Jerry Cotton Sammelband 47 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sammelband 47 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Fünf actiongeladene Fälle und über 300 Seiten Spannung zum Sparpreis!
G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!
Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

In diesem Sammelband sind 5 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:
Jerry Cotton 3010 - Der Tod streckt seine Hand aus
Jerry Cotton 3011 - Der falsche Plan
Jerry Cotton 3012 - Mord gehört zum Geschäft
Jerry Cotton 3013 - Keine Frage der Ehre
Jerry Cotton 3014 - Ein Toter ohne Alibi

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Seitenzahl: 667

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Jerry Cotton
Jerry Cotton Sammelband 47

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2014 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2023 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © shutterstock: stockcreations | lfH

ISBN: 978-3-7517-4706-6

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Jerry Cotton Sammelband 47

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Jerry Cotton 3010

Der Tod streckt seine Hand aus

Jerry Cotton 3011

Der falsche Plan

Jerry Cotton 3012

Mord gehört zum Geschäft

Jerry Cotton 3013

Keine Frage der Ehre

Jerry Cotton 3014

Ein Toter ohne Alibi

Guide

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Contents

Der Tod streckt seine Hand aus

Er lag auf dem Bauch und justierte das M40A5-Scharfschützengewehr. Sein Zielobjekt saß mit dem Rücken zum Fenster in einem Büroraum, das Gebäude war etwa 400 Yards entfernt. Er atmete ein paar Mal tief ein und zog den Abzug in einer fließenden Bewegung durch. Der Mann brach über dem Konferenztisch zusammen.

Ein perfekter Schuss, damit war der Auftrag erledigt. Er sprang blitzschnell in die Hocke und demontierte die Waffe.

Plötzlich knallte es und schon wurde er zurückgerissen. Noch im Fallen starb er an der Kugel, die sein Herz durchschlagen hatte.

»Verdammt, wir sind zu spät«, keuchte der Bodyguard seinem Partner zu und spuckte auf die Leiche des Snipers. »Lass diese Kakerlake verschwinden!«

Die letzten Schneeflocken schmolzen noch auf meinem Wintermantel, als ich in mein Büro trat. Wir hatten verdammt viel Schnee dieses Jahr, und was über Weihnachten noch recht idyllisch wirkte, war jetzt Mitte Januar nur noch lästig.

Der Verkehr in Washington war durch das Wetter eine Katastrophe, und wegen der Schneeeinbrüche wurden am Flughafen immer mal wieder Flüge gestrichen. Ich war gerade von einem Gerichtstermin gekommen und wollte mich mit Phil eigentlich um die beiden neuen Fälle kümmern, die auf meinem Schreibtisch lagen, als Dorothy in der geöffneten Tür stand.

»Jerry, Mister High bat mich, Sie gleich zu ihm zu schicken, sobald Sie wieder im Haus sind. Er ist in seinem Büro mit einem Besucher und Phil«, meinte sie und lächelte kurz.

»Wissen Sie, wer es ist, Dorothy?«, fragte ich und warf meinen Schal auf den Mantel über dem Sessel.

»Deputy Chief Ryder, von der IAD, der Polizei North East«, erwiderte Dorothy.

»Internal Affairs Division der Polizei? Was will die interne Ermittlung von uns?«, fragte ich und zog die Augenbrauen hoch, doch Dorothy war bereits verschwunden. Mit einer Tasse Kaffee, an der ich mir die immer noch kalten Hände wärmte, ging ich in Mr Highs Büro und setzte mich neben Phil.

Mr High stellte seinen Besucher und mich vor, erwähnte, dass Kelvin Ryder, den ich in etwa gleichaltrig mit unserem Chef schätzte, nicht nur ein ehemaliger Kollege aus New York wäre, sondern auch ein guter Freund.

»Dann können wir endlich anfangen. Kelvin, bitte erzähle Inspektor Cotton und Decker, was du mir vor zwei Tagen am Telefon berichtet hast«, meinte Mr High und lächelte Chief Ryder an. Man merkte sofort, dass die beiden eine tiefe Freundschaft verband. Chief Ryders graublaue Augen taxierten Phil und mich einen Moment prüfend, dann nickte er.

»Meine Herren, wie Sie wissen, wurde die interne Ermittlung der Police Departments vor zwei Jahren in Sektionen zusammenfasst. Man übertrug mir den Northeast-Bereich, der von Illinois westlich bis Maine reicht und nördlich bis Wisconsin. In vier Staaten, hauptsächlich in den Hauptstädten, kam es im letzten Jahr vermehrt zu Zwischenfällen, die die einzelnen Police Departments und die FBI Field Offices betraf.«

Er zuckte leicht die Schultern und fuhr fort: »Nun ja, es kam schon früher hin und wieder vor, dass es in Ausnahmefällen so etwas wie Kompetenzgerangel zwischen unseren Organisationen gab. Dennoch waren das Einzelfälle, bei denen entweder ein FBI-Agent oder ein Detective des Police Department Grenzen überschritten hatte. Doch leider haben wir seit dem letzten Jahr einen drastischen Anstieg von Amtsmissbrauch.«

»Was genau meinen Sie mit Amtsmissbrauch?«, fragte ich erstaunt, denn das war ein heftiger Vorwurf.

»Inspektor Cotton, in Columbus, aber besonders in Chicago und Detroit werden von der Polizei geplante Einsätze regelrecht vom FBI boykottiert, wenn ich es unter uns einmal so sagen darf. Vorgesehene Razzien bei zum Beispiel Drogenbanden werden entweder verhindert oder durch das FBI übernommen. Man speist die ermittelnden Police Detectives dann mit Phrasen ab wie: Der Verdächtige war bereits auf dem Radarschirm des FBI, oder: Bei ihm wurden schon länger staatenübergreifend Aktionen observiert. Diese Verdächtigen verschwinden für eine Weile und dann tauchen sie ungeschoren wieder auf der Straße auf.«

»Chief Ryder«, meinte Phil stirnrunzelnd. »Sie wissen genauso gut wie ich, dass unsere Agents Informanten aufbauen. Bei dem Prozess lässt man schon mal jemanden auf freien Fuß, um an die ganz großen Fische heranzukommen.«

»Natürlich weiß ich das, Inspektor Decker, doch wenn das der Fall ist, dann besteht Detroits kriminelle Elite nur noch aus Informanten«, erwiderte Ryder in strengem Ton und ich griff ein, um das Gespräch nicht eskalieren zu lassen.

»Ist es wirklich so schlimm, Chief?«, fragte ich, und meine Worte klangen alles andere als verharmlosend.

»Sonst wäre ich nicht hier. Sehen Sie, bei der Vielzahl der Fälle ist es nicht mehr zu vertreten, dass ich darüber schweige. Doch bevor ich mich an meine Vorgesetzten wende und die Sache früher oder später zu einem Politikum wird, dachte ich, es ist besser, erst einmal mit John zu sprechen. Dementsprechend ist diese Unterhaltung inoffiziell.« Chief Ryder sah Mr High an und nickte wieder.

»Auch wenn Sie es nicht direkt aussprechen, Sie lassen immerhin damit anklingen, dass die FBI Field Offices mit Korruption zu tun haben!« Phil hatte wie immer kein Blatt vor den Mund genommen und schien alles andere als begeistert über die Vorwürfe gegen unsere Kollegen im Norden.

»Langsam, Phil«, mischte sich Mr High jetzt ein. »Es ehrt Sie, dass Sie FBI-Agents verteidigen, doch ich kenne Deputy Chief Ryder lange genug, um zu wissen, dass er keine leichtfertigen Anschuldigungen machen würde.« Dann sah er auf Ryder. »Kelvin, ich bin froh, dass du mit der Sache zu mir gekommen bist. Zu Inspektor Cottons und Deckers Aufgabengebiet gehört auch, interne Revisionen durchzuführen. Sie beide werden sich sofort darum kümmern. Besuchen Sie die entsprechenden Field Offices, prüfen Sie die Fälle des letzten Jahres und sehen Sie sich das Personal an. Es wird als Routineüberprüfung deklariert, die ausnahmsweise einmal am Anfang des Jahres stattfindet. Ich erwarte, dass Sie mit Fingerspitzengefühl vorgehen, aber wenn es sein muss, auch mit der entsprechenden Härte, denn als Inspektoren sind Sie weisungsberechtigt. Man wird Sie nicht mit offenen Armen empfangen, das ist Ihnen sicher klar.« Mr Highs Stimme hatte einen außergewöhnlich offiziellen Ton angenommen und er blickte streng auf uns.

»Natürlich, Sir«, erwiderte Phil professionell.

»Gut, Jerry, geben Sie mir Ihre beiden aktuellen Fälle zurück, ich werde das delegieren. Ach, und noch etwas: Dieses Gespräch bleibt vorerst in diesem Raum.«

»Sir, was ist mit dem Chicago Office? Es gehört zur Field Operation Section Midwest«, warf ich noch schnell ein.

»Ich spreche mit Assistant Director Segal. Ich denke, er hat nichts dagegen, wenn Sie die Revision dort mit übernehmen.«

***

Nachdem Deputy Chief Ryder uns die sogenannten Problemfälle ausgehändigt hatte, saßen Phil und ich wieder in meinem Büro. Wir würden uns die Vorgänge nach und nach ansehen und hatten genug Zeit dafür, sobald wir unterwegs zu den einzelnen Außenstellen waren. Ich grübelte immer noch, denn wenn es wirklich stimmte, was die zuständigen Police Detectives ihrem Internal Affairs Deputy mitgeteilt hatten, dann war etwas ganz gewaltig faul in den entsprechenden FBI Offices.

