Jerry Cotton Sammelband 54 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sammelband 54 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Fünf actiongeladene Fälle und über 300 Seiten Spannung zum Sparpreis!
G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!
Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

In diesem Sammelband sind 5 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:
Jerry Cotton 3045 - Leichen lachen lautlos
Jerry Cotton 3046 - Die falsche Frage
Jerry Cotton 3047 - Tödliche Augenblicke
Jerry Cotton 3048 - Das Mörder-Spiel
Jerry Cotton 3049 - Erbarmungslos

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
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Seitenzahl: 649

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Jerry Cotton
Jerry Cotton Sammelband 54

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2015 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © shutterstock: stockcreations | yexelA

ISBN: 978-3-7517-6509-1

https://www.bastei.de

https://www.sinclair.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Jerry Cotton Sammelband 54

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Jerry Cotton 3045

Leichen lachen lautlos

Jerry Cotton 3046

Die falsche Frage

Jerry Cotton 3047

Tödliche Augenblicke

Jerry Cotton 3048

Das Mörder-Spiel

Jerry Cotton 3049

Erbarmungslos

Guide

Start Reading

Contents

Leichen lachen lautlos

»Hey, was soll das?«, stieß der Fahrer des Gefangenentransporters plötzlich aus und trat auf das Bremspedal.

Doch es war zu spät. Er knallte mit voller Wucht auf den LKW vor ihm, der plötzlich gebremst hatte.

Die Insassen des Transporters wurden in Fahrtrichtung geschleudert. Ein Wachmann prallte mit seinem Kopf vor eine Stange und verlor das Bewusstsein. Der Fahrer konnte nur benommen wahrnehmen, wie zwei bewaffnete Männer in den Transporter eindrangen, die Gefangenen befreiten und wieder verschwanden.

»Sie kommen früher als erwartet«, sagte Joshua Festral zu seinen Befreiern, als er das Fahrzeug verließ. Er holte tief Luft. »Endlich wieder in Freiheit. Das tut wirklich gut!«

Phil und ich trafen Dorothy Taylor, die Sekretärin unseres Chefs, als wir gerade auf dem Weg zu ihr waren.

»Guten Morgen, Dorothy«, begrüßte ich sie. Phil nickte ihr zu.

»Guten Morgen, Jerry, Phil. Gut, dass ich Sie treffe, Assistant Director High will Sie dringend sprechen. Der Director erwartet Sie.«

»Director Fuller?«, fragte ich überrascht. »Was ist denn passiert? Gibt es Schwierigkeiten?«

»Ich hörte irgendetwas von einem Gefängnisausbruch«, antwortete Dorothy. »Genaues weiß ich aber leider auch nicht. Ist wohl unten in Florida passiert.«

»Kam schon was in den Nachrichten?«, fragte ich Phil.

Der schüttelte den Kopf. »Ich habe nichts mitbekommen. Kann gut sein. Florida ist weit weg, vielleicht interessieren sich die hiesigen Medien nicht so sehr dafür, was da unten passiert. Sie haben nicht zufällig gehört, wer ausgebrochen ist?«

»Nein, wie gesagt, ich weiß nichts Genaues«, antwortet Dorothy.

Wir machten uns auf den Weg zu Mr Highs Büro und klopften an.

»Herein«, hörte ich seine Stimme und öffnete die Tür.

Er erhob sich gerade aus seinem Bürostuhl und kam auf uns zu. »Kommen Sie mit, der Director erwartet uns.«

Wir folgten ihm, ohne Fragen zu stellen, wobei ich Phil ansehen konnte, dass er sich zurückhalten musste. Auch ich hatte Fragen, wusste aber, dass sie in Kürze beantwortet werden würden.

Wir betraten Director Fullers Büro. Der Leiter des FBI begrüßte uns in seiner üblichen konservativen Art, erschien mir diesmal sogar etwas freundlicher als sonst. Einen Augenblick lang hatte ich die Idee, einen Hauch von Sorge in seiner Stimme zu erkennen.

»Gut, dass Sie so schnell kommen konnten«, sagte er. »Vor wenigen Stunden ist ein Gefangenentransport in Florida überfallen worden. Die beiden Begleiter, Fahrer und Wachmann, wurden verletzt, es geht ihnen aber den Umständen entsprechend gut. Es waren fünf Häftlinge an Bord, die zu einem anderen Gefängnis mit geringerer Sicherheitsstufe verlegt werden sollten. Sie sind alle geflohen. Es ist davon auszugehen, dass die Aktion einem gewissen Joshua Festral galt, einem ehemaligen New Yorker Gangsterboss. Ich gehe davon aus, dass Ihnen der Name bekannt ist.«

Wir nickten.

»Oh ja«, sagte Phil. »Es war ein hartes Stück Arbeit, ihn hinter Gitter zu bringen. Jerry und ich hatten ihn damals in Florida geschnappt, als er seine Drogenlieferungen aus Mittelamerika erweitern wollte. Wenn ich mich recht entsinne, hat er lebenslänglich bekommen, nicht wahr?«

»Genauso ist es«, bestätigte Fuller. »Die Suche nach den Flüchtigen, inklusive Festral, läuft bereits. Ich habe keinen Zweifel, dass wir die vier anderen Häftlinge schnell wieder verhaften werden. Was Festral betrifft, denke ich, dass es schwieriger sein wird, da seine Flucht gut geplant war.«

»Die anderen hat man sicher nur als Ablenkungsmanöver befreit«, bemerkte ich.

Director Fuller nickte. »Davon ist auszugehen. Und sicher werden wir auch Festral in absehbarer Zeit wieder hinter Gitter gebracht haben. Das ist auch nicht der Grund, aus dem ich Sie sprechen wollte.«

»Nicht?«, fragte Phil überrascht. »Ich dachte, wir sind hier, um ihn aufzuspüren und zu verhaften.«

Der FBI-Director schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht. Sie sind hier, weil ich Sie warnen möchte. Nach der Flucht wurde seine Zelle durchsucht und Mitgefangene befragt. Den Ermittlungsbeamten kam ein Gerücht zu Ohren, nämlich dass Festral sich an Ihnen beiden persönlich rächen will.«

Phil lächelte verwegen. »Na prima, dann soll er mal kommen.«

Director Fuller und Mr High warfen ihm einen ernsten Blick zu.

»Was Inspector Decker sagen wollte, ist, dass das ein Hinweis darauf sein könnte, wohin er gehen wird. Und natürlich auch eine Möglichkeit, seiner habhaft zu werden«, sagte ich.

»Sie sind hier, weil ich Sie über diese Gefahr informieren will«, sagte Director Fuller. »Und weil ich will, dass Sie eine Weile von der Bildfläche verschwinden. So lange, bis die Situation in Ordnung gebracht worden ist und wir Festral gefasst haben. Mir missfällt der Gedanke, dass zwei unserer Inspektoren als Zielscheiben durch die Gegend laufen.«

Ich nickte verstehend, registrierte aber Phils unzufriedenen Gesichtsausdruck, den ich nur zu gut nachvollziehen konnte, und dachte nach. Natürlich wäre es sicherer für uns, eine Zeit lang unterzutauchen. Aber wie lange würde es dauern, bis man Festral finden würde?

Wenn seine Flucht von langer Hand geplant war, wovon auszugehen war, hatte man sich sicher auch Gedanken darüber gemacht, wie man ihn verstecken konnte. Nein, das würde sicher keine Sache von wenigen Tagen werden.

»Sir, sosehr ich Ihre Sorge verstehen kann, teile ich doch Inspektor Deckers Idee, aktiv an der Suche teilzunehmen«, sagte ich. »Festral war ein gut vernetzter New Yorker Gangsterboss und hat sicher einen durchdachten Plan. Vielleicht taucht er erst einmal unter und wartet, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Es werden sicher Wochen vergehen, wenn nicht sogar Monate, bis wir seiner habhaft werden, wenn wir auf konventionelle Weise vorgehen. Sollen wir so lange untätig sein? Hinzu kommt, dass die Gefahr, von seinen Leuten entdeckt zu werden, mit zunehmender Zeit steigt. Somit arbeitet die Zeit in diesem Fall für ihn und gegen uns. Entsprechend würde ich eine aktivere Vorgehensweise bei der Suche nach ihm bevorzugen und auch empfehlen.«

Director Fuller schaute mich einen Augenblick lang schweigend an, richtete dann seinen Blick auf Mr High.

