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Sammelband 26: Fünf actiongeladene Fälle und über 300 Seiten Spannung zum Sparpreis!
G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!
Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!
In diesem Sammelband sind 5 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:
2905: Ein Steckbrief für den Tod
2906: Die Panama-Lüge
2907: Blei ist keine Währung
2908: Die Fackel der Vergeltung
2909: Rache ist ein einsames Geschäft
Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.
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Seitenzahl: 671
Veröffentlichungsjahr: 2020
Jerry Cotton
Jerry Cotton Sammelband 26 - Krimi-Serie
Cover
Impressum
Ein Steckbrief für den Tod
Jerry Cotton aktuell
Vorschau
Ein Steckbrief für den Tod
Alex Redmond wurde vom Jagdfieber gepackt.
Sein Job war für ihn weniger ein Broterwerb als eine Sucht. Redmond liebte es, einen untergetauchten Verbrecher aufzuspüren, ihn den Cops zu übergeben und dann seine Prämie einzustreichen. Redmond war mit Leib und Seele Kautionsjäger.
An diesem Abend war der Erfolg wieder zum Greifen nahe.
Redmond hatte den Unterschlupf eines Kriminellen ausfindig gemacht. Sein Puls beschleunigte sich, während er langsam und leise die Treppe des schäbigen Wohnhauses hinaufstieg. Die Glock 17 hatte er schussbereit in der Hand.
Eine hölzerne Treppenstufe knarrte. Redmond hörte ein Geräusch und wollte sich umdrehen. Im gleichen Moment wurde er von drei Kugeln getroffen – und sank tot auf die ausgetretene Treppe.
Phil und ich wollten gerade Feierabend machen, als mein Telefon klingelte. Ich nahm den Hörer ab.
»Agent Cotton.«
»Jerry, könntest du zusammen mit Phil sofort zu uns nach Brooklyn kommen? Wir haben hier einen Mord, der wahrscheinlich in die FBI-Zuständigkeit fällt.«
Ich erkannte die Stimme des Anrufers sofort. Sie gehörte dem NYPD-Detective Malcolm Russell. Wenn Malcolm uns anforderte, dann hatte er gewiss gute Gründe dafür.
»Wir machen uns sofort auf den Weg. Gibst du mir noch die genaue Adresse?«
Der Detective nannte mir den Leichenfundort. Ob es auch der Tatort war, würden die weiteren Ermittlungen zeigen. Malcolm Russell fügte hinzu: »Ein Team der Scientific Research Division ist bereits vor Ort, die Leute vom Coroner sind auf dem Weg. Ich habe den Bereich von uniformierten Kollegen absperren lassen. Amy und ich warten auf euch.«
»Gute Arbeit, Malcolm. Bis gleich.«
Ich legte den Hörer auf. Amy, das war Malcolm Russells Partnerin Amy Stewart. Phil warf mir einen fragenden Blick zu.
»Es sieht ganz so aus, als ob unser Feierabend einstweilen ins Wasser fällt. Tja, das Verbrechen schläft eben nie.«
Doch Phil klang nicht sehr unglücklich, als er von der Aussicht auf Überstunden sprach. Ich konnte ihn verstehen. Erstens hat ein G-man sowieso kaum jemals geregelte Arbeitszeiten. Und zweitens mühten wir uns gerade mit einem sehr langweiligen Fall von bundesweitem Kreditkartenbetrug ab, der stundenlanges Aktenwälzen erforderte. Auch ich hatte nichts dagegen, wenn wir jetzt in den Außendienst gehen konnten. Bevor mein Freund und ich Richtung Brooklyn starteten, gab ich dem Chef telefonisch Bescheid.
»Das geht in Ordnung, Jerry«, sagte Assistant Director High. »Berichten Sie mir die Fakten morgen früh.«
Nach dem Telefonat eilten Phil und ich hinunter in die Tiefgarage, wo ich meinen roten Jaguar-E-Hybriden geparkt hatte.
»Malcolm hat nicht gesagt, worum es genau geht, Jerry?«
»Nein, es war nur von einem Mord die Rede, der in die FBI-Zuständigkeit fallen könnte. Wir müssen uns überraschen lassen.«
Es war ein milder Sommerabend und es würde noch einige Zeit dauern, bis die Dämmerung hereinbrach.
Malcolm Russell hatte mir am Telefon mitgeteilt, dass das Opfer in dem Haus 888 Montrose Avenue gefunden worden war. Als ich in diese breite Straße einbog, konnte ich schon von weitem eine Menschentraube erblicken. Gerade bei dem schönen Wetter waren noch viele Leute draußen unterwegs, und daher hatte sich eine ansehnliche Menge Neugieriger vor dem dreistöckigen Wohngebäude versammelt.
Ich parkte meinen roten Boliden einen Steinwurf weit entfernt und näherte mich dem Haus gemeinsam mit Phil. Wir hatten unsere FBI-Marken am Revers unserer leichten Sommeranzüge befestigt.
Phil und ich drängten uns zwischen den Schaulustigen hindurch. Ein junger Latino-Cop nickte uns zu und hob das gelbe Absperrband für uns. Malcolm Russell und Amy Stewart erwarteten uns vor dem Haus. Der Detective war ein kahlköpfiger Afroamerikaner mit breiten Schultern, seine Dienstpartnerin eine blasse Rothaarige mit aparter Fransenfrisur. Wir gaben den beiden NYPD-Kollegen die Hand. Der farbige Zivil-Cop deutete auf das schäbige Gebäude.
»Das Opfer liegt noch dort, wo es vermutlich niedergeschossen wurde«, berichtete Malcolm Russell. »Der Doc untersucht es gerade, aber wir können gemeinsam einen Blick auf die Leiche werfen.«
Das wollten wir natürlich sofort. Wir mussten uns einen ersten Überblick verschaffen. Phil hatte aber gleich noch eine Frage an den erfahrenen Detective.
»Malcolm, warum ist dieses Tötungsdelikt eigentlich ein FBI-Fall?«
Der Zivil-Cop nickte und senkte seinen Blick auf seinen Notizblock.
»Der Tote hieß Alex Redmond und war ein Kautionsjäger. Er suchte in diesem Haus nach einem gewissen Roy Jordan, der in verschiedenen Bundesstaaten per Haftbefehl gesucht wird. Das haben wir schon herausgefunden. Und da Jordan vermutlich der Mörder ist, fällt der Fall in eure Zuständigkeit.«
***
Es kommt selten vor, dass wir den Namen des Killers hören, bevor wir auch nur die Leiche gesehen haben. Ich wollte mir kein vorschnelles Urteil bilden. Aber ich dachte daran, dass dieser Alex Redmond wahrscheinlich sehr viele Feinde gehabt hatte. Sein Job bringt es natürlich mit sich, dass er sich in der gesamten Unterwelt unbeliebt macht.
Ein Kautionsjäger muss im Staat New York eine Lizenz erwerben. Er jagt nach Straftätern, die nach Kautionszahlungen auf freiem Fuß sind und die gegen ihre Meldeauflagen verstoßen. Manche dieser Typen kennen sich im zwielichtigen Milieu gut aus, weil sie selbst eine kriminelle Vergangenheit haben. Andere sind Abenteurernaturen oder haben einfach kein Interesse an einem gleichförmigen Bürojob, der ihnen keine Abwechslung bietet. Allgemein sind Kautionsjäger bei vielen G-men und Cops nicht besonders beliebt, weil sie uns als Amateure ins Handwerk pfuschen.
Wir folgten den NYPD-Kollegen ins Haus. Dort bestand die Beleuchtung offenbar normalerweise nur aus einigen trüben Glühbirnen. Doch die mit weißen Overalls bekleideten Spurensicherungsspezialisten von der SRD hatten Jupiterleuchten aufgebaut, damit ihnen keine Details entgingen.
Sie vermaßen die Abstände zwischen den Blutspritzern und der Leiche sowie die Lage des toten Körpers. Dadurch konnten sie herausfinden, wo genau der Schütze gestanden hatte. Es waren sogar Rückschlüsse auf die Körpergröße des Killers möglich.
Alex Redmonds sterbliche Überreste lagen auf dem Treppenabsatz unter dem ersten Stockwerk. Der Kautionsjäger war unauffällig bekleidet gewesen, mit Jeans und einer Windjacke. Sein T-Shirt wies Blutflecken auf. Er hatte noch im Tod eine Glock 17 umklammert, die inzwischen von den Kriminaltechnikern entfernt und grob untersucht worden war. Ob er geahnt hatte, dass er sich in Lebensgefahr befand? Aber wieso war es dem Täter dann gelungen, ihn zu überrumpeln? Ich wandte mich an Malcolm Russell.
»Hat es einen Kampf gegeben? Konnte Redmond noch auf seinen Killer feuern, bevor es ihn erwischt hat?«
Malcolm schüttelte den Kopf und schaute abermals auf seinen Notizblock.
»Nach unseren bisherigen Erkenntnissen wurde das Opfer von hinten erschossen. Ihn trafen insgesamt drei Projektile des Kalibers .45, die den Körper durchschlugen. Das Opfer hat das Feuer nicht erwidert, jedenfalls wurde die Glock in letzter Zeit nicht abgefeuert. Außerdem ist das Magazin noch voll. Wir konnten nur Projektile des Mörders entdecken.«
Zur Bestätigung seiner Worte deutete der Detective auf einen Spurensicherungsspezialisten, der eine Patrone aus der Wand entfernte.
Amy Stewart ergriff das Wort.