»Auf den ersten Blick macht das alles keinen Sinn«, murmelte Phil missmutig. »Ich meine, wenn einer von unseren Leuten sich wirklich schmieren lässt, dann doch nicht so viele, und es sind gleichzeitig vier der Bureaus betroffen. Außerdem sind hier nicht nur Verdächtige freigekommen, es wurden auch einige Kriminelle verhaftet, und denen steht nun der Prozess bevor.«

»Stimmt, die ganze Sache ist mysteriös. Lass uns nicht weiter spekulieren, ich spreche jetzt erst einmal mit den Special Agents in Charge in Ohio und dem Detroit Office und melde uns an. Dann kann Dorothy für uns die Reise planen«, erwiderte ich und sah auf Phils argwöhnisches Gesicht. »Was?«, schob ich hinterher, denn ich kannte den Blick.

»Hältst du es für clever, uns anzumelden?«

»Was meinst du?«

»Wenn wir schon eine Art interne Revision durchführen, dann sollten wir es auch so tun wie die Ratten, für die man uns halten wird. Nämlich urplötzlich und ungebeten, wie Ungeziefer«, sagte Phil und grinste.

»Ratten?«, fragte ich und schüttelte den Kopf.

»So werden die von der Internen normalerweise genannt. Ich hätte nie gedacht, selbst einmal solch eine Rolle zu spielen, doch das gehört wohl zum Job eines Inspektors auch dazu«, erklärte er und ich dachte über seinen Vorschlag nach.

»Vielleicht hast du recht, so ein gewisses Überraschungsmoment kann nicht schaden. Doch ist das nicht zu auffällig?«, fragte ich eher mich selbst als Phil.

»Nein, wir sind die neuen Inspektoren und fahren eine härtere Gangart. Wir melden uns nicht an, wir erscheinen. Man wird uns zwar hassen, wenn wir unsere Nase in alles reinstecken, aber dafür muss der zuständige Special Agent in Charge wenigstens nicht drei Tage lang eine offizielle Präsentation für uns vorbereiten.«

»Na gut, dann machen wir das so. Ich habe fast das Gefühl, du freust dich ein wenig darauf, so wie du grinst«, sagte ich und stand auf, um mit Dorothy über die Reisepläne zu sprechen. Auch Phil erhob sich, sah mich eindringlich an und schüttelte sehr vehement den Kopf.

»Das interpretierst du ganz falsch, Jerry: Ich hasse es, eine Ratte zu sein.«

***

»Hallo, Donny, hier ist Maureen. Entschuldige, dass ich dich so spät störe, aber ich mache mir langsam Sorgen. Dennis ist immer noch nicht zurück und ich kann ihn nicht auf seinem Handy erreichen.« Ihre Stimme war ein wenig panisch. »Wieso bist du nicht im Einsatz und wo ist mein Mann?« Donovan Logan war reichlich irritiert. Sein Partner Dennis hatte heute genau wie er selbst keinen Dienst, beide waren noch nicht einmal auf Rufbereitschaft. Er überlegte kurz, was er sagen sollte. Wenn Dennis nicht zu Hause war und Maureen angelogen hatte, dann steckte wahrscheinlich eine Frau dahinter. Dabei war Dennis eigentlich nicht der Typ Ehemann, der sich Seitensprünge erlaubte.

»Donny, bist du noch dran?«

»Ja, Maureen. Ähm, ich weiß es nicht, ich habe heute keine Bereitschaft, er muss mit einem anderen Partner unterwegs sein«, log er sie an und überlegte, wie er das für Dennis hinbiegen konnte. »Pass auf, Maureen, du bleibst jetzt ganz ruhig, du weißt doch, wie es ist, wenn wir einen Einsatz haben. Ich rufe den Leiter an und versuche herauszubekommen, wo er ist. Okay?«

»Aber ich verstehe das nicht, er hatte noch nie einen anderen Partner als dich. Ich dachte immer, so etwas macht ihr nicht beim SWAT«, erwiderte sie.

»Aber natürlich, denk doch an Urlaub und an die Feiertage, da wechseln wir doch auch öfters«, versuchte er sie zu beruhigen. »Pass auf, ich kümmere mich darum und rufe dich zurück.«

»Na gut, danke dir, bis später«, sagte sie und legte auf.

Donny runzelte die Stirn. Wo zum Teufel konnte Dennis stecken? Wenn er bei einer anderen Frau war, dann würde er irgendwann nach Hause kommen, dennoch vermochte sich Donny das immer noch nicht vorzustellen.

Dennis war im vergangenen Jahr durch die Hölle gegangen: Die Nierentransplantation seiner fünfjährigen Tochter war in letzter Minute erfolgt. Es hatte sich nur um Stunden gehandelt und Maureen und er hätten Megan verloren. Doch dann war das Wunder geschehen: Ein kürzlich verstorbenes Mädchen in Megans Alter hatte die richtigen Spenderwerte.

Immer noch musste die Kleine sehr teure Medikamente nehmen, doch sie würde irgendwann ein normales Leben führen. In dieser ganzen Situation war Dennis wie ein Fels in der Brandung gewesen und hatte nie aufgegeben. Warum zum Teufel sollte er jetzt anfangen, Maureen zu belügen?

Donny ergriff wieder das Telefon. Er plante seinen Einsatzleiter anrufen, um sicherzustellen, dass Dennis nicht doch ungewöhnlicherweise eingesetzt worden war. Danach würde er bei jedem der Kollegen ihres SWAT-Teams nachfragen. Es bestand immer noch die Möglichkeit, dass Dennis zu einem der Kollegen und Freunde gefahren war, um ein wenig zu Hause rauszukommen.

***

Am Dienstagabend saßen Phil und ich um kurz vor sechs in einem United Airlines- Flug von Washington nach Cincinnati Ohio. Es war eine kleine Maschine und nur ein kurzer Flug. Dementsprechend lange hatten wir rumdiskutieren müssen, bis unsere Waffen im Tresor hinter dem Cockpit verstaut waren.

Wie es schien, war die Besatzung es nicht gewohnt, Federal Marshalls oder FBI-Beamte an Bord zu haben. Die beiden Field Offices in Ohio lagen nicht in der Hauptstadt Columbus, sondern in Cincinnati und Cleveland. Wir planten mit Cincinnati anzufangen und dann mit dem Wagen via Columbus hoch nach Cleveland zu fahren.

Deputy Ryder hatte uns für Donnerstag einen vertraulichen Termin mit dem Lieutenant des Columbus Police Department arrangiert. Den wollten wir während unseres Stopover in Ohios Hauptstadt wahrnehmen, um noch mit den Leitern der Polizeieinsätze der wichtigsten Fälle persönlich zu sprechen.

»Nicht gut«, meinte Phil, rümpfte die Nase und klappte die Washington Post zu. »Für Samstag wird eine Sturmfront für den gesamten Norden erwartet. Die zieht über New York rein und wandert weiter Richtung Osten. Bis Montag soll sie Chicago erreicht haben. Massenhaft Schnee, hoffentlich kommen wir Samstagmorgen mit dem Flieger noch von Cleveland nach Detroit.«

»In Cleveland können sie mit Schnee umgehen, den haben die durch den Eriesee jedes Jahr. Erst wenn der See zugefroren ist, hört der Schneefall langsam auf. Ich denke, der Flughafen wird so schnell nicht schließen. Da mach ich mir eher Gedanken über Detroit«, erwiderte ich.

Phil beugte sich runter und zog den Lederrucksack, den er seit Neuestem mit sich herumschleppte, zwischen den Beinen hervor, suchte den Laptop heraus und schaltete ihn an. Da die Business Class nur mäßig besetzt war, konnten wir über die Fälle sprechen, ohne zu flüstern.

»Der wohl für die Polizei ärgerlichste Einsatz passierte im Juni letzten Jahres. Die Drogenfahndung des Police Department hatte schon seit Monaten einen V-Mann undercover, es sollte ein Riesendeal abgezogen werden: Methamphetamin im Wert von mehreren Millionen Dollar war nach Columbus unterwegs. Das Police Department wusste nicht genau, wie es transportiert werden sollte, hatte jedoch durch ihren Insider einen Übergabeplatz und auch die Zeit erfahren. Man wartete verdeckt in der Nähe einer Lagerhalle, in der sich ein gewisser Timothy Dunbar, mutmaßlich einer der Drahtzieher, mit seinen Leuten aufhielt. Auch der V-Mann befand sich bei den Zielpersonen. Alles war in Position und erwartete einen Transporter, Lkw oder einen anderen Wagen. Plötzlich fahren unsere Leute mit voller Beleuchtung zur Halle und ziehen die ganz große Nummer ab. Mit Megaphonen forderten sie alle auf, das Gebäude zu verlassen«, fasste Phil mit seinen Worten den Einsatz zusammen.

»Und dann?«, fragte ich ungeduldig.

»Nichts dann! Das Team des Police Department hat sich vor Ärger wahrscheinlich in den Hintern gebissen – hätte ich jedenfalls, wenn die Kollegen mir so in die Parade gefahren wären.«

»Meine Güte, Phil, geht das auch ein bisschen weniger blumig?«, fuhr ich ihn an.