»Ich habe Ihre Argumente zur Kenntnis genommen«, sagte er schließlich. »Und ich werde das mit Assistant Director High besprechen. Meine Herren Inspektoren, wenn Sie uns bitte allein lassen würden.«

Phil und ich nickten, standen auf und verließen das Büro.

»Vielleicht hätte ich lieber meinen Mund halten sollen«, meinte Phil, nachdem wir die Tür geschlossen hatten.

»Vielleicht«, sagte ich. »Aber letztlich hast du nur gesagt, was ich auch denke.«

Phil lächelte. »Ja, aber du hast es besser verkauft. Was denkst du, ob Festral wirklich hinter uns her ist? Der war ja damals ziemlich überrascht, als wir ihn auf frischer Tat ertappt haben.«

»Er war ein ziemlich aggressiver und jähzorniger Mann«, sagte ich nachdenklich. »Könnte sein, dass das Gefängnis daran nichts geändert hat. Wenn man lebenslänglich hat, braucht man etwas, an dem man sich festhalten kann, das einem die Kraft verleiht, durchzuhalten. Vielleicht war seine Motivation, es uns heimzuzahlen.«

Phil seufzte. »Na prima, dann können wir uns ja auf einiges gefasst machen. Ist ja nicht das erste Mal. Wobei wir diesmal gewarnt sind. Aber wie auch immer, ich verkrieche mich nicht in irgendeinem Loch, nur weil es Gerüchte gibt, die darauf hindeuten, dass uns der Kerl an den Kragen will.«

»Noch ist nichts entschieden«, sagte ich ruhig. »Vielleicht kann Mr High Fuller umstimmen. Wäre nicht das erste Mal. Unser Boss weiß, wie man mit Leuten wie Fuller umgeht. Ich glaube nicht, dass wir uns verkriechen müssen.«

»Na, hoffentlich«, sagte Phil und schaute auf die Uhr.

***

Wir warteten. Ganz so schnell, wie ich gedacht hatte, kamen die beiden nicht zu einer Einigung. Ich wertete das als schlechtes Zeichen, obwohl ich davon ausgegangen war, dass Mr High die Entscheidung in unserem Sinne beeinflussen konnte.

Phil schaute erneut auf die Uhr. »Jetzt haben wir schon Viertel nach. Und ich …«

Er hielt inne. Die Tür von Director Fullers Büro öffnete sich und Mr High trat heraus, allein.

»Folgen Sie mir bitte«, sagte er und ging in Richtung seines Büros.

Wir folgten ihm. Wieder wurde unsere Neugier auf die Folter gespannt. In seinem Büro angekommen, informierte er uns endlich.

»Director Fuller weiß Ihre Arbeit zu schätzen«, fing er an. »Das steht außer Frage. Gerade deshalb ist er um Ihre Sicherheit besorgt. Joshua Festral ist ein Mann, den man nicht unterschätzen sollte. Auch wenn er wegen Drogenhandels angeklagt und verurteilt wurde, gehen wahrscheinlich über ein Dutzend Morde auf sein Konto, die ihm nicht nachgewiesen werden konnten. Sie wissen das, ich wollte es Ihnen nur wieder ins Gedächtnis rufen. Und klarstellen, warum es Director Fuller vorziehen würde, zwei seiner besten Männer aus der Schusslinie zu bringen.«

Er hielt inne.

»Und?«, fragte Phil. »Was bedeutet das jetzt?«

Mr High zeigte den Hauch eines Lächelns. »Director Fuller ist natürlich für gute Vorschläge offen. Und gewillt, Aufwand und Nutzen, Risiko und potenziellen Erfolg gegeneinander abzuwägen. Und er ist unter gewissen Umständen auch für Kompromisse offen. So wie im vorliegenden Fall.«

»Kompromisse? Sir, das hört sich nicht gut an«, sagte Phil.

»Es wird folgendermaßen laufen«, ließ Mr High die Katze aus dem Sack. »Sie werden die Suche nach Festral leiten, den kompletten Fall, wenn erforderlich, auch im Außendienst. Aber Sie erhalten zu Ihrem Schutz mindestens zwei Agents zugeteilt, die auf Sie aufpassen.«

»Babysitter?«, erwiderte Phil überrascht.

»Nennen Sie es, wie Sie wollen«, sagte Mr High. »Das ist die Bedingung, die der Director stellt. Wenn Sie sie akzeptieren, haben Sie den Fall, sonst nicht. Es ist Ihre Entscheidung.«

»Wir nehmen ihn natürlich an«, sagte ich. »Kann nicht schaden, ein paar Agents zur Verstärkung in der Nähe zu haben. Und wenn Director Fuller dann zufrieden ist, umso besser.«

Mr High nickte und schaute Phil schweigend an.

»Ich komme damit auch klar«, sagte Phil. »Steht schon fest, wer die Agents sein sollen?«

Mr High schüttelte den Kopf. »Nein, darum wollte sich der Director persönlich kümmern. Sollte aber nicht lange dauern.«

»Das ist gut«, sagte Phil. »Wir werden nämlich kurzfristig mit den Ermittlungen beginnen. Direkt nach dem Essen.«

»Dann werde ich Miss Taylor bitten, Ihnen die Unterlagen der Flucht zukommen zu lassen. Wissen Sie schon, wo Sie ansetzen werden? In Florida?«

Ich lächelte. »Das werden wir noch besprechen, aber ich denke, wir fliegen nach New York. Dort hat Festral seine Kontakte, dort befindet sich seine Organisation oder das, was von ihr übrig geblieben ist. Und da er es auf uns abgesehen hat, wird er dort hinkommen, wenn wir dort sind.«

Mr High schaute nachdenklich drein. »Das könnte aber auch gegen New York sprechen, denn dort ist er aufgrund der potenziellen Unterstützung in einer besseren Position als anderswo.«

»Ja, das stimmt«, sagte ich. »Wir aber auch. Wie gesagt, darüber müssen wir uns noch den Kopf zerbrechen.«

»Gut, machen Sie das«, sagte Mr High. »Halten Sie mich auf dem Laufenden. Und passen Sie auf sich auf!«

»Machen wir doch immer«, sagte Phil. »Aber danke, Sir.«

Wir verließen das Büro und gingen in Richtung Ausgang.

»So, ich denke, einmal können wir noch gefahrlos essen gehen«, meinte Phil.

Ich lächelte. »So gefahrlos, wie es bei unserem Job sein kann.«

***

»Es ist schon anders, wenn man weiß, dass es jemand auf einen abgesehen hat«, sagte Phil beim Essen. »Irgendwie schaut man sich öfter um und nimmt die Umgebung anders wahr.«

Ich nickte. »Ja, stimmt. Ist ja auch verständlich, es besteht ja eine erhöhte Alarmstufe. Aber verrückt machen sollte man sich trotzdem nicht. Vor allem im Moment nicht. Es ist unwahrscheinlich, dass Festral sich in unserer Nähe aufhält.«

»Er könnte aber jemanden damit beauftragt haben, uns zu entführen und zu ihm zu bringen«, argumentierte Phil.

»Gut möglich«, sagte ich und schnitt ein Stück meines blutigen Steaks ab. »Es wäre aber auch möglich, dass das Ganze nur ein Versuch ist, uns Angst einzujagen. Wenn Festral aus seinem Loch kriecht, um sich an uns zu rächen, steigt die Chance, entdeckt zu werden. Das muss man auch bedenken.«

Phil schaute sich um und richtete seinen Blick dann wieder auf mich. »Ich glaube, er handelt eher emotional gesteuert als abhängig von Logik oder gesundem Menschenverstand. Abgesehen davon wäre das eher ein weiterer Grund, uns entführen zu lassen, dann müsste er nicht selbst ans Tageslicht kommen.«

»Logisch oder impulsiv, dumm ist der Kerl nicht, sonst hätte er es niemals geschafft, sich eine solche Organisation aufzubauen«, sagte ich. »Hast du etwas dagegen, dass wir die Suche in New York beginnen?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, absolut nichts. Da haben wir unsere Connections, das ist unsere Stadt, keine Frage. Ich hätte nichts dagegen, dort auf ihn zu treffen. Und wenn er wider Erwarten nicht dort auftaucht, fliegen wir eben weiter.«

»Gut, dann wäre das geklärt. Fliegen wir nach New York«, sagte ich und erledigte den Rest meines Steaks.