»Momentan gehen wir davon aus, dass Redmond in die erste Etage wollte. Dort wohnt nämlich eine gewisse Isabel Ortega, die einen Mann bei sich aufgenommen hat. Laut der Aussagen der Nachbarn könnte es sich um den in mehreren Bundesstaaten gesuchten Roy Jordan handeln. Wir haben ihnen sein Fahndungsfoto vorgelegt. Wie auch immer, jedenfalls kam der Killer nicht von vorn, also aus dem ersten Stockwerk, sondern von hinten. Er verfolgte das spätere Opfer, schoss Redmond in den Rücken, daraufhin fiel der Kautionsjäger auf den Treppenabsatz hinunter.«
»Dieser Roy Jordan kann trotzdem der Mörder sein«, meinte Phil. »Angenommen, er war draußen, um sich bei der Hitze einen Sixpack Bier oder ein Eis zu holen. Dann fällt ihm Redmond auf. Jordan kennt ihn nicht, aber das spielt keine Rolle. Der Verbrecher sieht, dass ein Mann mit gezogener Waffe hinauf zu seiner Freundin will. Jordan fragt nicht lange, ob es sich um einen Cop, einen Privatdetektiv oder sonst jemanden handelt. Er schießt und haut ab.«
Das klang plausibel, aber ich wollte zunächst noch mehr Einzelheiten erfahren.
»Habt ihr mit der Freundin gesprochen, Malcolm?«
»Ja, aber nur kurz, Jerry. Alex Redmond hatte seinen Führerschein und seine Kautionsjäger-Lizenz dabei, außerdem einen Fahndungsaufruf, der Roy Jordan betraf. Also war es ein Kinderspiel herauszufinden, was er in diesem Gebäude wollte. Mehrere Nachbarn haben unabhängig voneinander ausgesagt, dass ein Roy Jordan sehr stark ähnelnder Mann seit einigen Wochen bei Isabel Ortega wohnt. Aus der Nummer wird sie nicht herauskommen, damit nageln wir sie fest.«
Amy Stewart ergänzte: »Ich habe kurz unter vier Augen mit Isabel Ortega gesprochen, von Frau zu Frau sozusagen. Mein erster Eindruck: Sie ist keine besonders große Geistesleuchte. Vielleicht wusste sie ja wirklich nicht, dass ihr Märchenprinz ein gesuchter Krimineller ist. Dieser Frau kannst du meiner Meinung nach alles weismachen. Ich halte es für ziemlich einfach, Isabel Ortega einen Bären aufzubinden.«
Ich nickte dem jungen weiblichen Detective dankbar zu. Bevor wir uns Isabel Ortega vorknöpften, wollte ich mein Bild der eigentlichen Mordtat abrunden. Wir mussten so viele Informationen wie möglich sammeln, um das Geschehen nachvollziehen zu können.
»Wann wurde Alex Redmond erschossen?«
»Zwischen 18 Uhr und 18.15 Uhr. Um 18.22 Uhr ging der erste Anruf in der Zentrale ein. Mehrere Nachbarn meldeten unabhängig voneinander Schüsse an der Adresse 888 Montrose Avenue. Als unsere uniformierten Kollegen eintrafen, fanden sie Alex Redmonds Leiche und verständigten uns. Nachdem wir Redmonds Identität und den Grund seines Hierseins ermittelt hatten, habe ich dich informiert, Jerry. Von den Anrufern ist übrigens kein einziger ein Augenzeuge. Sie wohnen hier im Haus oder im Nachbargebäude und haben den Notruf gewählt, nachdem die Schüsse gefallen sind. Laut ihren Aussagen hat sich keiner von ihnen vor die Tür getraut, bevor das Patrolcar eintraf.«
»Ihr habt in der kurzen Zeit wirklich schon viel Arbeit erledigt«, stellte ich anerkennend fest. »Wir können also davon ausgehen, dass Redmond von seinem Killer überrascht wurde?«
Einer der SRD-Spezialisten hatte die Frage gehört und antwortete anstelle des Detective. Er ging aus seiner knienden Position hoch und kam zu uns herüber.
»Die Einschusskanäle deuten darauf hin, dass das Opfer vom ersten Schuss in den Rücken getroffen wurde. Daraufhin muss der Mann versucht haben, sich noch zu drehen. Die Lage der Leiche lässt diesen Rückschluss zu. Aber unmittelbar darauf schlugen zwei weitere Projektile in seinen Körper ein. Nach unseren Berechnungen wurde aus relativ kurzer Distanz gefeuert. Der Abstand zwischen Mörder und Opfer betrug ungefähr drei bis vier Yards. Und der Schütze befand sich eindeutig hinter dem Opfer. Beziehungsweise unter ihm, nämlich acht oder neun Treppenstufen abwärts.«
»Man muss kein Meisterschütze sein, um auf diese Entfernung zu treffen«, brummte Phil. »Außerdem wird sich Redmond nicht schnell, sondern sehr langsam bewegt haben, um Jordan zu überraschen. Stattdessen hat der Gesuchte ihn überrumpelt.«
Für mich stand noch nicht fest, ob der untergetauchte Straftäter wirklich auch der Mörder des Kautionsjägers war. Auf jeden Fall mussten wir ihn als unseren Hauptverdächtigen ansehen.
»Wir haben gemeinsam mit uniformierten Kollegen das ganze Haus durchsucht, vom Keller bis zum Dachboden. Von einem Mann, auf den Roy Jordans Beschreibung passt, fehlt jede Spur«, sagte Amy Stewart. »Die Nachbarn haben uns bereitwillig in ihre Wohnungen gelassen. Viele von ihnen sind verängstigt und freuen sich, dass wir mit Hochdruck nach dem Täter suchen. Angeblich ist keiner von ihnen näher mit Isabel Ortega oder ihrem Liebhaber befreundet. Also werden die Nachbarn dem Flüchtigen auch keinen Unterschlupf gewährt haben.«
»Das war doch zu erwarten«, meinte Phil. »Jordan müsste schon selten dämlich sein, wenn er sich nach den Todesschüssen in die Wohnung seiner Freundin oder an einen anderen nahe gelegenen Ort zurückzieht. Hier im Haus kann er sich also nicht verkrochen haben. Dennoch wäre es eine gute Sache, die umliegenden Straßenzüge durchzukämmen.«
»Das habe ich bereits veranlasst«, sagte Malcolm Russell. »Zwei Streifenwagen sind unterwegs, um den Nahbereich zwischen der U-Bahn-Station und dem Sternberg Park genauer unter die Lupe zu nehmen. Sie haben Anweisung, alles Verdächtige zu melden.«
Ich nickte. In einer Stadt wie New York City konnte Jordan natürlich längst über alle Berge sein. Es gibt ausgezeichnete Verkehrsverbindungen in alle Landesteile und auch ins Ausland. Seit der Bluttat waren mehr als zwei Stunden vergangen. Es war extrem unwahrscheinlich, dass der Mordverdächtige sich noch in der Nähe aufhielt – obwohl wir Ähnliches auch schon erlebt haben. Solange wir keine näheren Informationen über den Täter hatten, mussten wir alle Möglichkeiten erwägen.
»Wir sollten uns jetzt Isabel Ortega vorknöpfen, Jerry. Wenn diese Gangsterbraut so naiv ist, wie Amy annimmt, dann verplappert sie sich möglicherweise und verrät uns den neuen Aufenthaltsort ihres Lovers. Oder wir finden in dem Apartment Hinweise auf seinen Verbleib. Wenn sie wirklich nicht so clever ist, dann hat sie vielleicht noch nicht alle Spuren beseitigt.«
Das war ein guter Vorschlag, wie ich fand. Doch bevor wir hoch zu Isabel Ortega gehen konnten, wurde Malcolm Russell auf seinem Walkie-Talkie kontaktiert. Das Gespräch dauerte nur kurz. Als er es beendete, klang er sehr aufgeregt. Und dazu hatte der schwarze Zivil-Cop auch allen Grund.
»Das war einer der Kollegen, die sich in der Nähe umschauen, Jerry und Phil. Sein Standort ist noch nicht einmal einen Häuserblock von hier entfernt. Er hat in einer Mülltonne eine großkalibrige Pistole gefunden, die vor kurzem abgefeuert worden sein muss. Es ist eine Ruger Kaliber .45. Damit haben wir jetzt vermutlich die Tatwaffe.«
***
Ein Gegenstand ist oftmals ein verlässlicherer Hinweis als die Worte eines Augenzeugen. Oft hatten wir schon erlebt, dass verschiedene Menschen ein und denselben Täter völlig unterschiedlich beschreiben. Zeugen können außerdem beeinflusst werden und sogar vor Gericht einen Meineid schwören. Doch Dinge sind neutral und deshalb besonders glaubwürdig.
Die SRD-Leute hatten die tödlichen Projektile sichergestellt und die Streifencops eine Schusswaffe gefunden. Und wenn die Patronen aus dieser Waffe abgefeuert worden waren, dann konnten wir das mit kriminaltechnischen Mitteln zweifelsfrei beweisen. Daran würde auch ein ausgekochter Strafverteidiger nicht rütteln können.
Phil stieß langsam die Luft aus den Lungen. Seine Genugtuung war ihm deutlich anzumerken.
»Mit etwas Glück hat der Killer auch noch seine Fingerabdrücke auf dem Schießeisen hinterlassen. Und die Abdrücke von Roy Jordan haben wir garantiert im System, wenn er bereits erkennungsdienstlich durch die Mühle gedreht wurde.«
Das wussten unsere Kollegen natürlich auch. Malcolm Russell veranlasste, dass der uniformierte Cop die sichergestellte Waffe sofort ins SRD-Labor schaffte. Dann würde die Untersuchung schon die Wahrheit ans Licht bringen.