»Jetzt stell dich nicht so an«, erwiderte er trotzig. »Wenn wir unseren Agents gegenüberstehen, lasse ich den Anzug schon raushängen, doch mit dir rede ich nicht, als ob ich einen Stock verschluckt hätte.« Dabei sah er mich eindeutig an und ich seufzte nur. »Also ein Fahrzeug mit dem Stoff kam nie an, was auch kein Wunder war, da der Hof mit Einsatzwagen geradezu überfüllt war. Selbst der dümmste Dealer wäre einfach weitergefahren.«

»Was ist mit dem Geld, Dunbar muss es doch bei sich gehabt haben?«

»Ja, aber es ist nicht rechtswidrig, ein paar Millionen Dollar spazieren zu führen, solange das Geld sauber ist. Im Einsatzbericht der Polizei steht, dass Dunbar und seine Freunde vom FBI verhaftet wurden. Das Field Office sah keine Notwendigkeit, den Einsatzleiter des Police Department weiter zu informieren. Dunbar tauchte aber am nächsten Tag schon wieder bei seinem Haus auf. Einige Tage später wurde der V-Mann der Polizei von Unbekannten zusammengeschlagen. Es gab keine Beweise gegen Dunbars Gang, doch nachdem man ihn verletzt in einer Seitenstraße zurückgelassen hatte, hatte ihn einer der Angreifer als Bullenschwein bezeichnet. Damit war er von irgendjemand enttarnt worden. Er arbeitet mittlerweile wieder beim Los Angeles Police Department, wo man ihn ursprünglich angefordert hatte.«

»Haben wir noch einen Fall, der so spektakulär ist?«, fragte ich und wunderte mich, wie es zu dieser Eskalation zwischen dem FBI und der Polizei hatte kommen können. Doch bevor ich nicht die Version unserer Kollegen gehört hatte, wollte ich mir keine Meinung bilden.

»Im September war eine Großrazzia auf dem Straßenstrich in der Nähe der Parsons Avenue geplant. Dort sollten sich die meisten Prostituierten eines bestimmten Zuhälters befinden, der sich schon lange auf der Liste des Police Department befand. Sein Name war Damian Tallis. Der Einsatz war für die Nacht vom Neunten auf den Zehnten um 23:00 Uhr angesetzt. Gegen 22:30 Uhr tauchen plötzlich mehrere Einsatzwagen des FBI Cincinnati dort auf. Gemäß dem Polizeibericht sind die Agents in das Gebiet gefahren, haben sogar mit einigen der mutmaßlichen Prostituierten gesprochen, doch es wurden keine Verhaftungen vorgenommen. Danach verschwand der Straßenstrich dort erst einmal und Tallis ging den Detectives von der Sitte wieder durch die Lappen. Auf die Nachfrage des Einsatzleiters der Polizei beim FBI wurden Kommentare abgelehnt, da es sich um eine laufende Ermittlung handelte.«

»Wenn es wirklich eine laufende FBI-Ermittlung war, dann nur, wenn es um Kinderprostitution oder Zwangsprostitution von illegalen Einwanderern ging. Andernfalls hätte die Bundesbehörde kein Recht gehabt, sich einzumischen«, sage ich und fragte mich, was dort passiert sein konnte. Selbst wenn irgendeiner der FBI-Agents für die Vereitelung dieser beiden Einsätze verantwortlich war, wo lag der Vorteil für ihn?

»Nehmen wir mal an, dass Tallis einen unserer Agents schmiert«, meinte Phil – er dachte scheinbar über genau das Gleiche nach wie ich. »Dann könnte er den Zuhälter nur schützen, wenn es um einen Einsatz des FBI geht. Unsere Leute wissen nichts von den geplanten Polizeieinsätzen oder auch einer Razzia, es sei denn, es ist ein Einsatz, den wir mit dem Police Department gemeinsam durchführen.«

»Bin ganz deiner Meinung. Um so etwas durchzuziehen, würde ein korrupter Polizeibeamter viel mehr Sinn machen. Er weiß von den Plänen seiner Leute«, fügte ich an.

»Ja, aber warum sollte er das FBI anrufen und anrücken lassen, wenn er doch viel schneller den Zuhälter selbst warnen kann, damit er seine Schwalben von der Straße holt? Ich meine, in dem Szenario ist doch die Geldquelle dieser Tallis, oder?«

»Wenn Chief Deputy Ryder das gehört hätte, Phil, dann würde er schäumen vor Wut und dir unseren Chef auf den Hals hetzen«, kommentierte ich seine Bemerkung, dennoch war Phils Gedankengang völlig logisch.

»Weißt du, bevor ich nicht die Berichte unserer Leute zu den beiden Fällen genau studiert habe, sollte Ryder so lange lieber mal in seinen eigenen Reihen aufräumen. Ein Maulwurf bei der Polizei hätte hier die bessere Gelegenheit und auch Motivation. Er agiert allein und kassiert das Geld.« Frustriert klappte Phil den Laptop zu und verstaute ihn wieder, da die Anschnallzeichen aufleuchteten.

»Stimmt, doch ein einzelner Mann bei der Polizei hätte Dunbar und Tallis abkassiert und sie dann persönlich gewarnt und nicht die FBI-Kavallerie antraben lassen«, raunte ich ihm zu.

»Vielleicht will jemand einen Keil zwischen das FBI und das Police Department treiben«, meinte Phil, dann zuckte er die Schultern und nach seinem Gesichtsausdruck war klar, dass bestimmt noch ein sehr unqualifizierter Kommentar folgen würde. »Oder er hasst FBI-Inspektoren und hat ein perverses Vergnügen daran, sie bei Wind und Wetter rumzuscheuchen, damit sie ihren eigenen Leuten auf die Finger hauen, anstatt richtige Fälle zu lösen«, fügte er an, schmunzelte und schloss seinen Sicherheitsgurt.

Auch ich schnallte mich an, als wir zur Landung ansetzten, und dachte etwas amüsiert darüber nach, wie gut ich meinen Partner nach all den Jahren kannte.

***

»Unsere Personaldecke ist zu dünn, wann rekrutierst du endlich wieder?«, hörte er seinen Partner sagen und ärgerte sich über dessen arroganten Ton.

»Jetzt mach mal langsam, es geht hier nicht darum, eine Stellenanzeige in die Zeitung zu setzen. Weißt du eigentlich, wie schwer es ist, jemand Geeigneten zu finden? Es ist ein verdammt hohes Risiko«, hielt er entgegen und konnte seinen Zorn nicht zurückhalten. Sein Partner lachte nur.

»Ach, und mein Job ist leicht, denkst du das? Ich bin die Sales-, die Finanz- und die IT-Abteilung. Du bist für das Personal und den Service zuständig, darum jammere mir nichts vor«, schnaufte sein Teilhaber ins Telefon. »Die Bestellung in Toronto lief nach Plan, wir haben das Geld bereits, doch der Kunde ist etwas verunsichert.«

»Wieso? Villagé ist tot, es erschien heute Morgen im Toronto Star «, erwiderte er, denn er wusste, sein Hitman hatte gute Arbeit geleistet.

»Das schon, doch unser Auftraggeber ließ mich wissen, das Villagés Bodyguards immer noch für die Familie arbeiten. Glaub einfach meiner Erfahrung, die ich in jungen Jahren mit meiner Familie gemacht habe. Wenn der Boss tot ist und die Leibwächter noch leben und sogar weiterarbeiten, dann haben sie den Killer erwischt. Haben sie ihn erwischt, Apple?«

»Nenn mich nicht Apple, du weißt, wie ich das hasse«, fuhr er ihn an.

»Hast du von deinem Hitman gehört, verflucht noch mal!«

»Nein, ich habe ihn noch nicht erreicht, ich kümmere mich gleich darum«, erwiderte er schnell, und nur bei dem Gedanken, seinen Sniper verloren zu haben, wurde ihm flau. Wo sollte er noch einmal so einen Experten finden? Verdammt, dachte er, denn er hatte so viel investiert, um diesen Mann zu bekommen, einen Mann, der aus fast 1000 Yards Entfernung noch einem Menschen das Auge aus dem Kopf schießen konnte. Und was es ihn gekostet hatte, daran durfte er gar nicht denken.

»Das will ich hoffen. Denn es stehen noch einige MaB-Aufträge aus. Sieh zu, dass du dich bald meldest, damit ich den Auftraggebern einen Zeitplan geben kann. Ruf mich an!«

Sein Partner hatte aufgelegt. Immer noch schoss der Zorn durch seine Adern. Was bildete sich der Mistkerl bloß ein? Und dann auch noch seine blödsinnigen Codierungen, die er im Netz verwendete.

MaB-Aufträge waren offiziell in der Website als Marketing and Business -Offerte ausgewiesen. Doch eigentlich wurde damit Murder and Burial geboten. ML, chiffriert als Money Liaison , also die Suche nach einem potenten Finanzier, hieß eigentlich nichts anderes als: Money Laundry – Geldwäsche. Er kippte den teuren Armagnac herunter und sah auf, als seine Frau den Raum betrat, dann lächelte er. Doch, es lohnte sich – für diese Frau lohnt sich alles, dachte er.

***

Als wir mit dem Mietwagen in die Hosbrooke Road einbogen, war ich unausgeschlafen und gereizt, und Phil ging es nicht anders. Wir waren pünktlich gelandet, der Mietwagen war reserviert gewesen, und wir hatten uns ein angenehmes Abendessen in der Nähe des Hotels gegönnt.

