch Blair, die damit auch nicht gerechnet hatten.

»Wir wissen, dass diese Ausweise eine hervorragende Fälschung sind, Mister Martin. Genau deswegen sind wir ja hier. Die Grundmaterialien müssen aus einer Druckerei stammen, die für Regierungsstellen tätig ist. Wir wollen nun feststellen, ob wir Ihre Druckerei ausschließen können«, erklärte Blair.

Joseph Martin machte ein unglückliches Gesicht und klappte dann den Ordner wieder zu, um ihn sorgfältig im Schrank einzuschließen.

»Dann sollte ich Ihnen bei einem Rundgang zeigen, wie sicher die Abläufe in meiner Druckerei sind. Falls Sie davon ausgehen, dass einer meiner Angestellten heimlich diese Ausweise angefertigt haben könnte. Sie werden am Ende sicherlich von der Unmöglichkeit einer solchen Manipulation überzeugt sein«, schlug er vor.

June und Blair nahmen das Angebot gerne an. Sie würden die Augen offen halten und nach möglichen Schwachpunkten Ausschau halten. June glaubte aber nicht mehr an einen kriminellen Geschäftsführer, da ihr Joseph Martin zu seriös vorkam.

***

Als die Tür aufging, hatte ich keine wesentlichen Fortschritte erzielt. Die Handschellen fesselten nach wie vor meine Handgelenke und mir fehlte eine Idee, wie ich den lispelnden Killer aus Texas überrumpeln konnte. Daher wappnete ich mich und stürmte los, kaum dass die Tür weit genug offen war.

»He, was soll das denn?«, rief ich aus.

Bevor ich die Tür erreicht hatte, flogen mir die Schlüssel für die Handschellen mitten ins Gesicht. Ich zuckte zusammen und stolperte überrascht zurück. Vom Gang her vernahm ich sich schnell entfernende Schritte und dann verstand ich es.

»Der Boss hat etwas gegen den Mord an einem Agent des FBI. Glück gehabt, Jerry«, murmelte ich.

Die nächsten Minuten kämpfte ich mit den Schlüsseln. Es ist keine einfache Übung, sich von Handschellen zu befreien, solange die Hände auf dem Rücken gefesselt sind. Irgendwann klickte es jedoch und ich konnte meine Hände wieder frei bewegen. Nachdem ich Handschellen samt Schlüssel in der Jackentasche verstaut hatte, verließ ich vorsichtig den Kühlraum.

»Das ist ja besser als Weihnachten«, staunte ich.

Zehn Yards von der Tür entfernt lagen meine Waffe, die Reservemagazine sowie mein Mobiltelefon am Boden. Ich überprüfte den Zustand der Pistole und behielt sie zunächst in der Hand. Während ich weiterging, wählte ich bereits die Nummer meines Partners. Phil meldete sich nach dem dritten Freizeichen und wollte am liebsten sofort alles wissen.

»Später, Phil. Zuerst musst du eine Fahndung nach Seth Coburn auslösen und dann kannst du mich bitte abholen«, sagte ich.

Natürlich hatte mein schlauer Partner längst die Fahndung ausgelöst, und da ich inzwischen die Halle verlassen hatte, konnte ich ausreichende Angaben zu meinem Aufenthaltsort machen.

»Das sind die Hallen unten am Hudson. Ich bin in einer halben Stunde bei dir«, rief Phil.

Damit blieb mir genügend Gelegenheit, mich genauer in der Halle und dem restlichen Gebäude umzusehen. Es war eine Miethalle, die immer nur für kurze Zeit angemietet werden konnte. In einem der spartanisch ausgestatteten Büros entdeckte ich einen Prospekt der Firma, die solche Hallen überall in New York anbot. Als ich in der Verwaltung anrief und nach dem derzeitigen Mieter fragte, blieb der Mann am anderen Ende der Leitung sehr zurückhaltend.

»Sie müssen mir die Daten nicht am Telefon verraten. Schicken Sie bitte alle Informationen unmittelbar ans Field Office des FBI«, bat ich.

Damit war der vorsichtige Angestellte einverstanden und mir würden die Daten spätestens bei Phils Ankunft zur Verfügung stehen.

Seth hatte früher regelmäßig mit einer Frau zusammengearbeitet. Die Frau stammte aus einer winzigen Republik im Kaukasus und war eine eiskalte Killerin. Sie und Seth bildeten eine ausgesprochen tödliche Mischung. Der Fall, bei dem ich mit dem Texaner zu tun gehabt hatte, lag einige Jahre zurück. Außerdem waren Phil und ich damals nur am Rande beteiligt gewesen, weil die Kollegen kurzzeitig unsere Unterstützung benötigten. Mir wollte der Name der Frau nicht mehr einfallen, aber auch das würde sich hoffentlich bald klären lassen.

»Jerry?«

Ich schaute auf und sah meinen Partner im Eingangstor der Halle stehen.

»Hier hinten bin ich, Phil«, rief ich.

Mein Partner eilte herbei und wollte erst einmal die gesamte Entführungsgeschichte erfahren.

»Und dann hat Coburn dich so einfach freigelassen? Verstehst du sein Verhalten?«, fragte er.

Ich konnte es nur mit der Befehlshierarchie erklären, wobei mir die seltsame Andeutung des Killers im Gedächtnis haften geblieben war.

»Aufschub? Ja, das klingt nach einem Hintermann«, sagte Phil.

Da es in der Halle nichts weiter zu untersuchen gab, verließen wir sie. Ich setzte mich hinters Lenkrad des Jaguar und beugte mich zum Computer in der Mittelkonsole hinüber.