Diese Anfangserfolge gaben uns zusätzlichen Auftrieb. Während der Doc und die Kriminaltechniker ihre Arbeit fortsetzten, stiegen Phil und ich hoch ins erste Stockwerk. Malcolm Russell hatte uns noch mitgeteilt, dass Isabel Ortega in Apartment 100 C wohnte.
Ich klopfte mit der Faust gegen die Tür.
»Miss Ortega? Hier ist das FBI. Öffnen Sie bitte.«
Es dauerte nicht lange, bis die Tür nach innen aufschwang. Eine Frau von Anfang zwanzig mit langem brünettem Haar schaute mir direkt ins Gesicht, während sie mit offenem Mund Kaugummi kaute. Sie war nur mit Slip, BH und einem mehr oder weniger durchsichtigen rosa Unterrock bekleidet. Ich musste an Amy Stewarts Bemerkung denken, dass diese Frau vermutlich nicht besonders clever war.
»Was ist denn noch? Ich habe doch den anderen Bullen schon alles gesagt, was ich weiß.«
»Das wird sich zeigen«, sagte ich und stellte Phil und mich offiziell vor. »Wir müssen von Ihnen noch einige Fragen beantwortet bekommen, Miss Ortega.«
»Meinetwegen, dann kommen Sie eben rein. Ich habe im Augenblick sowieso nichts zu tun.«
Isabel Ortega machte weder einen aggressiven noch einen verängstigten Eindruck. Sie wirkte eher desinteressiert. Ob sie unter Drogeneinfluss stand? Darüber war ich mir nicht im Klaren. Aber so etwas merkt man im Lauf der Befragung dem Verdächtigen meistens an.
Das Apartment der jungen Frau war unaufgeräumt, aber ich hatte in manchen Behausungen schon ein größeres Chaos gesehen. Uns interessierte vor allem, ob hier auch ein Mann wohnte. Aber schon ein erster flüchtiger Rundblick reichte, um diese Annahme Gewissheit werden zu lassen.
Über einer Sessellehne lag eine Männer-Jeans, die der zierlichen Isabel Ortega viel zu groß gewesen wäre. Außerdem stand die Badezimmertür halb offen. Der Rasierpinsel und die Rasierschaumdose auf der Ablage waren nicht zu übersehen.
Isabel Ortega behauptete, einen Teilzeitjob als Kassiererin bei einer Burger-Kette zu haben. Diese Angaben würden wir natürlich überprüfen. Ich konnte mir auch vorstellen, dass sie zumindest zeitweise der Prostitution nachging, was in New York verboten ist. Ob Roy Jordan auch ihr Zuhälter war?
Die Cops hatten das Apartment ja schon durchsucht, also konnte sich der Mordverdächtige hier nicht mehr verstecken. Dennoch fragte ich: »Vermissen Sie Ihren Lebensgefährten gar nicht, Miss Ortega?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Mike wollte runter zum Supermarkt und ein paar Softdrinks kaufen. Er müsste bald zurück sein.«
Ich hakte nach.
»Mike, das ist also sein Vorname. Und wie lautet sein Nachname?«
»Keine Ahnung.«
»Seit wann lebt denn dieser Mike bei Ihnen?«
»Ich habe den Tag nicht rot im Kalender angestrichen, Agent Cotton. Aber ein paar Wochen werden es wohl sein.«
»Sie sind also mit einem Mann zusammen, dessen Nachnamen Sie nicht einmal kennen?«
»Richtig. Ist das verboten?«
Falls Isabel Ortega eine Antwort auf ihre Frage erwartete, blieb ich sie ihr schuldig. Auch Phil schüttelte nur stumm den Kopf. Mein Freund hatte sich gewiss auch schon sein Urteil über die Lady gebildet. Ich hielt ihr den Fahndungsaufruf nach Roy Jordan unter die Nase, den unsere Kollegen in der Tasche des Ermordeten sichergestellt hatten.
»Ist das Ihr Freund Mike?«
Die junge Frau schüttelte den Kopf.
»Nein, außerdem heißt dieser Typ doch Roy Jordan. Jedenfalls steht das da.«
»Wollen Sie uns auf den Arm nehmen?«, rief Phil genervt. »Mehrere Nachbarn haben ausgesagt, dass exakt dieser Mann seit einiger Zeit bei Ihnen lebt. Sind das vielleicht alles Lügner?«
Isabel Ortega war jetzt schon kleinlauter, als sie wieder den Mund öffnete. Sie kapierte allmählich, dass sie mit dem FBI keine Spielchen spielen durfte.
»Kann ich das Foto bitte noch einmal sehen?«
Ich zeigte ihr das Blatt Papier abermals. Das Gesicht der jungen Frau war so leer und ausdruckslos, dass ich aus ihrem Mienenspiel unmöglich schlau werden konnte. Dennoch war ich die ganze Zeit sicher, dass sie den Mann sehr wohl kannte.
»Ja, eine gewisse Ähnlichkeit ist schon da. Das Foto muss aber älter sein, oder?«
»Roy Jordan alias Mike war auf der Flucht vor dem Gesetz. Er befand sich nur gegen Kaution auf freiem Fuß und hat sich nicht ordnungsgemäß bei Gericht gemeldet. Daher wurde er von einem Kautionsjäger verfolgt. Von dem Mann, der auf der Treppe vor Ihrem Apartment niedergeschossen wurde.«
»Ich habe die Schüsse natürlich gehört, aber ich bin nicht nachsehen gegangen. Ich hatte Angst, dass ich mir selbst ein Stück Blei einfangen könnte.«
»Und was ist mit Ihrem Mike?«, fragte ich. »Ist der auch in der Wohnung geblieben?«
Die junge Frau schüttelte den Kopf.
»Als geschossen wurde, war Mike schon auf dem Weg zum Supermarkt.«
»Hatten Sie gar keine Angst, dass die Schüsse Ihrem Freund gelten könnten? Machten Sie sich keine Sorgen um ihn?«
Isabel Ortega antwortete nicht, sondern nagte nervös an ihrer Unterlippe. Von der Story mit dem Supermarktbesuch glaubte ich ihr kein Wort. Phil auch nicht, wie mir ein Blick in sein grimmiges Gesicht bewies.
Ob die Gespielin des Flüchtigen gar nicht merkte, wie unglaubwürdig ihre Zeugenaussage auf uns wirken musste? Vielleicht war sie wirklich einfach nur naiv, wie Amy Stewart bereits vermutet hatte. Die junge NYPD-Detektivin konnte sich offenbar auf ihre Menschenkenntnis verlassen.
Ich schaute auf die Uhr.
»Wenn Mike schon vor den Schüssen zum Einkaufen gegangen ist, dann braucht er aber viel Zeit.«
»Wo befindet sich denn der Supermarkt? In Queens? Und geht Mike zu Fuß dorthin?«, höhnte Phil.
»Nein, der Supermarkt ist an der nächsten Ecke«, erwiderte Isabel Ortega. Sie hatte die Ironie offenbar nicht verstanden. »Ich weiß auch nicht, wo Mike so lange bleibt. Allmählich mache ich mir auch Sorgen. Vielleicht hat er ja jemanden getroffen. Oder es macht ihn nervös, dass hier so viele Patrolcars vor dem Haus stehen. Ich habe keine Ahnung, wo er ist. Das müssen Sie mir glauben.«
Ich versuchte es mit etwas anderem.
»Womit verdient denn Ihr Freund eigentlich seinen Lebensunterhalt?«
»Das weiß ich auch nicht so genau. Mike hat jedenfalls immer Geld.«
»Was ist mit seinen Freunden, Miss Ortega? Mit wem hat er sich regelmäßig getroffen? Gab es bestimmte Orte, wo er sich gerne herumtrieb?«
»Von Freunden weiß ich nichts, Agent Cotton. Ehrlich nicht. Und eigentlich war er immer nur hier bei mir. Natürlich weiß ich nicht, was er getan hat, wenn ich bei meinem Job war. Mike hatte jedenfalls einen eigenen Wohnungsschlüssel. Aber immer wenn ich zurückkehrte, hat er im Apartment auf mich gewartet. Ich glaube, er ist nicht oft vor die Tür gegangen.«
»Schön, aber irgendwo müssen Sie ihn doch auch kennengelernt haben.«
»Ja, das stimmt. Mike hat mich in der U-Bahn angesprochen. Er sagte, ich sei die schönste Frau, die er jemals gesehen hat. Bei uns hat es sofort gefunkt. Es war Liebe auf den ersten Blick, so etwas habe ich nie zuvor erlebt. Noch am gleichen Abend habe ich ihn mit zu mir nach Hause genommen. Mike ist der süßeste Mann, den ich kenne.«
Ich schaute Isabel Ortega nachdenklich an. Wollte sie uns einen Bären aufbinden? Nein, dafür war sie nicht smart genug. Wenn es überhaupt eine Frau in New York City gab, die einen wildfremden Kerl gleich beim ersten Treffen mit zu sich in ihr Apartment nahm, dann stand diese Frau mir genau jetzt gegenüber.
Isabel Ortega konnte noch von Glück sagen, dass sie nicht an einen Sexualverbrecher geraten war, sondern an einen flüchtigen Ganoven, der dringend einen Unterschlupf suchte.
***
Wir brachen die Befragung einstweilen ab. Ich gab der Frau meine Visitenkarte und schärfte ihr ein, dass sie sich unbedingt melden sollte, falls Roy Jordan mit ihr Kontakt aufnehmen sollte.