Doch als wir endlich auf unseren Zimmern waren, stellte sich das Vier-Sterne-Hotel als eine bessere Absteige heraus. Die Wände waren so dünn, dass ich nur etwa vier Stunden geschlafen hatte. Ich war immer wieder aufgewacht, von Geräuschen, die für die Betreffenden scheinbar sehr angenehm gewesen waren, mich in dem Moment jedoch maßlos gestört hatten.

Phil hatte sich während der achtminütigen Fahrt zum FBI Office nicht zurückgehalten und mir mit schillernden Worten erzählt, wie er die weniger leidenschaftlichen Streitereien eines frisch verheirateten Paares bis nachts um drei Uhr hatte mit anhören müssen.

Ich machte mir eine gedankliche Notiz, Dorothy darauf hinzuweisen, dieses Hotel aus unserem Kontingent zu nehmen. Es war nicht die beste Voraussetzung, als Inspektor müde ein FBI Office unangemeldet zu besuchen, um eine routinemäßige Revision durchzuführen.

Wir bogen in den Ronald Reagan Drive ein und ich sah das verspiegelte Gebäude mit den Parkebenen, die sich bis zum zweiten Stock zogen.

»Tut mir leid, Special Agent in Charge Woodland ist in einer Besprechung«, sagte die Rezeptionistin, nachdem wir etliche sehr intensive Überprüfungen hinter uns gebracht hatten und dann im Stockwerk des Field Office angekommen waren. Ich betrachtete die junge Frau einen Moment, und wie gesagt, ich war müde, denn dann passierte mir etwas, was sonst nur Phil passierte.

»Dann holen Sie verdammt noch mal den Special Agent in Charge sofort aus der Besprechung und sagen Sie ihm, die FBI-Inspektoren Decker und Cotton von der Field Operation Section East sind hier und wollen ihn sprechen!«

»Aber ich habe Order …«, setzte sie an, doch weiter kam sie nicht.

»Ich habe gesagt sofort. Sie sollten nicht vergessen, dass wir im Rahmen unseres Auftrags weisungsbefugt sind!«, polterte ich heraus, sodass ich Phils Blick auf mir spürte. Sofort erhob sich die Rezeptionistin und verschwand im Gang.

»Inspektor Cotton«, sagte Phil in einem Ton, dass ich ihn am liebsten gleich auch noch zusammengestaucht hätte. »Ich muss sagen, Inspektor Cotton, Sie sind heute sehr autoritär. Ich denke, ich werde mich dem anpassen, um Ihnen ebenbürtig zu sein.« Ich starrte ihn an und er verkniff sich ein Grinsen, als ein etwa dreißigjähriger, gut gebauter Mann mit ernstem Gesicht auf uns zukam.

»Verzeihen Sie, meine Assistentin sagte, dass Sie Inspektoren aus Washington sind«, meinte er und blickte uns skeptisch an. Wir zückten unsere Ausweise und ich sah, wie er sich ein wenig versteifte. »Das ist etwas ungewöhnlich, normalerweise kündigt man uns solch einen Besuch an«, schoss er heraus, doch dann besann er sich. »Willkommen in Cincinnati, Inspektor«, meinte er und schüttelte meine Hand und dann Phils.

»Neue Inspektoren, neue Vorgehensweise«, sagte Phil und ich wunderte mich nicht über seinen förmlichen Ton. »Sie haben eine Besprechung, darf ich fragen, um was es geht?«

»Natürlich, es ist unsere wöchentliche Einsatzbesprechung. Routine, Inspektor Decker.«

»Gut, dann kann uns Ihre Assistentin einen Kaffee bringen und wir nehmen an der Besprechung teil«, erwiderte ich und sah in das überraschte Gesicht von Woodland.

Die Besprechung verlief äußerst gehemmt, was weder mich noch Phil wunderte, da die Agents und Woodland sichtlich eingeschüchtert waren von unserem Erscheinen. Doch es hatte auch einen Vorteil: Alle Agents des Außenbüros waren zugegen und wir konnten uns gleich die beiden greifen, auf die wir es abgesehen hatten.

Es waren die damaligen Einsatzleiter im Fall Dunbar und Tallis. Wir hatten Woodland gebeten, uns die Fallakten zu bringen, und saßen jetzt allein im Besprechungsraum, während die Agents vor der Tür warteten.

»Der Einsatz an sich war nach dem Handbuch«, meinte Phil und wollte ein Aber hinzufügen, doch ich kam ihm zuvor.

»Aber beide Male war der Ausgangspunkt eine anonyme Quelle«, vervollständigte ich seinen Satz. »Bist du so weit, sollen wir den Agent reinrufen?« Phil nickte nur und ich ging zur Tür.

»Ich bin seit sieben Jahren FBI-Agent, nach Cincinnati kam ich vor zwei Jahren. Ich wollte eigentlich in die Tac-Ops, die Tactical Operation in Quantico, doch meine Frau und die Kinder hatten etwas dagegen, ihren Mann und Vater nur noch sporadisch zu sehen«, meinte Agent Burns. Er hatte mehr erklärt, als wir gefragt hatten. Burns war zuständig gewesen bei der Tallis-Ermittlung, dem Einsatz auf dem Straßenstrich.

»Also ein anonymer Tipp?«, fragte Phil provokant skeptisch und sah auf die Unterlagen.

»Anonym? Wieso anonym, nein, es war eine Informantin, die ich lange aufgebaut hatte. Wieso steht in den Akten anonym? Das kann nicht sein«, meinte er und griff über den Tisch, zog die Akte zu sich. Er las den Bericht in Ruhe durch, dann schüttelte er den Kopf. »Nein, das ist nicht der Bericht, den ich unterschrieben habe, ich habe damals Iris’ Namen angegeben.«

»Iris?«, fragte ich.

»Ja, Iris Hampton, ob ihr Name stimmt, habe ich nie prüfen können. Sie war eine kleine Straßenprostituierte, die ich nach und nach dazu bekam, ein bisschen zu erzählen. Sie vertraute mir irgendwann und am Abend des 9. September rief sie mich an. Wir hatten eine Meldung vom Chicago Office bekommen, dass sich Kinder in Columbus auf dem Straßenstrich befanden. Vermittelt von einer Gang in Illinois. Sie erzählte mir, an dem besagten Abend mehrere Kinder gesehen zu haben, Zwölfjährige, Maximum dreizehn Jahre alt. Ich veranlasste den Einsatz kurzfristig, um die Kinder zu finden. Dass die Polizei an dem gleichen Abend eine halbe Stunde später eine Razzia gegen Tallis durchführen wollte, wusste niemand hier im Office.«

»Aha«, war alles, was Phil sagte, und ich konnte sehen, wie Burns’ Augen ihn verunsichert betrachteten.

»Was soll das, Inspektor Decker, glauben Sie mir nicht?«

»Wo ist diese Iris?«, fragte ich.

»Seit dem Abend verschwunden, ich habe sie nie mehr gesehen, ich weiß es nicht«, erklärte Burns ruhig, auch wenn ihn Phils Reaktion sehr durcheinandergebracht hatte.

»Wie praktisch«, warf Phil ein.

»Verdammt noch mal, wird mir hier etwas vorgeworfen? Wir haben doch nur Prostituierte überprüft, weil wir glaubten, dass Kinder auf der Straße sind«, fuhr Burns Phil an. Er versuchte sich zu beruhigen und atmete tief durch.

»Wo kann Iris sein?«

»Ich weiß es nicht!«

»Gibt es ein Foto von ihr?«

»Natürlich«, meinte Burns und schien erstaunt. »Es liegt doch dem Bericht bei!«

»Nein«, sagte ich ruhig.

»Was?«, fragte Burns und schien entsetzt zu sein. »Ich habe es dem Bericht beigelegt!«

»Es ist nicht hier. Haben Sie noch eine Kopie?«, mischte sich Phil nun wieder sehr zivilisiert ein. Burns nickte und machte sich an seinem Smartphone zu schaffen. Dann hielt er uns die Fotografie einer jungen Afroamerikanerin hin, mit kurzem dunkelhaarigem Pagenkopf.

»Das ist Iris und auch das Foto, das ich zu dem Bericht gelegt habe«, meinte er, und irgendwie glaubte ich ihm jedes Wort.

»Schicken Sie mir das Foto auf mein Handy«, sagte Phil und schob ihm seine Visitenkarte rüber. »Über die Veränderung dieses Berichts und das fehlende Foto werden Sie schweigen, sonst sorge ich dafür, dass Sie belangt werden wegen Dokumentenfälschung«, schob er hinterher.

»William«, sprach ich ihn bei seinem Vornamen an. »Wie es scheint, hat jemand sehr bewusst Informationen hier zurückgehalten. Wenn Sie es nicht waren, dann jemand anders. Sie müssen schweigen, sonst geht es um Ihren Kopf!«, machte ich deutlich und sah, wie Burns langsam nickte. »Noch nicht einmal Ihr Partner oder Ihr Boss darf davon erfahren, haben Sie mich verstanden?«

***

Da wir mit den anderen Agents und auch SAC Woodland schneller fertig waren als erwartet, befanden wir uns bereits am Nachmittag auf der Interstate 71 in Richtung Columbus. Phil hatte vom Auto aus mit Ryder gesprochen und der hatte seinen Ansprechpartner beim Headquarter der Columbus Police informiert. Man erwartete uns in einer Stunde im Gebäude auf dem Marconi Boulevard.