Wir verließen das Restaurant ein paar Minuten später und wollten uns gerade auf den Weg zur FBI-Zentrale machen, als mir ein Wagen mit zwei Personen darin auffiel.

»Wagen auf neun Uhr«, sagte ich zu Phil, der gerade einsteigen wollte.

Er schaute unauffällig in die Richtung.

»Sehen nicht wie Gangster aus«, meinte er. »Ich tue mal so, als hätte ich was im Restaurant vergessen, und schleiche mich dann von hinten an sie ran. Melde mich über Handy.«

Ich nickte, stieg in den Wagen und beobachtete die Umgebung. Ob das bereits die Vasallen von Festral waren, die uns belauerten? Ich bezweifelte es. Dabei kam mir eine andere Idee, wer die beiden sein mochten.

Mein Handy klingelte. Phil war dran. »Ich bin so weit. Willst du drehen und ihren Wagen blockieren?«

»Gute Idee«, sagte ich. »Halte dich bereit, es geht gleich los.«

Ich beobachtete den Verkehr. Als sich eine Gelegenheit ergab, startete ich den Motor. Ich fuhr los, drehte, fuhr ein paar Yards und drehte wieder – und hielt direkt neben dem Wagen an, sodass der Fahrer seine Tür nicht mehr öffnen konnte. Dann sprang ich aus dem Wagen heraus und war bereit, meine Waffe zu ziehen. Phil stand neben der Beifahrerseite des Wagens und hatte seine Hand an der Waffe.

Erst jetzt konnte ich genauer erkennen, wer im Wagen saß. Es handelte sich um einen Mann und eine Frau. Der Mann saß am Steuer.

»Guten Tag«, sagte Phil zu der Frau, die das Seitenfenster auf ihrer Seite herunterließ. »FBI. Hätten Sie die Güte auszusteigen? Und zwar ohne plötzliche Bewegungen und so, dass ich Ihre Hände sehen kann.«

»Natürlich, Inspektor Decker«, erwiderte die Frau und stieg aus. »Wobei Sie es meinem Partner unmöglich gemacht haben, Ihrer Anweisung Folge zu leisten.«

»Hat Director Fuller Sie geschickt?«, fragte ich und behielt dabei sie sowie auch den Mann weiter im Auge.

Sie nickte. »Ja. Special Agent Mandy Tasman. Mein Partner ist Special Agent Wilbur Dobran. Wenn Sie erlauben, zeige ich Ihnen meinen Dienstausweis.«

Phil nickte wortlos. Sie griff langsam in ihre Jackeninnentasche, holte ihren Ausweis heraus und zeigte ihn Phil.

Der nickte. »Sieht gut aus. Sie sind also unsere Babysitter.«

Agent Tasman lächelte. »So würde ich das nicht bezeichnen. Der Auftrag lautet, Sie nicht aus den Augen zu lassen und für Ihre Sicherheit zu garantieren, vor dem Hintergrund, dass Joshua Festral ausgebrochen ist und wohl vorhat, sich an Ihnen zu rächen.«

»Dann sollten wir zur FBI-Zentrale fahren und alles Weitere dort besprechen, nicht hier in der Öffentlichkeit«, sagte ich.

Sie nickte und stieg wieder ein. Ich ebenfalls. Phil folgte, nachdem ich den Wagen vorgefahren hatte. Dann fuhren wir gemeinsam los.

»Director Fuller hat keine Zeit verloren«, meinte Phil. »Wir sollten uns über die beiden informieren. Ich will wissen, wem ich unter Umständen mein Leben anvertraue.«

»Ja, das sollten wir«, sagte ich.

Phil grinste. »Sie ist nicht auf den Kopf gefallen und wirklich niedlich.«

Phil hatte recht. Agent Tasman war etwa einen Kopf kleiner als er, hatte eine sportliche, aber dennoch weibliche Figur und sah ziemlich gut aus. Nicht direkt wie ein Model, auch nicht so kühl und unnahbar, eher wie eine echte, gut aussehende Frau.

Sie hatte blonde Haare, ein ansprechendes Gesicht und eine zierliche Nase. Ihre Augenfarbe war eine Mischung aus grün und blau, eher ungewöhnlich. Eigentlich genau Phils Typ – oder besser gesagt, einer seiner Typen, er hatte sich da noch nicht endgültig festgelegt.

»Du solltest nicht vergessen, dass sie ein FBI-Agent ist und auf uns aufpassen soll«, sagte ich.

Phil winkte ab. »Ja, klar, keine Sorge, ich fange nichts mit ihr an. Aber man wird ja wohl etwas flirten dürfen. Und wenn der Fall abgeschlossen ist, wer weiß … Ja, du hast recht, ich halte mich zurück.«

»Da bin ich mal gespannt«, sagte ich.

***

Wir trafen uns mit den beiden Agents, nachdem wir uns über sie informiert hatten. Agent Mandy Tasman war seit fünf Jahren im aktiven Dienst, hatte ein paar harte Fälle gelöst und auch einen Undercover-Auftrag erfolgreich abgeschlossen. Man sah es ihr nicht an, aber für ihre siebenundzwanzig Lebensjahre hatte sie schon eine Menge Erfahrung.

Mit ihrem Partner Wilbur Dobran arbeitete sie seit zwei Jahren zusammen. Er, im Gegensatz zu ihr verheiratet und Vater zweier Kinder, war schon zwölf Jahre beim FBI. Nach seinem Einsatz in verschiedenen Dienststellen arbeitete er seit vier Jahren im Field Office Washington D.C. Beide hatten eine makellose Dienstakte.

Wir hatten uns auch bestätigen lassen, dass sie die Agents waren, die man uns zugeteilt hatte. Das war also geklärt.

»Nun gut«, sagte Phil, als wir uns mit den beiden in seinem Büro zusammensetzten. »Wir wollen Festral wieder hinter Gitter bringen, und Sie haben den Auftrag, dafür zu sorgen, dass uns dabei nichts passiert. Es sollte möglich sein, so zu arbeiten, dass wir alle unseren Auftrag erfüllen und am Ende zufrieden sind.«

»Keine Frage, Inspektor«, sagte Agent Tasman.

Agent Dobran räusperte sich. »Natürlich. Wobei ich darauf hinweisen möchte, dass Sie natürlich einen höheren Rang bekleiden als wir, wir aber explizite Anweisungen von höherer Stelle haben. Entsprechend werden wir gern mit Ihnen zusammenarbeiten, sind aber nicht weisungsgebunden. Wenn eine Ihrer Anweisungen also unserem Auftrag widersprechen sollte, werden wir nicht Folge leisten. Das sollte Ihnen klar sein.«

»Solange Sie uns vorher Bescheid sagen, sollte das kein Problem sein«, sagte ich. »Uns ist klar, in welcher Position Sie sich befinden.«

Agent Dobran nickte. »Ich kann mir auch vorstellen, dass es für Sie ungewohnt ist, zwei Schatten zu haben. Wir werden versuchen, möglichst unsichtbar zu sein und Ihnen bei Ihren Ermittlungen nicht in die Quere zu kommen.«

»Dann steht einer konstruktiven Zusammenarbeit ja nichts im Wege«, meinte Phil. »Wie gut kennen Sie sich in New York aus?«

»Ich war mal zu Besuch dort, ein paar Wochen lang«, antwortet Agent Tasman.

Agent Dobran schüttelte den Kopf. »Nein, außer einem kleinen Abstecher dorthin war das nie mein Einsatzgebiet.«

»Wir haben dort, wie Sie wissen, viele Jahre ermittelt und kennen die Stadt wie unsere Westentasche«, sagte Phil. »Wenn Sie Fragen haben, können Sie sich gerne an uns wenden. Natürlich kennen wir auch viele der Agents des dortigen Field Office. Gute Leute, die uns nach Bedarf bei unserer Suche nach Festral unterstützen werden.«

»Wie kommen Sie darauf, dass Festral nach New York fliehen wird? Muss er nicht annehmen, dass man dort am ehesten nach ihm suchen wird?«, fragte Agent Tasman.