Phil und ich verließen die Wohnung und gingen zu unseren NYPD-Kollegen. Der Doc hatte inzwischen die erste Untersuchung abgeschlossen. Die Männer des Coroners schafften Alex Redmonds sterbliche Überreste zur Obduktion ins gerichtsmedizinische Institut. Doch angesichts von drei Treffern einer großkalibrigen Waffe in den Oberkörper war die Feststellung der Todesursache in diesem Fall eher eine Formalität. Trotzdem musste sie natürlich durchgeführt werden.
»Wie geht es jetzt weiter?«, wollte Malcolm Russell wissen. »Was habt ihr für einen Eindruck von Isabel Ortega?«
»Ich weiß nicht, ob sie besonders leichtgläubig oder besonders raffiniert ist«, erwiderte ich. »Auf jeden Fall müssen wir damit rechnen, dass sie nicht mit offenen Karten spielt. Ich werde nicht richtig schlau aus ihr. Momentan muss sie noch die Füße stillhalten, weil zu viele Cops im Haus und in der Umgebung sind. Aber ich werde unserem Chef vorschlagen, dass Isabel Ortega ab morgen früh von FBI-Agents beschattet wird.«
Wir verabschiedeten uns von dem Detective und seiner Partnerin, wobei wir uns noch einmal für die gute Vorarbeit bedankten. Für Phil war der Fall schon so gut wie gelöst. Das wurde mir klar, als er wenig später im Jaguar auf dem Beifahrersitz saß und das Wort ergriff.
»Wir sollten morgen unbedingt Roy Jordans Umfeld durchleuchten, Jerry. Vielleicht ergibt sich ja aus seinen früheren Verbrechen ein Hinweis, wo der Killer sich jetzt verkrochen hat. Es wäre natürlich ein großes Pech für uns, wenn er sich einfach ein anderes naives Dummchen wie Isabel Ortega sucht, bei dem er sich einnisten kann.«
»Dann gehst du also davon aus, dass Jordan den Kautionsjäger erschossen hat?«
»Aus meiner Sicht spricht alles dafür. Er hatte Motiv und Gelegenheit und ist außerdem auf der Flucht. Das ist doch ein Fall wie aus dem FBI-Akademie-Lehrbuch.«
»Okay, für mich ist er auch der Hauptverdächtige. Aber du weißt auch, wie verhasst Alex Redmond und seine Kollegen in der Unterwelt sind. Wenn ein anderer Ganove herausgefunden hat, dass Redmond Jordan gejagt hat, dann war der Besuch in der Montrose Avenue eine Steilvorlage für einen anderen Täter.«
Phil nickte zustimmend.
»Ja, natürlich kann auch ein anderer Verbrecher Jordan den Mord in die Schuhe geschoben haben. Aber wir werden gewiss schlauer sein, sobald die Fingerabdrücke auf der Tatwaffe analysiert worden sind. Und wenn Jordan verhaftet wird, dann müssten sich auch Schmauchspuren auf seiner Kleidung und seinen Händen nachweisen lassen.«
Nachdem wir wieder in Manhattan angekommen waren, ließ ich Phil an unserer gewohnten Ecke aus dem Wagen und fuhr nach Hause.
***
Nach einer kurzen Nacht sammelte ich Phil an der üblichen Ecke wieder auf. Wir fuhren unmittelbar ins Field Office und ließen uns bei Mr High anmelden. Zum Glück hatte der Chef sofort Zeit für uns. Helen begrüßte Phil und mich mit ihrem bezaubernden Lächeln und brachte uns sofort einen Kaffee.
Ich schilderte Mr High die bisher bekannten Fakten und bat ihn um eine Observierung von Isabel Ortega.
»Das ist eine gute Idee, Jerry. Ich werde June Clark und Blair Duvall mit dieser Aufgabe betrauen. Die Fahndung nach Roy Jordan wird noch weiter verstärkt, wir lassen landesweit nach ihm suchen. Allerdings sollten wir berücksichtigen, dass Redmond sich als Kautionsjäger vermutlich sehr viele Feinde gemacht hat. Es wäre auch denkbar, dass ihm jemand zur Montrose Avenue gefolgt ist und dort einfach nur die Gelegenheit zum Morden ergriffen hat.«
Ich nickte.
»Diese Möglichkeit haben wir auch schon erwogen, Sir. Redmond hatte noch seine Waffe in der Hand, konnte sie aber nicht mehr einsetzen. Außerdem wurden Geld und Kreditkarten bei ihm gefunden, daher ist ein Raubmord unwahrscheinlich. Der Täter muss unmittelbar nach den Schüssen geflüchtet sein. Wir sollten die Cops bitten, auch im weiteren Umfeld des Tatorts die Augen offenzuhalten. Möglicherweise melden sich auch noch Zeugen, die etwas Verdächtiges bemerkt haben.«
»Ich werde mit dem NYPD sprechen. Sie konzentrieren sich bitte zunächst auf diesen Roy Jordan und auf das Umfeld des Opfers. Kautionsjäger arbeiten selten allein. Vielleicht wissen seine Kollegen etwas über einen besonderen Erzfeind, der schon länger hinter Jordan her war.«
Mit diesen Worten beendete der Chef zunächst die kurze Besprechung. Wir hatten jetzt ohnehin alle Hände voll zu tun. Wir gaben unserer blonden Kollegin June Clark und ihrem farbigen Partner Blair Duvall eine Personenbeschreibung von Isabel Ortega.
»Wir haben den Namen von Jordans Liebchen schon durch die Datenbanken gejagt«, sagte Phil. »Aber sie ist polizeilich nie in Erscheinung getreten, weder bei uns noch beim NYPD oder einer anderen Ordnungsbehörde. Daher können wir euch auch kein Foto von ihr liefern. Jerry und ich haben den Verdacht, dass sie auf den Strich geht. Aber falls das so sein sollte, hat sie sich bisher noch nie dabei erwischen lassen.«
»Wir werden sie schon erkennen«, brummte Blair. »Sogar dann, wenn sie auf der Straße nicht in einem rosa Unterrock herumläuft. Eure Personenbeschreibung ist jedenfalls sehr bildhaft.«
Wir lachten, wurden aber sofort wieder ernst. Während unsere beiden Kollegen sich auf den Weg zur Montrose Avenue machten, befassten Phil und ich uns näher mit dem möglichen Haupttäter und seinem Opfer. Wir führten uns seine Strafakte zu Gemüte.
Im Gegensatz zu Isabel Ortega war ihr Freund kein unbeschriebenes Blatt. Roy Jordan stammte aus Maine, wo er wegen bewaffnetem Raubüberfall eingesessen hatte. Weitere Delikte in seinem Vorstrafenregister waren räuberische Erpressung, Körperverletzung und versuchter Totschlag, begangen in verschiedenen Bundesstaaten. Nach seiner letzten Verhaftung war er gegen eine Kaution von 100.000 Dollar auf freien Fuß gesetzt worden. Er war nicht zum Gerichtstermin erschienen, und seitdem wurde er nicht nur von den G-men und Cops, sondern auch von Kautionsjägern gehetzt.
Aber auch sein mutmaßliches Opfer Alex Redmond hatte Dreck am Stecken. In den CJIS-Datenbanken fand sich ein Eintrag über ihn. Ich holte mir die elektronische Fallakte auf meinen Computer. Phil blickte mir über die Schulter, während ich auf den Monitor schaute.
»So, unser Kautionsjäger war selbst einmal wegen Körperverletzung verdächtigt. Das ist fünf Jahre her, und die Anklage musste fallengelassen werden. Da fragt man sich doch, aus welchem Grund.«
»Das werden wir gleich haben«, sagte ich und griff zum Telefonhörer. Ich rief den NYPD-Detective an, der damals den Fall bearbeitet hatte.
Detective Alberto Gomez konnte sich sofort erinnern.
»Alex Redmond? Diesen windigen Typen werde ich so schnell nicht vergessen, Agent Cotton. Er führte sich auf, als ob er einer von uns wäre. Ich kann es nicht ausstehen, wenn ein Verdächtiger so tut, als wäre er mein bester Freund. Redmond meinte, er und ich würden doch in einem Boot sitzen. Aber diesen Zahn habe ich ihm sofort gezogen.«
»Sie meinen, er benahm sich wie ein Cop?«
»Ja und nein. Sehen Sie, wir als Cops und G-men müssen uns an die Gesetze halten. Aber Redmond glaubte offenbar, das Strafrecht würde für ihn nicht gelten. Und zwar deshalb, weil er diese verflixte Kautionsjäger-Lizenz hat. Die sah er offenbar als einen Freibrief zum Gesetzbrechen an, solange er die gesuchten Personen zum nächstgelegenen Precinct schleift.«
»Was ist denn mit dieser Anklage wegen Körperverletzung? Warum musste sie fallengelassen werden? Was ist da passiert?«
»Das kann ich Ihnen genau sagen, Agent Cotton. Die beiden Tatzeugen sind umgefallen und wollten plötzlich nichts mehr gesehen haben. Ich habe mit Engelszungen geredet, aber sie wurden offenbar eingeschüchtert. Und zwar von Redmond und seinen Kollegen, mit denen er zusammenarbeitet. Die sind doch alle aus demselben Holz geschnitzt. Wenn Sie mich fragen, dann geht es diesen Kerlen nur um ihren Gewinn und nicht um die Bekämpfung der Kriminalität. Und dafür ist ihnen jedes Mittel recht.«
***
Die Aussage des NYPD-Detectives hatte ein aufschlussreiches Licht auf Alex Redmonds Charakter geworfen. Wenn das Mordopfer es mit dem Gesetz nicht so genau genommen hatte, dann waren noch weitere Motive für den Mord vorstellbar. War der selbsternannte Gesetzesvollstrecker gleichzeitig auch ein Gesetzesbrecher, der nur nicht erwischt worden war?