Die Straßen waren geräumt, und trotz des leichten Schneefalls war es angenehm zu fahren. Der Mietwagen war zwar kein getuntes Polizeifahrzeug, doch ein idealer Wagen, um mit solch einem Wetter fertig zu werden.

»Ich glaube Burns, dass er den Bericht nicht manipuliert hat«, meinte Phil und machte sich Notizen auf dem Laptop.

»Ja, ich auch. Auch diesem Agent Sinder, dass beim Dunbar-Fall wirklich ein anonymer Anruf einging. Aber irgendjemand hat die Akte Tallis gefälscht. Fragt sich nur, warum«, grübelte ich und sah auf die verschneite Landschaft. Außer ein paar Wagen, die sich jetzt auf der Interstate befanden, war die Umgebung reine Natur. Kein Gebäude, keine Menschen, und wir hatten nur wenige Ausfahrten während der letzten siebzig Meilen gesehen. Erst als wir den Scioto River auf unserer rechten Seite passierten, bemerkte ich die Skyline von Columbus.

»Dieser Jemand wollte sicherstellen, dass Iris Hampton im Hintergrund bleibt. Vielleicht kann uns das Columbus Police Department mit ihrer Identität helfen. Die Jungs von der Sitte kennen normalerweise die Informanten besser als das FBI. Denkst du, Special Agent in Charge Woodland hat mit der Aktenfälschung zu tun?« Ich sah kurz zu Phil und zuckte die Schultern, dann stellte ich das Radio lauter, um die Vier-Uhr-Nachrichten zu hören.

***

Man hatte uns die Glocks abgenommen und uns mehrmals durch die Sicherheitsschleusen geschickt, bevor wir zu Lieutenant Jacobson vorgelassen wurden. Hier hatten unsere FBI-Ausweise keine Türen geöffnet, im Gegenteil, ich hatte den Verdacht, dass man uns gerade deshalb länger als notwendig überprüfte.

Als wir endlich bei Jacobson waren, war ich mehr als erstaunt, einer kleinen Frau um die vierzig gegenüberzustehen. Die Begrüßung war unterkühlt, und als wir vor ihrem Schreibtisch Platz genommen hatten, ergriff sie sofort das Wort.

»Inspektor Cotton, Inspektor Decker, wie Sie sich vorstellen können, ist das Police Department momentan nicht besonders gut auf Ihre Bundesbehörde zu sprechen. Ich will keinen Hehl daraus machen, auch ich zucke im Augenblick jedes Mal zusammen, wenn ich das Wort FBI höre. Aber Deputy Chief Ryder hat mir Anweisungen gegeben, denen ich folgen werde. Er hat sich zwar äußerst kryptisch ausgedrückt, doch ich bin nicht auf den Kopf gefallen. Wenn zwei Inspektoren des FBI hier auftauchen, dann hat Ihre Behörde wahrscheinlich auch eine interne Ermittlung in Angriff genommen. Das befürworte ich sehr!«

Ihre Worte waren präzise und man merkte sofort, dass sie gewohnt war, eine gewisse Befehlsgewalt mitschwingen zu lassen. Sie rückte ihre Brille auf dem schmalen Gesicht zurecht.

Lieutenant Jacobson war alles andere als eine attraktive Frau, sie hatte ein Durchschnittsgesicht und einen eher männlich drahtigen Körper. Aber ich war mir sicher, sie hatte ihre Detectives im Griff und war sich selbst nicht zu schade, mit anzufassen, wenn es darauf ankam.

»Lieutenant, wir müssen mit Ihren beiden Einsatzleitern bei den Fällen Dunbar und Tallis reden«, sagte Phil, und auch er schien kein Problem mit Jacobson zu haben, da seine Stimme alles andere als hart war.

»Nein, Sie sprechen nur mit mir. Diese Detectives wurden schon von der Internal Affairs durch die Mangel gedreht, das reicht. Ich bin über jedes Detail der Ermittlung informiert und kann Ihnen Rede und Antwort stehen«, erwiderte sie rigoros und schüttelte dabei den Kopf. »Außerdem werden meine Leute eher ihre Zunge verschlucken als mit einem FBI-Beamten zu plaudern.«

»In Ordnung«, lenkte ich ein. »Dann erzählen Sie mal.«

Sie fasste die beiden Einsätze sehr detailliert zusammen. Es war ein erstaunlich guter Bericht, was meine Vermutung nur bestätigte, dass diese Frau sehr kompetent war.

»Bleiben wir erst einmal bei Tallis«, sagte ich, nachdem sie geendet hatte. »Sie waren schon länger hinter dem Zuhälter her?«

»Seit Ewigkeiten. Denn er behandelt seine Mädchen äußerst schlecht, einige der Prostituierten verschwanden auch, doch bisher war kein Rankommen an ihn. Wir hatten gehofft, mit einer Massenverhaftung die Frauen überzeugen zu können, gegen ihn auszusagen. Sehen Sie, er ist vorsichtig, wechselt immer wieder die Standorte der Mädchen oder teilt sie geschickt in der Stadt auf. Doch an dem Abend des neunten September hatten wir zwei große Events in der Stadt, ein dreitägiges Rockfestival und die Harlem Globetrotters spielten, was bedeutete, viele Männer von außerhalb kamen nach Columbus. Parsons Avenue ist als Straßenstrich bekannt und jeder Zuhälter schickt seine Mädchen dorthin, sobald es irgendwelche Festivitäten in der Stadt gibt. Die Freier gönnen sich etwas nach einem Konzert oder einem Basketballspiel«, fügte sie etwas zynisch an.

»War Tallis je im Verdacht, in Kinderprostitution verwickelt zu sein?«

Jacobson sah mich erstaunt an und dann legte sich eine Mimik des Verstehens auf ihr Gesicht. »Sind deshalb die Feds angerückt? Nein, unseres Wissens war Tallis das nicht. Wir vermuten, er arbeitet vielleicht mit dem organisierten Verbrechen zusammen, doch Kinder, nein, davon weiß ich nichts.«

»Sagt Ihnen der Name Iris Hampton etwas? Sie soll eine Prostituierte sein, ob Tallis Mädchen, wissen wir nicht«, meinte Phil. Sie dachte einen Moment nach, schüttelte den Kopf, aber nahm den Telefonhörer in die Hand und sprach mit einem Detective.

»Die Sitte kennt den Namen nicht, haben Sie ein Foto?«, erkundigte sie sich, nachdem der Anruf beendet war. Phil zeigte ihr das Bild auf seinem Handy. Sie ergriff sein Telefon und studierte das Foto lange. »Meine Güte, das ist Marly Henderson. Ja, sie war eine Prostituierte, doch sie wurde letztes Jahr erschossen«, erklärte sie und gab Phil sein Handy zurück.

»Wissen Sie, wer es war, ich meine, der Mörder?«

»Nein, ich weiß nicht, mit wem sich Marly angelegt hatte, doch sie wurde von einem Profi in den Kopf geschossen. Es war ein 6,72-Millimeter-Geschoss aus einem Präzisionsgewehr. Jemand hatte einen Hitman auf sie angesetzt. Wir konnten nichts finden.«

»Ist das durch die Presse gegangen?«, fragte ich, weil ich mich wunderte, dass Agent Burns davon nichts mitbekommen hatte. Wenn man ein Foto von Marly alias Iris veröffentlicht hätte, dann würde das bedeuten, Burns hätte uns doch angelogen.

»Nein, wir haben die Meldungen so kurz wie möglich gemacht und keine Bilder oder Namen rausgegeben. Es wurde als Raubmord an einer jungen Frau für die Medien aufbereitet. Unsere Abteilung für das organisierte Verbrechen versucht immer noch rauszubekommen, wer dahintersteckte. Es ist eigenartig, da Marly nur eine ganz gewöhnliche Straßenprostituierte war, wir haben sie zwei Mal verhaftet. An ihr war eigentlich nichts Außergewöhnliches, und das Motiv ist immer noch unser größtes Problem.« Sie sah mich einen Moment lang an und meinte dann: »Doch wie kommen Sie an das Foto und den Namen?«

»Nehmen Sie es mir nicht übel, doch ich muss diesen Satz sagen. Da es eine laufende Ermittlung ist, kann ich dazu keine Stellung nehmen«, leierte ich die Standardphrase herunter, und sofort presste Jacobson ihre Lippen zu einer harten Linie zusammen.

Wir besprachen den Fall Dunbar noch einmal, doch es ergab sich nichts Neues. Dann befragten wir den Lieutenant zu den Ereignissen, die im Zusammenhang mit dem FBI-Office in Cleveland standen. Der Fall, bei dem das Police Department Columbus und das FBI Cleveland aneinandergeraten waren, schien nicht so gravierend wie die Cincinnati-Fälle.

Mir entging jedoch nicht, dass Jacobson sehr emotional wurde, was diese Verhaftung anging. Wir hörten uns alles an, denn da wir schon einmal in Ohio waren, würden wir dem Field Office am Eriesee unter allen Umständen einen Besuch abstatten.