»Ich muss diesen Namen herausbekommen«, sagte ich.

Mein Partner akzeptierte mein Verhalten und wartete geduldig ab, bis ich die alten Protokolle studiert hatte. Dann stieß ich endlich auf das weibliche Gegenstück zu Seth Coburn.

»Anna Kotcharev. Sie soll sich immer noch in New York aufhalten«, sagte ich.

Mein Partner ahnte sofort, worauf ich hinauswollte.

»Du willst dich aber nicht mit ihr treffen, oder?«, fragte er.

Ich startete die Viper-Maschine und erfreute mich an dem sonoren Klang der über fünfhundert PS, die nur auf ihre Entfesselung warteten. Diesen Gefallen konnte ich ihnen leider in diesem Augenblick nicht tun.

»Doch, genau das will ich. Wenn sie und Coburn immer noch zusammenarbeiten, verfügt Kotcharev über wertvolle Informationen«, sagte ich entschlossen.

Wir durften keine Zeit verlieren, denn falls der Hintermann der Killer weiterhin so schnell und brutal reagierte, würde uns die Killer-Lady sehr bald nicht mehr zur Verfügung stehen.

»Anna Kotcharev trifft sich regelmäßig mit Landsleuten in einer Bar am Rande von Little Odessa. Dort fangen wir an«, erklärte ich.

Mein Partner schluckte weiteren Protest hinunter und beschäftigte sich stattdessen mit dem Leben der Killerin. Gleichzeitig fragte er den Stand der Fahndung nach Seth Coburn ab, die bislang leider erfolglos geblieben war.

»Hier kommen gerade eben einige Daten zu der Halle rein, in der ich dich eingesammelt habe«, sagte er.

Ich hörte mir an, welches Unternehmen zurzeit die Halle angemietet hatte. Vielleicht hatte Coburn in der Eile ja einen Fehler gemacht und mich an einen Ort verschleppt, der in irgendeiner Verbindung zum Anschlag auf das Safe House stand.

***

Die Führung durch die Hallen der Druckerei nahm zwei Stunden in Anspruch und war aufschlussreicher als von June erwartet.

»Ist dir der Techniker an der dritten Maschine aufgefallen?«, fragte sie Blair.

Nachdem Joseph Martin ihnen den ausführlichen Einblick in sein Unternehmen ermöglicht hatte, verabschiedeten June und Blair sich von ihm. Jetzt saßen sie im Dodge Nitro und schauten nachdenklich auf das Firmengebäude.

»Nein, dafür aber der Raum neben dem Papierlager«, erwiderte er.

Verblüfft schaute June zu ihrem hochgewachsenen Partner, da ihr dieser Raum entgangen war. Blair löste seinen Blick vom Gebäude und schaute fragend zu June.

»Was war das mit dem Techniker?«, wollte er wissen.

Sie erzählte von dessen merkwürdigem Verhalten, als der Geschäftsführer sich gemeinsam mit ihnen der Druckmaschine näherte.

»Das war keine Druckmaschine, June. Ich habe weniger auf den Bediener geachtet, dafür aber mehr auf die Maschine selbst. Es war die Station, in der Lichtbildausweise angeblich fälschungssicher verschweißt werden«, warf Blair ein.

June ließ einen leisen Pfiff vernehmen.

»Das macht sein Verhalten noch interessanter. Er hat die Vorlage ausgetauscht, kurz bevor wir die Maschine erreicht hatten. Er wirkte aufgeregt und hat sich bei den Antworten auf meine Fragen schwer getan«, sagte sie.

Blair fand das Verhalten ebenfalls auffällig, und dann kam er auf den einzigen Raum zu sprechen, den Joseph Martin ihnen bewusst vorenthalten hatte.

»Wir durften uns zwar das Papierlager ansehen, aber die schmale Tür unmittelbar daneben wollte er nicht öffnen. Angeblich soll das Schloss defekt sein«, sagte Blair.

Aber daran zweifelte der farbige Agent, und auch June spürte eine zunehmende Neugier. Es gab Geheimnisse in dieser Druckerei, denen sie unbedingt auf den Grund gehen wollte.

»Ich denke, wir sollten später wiederkommen«, schlug sie vor.

Blair zeigte ein erfreutes Grinsen. »Ganz meine Ansicht, verehrte Kollegin. Ich dachte dabei an eine Zeit nach Mitternacht. Einverstanden?«

June war sehr einverstanden und zückte anschließend ihr Mobiltelefon, um Mr High über die Pläne zu informieren. Nach seiner Zustimmung zu der nächtlichen Aktion mussten June und Blair den Anschein erwecken, dass sie tatsächlich die Rückfahrt in die Stadt New York antraten. Blair lenkte den Dodge jedoch nach zwanzig Meilen von der Interstate hinunter, um in einem Motel einzuchecken. Auf diese Weise kamen sie zu einer nicht geplanten Pause, bis sie gegen Mitternacht wieder am Gelände der Druckerei eintrafen.

»Die Sicherheitsvorkehrungen lassen sich mit den Regierungsaufträgen erklären«, sagte June.

Es gab eine Reihe von Überwachungskameras, und innerhalb von dreißig Minuten entdeckten sie drei Doppelstreifen. Das Gelände mit dem Gebäude darauf wurde ausgesprochen gut bewacht.

»Spürst du das?«, fragte Blair.

June senkte das Nachtsichtglas und runzelte verwirrt die Stirn. Sie wollte schon die Frage verneinen, als ein leichtes Vibrieren unter ihren Füßen auftrat.

»Ja, aber was ist das?«, erwiderte sie.