Phil nickte. »Natürlich. Aber New York ist seine Stadt, dort ist er quasi zu Hause. Und dort findet er die beiden Männer, an denen er sich für seine Verhaftung rächen will, nämlich uns.«

»Uns wurde gesagt, dass Sie wahrscheinlich als Lockvögel agieren wollen«, sagte Agent Tasman besorgt. »Halten Sie das für sinnvoll? Da Festral entscheiden kann, wann und wo er Sie angreifen wird, ist er im Vorteil.«

»Wenn er das entscheiden kann, dann ja«, antwortete ich. »Wir müssen eben dafür sorgen, dass wir Zeit und Ort bestimmen und vorbereitet sind. Natürlich ist damit ein Risiko verbunden. Aber es handelt sich um ein kalkulierbares Risiko. Wichtig ist, dass Festral wieder hinter Gitter kommt, denn er ist nicht nur für uns eine Gefahr. Menschen wie er nehmen keine Rücksicht auf andere. Und wer weiß, mit wem er sonst noch eine Rechnung offen hat.«

»Trotzdem, es ist recht mutig«, sagte Agent Tasman.

»Oder fahrlässig, je nachdem, wie man es betrachtet«, kommentierte Agent Dobran, der kein Blatt vor den Mund zu nehmen schien und auch von unserer Position nicht allzu sehr beeindruckt war. »Aber so oder so: Wir werden auf Sie aufpassen, das ist unser Auftrag. Wenn wir Ihnen dabei helfen können, Festral wieder hinter Gitter zu bringen, umso besser. Aber Ihre Sicherheit hat für uns oberste Priorität.«

»Na prima«, sagte Phil. »Dann wissen wir ja, wo wir stehen. Also: Auf nach New York!«

***

Wir flogen erst am späten Abend vom Reagan National Airport nach New York, weil vorher kein Flug frei war. Mit an Bord waren außer uns natürlich unsere beiden Schatten, die Agents Dobran und Tasman. Während des Fluges saßen sie ein paar Reihen hinter uns, verhielten sich unauffällig, behielten aber alles im Auge.

Es war kurz vor Mitternacht, als wir am JFK Airport in New York ankamen.

»New York«, sagte Phil und strahlte. »Man kann fast schon an der Luft erkennen, dass wir hier sind.«

»Die riecht ein wenig abgestanden«, bemerkte Agent Dobran knapp.

»Man merkt, dass Sie noch nie im Big Apple gelebt haben«, erwiderte Phil.

Unser nächster Halt war der Autoverleih.

»Was für einen Wagen nehmen Sie?«, wollte Agent Dobran wissen. »Ich frage, damit wir nicht im selben Modell herumfahren, das wäre zu auffällig.«

»Wie wäre es mit etwas Europäischem«, überlegte Phil laut. »Vielleicht einem BMW?«

»Wir haben einen metallicblauen Dreier«, sagte die Frau am Schalter der Autovermietung.

»Hört sich gut an«, sagte ich und schaute Agent Dobran an. »Dann können Sie einen heimischen Wagen nehmen.«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, lieber einen Japaner. Haben Sie einen Honda Civic? Vorzugsweise mit viel PS?«

»Nicht gerade ein typisches Fahrzeug für Agents«, bemerkte Phil.

»Eben«, erwiderte Agent Dobran kurz und bekam, was er wollte.

Der dunkelrote Civic sah wirklich eher wie ein Familienauto aus. Als die beiden Agents darin saßen, hätte man sie glatt für ein Ehepaar halten können.

»Er versteht es auf jeden Fall, sich zu tarnen«, sagte Phil. »Wo sollen wir uns heute Nacht einquartieren? Morgen können wir uns was anderes suchen.«

»Ein Hotel in der Nähe des Airports wäre nicht schlecht«, sagte ich.

Phil nickte und suchte mit seinem Notebook etwas heraus. Dann fuhren wir los. Bis zu unserem Ziel waren es nur knapp fünfzehn Minuten.

Dabei handelte es sich um ein einfaches Drei-Sterne-Hotel. Wir gaben bei der Anmeldung nicht unsere richtigen Namen an und zahlten in bar. So sollten wir vor einer Entdeckung durch Festrals Leute sicher sein. Zumindest für die eine Nacht.

Wir mieteten insgesamt vier nebeneinander liegende Zimmer, wobei die der beiden Agents durch eine Tür verbunden waren. Die beiden installierten im Flur vor den Zimmertüren eine Minikamera, um sehen zu können, wer sich dort zeigte, und gegebenenfalls auf Bedrohungen reagieren zu können. Phil und ich legten uns schlafen, die beiden regelten ihre Nachtwache selbst.

***

Als Phil und ich am nächsten Morgen frühstückten, hatten die beiden Agents bereits gegessen. Agent Dobran hatte sich noch einen Kaffee bestellt und saß ein paar Tische weiter, Agent Tasman schaute sich außerhalb des Hotels um, war dabei über Funk in Kontakt mit ihm.

»Die nehmen ihre Arbeit richtig ernst«, meinte Phil leise, sodass nur ich es hören konnte. »Haben wohl auch nicht allzu viel Schlaf bekommen.«

»Hättest du an ihrer Stelle viel geschlafen?«, fragte ich. »Sie haben sich wahrscheinlich abgewechselt, sodass für jeden etwa vier Stunden drin waren. Ein paar Tage halten sie das schon durch. Hoffen wir, dass sich die Ermittlungen nicht zu sehr in die Länge ziehen.«

»Ja, in ihrem und in unserem Interesse«, sagte er. »Was mache wir heute als Erstes? Statten wir Steve einen Besuch ab?«

Ich nickte. »Kann nicht schaden, wenn sich unsere Leute hier ein wenig umhören. Wenn Festral wieder in der Stadt ist, spricht sich das vielleicht herum.«

»In gewisser Weise können wir uns bei Festral bedanken«, sagte Phil. »So haben wir die Gelegenheit, mal wieder ein paar alte Freunde zu treffen.«

»Das kannst du ihm ja sagen, wenn wir ihn verhaftet haben«, sagte ich lächelnd. »Wobei ich bezweifle, dass ihn das interessieren wird.«

»Wahrscheinlich nicht«, stimmte Phil mir zu.

Wir beendeten das Frühstück und gingen zum Wagen. Agent Dobran folgte uns, draußen wurden wir von Agent Tasman erwartet.

»Alles klar, wir können los«, sagte sie. »Die Autos habe ich schon unter die Lupe genommen.«

»Gut zu wissen, dass wir uns in professionellen Händen befinden«, sagte Phil charmant.

Wir stiegen ein und fuhren los. Bis zum FBI Field Office war es ein ganz schönes Stück. Hinzu kam, dass um diese Zeit New Yorks Straßen eher riesigen Parkplätzen glichen. Aber schließlich erreichten wir das Gebäude an der Federal Plaza und parkten die Autos in der Tiefgarage.

Auf dem Weg zu Steve Dillaggios Büro trafen wir auf Sarah Hunter, die uns überrascht begrüßte. »Hallo, wen sehe ich denn da? Ich wusste gar nicht, dass ihr einen Abstecher zu uns macht.«

»Hat sich auch gestern erst ergeben«, erwiderte ich und lächelte. »Mann, du siehst gut aus.«

»Wie immer«, fügte Phil hinzu.

Sie lächelte. »Ihr beiden Charmeure. Was führt euch hierher? Ist doch sicher kein Höflichkeitsbesuch.«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Joshua Festral ist befreit worden und wir nehmen an, dass wir ihn hier aufspüren können. Entsprechend wollen wir mit Steve reden, damit er uns unter die Arme greift.«

Sie seufzte. »Schade, da wäre ich gern dabei. Ich bin aber mitten in einem Fall, der kurz vor dem Abschluss steht. Glaube kaum, dass Steve mich davon abzieht, um euch zu helfen. Aber vielleicht treffen wir uns mal zum Essen, wenn ihr Festral habt.«

»Sofern wir dann noch hier in New York sind, gerne«, sagte ich. »Es gibt eine Menge zu erzählen.«

»Gut, dann bis später«, sagte sie, klopfte mir auf die Schulter und ging weiter.

Steve empfing uns und unsere beiden Begleiter mit einem Lächeln.