Es war draußen bereits stockdunkel und der Schneefall hatte zugenommen. Daher entschieden wir, für diese Nacht einfach in Columbus zu bleiben. Jacobson war immerhin so freundlich gewesen und hatte für uns zwei Zimmer im Hilton Downtown bestellt, das mit dem Wagen circa zwölf Minuten entfernt lag.

Wir kamen gegen halb sieben dort an. Ich raffte mich auf, in dem hauseigenen Studio laufen zu gehen, bevor wir uns um acht Uhr im Galerie-Bistro auf Lobby-Ebene zum Essen treffen wollten. Wir hatten vor, beim Abendessen den Cleveland-Fall kurz zu besprechen und dann zügig schlafen zu gehen, denn die unruhige Nacht steckte uns beiden noch in den Knochen.

Ich fühlte mich besser nach einer Stunde auf dem Laufband und wartete bereits in einer Nische am Tisch, als Phil endlich kam.

»Hast du geschlafen? Du siehst wieder einigermaßen fit aus«, begrüßte ich ihn, als er völlig leger in Jeans und einem grauen Pullover bei mir ankam.

»Nein, ich war ein paar Runden schwimmen und in der Sauna. Doch eins sage ich dir: Nach dem Essen habe ich genau das vor, nämlich schlafen.«

Wir gaben unsere Bestellung auf, und ich musste schmunzeln, da Phil trotz seiner angedeuteten Müdigkeit keine Gelegenheit ausließ, um mit der hübschen brünetten Bedienung zu flirten, die den blumigen Namen Rose trug.

»Hat der Tod von Marly alias Iris was mit den gefälschten Akten zu tun?«, fragte er urplötzlich und nahm einen großen Schluck Bud light, das Rose uns beiden hingestellt hatte.

»Mal den Teufel nicht an die Wand«, erwiderte ich und hoffte, dass die Steaks bald kamen, denn mir knurrte der Magen. »Wir reden von Mord. Ich meine die Hand aufhalten, um Kriminellen einen gewissen Schutz anzubieten, ist eine Sache, aber Mord? Ich habe im Übrigen vorhin kurz mit unserem Chef gesprochen. Er ist bereit, den Fall Marly Henderson an uns zu übergeben, aber erst wenn wir Cleveland und Detroit besucht haben. Aber auch nur, falls wir dort Anzeichen finden und der Verdacht sich erhärtet, dass es einen Zusammenhang geben könnte. Momentan bin ich nicht gerade scharf darauf, denn wenn die Section East den Fall an sich reißt, dann sind wir nicht nur die bösen Jungs bei den Cops, dann werden auch unsere Agents in Ohio hellhörig.«

Rose brachte das Essen und zwinkerte Phil zu, bevor sie wieder ging. Wir machten uns heißhungrig über die Steaks her, denn seit dem Frühstück hatten wir beide nichts mehr gegessen. Plötzlich hielt Phil nachdenklich inne und deutete mit seiner Gabel auf mich.

»Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass wir gerade in einem Wespennest rumstochern? Das gibt sowieso noch richtigen Ärger, egal ob wir den Mord vom Police Department abziehen oder nicht.«

»Du meinst, wegen des Falles, in den Cleveland sich eingemischt hat?«, vergewisserte ich mich und Phil nickte. »Immerhin hat der zu etwas Positivem geführt. Ein Geschäftsmann wurde verhaftet, der gemäß den Unterlagen, die auf seinem Computer sichergestellt wurden, eindeutig Geld gewaschen und Steuern hinterzogen hat. Hier ist auch an der Zuständigkeit nicht zu rütteln, denn wir bearbeiten Wirtschaftskriminalität, sobald Gelder auf die Caymans oder sonst wohin verschoben werden.«

»Dennoch hast du Jacobson gehört. Sie schwört, dass man ihn reingelegt hat. Sie sagte, er wäre der Mann in Columbus gewesen, der regelmäßig große Zuwendungen an das Police Department gemacht hat und aktiv die Verfolgung des organisierten Verbrechens unterstützte. Darum müssen wir uns die Frage stellen: Wurde er hintergangen?«

»Falls ja, dann hast du recht mit dem Wespennest, denn dann hätten wir einen Zuhälter und einen Drogendealer, die davongekommen sind, einen unbescholtenen Bürger, dem was angehängt wurde, und im schlimmsten Fall noch den Mord an Marly. Eigentlich sieht das alles aus wie die Arbeit der Mafia«, seufzte ich und legte mein Besteck auf den Teller.

»Einer FBI-Mafia«, fügte Phil ohne einen Funken Humor hinzu.

***

Phil schäumte immer noch vor Zorn, als wir Freitagmorgen in Richtung Detroit flogen. Natürlich hatte er allen Grund, denn der SAC und auch die wenigen Agents, die wir gestern in Cleveland getroffen hatten, hatten sich uns gegenüber abweisender verhalten, als Jacobson und ihre Leute es getan hatte.

Irgendwann war Phil der Kragen geplatzt und er hatte auf den Tisch gehauen, von Einträgen in die Personalakten gesprochen, doch auch diese Drohung hatte nichts bewirkt. Entweder hatten alle in diesem beschaulichen Field Office – das von außen aussah wie ein ländliches Rathaus, nur mit einem Sicherheitszaun umgeben – wirklich keine Ahnung oder sie logen das Blaue vom Himmel.

Die Verhaftung des prominenten Geschäftsmannes in Columbus war aufgrund eines anonymen Telefonanrufs vorgenommen worden. Die Details, die der Unbekannte an das FBI weitergegeben hatte, waren in den Augen des Field-Office-Leiters so brisant gewesen, dass er einem Zugriff ohne richterliche Verfügung zugestimmt hatte.

»Der Special Agent in Charge hatte die Autorität, so vorzugehen. Du weißt selbst, dass bei Gefahr in Verzug solch eine Aktion vorgenommen werden darf«, versuchte ich Phil zu beruhigen, der wütend auf seinem Laptop rumtippte.

»Einen National Security Letter auszustellen liegt nicht in seinem Autoritätsbereich. Glaubt dieser Clown denn, wenn er mit seiner Bande im idyllischen Cleveland hockt, kann er sich über alle Dienstvorschriften hinwegsetzen?«, brummte Phil.

»Phil, ich verstehe ja deine Frustration, doch jährlich werden über 200.000 NSL zugestellt, damit die Freigabe von Informationen veranlasst wird, ganz besonders bei Terrorismusverdacht. Manchmal muss es schnell gehen. Mit diesen profunden Einzelheiten über die Transaktionen der Gelder, die der Informant dem Agent zugespielt hat, hätte ich auch so gehandelt«, versuchte ich es noch einmal. »Außerdem hast du doch das Ergebnis gesehen: Da wurden Millionen von Geschäftskonten hin und her transferiert, ganz typisch für Geldwäschen. Eine Summe kommt rein, durchläuft verschiedene Banken, am besten noch eine auf den Caymans oder Virgin Islands, und dann wandert sie wieder raus aus dem Unternehmen, sauber. All das haben unsere Leute bei dem Verdächtigen gefunden, und nicht umsonst hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben.«

»Ist ja schon gut«, bellte mich Phil an. »Aber du und ich hätten wenigstens mal den anonymen Anruf hinterfragt. Es gibt keinen Deus ex machina im wahren Leben. Es tauchen nicht plötzlich irgendwelche Informanten auf, die solch einen Fall lösen. Verdammt, wir hätten uns gefragt, ob da nicht mit Absicht jemand in die Pfanne gehauen wurde.« Phil hatte so laut und zornig geredet, dass die Flugbegleiterin sich zu uns umgewandt hatte.

»Hey, reg dich ab, genau deshalb sind wir doch an der Sache dran. Wir setzen Mai-Lin darauf an. Wenn jemand von außerhalb an den Konten gedreht hat und in das System eingedrungen ist, dann findet sie es raus«, sagte ich und Phil holte tief Luft.

»Lass uns auch Concita hinzuziehen, bei Geldwäsche kennt sie alle Tricks«, meinte er schon ruhiger und die Flugbegleiterin servierte weiter die Getränke. Keine Ahnung, ob sie befürchtet hatte, dass die beiden FBI-Agents an Bord eine Schlägerei anfangen würden.

»Aber wehe, wenn die in Detroit nicht kooperativer sind, dann räume ich den Laden einmal richtig auf«, stellte er klar und fuhr die Website mit dem FBI-Bulletinboard hoch. Hier kamen täglich alle Meldungen herein, die von den einzelnen Field Offices, aber auch vom Headquarter und Quantico als Kurzmitteilungen ausgegeben werden. Ich sah auf den Bildschirm und tippte auf eine Information aus Detroit. Phil öffnete sie, ohne zu zögern.

»Es wird dort ein Agent des SWAT-Teams vermisst, eine Suche ist angelaufen«, murmelte Phil und ich sah mir das Foto des jungen Mannes an. Sein Name war Dennis Wander, ein Scharfschützenexperte.

»Na, dann rechne mal nicht mit Kooperation, so etwas ist immer schlecht für die Moral, und die Agents werden sich eher darauf konzentrieren, ihren eigenen Mann zu finden, als uns Rede und Antwort zu stehen«, raunte ich. Phil verzog den Mund.

»Mir geht dieser Job momentan gehörig auf den Wecker. Am liebsten wäre ich jetzt wieder in New York und würde ein paar harte Jungs jagen«, brummte Phil.