Phil und ich stiegen in meinen Jaguar-E-Hybriden und fuhren auf die Lower East Side, zum Kautionsbüro DEX. Die Adresse stand auf Redmonds Lizenz.
Wenn ein Verhafteter nicht genug Geld für eine Kaution hat, dann kann er sich die Summe bei einem Kautionsbüro leihen. Gegen eine saftige Gebühr, versteht sich. Doch wenn er Schwierigkeiten macht und abtaucht, dann hetzt er sich damit die Kautionsjäger auf den Hals. Oder Kopfgeldjäger, wie diese Männer von ihren Feinden genannt werden. Dieses System existiert in allen US-Bundesstaaten. In New York ist eine Lizenz notwendig, um als Kautionsjäger arbeiten zu dürfen. Aber offenbar war es nicht besonders schwer, sie zu erhalten.
Das DEX-Büro befand sich in einer tristen Gewerbestraße in der Nähe einer Autoverwertungsanlage und mehrerer Speditionen. Doch im Gegensatz zu den benachbarten Gebäuden erinnerte es mit seiner Stahltür und den dicken Gittern vor den Fenstern eher an ein Hochsicherheitsgefängnis.
Mir fiel sofort die Überwachungskamera auf, deren Objektiv auf uns gerichtet war. Phil und ich platzierten uns gut sichtbar vor der Tür und hielten unsere Dienstausweise hoch.
»FBI!«, rief ich laut. »Wir wollen mit Ihnen über Alex Redmond reden.«
Einige Momente lang tat sich nichts. Wir hatten keine Handhabe, um gewaltsam in das Büro einzudringen. Außerdem hätten wir dafür Spezialgeräte benötigt. Selbst mit einer normalen Stahlramme, wie sie bei Zugriffen üblich ist, konnte man dieser Tür vermutlich nicht beikommen. Die Kautionsjäger hatten sich perfekt verbarrikadiert, um sich vor Kriminellen zu schützen. Oder vielleicht auch vor dem Gesetz?
Doch plötzlich ertönte ein elektrischer Summer, und die Tür ließ sich nach innen aufdrücken.
Wir gingen hinein und betraten ein Großraumbüro, das mit Computern und Telefonen bestückt und normal eingerichtet war. Lediglich die großen Poster von unbekleideten Ladys fielen aus dem Rahmen.
Phil und ich hatten es mit drei Kerlen zu tun, die uns misstrauisch anblickten. Sie sahen nicht aus wie normale Büroangestellte. Eher konnte man sie mit Rikers-Sträflingen vergleichen, die in weiße Hemden und Anzüge gesteckt worden waren.
»Ich bin Special Agent Jerry Cotton, das ist mein Kollege Special Agent Phil Decker vom FBI New York. Wir sind mit der Aufklärung des Mordes an Alex Redmond beauftragt worden.«
Ein untersetzter Mann mit schütterem Haarkranz nickte uns grimmig zu. Er war offenbar der Sprecher dieser Gruppe. Auf jeden Fall verströmte er mehr Autorität als seine zwei Kollegen. Seine gebrochene Nase und die Narben in seinem Gesicht zeugten davon, dass er einige handfeste Schlägereien hinter sich hatte.
»Mein Name ist Jamie Hoskins, und diese beiden Figuren da heißen Paul Birkin und Ed Taylor. Wir haben schon gestern in den Radionachrichten gehört, dass es Alex erwischt hat. In den News wurde zwar nicht sein Name genannt, aber es war von einem Kautionsjäger in der Montrose Avenue die Rede. Damit konnte nur Alex gemeint sein.«
Wir hatten keine Details über das Mordopfer an die Medien gegeben. Aber man muss immer damit rechnen, dass ein Reporter ein paar Worte aufschnappt, wenn zum Beispiel zwei Cops miteinander reden. So etwas kann man nie ausschließen. In der offiziellen FBI-Pressemitteilung war nur von einem männlichen Toten die Rede. Wir wollten nicht zu viele Einzelheiten über das Opfer veröffentlichen, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt.
»Was wollt ihr Feds überhaupt hier?«, rief der Mann namens Paul Birkin wütend. »Wir kümmern uns selbst um den Dreckskerl, der Alex kaltgemacht hat! Und dann wird er es noch bitter bereuen, unseren Kollegen abgeknallt zu haben.«
Jamie Hoskins warf Paul Birkin einen warnenden Blick zu. Aber da hatte der andere Kautionsjäger es schon geschafft, unsere Aufmerksamkeit zu erregen. Ich kniff die Augen zusammen und wandte mich direkt an den zornigen Mann.
»Kümmern? Und wie sollen wir uns dieses Kümmern vorstellen, Mister Birkin?«
Der Kautionsjäger antwortete nicht direkt. Stattdessen grinste er grimmig und streckte den Zeigefinger aus. Außerdem ahmte er mit dem Daumen die Bewegung eines herunterknallenden Revolverhahns nach.
Ich starrte ihn so lange an, bis er meinem Blick auswich.
»Falls Sie an Selbstjustiz denken, dann schlagen Sie sich das aus dem Kopf. Und das gilt nicht nur für Sie, Mister Birkin, sondern für jeden von Ihnen. Haben wir uns verstanden? Überlassen Sie es uns, den Mörder Ihres Kollegen zu verhaften. Sonst landen Sie schneller in Rikers, als Sie ein Pistolenmagazin leerfeuern können.«
Und Phil ergänzte: »Wenn Sie uns unterstützen wollen, dann sagen Sie uns alles, was Sie über die Hintergründe dieser Bluttat wissen.«
Danach herrschte einige Minuten lang verdrießliches Schweigen bei den Kautionsjägern. Sie waren es offenbar gewöhnt, das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen. Es wurde dringend Zeit, dass jemand ihnen die Folgen ihres Handelns unter die Nase rieb. Schließlich fand Ed Taylor als Erster die Sprache wieder.
»Was für Hintergründe, G-men? Ich dachte, dieser verfluchte Roy Jordan hätte Alex auf dem Gewissen. Alex wurde doch niedergeknallt, kurz bevor er sich Jordan greifen wollte. Oder etwa nicht?«
»Ja, wahrscheinlich«, räumte ich ein. »Aber das ist noch lange kein Beweis für Roy Jordans Schuld. Es gibt keine direkten Tatzeugen. Sie alle wissen aus eigener Erfahrung, wie riskant der Job eines Kautionsjägers ist. Es wäre für uns auch denkbar, dass noch jemand eine Rechnung mit Alex Redmond offen hatte. Gab es einen Kriminellen, der Ihren Kollegen mit seinem Hass verfolgt hat?«
Die drei Kerle glotzten vor sich hin. Es war unmöglich einzuschätzen, ob sie nun nachdachten oder einfach nur warteten, bis Phil und ich endlich wieder gingen. Vielleicht traf ja beides zu. Für mich stand fest, dass diese Männer unsere Ermittlungen nicht unterstützen würden. Wir mussten sogar damit rechnen, dass sie unsere Anstrengungen torpedierten. Ich machte mir nämlich keine Illusionen darüber, dass unser Appell gegen Selbstjustiz bei ihnen auf fruchtbaren Boden gefallen war.
»Jeder von uns hat Feinde«, meinte Jamie Hoskins schließlich mürrisch. »Wenn es danach ginge, dürften wir unseren Job überhaupt nicht mehr machen.«
»Das wäre vielleicht das Beste für alle«, murmelte Phil halblaut vor sich hin. Aber die Kautionsjäger hatten ihn gehört. Sie rissen ihre Augen auf, als ob mein Freund ihre Mütter beleidigt hätte.
»Was soll das heißen, Agent Decker?«, regte Paul Birkin sich auf. »Sind Sie vielleicht neidisch, weil wir so viele krumme Hunde hinter Gitter bringen können?«
Phil schüttelte den Kopf.
»Das war nur meine private Meinung, vergessen Sie es. – Uns interessiert, wo Sie drei am Montag zwischen 18 Uhr und 18.15 Uhr gewesen sind.«
Mit dieser Frage brachte mein Freund die Kautionsjäger nur noch mehr gegen uns auf. Aber wir mussten schließlich unseren Job erledigen. Diese Kautionsjäger konnten von uns ganz gewiss keine Vorzugsbehandlung erwarten.
»Das war die Tatzeit, nicht wahr?«, regte Jamie Hoskins sich auf. »Wollen Sie uns unterstellen, wir hätten unseren eigenen Kollegen umgenietet? Halten Sie uns für Killer?«
»Keineswegs«, sagte ich ruhig. »Nennen Sie uns einfach Ihre Alibis. Wenn wir Sie als Täter ausschließen können, dann haben Sie vom FBI nichts zu befürchten.«
Es dauerte eine Weile, bis die drei Männer mit der Sprache herausrückten. Jamie Hoskins behauptete, in seinem Fitnessclub gewesen zu sein.
»Ich habe vor der Wohnung eines flüchtigen Ganoven namens Jaime Fuentes auf ihn gewartet«, behauptete Paul Birkin. »Aber er tauchte nicht auf, also bin ich um Mitternacht nach Hause gefahren. Und ich habe dort schon seit vier Uhr nachmittags in meiner Karre gehockt. Ich fahre einen nachtblauen Chevy. Das können Sie gerne checken, wenn Sie wollen.«
Ed Taylor hingegen gab an, in seiner Stammbar gewesen zu sein. Ich bohrte nach und fragte, ob das Mordopfer noch hinter anderen Kriminellen außer Roy Jordan her gewesen sei. Die drei Kautionsjäger verneinten, aber ich glaubte ihnen nicht unbedingt. Für mich stand fest, dass dieses saubere Trio sich nicht in die Karten schauen lassen wollte.