»Mr High hat mich schon über euer Kommen informiert«, sagte er. »Auch über euren Auftrag. Ich werde heute um halb zwölf ein Meeting abhalten, um meine Leute zu informieren. Wenn Festral nach New York kommt, werden wir das erfahren, da habe ich keinen Zweifel.«

»Eure Unterstützung ist uns wie immer willkommen«, sagte Phil. »Und wie läuft es sonst so?«

»Insgesamt ist die Kriminalitätsrate leicht rückläufig«, antwortete Steve. »Das ist ein gutes Zeichen. Dahinter steckt aber eine Menge Arbeit, nicht nur vom FBI, sondern auch vom NYPD, der Stadtverwaltung und verschiedenen karitativen Organisationen. Alles in allem bin ich zufrieden, so zufrieden, wie man es in meiner Position sein kann. Soll ich euch ein Büro zur Verfügung stellen?«

»Das wäre nett«, antwortete Phil. »Am besten noch ein zweites für unsere beiden Begleiter.«

Steve nickte. »Kein Problem, wird erledigt. Möchtet ihr beim Meeting dabei sein?«

»Ja, gute Idee«, sagte ich.

Wir besprachen noch die allgemeine Vorgehensweise im Fall Festral, ebenso was wir den Kollegen mitteilen wollten und was nicht. Anschließend richteten wir uns in unserem provisorischen Büro ein.

Es dauerte nicht lange, da klopfte es an der Tür und Zeerookah steckte seinen Kopf herein.

»Hallo, wen haben wir denn da?«, fragte er lächelnd. »Wenn das nicht die beiden gefürchtetsten Gangsterjäger der Ostküste sind.«

»Hallo, Zeery. Mann, du hast dich ja gar nicht verändert«, sagte Phil und strahlte.

»Genau wie du«, erwiderte der. »Ich habe gehört, dass ihr in der Stadt seid, und habe gerade Zeit, mal vorbeizuschauen.«

»Das ist nett«, sagte ich.

Da wir bis zum Meeting noch Zeit hatten, unterhielten wir uns mit unserem früheren Kollegen. Nicht nur wir hatten einiges zu erzählen, er hatte auch eine Menge erlebt. Zweimal war er in Indianerreservaten gewesen, um die Beamten dort zu unterstützen.

Wir waren so sehr ins Gespräch vertieft, dass wir gar nicht merkten, wie die Zeit verging. Kurz vor zwölf wurden wir informiert, dass das Meeting kurz bevorstand, und machten uns auf den Weg.

In Begleitung der Agents Tasman und Dobran betraten wir den Konferenzraum, in dem sich gut zwei Dutzend Agents befanden. Mit ein oder zwei Ausnahmen kannten wir alle persönlich, einige waren langjährige Freunde. Es war schön, wieder einmal in New York zu sein – schöner, als ich es mir hätte vorstellen können.

Unsere beiden Schatten schienen von der positiven Atmosphäre überrascht zu sein. Wahrscheinlich hatten sie nicht damit gerechnet, dass wir so viele Freunde hatten. Besonders Agent Tasman zeigte sich beeindruckt. Agent Dobran versuchte eher gleichgültig zu wirken.

Steve begrüßte alle und legte die Situation kurz und knapp dar. Anschließend kamen aus den Reihen der Agents einige konstruktive Vorschläge. Das gesamte Meeting dauerte nicht länger als fünfzehn Minuten. Dann machten sich alle auf den Weg. Das schloss Phil und mich ein.

»Wohin wollen Sie jetzt?«, fragte Agent Dobran.

»Zu Nancy Boyle«, antwortete ich. »Die Ex von Festral.«

»Ex-Freundin, um genau zu sein«, fügte Phil hinzu. »Die beiden hatten, nachdem er im Gefängnis gelandet war, noch eine Zeit lang Kontakt. Könnte sein, dass sie etwas weiß.«

»Fragt sich nur, ob sie bereit ist zu reden«, murmelte Agent Dobran.

»Genau das wollen wir herausfinden«, sagte ich.

***

Nancy Boyle wohnte auf dem Malcom X Boulevard in Harlem, in einem schönen, relativ modernen Apartmenthaus. Dieser Teil der Stadt hatte in den letzten Jahrzehnten durch Neubauten und Restaurierungen enorm an Attraktivität gewonnen. In der letzten Zeit zog es jetzt viele gut betuchte New Yorker in das ehemalige Farbigenviertel.

»Mann, es ist unglaublich, was ein bisschen Farbe und Make-up bei einem Haus ausmachen«, bemerkte Phil.

Ich nickte. »Ja, sieht richtig gut aus. Ich weiß noch, als man sich hier als Weißer kaum hintraute. Einige Bereiche von New York haben sich enorm positiv entwickelt. Leider haben die Mieten sich ebenfalls extrem nach oben entwickelt. Miss Boyle muss ein gutes Auskommen haben, wenn sie sich hier ein Apartment leisten kann.«

»Vielleicht unterstützt ihr Gönner sie ja noch«, meinte Phil. »Wir werden sehen.«

Agent Dobran meldete sich per Handy. »Wir bleiben im Wagen und behalten die Gegend im Auge. Wenn Sie Unterstützung benötigen, können Sie sich ja melden.«

»Machen wir«, sagte ich. »Aber bei Miss Boyle erwarten wir keine Probleme.«

»Na ja, vielleicht hatte Festral die gleiche Idee wie Sie und hat entsprechend vorausgesehen, dass Sie hierherkommen«, meinte der Agent.

»Ich glaube nicht, dass er Miss Boyle in Gefahr bringen würde«, erwiderte ich. »Aber ausgeschlossen ist das natürlich nicht. Wir werden auf der Hut sein.«

Ich beendete das Gespräch und ging mit Phil zur Haustür des Gebäudes. Phil klingelte bei Miss Boyle, die sich kurz darauf meldete. »Ja, bitte, wer ist da?«

»FBI, Cotton und Decker«, sagte er.

»FBI?«, erwiderte sie in abschätzigem Tonfall. »Was wollen Sie?«

»Mit Ihnen reden«, antwortete Phil.

»Muss das sein?«, sagte sie. »Ich habe nicht viel Zeit.«

»Miss Boyle, machen Sie bitte die Tür auf«, sagte Phil fordernd. »Oder ist es Ihnen lieber, vorgeladen zu werden?«

Der Türsummer ertönte und wir traten ein.

»Freundliche Begrüßung«, murmelte Phil.

»Was hast du erwartet? Blumen? Einen roten Teppich? Immerhin haben wir Festral, ihren Freund, hinter Gitter gebracht«, sagte ich.

»Ein Freund, der ein gefährlicher Gangster ist und eine Menge Leute auf dem Gewissen hat«, sagte Phil trotzig. »Ich frage mich immer wieder, warum manche Frauen auf diese Typen stehen.«

»Geld, das Gefühl von Macht, Liebe, was weiß ich«, war meine Antwort. »Wahrscheinlich hat er sie gut behandelt.«

Wir machten vor ihrer Apartmenttür Halt und klopften.

Sofort wurde die Tür geöffnet und eine zierliche Frau zeigte ihren Kopf. Sie blieb aber im Apartment und hatte die Tür durch eine ziemlich dicke Türkette gesichert.

»Was wollen Sie?«, fragte sie genervt.

»Mit Ihnen reden«, sagte ich. »Ihr Ex, Joshua Festral, ist geflohen.«

»So, so«, sagte sie und klang nicht überrascht. »Dann stimmt es also doch. Wusste nicht, ob die Medien nicht wieder irgendwelchen Unsinn verbreiten.«

»Können wir reinkommen?«, fragte Phil. »Oder sollen wir uns hier im Flur über Ihre Beziehung zu einem Gangsterboss unterhalten? Ich glaube, das würde Ihre Nachbarn brennend interessieren.«

Sie verzog das Gesicht, schloss die Tür, entfernte die Kette und öffnete sie wieder. »Na gut, Sie lassen ja sowieso nicht locker, kommen Sie rein!«

»Danke«, sagte ich und betrat das Apartment, wobei ich mich umschaute.

Nichts deutete darauf hin, dass außer ihr noch jemand anwesend war. Wir schauten auch im Bad und in den anderen Zimmern nach.