***

Wir parkten in der Tiefgarage des McNamara Federal Building Detroit, in dem sich das FBI, eine Außenstelle des Secret Service und auch ein Büro der Homeland Security befanden. Detroit hatte den Schneeeinbruch so weit gut im Griff, alle Straßen waren frei. Der Mann von der Autovermietung hatte uns geraten, einen Wagen der höheren Kategorie zu nehmen, da in den nächsten Tagen der Winter mit aller Macht zuschlagen würde. Daher stiegen wir jetzt aus einem sehr luxuriösen Grand Cherokee, als wir das Röhren eines Sportwagens hörten. Der weiße Audi R8 fuhr schnittig auf den Parkplatz neben uns.

»Nettes Auto«, sagte ich zu dem gut aussehenden Mann, der ausgestiegen war. Der große athletische Agent trug sein Haar etwas zu lang für FBI-Vorschriften und seine dunkelblauen Augen taxierten uns argwöhnisch.

»Kennen wir uns?«, fragte er mit einem anmaßenden Unterton.

»Inspektor Cotton und Decker aus Washington«, erwiderte ich und hielt ihm die Hand hin. Er blickte auf meine ausgestreckte Hand, dann auf die Ausweise, die wir an unseren Mänteln befestigt hatten.

»Special Agent Richard Walls. Sie wollen zu uns?«, fragte er und schob seine Hände in die Taschen seines Wintermantels, sodass ich meine Hand zurückzog. Ich nickte und wunderte mich mittlerweile nicht mehr über die Unfreundlichkeiten, die man uns entgegenbrachte.

»Sechsundzwanzigster Stock, eine Swipe Card haben Sie, oder?«, meinte er und wieder nickte ich nur. »Na, dann sehen wir uns später«, meinte er und ging auf den Aufzug zu, in dem er verschwand.

»Herzlich willkommen in Detroit, meine Herren, schön Sie zu sehen«, brummte Phil zynisch, nachdem wir wieder allein waren, und nahm seinen Rucksack aus dem Wagen.

»Ein Special Agent mit einem 180.000-Dollar-Auto und einem Kaschmirmantel, den man auch nicht unter tausend Dollar bekommt. Ja, herzlich willkommen in Detroit«, kommentierte ich und wir gingen zum Aufzug.

Der Chef des Detroiter Büros, SAC Billings, war einer dieser Männer, die es nicht für nötig hielten, regelmäßig Sport zu treiben. Er wirkte auf mich wie ein Bürokrat, der lieber delegierte, als selbst etwas in die Hand zu nehmen. Ich musste zugeben, er war mir mit seinem feisten Gesicht von der ersten Minute an unsympathisch. Er schwitzte sichtlich, nachdem wir vor seinem Schreibtisch Platz genommen hatten. Immerhin hatte man uns einen Kaffee angeboten.

»Meine Agents sind handverlesen«, sagte er viel zu schnell und vorwurfsvoll defensiv. Dabei hatte Phil ihn nur darüber informiert, dass wir uns einige Fälle des letzten Jahres und die entsprechenden Einsatzleiter ansehen wollten.

»Das scheint mir auch so, denn wir haben Special Agent Walls kennengelernt«, versuchte ich den Mann noch weiter zu verunsichern.

»Richard, er ist einer der Besten! Kommt vom Bureau in Miami, ist ein Spezialist für Gewaltverbrechen und hat enorme Kenntnisse auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität.«

»Ja, und fährt einen Wagen, der sein Jahresbruttoeinkommen bei weitem übersteigt«, konterte Phil.

»Nun ja, seine Frau ist vermögend. Ich habe ihm schon öfter gesagt, dass er nicht so provozierend auftreten soll, doch ich kann ihm nicht vorschreiben, welchen Wagen er privat fährt«, erwiderte er und schien sich ein bisschen zu beruhigen. »Aber bitte, dann reden Sie mit ihm, er war der Leiter des Falles, dem Selbstmord, den Sie angedeutet haben.«

»Was ist mit dem anderen Agent, Pearson, und seinem Partner? Die beiden haben den Drogenring aufgedeckt, an dem das Police Department Detroit seit einem Jahr ermittelte.«

»Ja, wir konnten zwölf Verdächtige verhaften, alle wurden angeklagt und sitzen jetzt ihre Strafe ab. Nick Pearson und sein Partner sind absolut integer. Er war lange Zeit undercover beim organisierten Verbrechen in Chicago, dann zusammen mit seinem Partner Dan Sawbright bei der Drogenfahndung des FBI in Illinois. Beide wurden mehrfach ausgezeichnet«, meinte der SAC voller Lob. Dann wurde er ernst. »Bitte seien Sie nicht zu hart, wenn Sie mit meinen Leuten sprechen, wir vermissen einen Agent und die Stimmung ist sowieso schon angespannt.«

»Davon haben wir gehört. Gibt es schon Neuigkeiten von Ihrem SWAT-Mann?«

»Ja, die Polizei hat heute seinen Wagen in einer Tiefgarage gefunden, ganz in der Nähe unseres Büros, er selbst ist aber spurlos verschwunden.«

***

»Was wollen die Inspektoren aus Washington hier?«, fragte er und drückte das Handy fest ans Ohr.

»Sie wollen sich ein paar Fälle vom letzten Jahr ansehen, die Drogenring-Geschichte und den Selbstmord. Sie sagen, es ist Routine, und ich glaube, es gibt keinen wirklichen Verdacht, sonst wären die beiden anders aufgetreten«, erwiderte sein Gesprächspartner hektisch, doch seine schrille Stimme verriet, dass er seinen eigenen Worten nicht glaubte.

»Scheiße, sieh zu, wie du das hinbiegst, du sitzt im selben Boot, vergiss das nicht.« Ohne auch nur eine Antwort abzuwarten, unterbrach er das Gespräch und drückte eine Kurzwahltaste.

»Apple, ich hoffe, du hast gute Nachrichten. Neuigkeiten von deinem Hitman? Unser neuer Kunde wartet!«, meldete sich sein Geschäftspartner.

»Du nennst mich noch einmal Apple und ich bringe dich um!«

»Wow, so gestresst, was ist los?«, fragte sein Partner jetzt besorgter.

»Hier ist die Hölle los. Sein Auto haben sie gefunden, doch unser Mann ist immer noch nicht wieder aufgetaucht, dafür aber zwei Inspektoren aus Washington, die schnüffeln rum. Du musst alles auf Halt setzen, ich kann mich momentan nicht bewegen, hörst du«, erwiderte er.

»Routine oder haben die von etwas Wind bekommen?«

»Sie haben explizit nach zwei unserer Aufträge gefragt und wollen mit den Beteiligten sprechen.« Es war einen Moment lang still am anderen Ende.

»Du musst was unternehmen«, kam es plötzlich von seinem Partner, und das war keine Bitte, sondern ein Befehl.

»Ach, vielen Dank«, erwiderte er sauer und dann schrie er: »Und was, Rico?«

»Schaff die beiden aus dem Weg.«

»Das sind zwei Inspektoren, ganz hohe Tiere, wenn denen hier in Detroit was passiert, dann kommt als Nächster der FBI Director persönlich. Wie stellst du dir das vor?« Er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Rico wollte, dass er die beiden ausschaltete! Das ging nicht, und schon gar nicht, da er den Profikiller verloren hatte.

»Meine Güte, Apple, sei doch mal kreativ. Am Sonntag wird Detroit in Schneemassen untergehen, die Inspektoren sind Bürokraten aus Washington und kennen sich mit eurem harten Wintern nicht aus. Sie werden unvorsichtig sein, einen Unfall haben und irgendwo in der Einsamkeit in ihrem Wagen erfrieren!«

»Du bist verrückt, wie soll ich die denn aus der Stadt bekommen?«

»Dein Hitman, bist du dir sicher, dass er tot ist?«, fragte er, anstatt zu antworten.

»Ja, das muss er sein. Er würde niemals seine Tochter so lange allein lassen, ohne sich zu melden. Du weißt doch, was er für die Kleine alles tut. Ich befürchte, du hast recht, die Bodyguards von Villagé haben ihn erwischt und verschwinden lassen. Warum?«

»Ich drehe was und sorge dafür, dass die Inspektoren morgen nach Toronto verschwinden. Sonntagmorgen wird der Flughafen von Detroit schließen, damit sind sie gezwungen, mit dem Auto zurück nach Detroit zu fahren. Sie müssen dann 150 Meilen durch die Wildnis, und das in einem Schneesturm. Sie werden einen Unfall haben. Inszeniere was!«

»Und wer sagt dir, dass die beiden den Sturm nicht in Toronto aussitzen?«

»Weil du sie Sonntag anrufst. Ihnen mitteilst, dass du weißt, wer der Maulwurf ist. Sag ihnen, du fürchtest um dein Leben und daß er sich absetzen wird, wenn sie nicht gleich nach Detroit zurückkommen.«

»Rico, die sind nicht auf den Kopf gefallen, da muss ich mir schon was Besseres überlegen«, meinte er und stöhnte.

»Dann tu das, ich bin dein Partner in unserem Unternehmen und nicht der Mann, der deine Probleme löst. Du musst im Vorfeld gepfuscht haben, sonst wären die beiden gar nicht erst hier«, knurrte Rico ihn an. »Ach, und beschaffe einen neuen Hitman, wir müssen die Aufträge ausführen, die wir angenommen haben. Die Leute, mit denen wir arbeiten, sind gefährlicher als zwei Bürohengste aus Washington!«

***

Wir hatten mit Pearson und seinem Partner Sawbright gesprochen. Die beiden machten einen vernünftigen Eindruck und hatten sehr offen über den Drogenring-Fall geredet. Sie hatten sogar zugegeben, dass ihnen der Tipp des Informanten sehr eigenartig vorgekommen war, dennoch hatten sie gehandelt.