Phil und ich hatten jetzt jedenfalls mit der Überprüfung ihrer Alibis genug zu tun. Bevor wir gingen, warnte ich die Männer noch einmal eindringlich.
»Lassen Sie es sich nicht einfallen, auf eigene Faust Alex Redmonds Mörder bestrafen zu wollen. Dann kommen Sie nämlich in Teufels Küche, dafür werde ich höchstpersönlich sorgen. Und das ist keine leere Drohung.«
***
Als wir wieder in meinem roten Boliden saßen, ließ Phil seinem Unmut freien Lauf. Er war schon die ganze Zeit genervt gewesen, und das konnte ich sehr gut verstehen.
»Diese selbst ernannten Hilfssheriffs sind doch nur ein Klotz am Bein, Jerry. Man muss eine hohe Hürde nehmen, um überhaupt Cop oder FBI-Agent zu werden. Onkel Sam lässt nicht jeden dahergelaufenen Glücksritter für sich arbeiten. Das weißt du so gut wie ich. Aber ich habe das Gefühl, dass jeder diese Kautionsjäger-Lizenz nachgeworfen bekommt.«
»Ich bin von den Typen auch nicht begeistert, Phil. Die kommen mir äußerst verdächtig vor, alle drei. Aber solange die Gesetzeslage sich nicht ändert, werden wir wohl mit ihnen zurechtkommen müssen.«
Wir fuhren zunächst zum Fitnessclub von Jamie Hoskins. Das Sportstudio war die Filiale eines landesweit verbreiteten Unternehmens. Wir präsentierten dem Trainer unsere FBI-Marken und fragten nach Jamie Hoskins’ Alibi. Der Kerl war ein Kahlkopf mit Möbelpacker-Figur, zeigte sich aber sehr kooperativ.
»Montagabend? Ja, da ist Jamie hier gewesen, G-men. Ich kenne ihn seit Jahren persönlich. Außerdem hat jedes unserer Mitglieder eine Magnetstreifenkarte, die man beim Eintritt und beim Verlassen durch das Drehkreuz ziehen muss. Dadurch können wir checken, wer wie lange hier gewesen ist.«
Natürlich konnte man so eine Karte auch verleihen. Aber da uns der Trainer bestätigte, Jamie Hoskins am Montag gesehen zu haben, mussten wir uns damit zufriedengeben. Außerdem machte der Mann auf mich einen vertrauenerweckenden Eindruck. Auf meine Menschenkenntnis kann ich mich normalerweise verlassen. Trotzdem behielt ich die Möglichkeit im Hinterkopf, dass der Fitnessclub-Angestellte Jamie Hoskins vielleicht ein falsches Alibi gegeben hatte.
»Ich frage mich, wie wir Paul Birkins Story überprüfen sollen«, maulte Phil, während wir zu unserem nächsten Anlaufpunkt fuhren. »Es wird wohl keine Zeugen geben, die im Vorbeigehen einen Mann in einem geparkten Auto bemerkt haben. Oder wollen wir vielleicht diesen Ganoven Jaime Fuentes fragen, ob ihm ein Kautionsjäger aufgelauert hat?«
Ich grinste.
»Das nicht, Phil. Aber ich habe da eine Idee.«
Paul Birkin hatte uns die Adresse des Mannes genannt, auf den er gerade Jagd machte. Jaime Fuentes hauste angeblich in einem schäbigen Brownstone-Haus in der First Avenue Ecke 82nd Street. Ich lenkte meinen roten Boliden in diese Richtung. Während wir langsam an dem Haus des Gesuchten vorbeifuhren, deutete ich auf die Ampelanlage.
»Siehst du, Phil? Dort ist eine der Verkehrsüberwachungskameras des NYPD. Darauf hatte ich gehofft. Vielleicht hat ja Paul Birkin so geparkt, dass sein Chevy auf dem Video von Montagabend zu erkennen ist. Vorausgesetzt natürlich, dass er uns keinen Bären aufgebunden hat.«
»Geniale Idee, Jerry. Die könnte glatt von mir stammen«, meinte Phil grinsend. Unser nächster Weg führte uns zur Kommunikationszentrale des NYPD. Hier wurden die Daten vieler tausend Überwachungskameras im ganzen Stadtgebiet von New York City ausgewertet. Die Kollegen in Uniform hatten uns schon oft weiterhelfen können.
Da wir den genauen Standort der Kamera und auch den Überwachungszeitraum eingrenzen konnten, wurde das passende Video schnell gefunden. Einer der Techniker-Cops spielte es für uns auf einen Monitor.
»Bingo!«, rief Phil. »Da steht der Chevrolet, und hinter dem Lenkrad lümmelt zweifelsfrei Paul Birkin und vertilgt einen Hamburger. Er kann also seinen Kollegen nicht erschossen haben.«
Ich nickte.
»Birkin können wir auch von unserer Verdächtigenliste streichen. Jetzt bleibt nur noch Ed Taylor übrig.«
***
Die Bar, in der dieser Kautionsjäger angeblich viel Zeit verbrachte, hieß Paddy’s Place. Der heruntergekommene Schuppen befand sich in der Canal Street, nur einen Steinwurf weit von der Bowery entfernt. Die Neonreklame in Form eines großen vierblättrigen Kleeblatts blinkte auch tagsüber. Ansonsten war dieses Glückssymbol das einzig Aufmunternde in dem langen schlauchförmigen Gastraum. Schäbig aussehende Trinker hingen schon tagsüber an der Theke.
Der Bartender stellte sich als der Besitzer Paddy O’Brien höchstpersönlich vor, nachdem Phil und ich uns vorgestellt und unsere Dienstmarkten gezeigt hatten.
»Was kann ich für das FBI tun, G-men? Ich hoffe nicht, dass einer meiner Gäste Ärger gemacht hat.«
»Das wird sich zeigen«, sagte ich. »Wir wollen mit Ihnen über Ed Taylor sprechen.«
Der Gastronom seufzte. Er war offenbar alles andere als begeistert, diesen Namen zu hören.
»Ich habe es geahnt, dass eines Tages die Cops wegen Ed bei mir auftauchen würden. Und jetzt kommt sogar das FBI zu mir. Aber ich habe Ed immer gesagt, dass seine Schulden ihm eines Tages das Genick brechen werden. Das müssen Sie mir glauben.«
Phil und ich wechselten einen schnellen Blick. Das klang interessant.
»Erzählen Sie uns mehr über Ed Taylors Schulden, Mister O’Brien. Wir sind ganz Ohr.«
Der Wirt wischte sich seine Hände an seiner schmutzigen Schürze ab. Er wirkte nicht gerade auskunftsfreudig. Aber er verstand offenbar, dass er besser mit dem FBI zusammenarbeitete, wenn er keinen Ärger bekommen wollte. Jedenfalls lotste er uns mit einer Bewegung seines schwammigen Schädels in die hinterste Ecke des Tresens, wo wir außer Hörweite seiner Gäste waren. Aber die Kerle auf ihren Barhockern hatten unser Eintreten ohnehin kaum bemerkt. Sie hielten sich an ihren Whiskygläsern fest und tranken sich tiefer in den Rausch.
O’Brien holte tief Luft, bevor er zu sprechen begann.
»Ed Taylor kommt seit einigen Jahren fast jeden Abend hierher. Ich bin so eine Art Vertrauensperson für ihn, verstehen Sie? Wenn der Whisky seine Zunge löst, dann erzählt er mir so manches, was sonst vielleicht verborgen bleiben würde. Daher weiß ich, dass er regelmäßig spielt. Taylor ist spielsüchtig, wenn Sie mich fragen.«
»Er ist dem Glücksspiel verfallen? Das ist eine sehr kostspielige Sucht. Hat Taylor Ihnen klipp und klar gesagt, dass er Schulden hat?«
»Ja, Agent Cotton. Ich kann mich genau erinnern, wie er vor ungefähr einem Monat völlig aufgekratzt in meine Bar kam. Ed Taylor war gut drauf, weil er sich 10.000 Dollar von einem Kollegen geliehen hatte.«
Phil hakte nach. Genau wie ich hatte er sein Notizbuch gezückt und schrieb fleißig mit. Genau solche Fakten waren es, die unsere Ermittlungen vorantreiben konnten.
»Erwähnte er auch den Namen dieses Kollegen?«
Der Gastronom legte nachdenklich die Stirn in Falten.
»Irgendwas mit A, vielleicht Andy oder Arnie oder Alex – ja, er bekam das Geld von einem gewissen Alex. Jedenfalls hat Taylor mir das gesagt. Aber lange konnte er sich an den 10.000 Greenbacks sowieso nicht erfreuen.«
»Warum nicht?«, fragte ich.
»Ed Taylor hat die gesamte Summe schon wenige Tage später in Atlantic City verspielt. Das bekam ich aus ihm heraus, als er das nächste Mal in meiner Bar auftauchte. Er tat mir fast leid, sah aus wie ein geprügelter Hund. Taylor meinte außerdem, dass er nicht wüsste, wie er Alex die Schulden zurückzahlen sollte.«
»War Ed Taylor eigentlich am Montag zwischen 18 Uhr und 18.15 Uhr hier in Ihrer Bar?«
Der Gastronom schüttelte heftig den Kopf.