»Schon mal was von Privatsphäre gehört?«, fragte sie. »Was wäre denn, wenn ich gerade mit ein paar Freunden eine Orgie feiern würde? Dann wären Sie sicher auch einfach so reingeplatzt, oder?«

»Feiern Sie denn Orgien?«, erwiderte Phil kühl.

Sie winkte ab. »Ach, was soll’s, Bullen sind Bullen, egal, ob sie vom NYPD oder FBI sind. Keinen Sinn für Anstand oder Höflichkeit.«

»Aber Festral, der ist ein anständiger und höflicher Kerl, nicht wahr?«, gab Phil sarkastisch von sich. »Das können die Typen, die er brutal ermordet und dann irgendwo einbetoniert hat, sicher bestätigen.«

»Wieder eine der Anschuldigungen, die Sie nicht beweisen können«, erwiderte Miss Boyle schlagfertig.

Sie war nicht auf den Mund gefallen, das war klar. In ihrer Mimik zeigte sich enorme Abneigung gegen uns, die aber wohl allgemein gegen Staatsbeamte gerichtet war. Ich hatte keine Ahnung, warum. »Wir sind nicht hier, um uns mit Ihnen zu streiten«, versuchte ich die Situation zu beruhigen.

»Dann hätten Sie nicht herkommen sollen«, konterte sie scharf. »Wegen Leuten wie Ihnen ist mein Freund im Knast gelandet. Können Sie sich vorstellen, was für ein Gefühl das ist, von dem Menschen, den man liebt, getrennt zu werden? Für immer? Und zu wissen, dass es keine Hoffnung auf ein gemeinsames Leben mehr gibt?«

»Das hätte er sich überlegen sollen, bevor er angefangen hat, mit Drogen zu handeln und Kinder und Jugendliche zu Junkies zu machen«, erwiderte Phil, der auf Konfrontationskurs blieb. »Seine Organisation hatte einen nicht unerheblichen Anteil an der Statistik der Drogentoten in seinem Gebiet. Von Beschaffungskriminalität wollen wir gar nicht erst reden. Wissen Sie, wie viele Existenzen durch die Drogen Ihres geliebten Freundes zerstört worden sind?«

»So etwas müssen Sie ja sagen und denken, damit Ihr Weltbild nicht zerstört wird«, fauchte sie Phil an. »Sie sind doch diejenigen, die Amerika in einen Polizeistaat verwandeln und jeden ehrbaren Geschäftsmann, der sich eine Existenz aufgebaut hat, beneiden, und zwar so sehr, dass Sie sein Leben zerstören.«

»Ehrbarer Geschäftsmann?« Phil schaute mich perplex an und flüsterte mir zu: »Mann, bin ich hier im falschen Film?«

Ich bedeutete ihm, sich zu beruhigen, und wandte mich an die Frau. »Miss Boyle, wir sind wirklich nicht hier, um mit Ihnen darüber zu diskutieren. Joshua Festral ist von einem ordentlichen Gericht verurteilt worden und aus der Haft entflohen. Unsere Aufgabe ist es, ihn wieder hinter Gitter zu bringen, ob mit Ihrer Hilfe oder ohne. Wenn er mit Ihnen Kontakt aufgenommen hat, persönlich oder sonst wie, und Sie uns das vorenthalten, kann das als Beihilfe und Behinderung der Justiz geahndet werden. Ich möchte Sie also nicht zuletzt auch in Ihrem Interesse dazu ermahnen, mit uns zu kooperieren. Ist das klar?«

Mit jedem Satz wurde meine Sprache eindringlicher.

Irgendwie schien ich sie erreicht zu haben. Sie sparte sich zumindest eine Entgegnung, sondern sank in einen Sessel und schaute betroffen drein.

Ich nahm ihr gegenüber Platz. »Also: Hat er sich in den letzten Tagen bei Ihnen gemeldet?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, hat er nicht.«

»Hat er in der letzten Zeit erwähnt, dass er ausbrechen würde? Oder bald wieder frei wäre?«, fragte ich weiter.

Sie holte tief Luft. »Er hat ab und zu erwähnt, dass wir wieder zusammen sein würden. Nicht sehr konkret. Ich habe das für reine Fantasien seinerseits gehalten und mir nichts weiter dabei gedacht. Von einer Flucht oder konkreten Plänen war aber nie die Rede. Wäre ja auch blöd gewesen, jeder Anruf wird überwacht, jeder Brief überprüft. Es gibt da keine Privatsphäre mehr, wenn man im Knast ist.«

»Es hat sich auch niemand anders bei Ihnen gemeldet und Sie etwa darauf vorbereitet, in Kürze mit Festral die Stadt zu verlassen?«, war meine nächste Frage.

Wieder schüttelte sie den Kopf. »Nein, niemand. Mit den Typen von seiner Organisation habe ich schon lange keinen Kontakt mehr. Ist mir auch lieber. Und mit ihm fortgehen … wissen Sie, ich liebe ihn, aber ich bin nicht gut darin, allein zu sein. Inzwischen habe ich einen neuen Freund. Wenn Joshua das herausfindet, dann … also ich will nicht, dass er es erfährt. Und ich hatte keine Ahnung, dass er ausbrechen würde. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass er für immer dort bleiben würde, und jetzt … Sorry, das ist im Moment etwas viel für mich.«

»Das kann ich sehr gut nachvollziehen«, sagte ich. »Dass Sie einen Freund haben, wussten wir nicht. Falls Sie Polizeischutz wünschen, können wir das vielleicht für Sie arrangieren.«

Sie winkte ab. »Ach was, irgendwie komme ich damit schon klar, das schaffe ich ja immer. Joshua und ich, das ist schon eine verrückte Sache. Als ich ihn kennenlernte, wusste ich nichts von seinem Ruf. Er war so charmant, zuvorkommend und alle gehorchten ihm. Na ja, wie das im Leben manchmal so ist, oft ist es einfach zu schön, um wahr zu sein. Mit Ben, meinem jetzigen Freund, ist das anders. Er ist ein guter Kerl, ein ganz normaler Mann, ehrlich, aber nicht besonders helle. Ich habe ihm nie etwas von Joshua erzählt, zumindest keine Details.«

»Es ist sicher noch nicht zu spät für die Wahrheit«, sagte ich.

»Damit ich noch einen Freund verliere?«, entgegnete sie trotzig. »Nein danke! Einer reicht mir.«

»Wie Sie meinen«, sagte ich und reichte ihr meine Karte. »Falls sich Festral bei Ihnen meldet, sollten Sie das Richtige tun.«

»Das Richtige«, sinnierte sie vieldeutig. »Was auch immer das sein mag.«

»Sie wissen schon, was richtig und was falsch ist«, sagte ich zuversichtlich.

»Äh, ja«, bemerkte Phil. »Und vielleicht sollten Sie nicht unbedingt erwähnen, dass wir hier waren. Wir waren es nämlich, die Festral hinter Gitter gebracht haben. Und darüber war er nicht sehr erfreut. Ganz im Gegenteil. Er ist ziemlich sauer auf uns. Und es wäre nicht gut, wenn er diesen Zorn auf Sie projizieren würde.«

Sie hob ihren Blick und schaute ihn an. »Sie waren das? Oh, Mann, dann möchte ich jetzt nicht in Ihrer Haut stecken. Er war damals, nach seiner Verurteilung, richtig sauer. Wenn er jetzt auf freiem Fuß ist und die Gelegenheit dazu hat … Sie sollten ihm besser aus dem Weg gehen. Wenn sich Joshua etwas in den Kopf gesetzt hat, dann gibt er nicht auf, bis er es umgesetzt hat. Hat er Ihnen denn gedroht?«

Phil schüttelte den Kopf. »Nicht direkt. Aber wir haben gehört, dass er sich für das, was ihm passiert ist, auf seine ganz persönliche Art und Weise bei uns bedanken will.«

Sie verstand, was Phil damit sagen wollte.

Wir verabschiedeten uns von ihr und verließen das Apartment.

»Also, zu wem fahren wir als Nächstes? Laut Informationen vom Field Office hat Festrals Nummer zwei, Richard Murdock, einen Teil der Geschäfte von Festral weitergeführt. Ist gut möglich, sogar wahrscheinlich, dass er etwas mit Festrals Befreiung zu tun hat. Freue mich schon, ihn zu besuchen«, schlug Phil auf dem Weg zum Wagen vor.