Es stimmte, dass die Carrena Gang schon lange auf dem Radarschirm des Field Office war, und sie hatten zwölf Bandenmitglieder dingfest machen können. Was die beiden Agents zu dem Zeitpunkt nicht wussten, war, dass die Polizei die Carrena Gang auch im Visier hatte, doch nicht um die kleine Drogendealerbande hochgehen zu lassen, sondern ein großes Tier aus Guatemala.

Der hatte sich für einen Besuch angesagt und das Detroit Police Department sah seine große Chance, die leider durch den Einsatz unserer Agents zunichte gemacht worden war. Nachdem die Verhaftung der Carrenas publik wurde, kam der Mann aus Guatemala nie in Detroit an.

»Gut, dann schauen wir diesem Agent Walls auf die Finger«, sagte ich zu Phil und wir studierten die Akten des als Selbstmord geschlossenen Falles. Dieser Fall übertraf alle Merkwürdigkeiten, die wir in den letzten vier Tagen zu sehen und zu hören bekommen hatten. Die Polizei von Detroit war zu dem Suizid einer jungen Frau gerufen worden.

Ihr Ehemann, ein angesehener Politiker im Umfeld des Bürgermeisters, hatte sie am Abend gefunden. Mit Schlaftabletten und einer Menge Alkohol hatte sich Claudia Dentan im Laufe des Nachmittags umgebracht. Es gab einen Abschiedsbrief der Frau, in dem sie ihre Depressionen für den Schritt verantwortlich machte.

Die Detectives waren noch vor Ort, um den Ehemann zu verhören, als Agent Richard Walls dort auftauchte. Ohne zu zögern, verhaftete er Daniel Dentan wegen Mordes, schmiss das Police Department aus dem Haus und forderte FBI-Forensiker an.

Die Detectives wandten sich sofort an ihren Captain und der an den Bürgermeister. SAC Billings pfiff seinen Agent zurück, ließ den Ehemann frei und überließ der Polizei wieder den Fall.

Agent Walls hatte in dem Bericht angegeben, dass Claudia Dentan seine Informantin war und vorhatte, gegen ihren Ehemann wegen Korruption mit Immobiliengeschäften auszusagen. Er hatte sie an dem besagten Abend ihres Todes treffen wollen, Claudia Dentan hatte vorgehabt, ihm brisante Unterlagen zu übergeben, und Walls hatte ein Safehaus für sie vorbereitet.

Da Agent Walls nichts in der Hand hatte – die wenigen Gespräche mit seiner sogenannten Informantin waren noch nicht einmal von ihm aufgezeichnet worden –, musste er sich persönlich bei dem Ehemann und dem Bürgermeister für sein Vorgehen entschuldigen. Eine harte Zurechtweisung von seinem Boss Billings und der Eintrag in die Personalakte waren dazugekommen.

»Warum sollte er so etwas inszenieren?«, fragte ich.

»Vielleicht wollte er diesen Dentan in die Pfanne hauen, wie man es mit dem Geschäftsmann in Columbus gemacht hat. Dabei fällt mir ein: Hast du schon mit Mai-Lin und Concita gesprochen?« Phil sah mich an und ich nickte.

»Hab ich, sie sind an dem Fall dran und melden sich, sobald sich etwas ergibt. Also, du meinst, jemand hat Walls darauf angesetzt, diesen Dentan zu ruinieren?«

»Könnte sein. Wenn die Detectives nicht so schnell und rigoros reagiert hätten, dann hätte Walls die forensischen Beweise manipulieren können, und aus einem Selbstmord wäre im Handumdrehen ein Mord geworden.«

»Dann holen wir ihn mal rein. Soll er uns doch erzählen, was hinter der Sache steckt.«

Phil war rausgegangen, um den Agent hereinzubitten, doch nach einer Weile hörte ich ihn, wie er laut wurde, und fand ihn an der Rezeption.

»Das ist doch nicht Ihr Ernst«, schnauzte er den jungen Verwaltungsangestellten an. »Sie haben Agent Walls doch darüber informiert, dass wir mit ihm sprechen wollen«, bellte er, als ich dort ankam, und ich sah, dass der blasse Mann nur ängstlich nickte.

»Was ist los?«, fragte ich Phil, der sich mit beiden Händen, um Beherrschung ringend, durch die Haare fuhr.

»Agent Walls ist nach Hause gefahren, Freitagnachmittag geht er immer früher«, knurrte er und sah wütend auf den Rezeptionisten.

»Ich habe es ihm gesagt Sir, wirklich. Er meinte, ich soll Ihnen ein schönes Wochenende wünschen, am Montag stände er Ihnen zur Verfügung. Tut mir leid, Sir, ich konnte ihn nicht aufhalten.«

»Wo ist Billings?«, fragte ich und war in dem Moment genauso zornig wie mein Partner.

»Auch schon weg, es sind nur noch Agent Pearson, Agent Sawbright und ein paar Verwaltungsangestellte im Office«, meinte der junge Mann vorsichtig, deutete auf die Wanduhr und zog vorsichtshalber die Schultern ein.

»Geben Sie mir die Privatadresse von Agent Walls«, bat ich ihn.

»Natürlich, Sir.«

***

Keine fünf Minuten später saßen wir in unserem Cherokee. Phil gab die Adresse ins Navi ein und ich raste aus der Tiefgarage, nahm dann aber das Tempo zurück, da mir einfiel, dass wir kein Blaulicht in dem Wagen hatten und ich mich an die Straßenverkehrsordnung halten musste.

Wir waren erst etwas irritiert, als ich nach zwanzig Minuten von der Jefferson Avenue, die parallel zum Detroit River nordöstlich verlief, rechts in ein Gebiet fuhr, das wie ein ehemaliges Gewerbegebiet aussah. Hier gab ich Gas und donnerte die schneebedeckte St. Jean Street hinunter und wäre fast vorbeigefahren.

Auf der linken Seite befand sich die Einfahrt zu den Morgan Waterfront Estates. Das Wohngebiet war erbaut auf einer Landzunge, umgeben vom Wasser des Detroit River. Darauf sah man abgedeckte oder aufgedockte Jachten und Segelboote, die man über einen Steg direkt von der Rückseite der Gebäude erreichen konnte.

Das Gebiet war eingezäunt und nur durch eine Schranke mit Wärterhäuschen zu passieren. Wir wiesen uns aus und der Wachmann rief bei Walls an. Der Audi R8 stand vor der Villa, anders konnte man das prächtige Haus mit den Giebeln und kleinen Spitztürmen nicht nennen.

Als wir ausstiegen, sahen wir Agent Walls. Er lehnte am Rahmen der offenen Haustür, trug jetzt einfache Jeans und ein Sweatshirt des Bootsclubs.

»Kommen Sie rein, ich habe Sie bereits erwartet«, meinte er. Walls kaute auf einem Zahnstocher herum und ich sah ein Lächeln auf seinem Gesicht. Phil sah mich vollkommen verwirrt und unglaublich zornig an. Wir folgten Walls in ein sehr gemütliches und sündhaft teures Wohnzimmer. Im Kamin brannte ein Feuer und es war angenehm warm.

»Wissen Sie, Agent Walls, Sie haben Nerven, einfach so abzuhauen. Einen Eintrag in Ihre Personalakte haben Sie schon, ich denke, jetzt folgt der nächste«, knurrte Phil ihn an, doch Walls grinste nur wie ein kleiner Junge, der mächtigen Spaß an der Situation hatte.

»Verzeihen Sie mir, aber bevor ich Ihnen alles sage, lassen Sie uns noch einen Moment warten, bis Eve hier ist. Möchten Sie was trinken?«, meinte er recht gelassen.

»Warum sollten wir auf Ihre Frau warten?«, polterte Phil. »Sie werden uns erklären, was letztes Jahr im Fall Dentan los war, dafür brauchen wir Ihre Frau nicht.« Ich hatte das Gefühl, das hier irgendetwas ganz und gar nicht stimmte, konnte aber meinen Finger nicht drauflegen. Walls stand uns immer noch ganz entspannt gegenüber, hatte die Augenbrauen hochgezogen und sah Phil amüsiert an.

»Meine Frau? Na ja, so etwas Ähnliches, aber wiederholen Sie das ja nicht vor Eve, die kratzt Ihnen sonst die Augen aus«, meinte er, und dann hörten wir das tiefe Brummen eines Sportwagens. Durchs Fenster sah ich, wie ein schwarzer Porsche Targa im Schnee auf die Auffahrt schlitterte und perfekt neben dem Audi hielt. Eine überaus attraktive große Frau mit einer Pelzmütze, passender Jacke und Stiefeletten kam auf das Haus zu. Walls ging zur Tür und begrüßte sie mit einem lapidaren »Hey«.

»Sind sie schon da?«, fragte sie mit einer Stimme, die dunkel und selbstbewusst klang. Sie kam herein und nahm ihre Mütze ab, sodass sich ihr brünettes langes Haar in Wellen über ihre Schultern verteilte. Sie zog die Jacke aus und kam auf Phil und mich zu.