»Nein, Agent Cotton. Das weiß ich ganz genau, weil hier am Montag zwischen 17 Uhr und 19 Uhr der Kammerjäger gearbeitet hat. Irgendwie sind Kakerlaken in den Toilettenräumen aufgetaucht, und da musste ich natürlich gleich meinen ganzen Betrieb entseuchen lassen. Sonst macht mir die Gesundheitsbehörde bei ihrem nächsten Besuch die Hölle heiß. Also hatte ich am Montag gegen 18 Uhr überhaupt keine Gäste – leider.«
»Allright, Mister O’Brien. Wir haben für den Moment genug gehört. Wenn Sie Ed Taylor das nächste Mal sehen, dann erwähnen Sie unseren Besuch bei Ihnen bitte nicht.«
Der Wirt blinzelte mir zu.
»Natürlich nicht, G-man. Mir ist sehr daran gelegen, keinen Ärger mit dem FBI oder anderen Behörden zu kriegen.«
»Ein weiser Mann, dieser Gastronom«, sagte Phil, nachdem wir die Bar wieder verlassen hatten. »Wie viele Kollegen mit dem Namen Alex wird unser Freund Ed Taylor wohl haben? 10.000 Dollar Schulden, die man nicht zurückzahlen kann, klingen für mich nach einem erstklassigen Mordmotiv, Jerry. Vor allem in diesen Kreisen, wo es nur ums Geld geht. Vielleicht ist ja Roy Jordan doch unschuldig. Und wenn mich nicht alles täuscht, dann ist Taylors Alibi soeben geplatzt.«
Ich nickte.
»Ed Taylor wird uns jedenfalls viel zu erklären haben. Wenn er glaubt, das FBI verschaukeln zu können, dann hat er sich jedenfalls geirrt.«
***
Doch bevor wir uns den Kollegen des Ermordeten noch einmal vorknöpften, schlossen wir uns mit der Scientific Research Division kurz. Die von einem uniformierten Cop entdeckte Pistole war inzwischen kriminaltechnisch untersucht worden. Die Patronen aus der Ruger KP 90 hatten Alex Redmond zweifelsfrei getötet. Die Spezialisten konnten die aufgefundenen Projektile eindeutig der Pistole zuordnen. Nur gab es leider keine verwertbaren Fingerabdrücke.
»Der Täter hat offenbar Handschuhe getragen«, erklärte ein SRD-Kollege. »Und da die Waffe in einer Mülltonne gefunden wurde, ist sie völlig kontaminiert. Verwertbare DNA ließ sich jedenfalls nicht mehr nachweisen. Wir haben getan, was wir konnten.«
Außerdem erhielten wir noch die Information, dass die Pistole nicht registriert und die Seriennummer herausgefeilt war. Aber das wunderte mich nicht. Wer würde schon einen Mord mit einer Waffe begehen, die auf seinen Namen zugelassen ist? Es gibt in New York City einen gewaltigen Schwarzmarkt für Waffen, obwohl man eine Pistole oder einen Revolver auch völlig legal in einem Geschäft kaufen kann. Aber dafür muss man einen Antrag ausfüllen, den der Händler an das FBI einschickt und genehmigen lassen muss. Und daran hat ein Ganove verständlicherweise natürlich kein Interesse.
Wir fuhren auch noch zum gerichtsmedizinischen Institut. Über die Todesursache konnte es bei Alex Redmond angesichts der drei tödlichen Treffer in den Oberkörper eigentlich keinen Zweifel geben. Aber wir wollten natürlich trotzdem das Ergebnis der Obduktion erfahren. Jede Kleinigkeit konnte uns dabei helfen, den Fall zu lösen.
»Ihr kommt wie gerufen, Jerry und Phil«, sagte die hübsche Pathologin Jenny Bolder. Sie hatte die Leichenschau von Alex Redmond offenbar gerade beendet und deckte die sterblichen Überreste des Ermordeten mit einem weißen Tuch ab. Phil schaute sie erwartungsvoll an.
»Das klingt so, als ob du unerwartete Neuigkeiten für uns hättest, Jenny.«
»Wie man es nimmt, Phil«, sagte die Gerichtsmedizinerin zu meinem Freund. »Ihr werdet ja schon am Tatort mitgekriegt haben, dass Alex Redmond von drei großkalibrigen Projektilen getötet wurde. Aber die Neuigkeit besteht darin, dass er regelmäßig Kokain konsumiert hat.«
Das war uns natürlich neu. Ich musste mehr erfahren. Eine Drogenabhängigkeit des Opfers warf ein völlig neues Licht auf den Fall. Jedenfalls ergaben sich neue Verdachtsmomente.
»Stand Redmond auch zum Zeitpunkt seiner Ermordung unter Koks?«
»Ja, Jerry. Das lässt sich in seinen Haaren und seinem Blut eindeutig nachweisen. Ich würde behaupten, dass er abhängig war. Nach meinen Berechnungen hat er seit mindestens einem Jahr regelmäßig konsumiert. Darauf lässt jedenfalls der lädierte Zustand seiner Nasenscheidewand schließen.«
»Eine teure Droge«, dachte Phil laut nach. »Da fragt man sich doch, ob sein Job als Kautionsjäger so viel Geld eingebracht hat. Vor allem, wenn er offenbar sogar noch 10.000 Dollar verleihen konnte. Und er hat sich bestimmt nicht den Kokskonsum verkniffen, um anderen Leuten finanziell unter die Arme zu greifen.«
Die Gerichtsmedizinerin versprach, uns über mögliche weitere Erkenntnisse sofort zu informieren. Wir bedankten uns bei Jenny Bolder und verließen die Pathologie wieder. Während ich meinen Jaguar Richtung Lower East Side steuerte, tauschten Phil und ich unsere Überlegungen aus.
»Das Kokain hat Redmond gewiss dabei geholfen, Tag und Nacht durcharbeiten zu können. Dadurch konnte er vielleicht mehr Verhaftungen durchführen. Es ist schon vorstellbar, dass er aus diesem Grund mehr Geld verdient hat als die anderen Kautionsjäger. Daher konnte er Taylor auch 10.000 Dollar leihen.«
»Das stimmt, Jerry. Aber jeder weiß, dass Kokser sich zu viel zutrauen und Situationen falsch einschätzen. Die Droge hat Redmond zu einem leichten Opfer für seinen Mörder werden lassen. Und ich glaube immer mehr, dass Taylor der Schuldige ist. Er wusste wahrscheinlich, dass Redmond Kokain genommen hat und daher unvorsichtig war. Und außerdem stand er bei seinem Kollegen mit 10.000 Greenbacks in der Kreide. Wenn kein offizieller Schuldschein existiert, dann konnte Taylor mit drei Schüssen seine gesamten Schulden bei Redmond tilgen.«
Ich nickte. Natürlich mussten wir auch noch checken, woher Redmond sein Kokain bezogen hatte. Aber zunächst wollten wir uns Taylor noch einmal zur Brust nehmen. Doch als wir uns dem Kautionsbüro DEX näherten, zog ich den roten Boliden schnell auf einen Parkstreifen.
Phil war durch die abrupte Richtungsänderung verblüfft.
»Was ist los, Jerry? Du – hey, jetzt sehe ich es auch.«
Wir standen an der Einmündung zur nächsten Querstraße. Vor dem Kautionsbüro war ein Cadillac CTS Kombi auf dem Gehweg geparkt. Der Wagen stand mit dem Heck zum Gebäude. Ed Taylor und Paul Birkin luden gerade mehrere Pumpguns sowie Munitionsschachteln durch die offenstehende Heckklappe in das Auto. Jamie Hoskins saß wartend am Lenkrad.
»Was haben die vor, Jerry? Jedenfalls nichts Gutes, darauf wette ich.«
»Die Wette würdest du gewinnen, Phil. Wenn wir sie jetzt ansprechen, werden sie uns mit einer dämlichen Ausrede abspeisen. Es ist ja schließlich nicht verboten, Pumpguns zu besitzen. Ich kann mir vorstellen, dass diese Waffen sogar angemeldet sind. Schließlich arbeiten die Kerle als Kautionsjäger. Ich hoffe nur, dass sie uns noch nicht bemerkt haben.«
Doch momentan deutete nichts darauf hin. Wenig später stiegen auch die übrigen beiden Männer in den Cadillac. Zuvor hatten sie ihr festungsähnliches Büro sorgfältig abgeschlossen. Jamie Hoskins, Paul Birkin und Ed Taylor fuhren in nördlicher Richtung davon. Ich wartete einen Moment, dann nahm ich die Verfolgung auf.
»Wir könnten einen zweiten Wagen gebrauchen, Phil. Dann ist die Beschattung einfacher.«
»Wird erledigt.«
Mit diesen Worten ergriff Phil das Mikrofon des Funkgeräts und nahm Kontakt mit der Zentrale auf.
»Agent Decker hier. Agent Cotton und ich observieren einen grünen Cadillac CTS Kombi. Das verdächtige Fahrzeug fährt auf der First Avenue Richtung Norden. Wir erbitten Unterstützung.«
Da der Lautsprecher eingeschaltet war, konnte auch ich die Antwort hören.
»Verstanden, Phil. Ich schicke dir gleich zwei Kollegen.«
Ich hielt den Jaguar auf Distanz zu dem Cadillac, damit die Kautionsjäger nicht auf uns aufmerksam wurden. Doch bisher deutete nichts darauf hin, dass Jamie Hoskins und seine Kumpane Lunte gerochen hatten. Wenig später wurden wir angefunkt. Phil nahm das Mikrofon. Diesmal war die unverkennbare Stimme von Steve Dillaggio zu hören.