»Bin gespannt, ob unsere Begleiter deine Freude teilen«, sagte ich und lächelte.

Tatsächlich war Agent Dobran alles andere als begeistert, als wir ihn am Telefon über unsere Absicht, Murdock aufzusuchen, informierten.

»Mann, Sie legen es wohl drauf an, unter die Erde gebracht zu werden«, sagte er missmutig. »Und uns degradieren zu lassen. Wenn Sie in die Höhle des Löwen gehen, werden wir Sie kaum schützen können.«

»Sie können Verstärkung holen, wenn wir nicht wie geplant zurückkommen«, sagte ich. »Darüber hinaus wird Murdock wahrscheinlich so überrascht sein, uns zu sehen, dass er nichts unternimmt. Soweit ich aus den Unterlagen weiß, ist er ein Mann, der wenig spontan handelt, sondern lange plant. Er wird sich auch denken können, dass wir nicht ohne Rückendeckung bei ihm auftauchen. Sollte er etwas gegen uns unternehmen, dann ist er dran, das weiß er.«

»Gut, was soll ich dazu sagen? Sie machen ja ohnehin, was Sie wollen«, erwiderte Agent Dobran. »Insofern bleibt mir nur, Ihnen viel Glück zu wünschen.« Er beendete das Gespräch.

***

Es war nicht ganz einfach, Richard Murdock zu finden. Als Oberhaupt einer kriminellen Organisation bevorzugte er es offenbar, seinen Aufenthaltsort nicht allgemein bekannt zu machen. Er war, was wir seiner Akte entnehmen konnten, eher ein zurückhaltender Typ Mensch, im Gegensatz zu Festral jemand, der nicht gern protzte und sich und seinen Reichtum zeigte.

Vielleicht war es auch eine gewisse Furcht, die ihn dazu brachte, sich eher im Verborgenen zu bewegen, denn viele andere Gangsterbosse, die ich im Laufe meiner Karriere kennengelernt hatte, hielten sich nicht so zurück.

»Vielleicht hat er gerade Stress mit jemandem von der Konkurrenz«, meinte Phil, nachdem wir im Hauptquartier von Murdocks Organisation gewesen waren und ihn dort nicht angetroffen hatten. »Das würde erklären, warum er sich so rar macht.«

»Oder er ist gerade nicht in der Stadt, weil er alle Hände voll damit zu tun hat, Festral nach seiner Flucht sicher nach New York zu bringen«, überlegte ich laut. »Von einer Auseinandersetzung mit einer anderen Organisation hat im Field Office niemand etwas gesagt. Aber wie auch immer, wo könnte er noch stecken?«

Phil überlegte. »Festral hat sich früher oft im Freeze Club aufgehalten. Kann nicht schaden, dort mal vorbeizuschauen. Ist auch nicht weit.«

»Warum nicht«, sagte ich und startete den Motor.

Bevor ich losfuhr, klingelte Phils Handy. Ein unbekannter Anrufer.

Er ging ran. »Ja, hallo …. Ja, genau … interessant … halbe Stunde? Das sollte kein Problem sein.«

Er steckte das Handy ein und schaute mich an. »Das war angeblich einer von Murdocks Leuten. Er hat gehört, dass wir nach ihm suchen, und will sich in einer halben Stunde mit uns treffen, im Freeze Club .«

»Dann hattest du den richtigen Riecher«, sagte ich.

Phil nickte. »Ja, ist schon von Vorteil, wenn man seine Kunden kennt. Ich informiere Tasman und Dobran, damit sie wissen, was los ist.«

Während er das telefonisch erledigte, fuhr ich los. Wir erreichten den Freeze Club eine Viertelstunde später.

Phil schaute auf die Uhr. »Dann haben wir noch eine Menge Zeit. Wollen wir noch einen Augenblick warten?«

Ich nickte. »Ja, schauen wir uns um, kann nicht schaden.«

Wir stiegen aus und spazierten ein wenig in der Gegend herum. Hier in Lower Manhattan waren wir so oft gewesen, dass ich es nicht zählen konnte.

Um die Zeit war einiges los: viele Autos, viele Passanten. Aber als Ermittler richteten wir unsere Aufmerksamkeit nicht auf die allgemeine Szene, sondern die besonderen Details. Dabei war es weniger der Falschparker auf der anderen Straßenseite, der unsere Aufmerksamkeit erregte, als die beiden Männer, die in der Nähe des Eingangs des Freeze Club standen und auffällig unauffällig wirkten.

Man konnte es nicht sehen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie unter ihren Sakkos Waffen trugen. Dann war da noch der Wagen, der kurz darauf angefahren kam und aus dem wieder zwei auffällige Männer mit emotionslosen Gesichtern ausstiegen.

»Murdocks Vorhut?«, bemerkte Phil fragend.

»Sieht so aus«, sagte ich. »Mit den beiden vor dem Eingang sind es damit schon mal vier.«

»Der ist ganz schön auf seine Sicherheit bedacht«, sagte Phil.

Ich lächelte. »Da sieht man mal, wie unsicher das Gangsterleben ist. Vielleicht sollte er den Beruf wechseln.«

»Frag ihn doch mal«, scherzte Phil. »Oder frage ihn, wer sein Berufsberater gewesen ist. Den könnten wir dann auch aus dem Verkehr ziehen.«

»Murdock ist, so leid es mir tut, nicht unser Problem«, sagte ich. »Wir wollen Festral.«

»Vielleicht ergibt es sich ja, dass wir Murdock gleich mit einkassieren können«, meinte Phil.

»Vielleicht«, erwiderte ich. »Aber das wäre die Kür, zuerst kommt die Pflicht.«

Es dauerte nicht lange, da hielt eine lange schwarze Limousine vor dem Club. Erst stieg ein Bodyguard aus, dann folgte ein mittelgroßer Mann mit perfekt sitzendem Anzug: Murdock. Er schaute sich nicht einmal um, sondern ging schnurstracks in den Club. Drei seiner Männer folgten ihm, die beiden, die vorher schon draußen gestanden hatten, blieben auf ihren Posten.

»Na dann, lassen wir die Spiele beginnen«, sagte Phil.

Wir überquerten die Straße und gingen auf den Eingang zu. Die beiden bewaffneten Männer bemerkten uns und schauten auf. Ihre Gesichter sahen nicht gerade freundlich aus.

»Einen Moment«, sagte der rechte von beiden und stellte sich uns in den Weg, als wir näher kamen.

Ich wusste, dass die Agents Tasman und Dobran genau verfolgten, was wir und die beiden Männer taten, und bereit waren, uns sofort zu Hilfe zu eilen. Dobran hatte sicher einen kritischen Kommentar auf den Lippen, den wir uns zum Glück nicht anhören mussten.

»Murdock erwartet uns«, sagte ich ruhig.

»Sie sind die beiden, die er erwartet, die Staatsbullen?«, fragte der Mann.

»Genau die«, antwortete ich. »Wobei ich die Bezeichnung FBI-Inspektoren bevorzugen würde. Sollten Sie auch tun, das hilft gegen Klagen wegen Beamtenbeleidigung.«

»Ha, ha«, sagte er und grinste grimmig. »Da Sie erwartet werden, können Sie reingehen.«

»Na dann, vielen Dank für das informative Gespräch«, sagte ich und ging weiter.

Widerwillig trat er zur Seite und ließ uns passieren.

»An der Kundenfreundlichkeit der Angestellten könnten sie hier noch arbeiten«, bemerkte Phil, sodass es die beiden Männer hören konnten.

Einer von ihnen schnaubte verächtlich, was Phils Aussage nur noch unterstrich.

***

Durch einen etwa drei Yards breiten, kurzen Gang gelangten wir in einen großen Raum, das Zentrum des Clubs. Es gab zwei große Tanzflächen, die um diese Zeit allerdings leer waren. Es waren nicht viele Leute anwesend. Ich sah ein paar Angestellte hinter dem Tresen und Festral mitsamt Bodyguards. Er befand sich auf einer Art Balkon, schräg über einer der Tanzflächen.

Die spärliche Beleuchtung und die leise, aber basslastige Musik verliehen dem Etablissement das übliche Clubambiente.