»Phil, hier spricht Steve. Ihr braucht Schützenhilfe?«
»Ja, sozusagen.«
Mein Freund beschrieb das Fahrzeug der Verdächtigen und gab unsere ungefähre Position durch. Steve wollte gemeinsam mit seinem Partner Zeery zu uns stoßen und uns bei der Observierung ablösen. Wir sollten uns dann noch weiter zurückfallen lassen.
Phil hielt über Funk Kontakt mit Steve und Zeery, während wir die verdächtigen Kautionsjäger Richtung Queensboro Bridge verfolgten.
»Zeery und ich sitzen in einem nachtblauen Lincoln Navigator«, hörte ich Steve sagen. »Wir sind eben in die 57th Street eingebogen und überholen euch gleich.«
Und so war es auch. Ich erblickte den SUV aus dem FBI-Fuhrpark im Rückspiegel, drosselte das Tempo und hob grüßend die Hand. Steve und Zeery zogen an uns vorbei. Die beiden Kollegen hängten sich nun an den Cadillac, der auf die Queensboro Bridge fuhr.
In dem weitläufigen Bezirk jenseits des East River suchten die Kautionsjäger offenbar eine Adresse in einem unübersichtlichen Gewerbegebiet südlich der Eisenbahnanlagen des Sunnyside Yard. Wir hielten ständigen Funkkontakt zu den beiden Agents in ihrem Lincoln Navigator.
Ich hatte inzwischen einen so großen Abstand zu den Verdächtigen, dass Jamie Hoskins und seine Kumpane meinen Jaguar im Rückspiegel nicht mehr sehen konnten.
Doch dann kam plötzlich eine alarmierende Meldung von Steve. Man konnte seiner Stimme die Aufregung ganz deutlich anhören.
»Phil, du und Jerry solltet schnell zu uns aufschließen! Die Verdächtigen haben vor einem Lagerhaus geparkt. Und es sieht mir ganz danach aus, dass sie einen Feuerüberfall planen. Hier werden gleich die Fetzen fliegen, da bin ich mir sicher!«
***
Ich drückte sofort aufs Gaspedal. Der rote Bolide machte einen Satz nach vorne und im Handumdrehen kam wieder das Auto unserer Kollegen in Sicht. Und wir erblickten auch den Cadillac der Kautionsjäger. Er war vor einem Lagerhaus abgestellt. Die große metallene Schiebetür war einen Spaltbreit geöffnet.
Steve und Zeery erwarteten uns bereits. Sie hielten ihre Pistolen in den Händen und hatten die FBI-Marken am Revers befestigt. Wir sprangen aus dem Jaguar. Schnell informierten sie uns.
»Es ist noch keine Minute vergangen, seit die drei Verdächtigen dort hineingegangen sind.«
Steve Dillaggio deutete mit dem Pistolenlauf auf das Lagerhaus. Er wollte noch mehr sagen, aber in diesem Moment peitschten im Gebäudeinneren Schüsse auf.
Jetzt mussten wir eingreifen, um Blutvergießen zu verhindern. Noch wussten wir ja nicht, ob jemand getroffen worden war.
»Steve und Zeery, schaut nach einem möglichen Hinterausgang!«, rief ich unseren beiden Kollegen zu. Dann rannte ich zum Lagerhaus, flankte die Stufen zur Laderampe hoch und drang in das Gebäude ein. Phil war an meiner Seite, gab mir Feuerschutz und kam dann unmittelbar hinter mir in das Lagerhaus. Auch wir hatten unsere SIGs schon schussbereit in den Händen und waren durch unsere offen getragenen FBI-Marken als Agents zu erkennen. Niemand sollte später vor Gericht behaupten können, uns für Verbrecher gehalten zu haben.
Im Gebäudeinneren wurde weiterhin gefeuert. Aber ich konnte nicht erkennen, wo sich die Schützen befanden. Jedenfalls waren es eindeutig Pumpguns, mit denen geschossen wurde. Also hatten die Kautionsjäger ihre Finger am Abzug. Ich verschaffte mir schnell einen Überblick.
Das Gebäude machte einen verwahrlosten Eindruck. Es stank nach Rattenkot, die herumstehenden Pappkartonstapel waren offenbar vergessen oder einfach zurückgelassen worden. Einzelne Fensterscheiben waren eingeschlagen. Eine funktionierende Beleuchtung gab es nicht. Gerümpel deutete darauf hin, dass hier Obdachlose untergekrochen waren. In dem Lagerhaus herrschte ein schummriges Halbdunkel. Nur durch die Schiebetür und die wenigen Fenster drang etwas Tageslicht hinein. Meine Taschenlampe wollte ich nicht einsetzen, weil ich mich selber dadurch zu einem leichten Ziel machte.
»FBI!«, rief ich gellend. »Waffen runter!«
Ich konnte weder Jamie Hoskins noch seine Kollegen irgendwo entdecken. Phil und ich rückten weiter vor, wobei wir uns gegenseitig Deckung gaben. Wir hielten unsere Pistolen im Beidhandanschlag.
»Vorsicht, Jerry!«
Als Phils Warnung ertönte, hatte ich selbst schon die Bewegung am Rand meines Gesichtsfeldes wahrgenommen. Ein junger Mann kam hinter einem Stützpfeiler hervor. Aber ich bemerkte sofort, dass von ihm keine Gefahr ausging. Er hielt seine zitternden Hände gut sichtbar auf Schulterhöhe, in seinen Fingern befand sich keine Waffe.
Seine Kleidung war schmutzig und abgetragen, auf seinem wirren Haarschopf hatte er eine Yankees-Baseballkappe. Die Augen in dem unrasierten Gesicht starrten mich mit einer Mischung aus Furcht und Hoffnung an. Das konnte ich trotz der Entfernung erkennen.
»Wir sind vom FBI«, wiederholte ich, diesmal mit leiserer Stimme. Und ich trat einige Schritte auf ihn zu.
»Bitte helfen Sie mir!«, flehte der arme Schlucker. Er zitterte am ganzen Körper. »Diese Irren sind hier eingedrungen und machen Jagd auf mich. Ich weiß nicht, was das soll, ich habe denen nichts getan. Sie haben auf mich geschossen. Ich konnte zunächst weglaufen. Aber sie sind immer noch hier. Die wollen mich tot sehen.«
Ich hatte eine Vermutung, nachdem ich mir den jungen Mann näher angeschaut hatte. Aber dafür war später immer noch Zeit. Jetzt mussten wir ihn erst mal in Sicherheit bringen.
»Phil, schaffst du den Gentlemen bitte aus der Schusslinie? Ich nehme mir zusammen mit Steve und Zeery die Kautionsjäger vor.«
»Wird gemacht, Jerry. Ich fordere außerdem Verstärkung an, damit wir den Block abriegeln können. – Kommen Sie, ich bringe Sie nach draußen.«
Phils letzter Satz galt dem verängstigten Mann, den ich für einen Obdachlosen hielt. Vermutlich gehörte er zu den Leuten, die in dem aufgegebenen Lagerschuppen hausten. Das konnten wir später immer noch herausfinden. Phil packte den Unrasierten am Jackenärmel und zog sich mit ihm in Richtung Schiebetür zurück, wobei er seine Waffe schussbereit hielt. Nun war der Unglückliche in sicheren Händen.
Ich griff zum Handy, um mich mit Steve Dillaggio zu beraten. Jamie Hoskins, Paul Birkin und Ed Taylor mussten immer noch im Gebäude sein. Momentan schwiegen die Waffen. Doch bevor ich den italienischstämmigen G-man anrufen konnte, peitschten erneut Schüsse auf.
Ich rannte in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Es hatte sich etwas geändert. Kurz zuvor waren es nur die Pumpguns gewesen, aus denen gefeuert wurde. Aber nun hatte ich auch die Schussgeräusche von SIGs vernommen. Offenbar lieferten sich meine Kollegen mit den Verdächtigen ein heftiges Feuergefecht.
Im Näherkommen bemerkte ich einen Mann, der verletzt auf dem Boden lag. Er fluchte, unter seinem linken Bein breitete sich eine Blutlache aus. Erleichtert sah ich, dass nicht einer meiner FBI-Kollegen verwundet worden war, sondern Paul Birkin.
Ich trat die am Boden liegende Pumpgun weg, bevor er damit noch weiteres Unheil anrichten konnte. Ich ging neben ihm in die Knie.
»Wo sind Ihre Kumpane, Birkin?«
Der Kautionsjäger blickte zu mir auf und antwortete mit einem obszönen Fluch. Da hörte ich ein Geräusch und wirbelte herum.
Ed Taylor kam auf mich zu. Er riss die Pumpgun hoch. Aber ich zielte bereits auf ihn.
»Taylor, geben Sie auf! Legen Sie die Waffe auf den Boden!«
Einen Moment lang zögerte er. Aber ich spürte, dass er verunsichert war. Dann öffneten sich seine Hände. Die Pumpgun landete scheppernd auf dem Betonboden.
»Auf die Knie!«, kommandierte ich. »Hände an den Kopf!«
Der Kautionsjäger kam zähneknirschend auch diesem Befehl nach. Ich löste mit der linken Hand meine Handschellen vom Gürtel und kam seitlich auf ihn zu, wobei ich meine SIG immer noch auf ihn gerichtet hielt. Ich legte Taylor die stählerne Acht an und durchsuchte ihn. Er hatte noch eine kleine Pistole als Backup-Waffe im Wadenholster. Ich nahm sie ihm ebenfalls ab.
Da ertönten Schritte. Ich drückte den Verhafteten zu Boden und spähte ins Halbdunkel. Doch gleich darauf erkannte ich die breitschultrige Gestalt von Steve Dillaggio.