»Schade, keine Go-Go-Girls«, scherzte Phil. »Da hätten wir uns auch woanders mit ihm treffen können.«

»Die kommen bestimmt noch«, sagte ich.

Er nickte. »Klar, wenn es spät am Abend ist und wir längst wieder weg sind.«

Wir stiegen eine Treppe nach oben und prallten fast auf zwei Bodyguards, die uns durchsuchen wollten.

»Wir sind bewaffnet«, sagte ich, bevor sie die Gelegenheit hatten anzufangen. »Und das wird sich auch nicht ändern. Wanzen tragen wir keine. Und wenn Sie es wagen, uns anzufassen, bekommen Sie gewaltigen Ärger.«

Einer der beiden warf seinem Boss einen fragenden Blick zu.

»Ist schon in Ordnung, Tony, lass sie durch«, sagte Murdock laut. »Das sind FBI-Leute, die schießen nicht auf ehrbare Geschäftsmänner.«

Die Bodyguards traten zur Seite, wir setzten uns zu Murdock an den Tisch.

»Wobei die Frage zu klären wäre, ob Sie ein ehrbarer Geschäftsmann sind«, sagte Phil.

Murdock schaute ihn an. »Heißt das, dass Sie mich erschießen wollen?«

Phil schüttelte den Kopf und lächelte. »Nein, eigentlich nicht. Ganz so rabiat gehen wir normalerweise nicht vor. Und auch, wenn es mir lieber wäre, Sie hinter Gittern zu sehen, sind Sie nicht der Grund unserer Anwesenheit in dieser sonst recht netten Location.«

»Puh, da bin ich aber erleichtert«, sagte Murdock mit gespielter Sorge. »Aber was führt Sie dann zu mir? Lassen Sie mich raten. Sie möchten Geld investieren? Nein, eher nicht. Oder vielleicht suchen Sie ein paar weibliche Gespielinnen? Na ja, das ist nicht mein Business. Ah, ich weiß, es hat mit der Flucht des von uns allen geschätzten Joshua Festral aus den Fängen des Department of Correction zu tun, nicht wahr?«

»Treffer«, sagte ich. »Sie haben also auch schon davon gehört?«

Murdock lehnte sich entspannt zurück. »Klar. Manche Nachrichten verbreiten sich so schnell wie der Wind. Oder sogar noch schneller. Und da es hier um den Mann geht, der, sagen wir mal, in gewisser Weise ein Vorbild für viele von uns war, ist das natürlich eine solche Nachricht.«

Phil warf ihm einen skeptischen Blick zu. »Sie wissen nicht zufälligerweise deshalb von seiner Flucht, weil Sie sie selbst inszeniert haben?«

Murdock lächelte charmant. »Nun, Agent Decker, oder sollte ich besser sagen, Inspektor Decker, Sie können mir glauben, dass ich mit der Aktion auch nicht das Geringste zu tun habe. Ich bin, wie wir ja bereits festgestellt haben, ein ehrbarer Geschäftsmann.«

»So? Haben wir das festgestellt?«, erwiderte Phil. »Ich kann mich nicht daran erinnern, das festgestellt zu haben. In meinen Augen sind Sie kaum besser als Festral. Vielleicht macht es Ihnen nicht so viel Spaß, andere Menschen eigenhändig zu töten, aber auch Sie leben vom Drogenhandel, einem Geschäft, das Existenzen zerstört und Menschen ruiniert, sogar tötet.«

Murdock lächelte. »Sorry, da muss man Sie falsch unterrichtet haben.«

Er wirkte lässig. Man konnte ihm nicht ansehen, ob er log oder die Wahrheit sagte. Sein Gesicht glich einer undurchdringlichen Maske. Was sich dahinter befand, konnte man nur erahnen. Er wusste aber, wie es schien, gut über uns Bescheid.

»Wenn Sie etwas über die Flucht wüssten oder Festrals Aufenthaltsort, dann würden Sie es uns doch sicher sagen, nicht wahr?«, fragte ich ihn direkt.

»Als ehrbarer Bürger wäre ich doch dazu verpflichtet, nicht wahr?«, erwiderte er, ohne meine Frage direkt zu beantworten.

»Ja, das wären Sie«, bestätigte ich. »Es ist inzwischen rund vier Jahre her, dass Festral gefasst wurde. Eine lange Zeit. Es hieß, danach gab es eine kleinere Auseinandersetzung darüber, wer sein Nachfolger werden würde, die Sie für sich entschieden haben.«

»Oh? Heißt es so?«, fragte er nur und ging nicht weiter darauf ein. »Wenn ich mich recht entsinne, waren Sie es doch, die Festral in Florida festgenommen haben, ist das korrekt?«

Ich nickte. »In der Tat, so ist es. Und wir werden ihn wieder hinter Gitter bringen.«

»Mag sein«, sagte Murdock und lächelte grimmig. »Zumindest, wenn Sie schnell genug und auf der Hut sind. Ich erinnere mich noch genau, er war damals nicht gut auf Sie zu sprechen. Nein, das ist nicht richtig: Er wollte Sie eigenhändig töten, das war es, was er gesagt hat. Und jetzt, wo er auf freiem Fuß ist, hat er plötzlich die Möglichkeit, das umzusetzen. Beunruhigt Sie das gar nicht? Ich an Ihrer Stelle hätte wahrscheinlich das Land verlassen. Das FBI hat doch auch außerhalb der Grenzen der USA Pflichten wahrzunehmen, nicht wahr?«

»Wie es scheint, unterscheiden Sie sich erheblich von uns«, sagte Phil. »Wir ziehen es vor, einer Bedrohung ins Auge zu sehen und mit ihr fertig zu werden.«

»Na, dann viel Erfolg«, sagte Murdock. »Ich für meinen Teil bin auch nicht unbedingt begeistert davon, dass Festral wieder auf freiem Fuß ist und möglicherweise nach New York zurückkommt. Wissen Sie, seit er nicht mehr hier ist, läuft alles viel reibungsloser, ohne … ohne unangenehme Zwischenfälle gewissermaßen.«

»Wenn das so ist, können Sie uns ja helfen, ihn zu finden, wenn er hierherkommen sollte«, sagte ich.

»Ich werde das in Betracht ziehen«, antwortete Murdock.

»Das ist doch schon mal was«, sagte ich und warf ihm meine Karte auf den Tisch. »Hier, damit Sie keine Probleme haben, uns zu erreichen.«

Er streckte seine rechte Hand beinahe vorsichtig aus, ganz so, als wäre die Karte verstrahlt oder anderweitig schädlich für ihn. Schließlich nahm er sie aber auf, warf einen kurzen Blick darauf und steckte sie schließlich ein.

»Für einen Mann in meiner Position ist es nicht unbedingt vorteilhaft, mit FBI-Leuten gesehen zu werden, und noch weitaus ungünstiger, ihnen Informationen zukommen zu lassen. Ich werde das berücksichtigen und sehen, was ich für Sie tun kann. Ich muss aber ganz klar sagen, dass ich Ihnen nichts verspreche, ist das klar?«

»Glasklar«, antwortete ich.

»Wobei uns bei einem Mann in Ihrer Position auch egal ist, ob er uns etwas verspricht oder nicht«, bemerkte Phil. »Entweder Sie liefern uns Informationen, wenn Sie welche haben, oder Sie tun es nicht. Bekommen werden wir sie früher oder später ohnehin. Es könnte aber, wie Sie ja sagten, auch in Ihrem Interesse liegen, unsere Arbeit voranzubringen.«

Murdock nickte lächelnd. »Nun, ich denke, damit wäre alles gesagt. Da Sie im Dienst sind, gehe ich davon aus, dass Sie einen angebotenen Drink ohnehin ablehnen würden. Daher möchte ich Ihnen für Ihren Besuch danken.«

»Danken Sie uns nicht zu früh«, sagte Phil. »Noch haben wir ja nichts erreicht.«

Wir standen unter den prüfenden Blicken der Bodyguards auf und entfernten uns von Murdock. Die Treppe hinunter, durch den großen Raum und den kurzen Gang entlang passierten wir wieder die beiden bewaffneten Aufpasser.

Erst im Auto, als wir sicher waren, dass uns niemand zuhörte, sagte Phil: »Echt schleimig, der Typ, und aalglatt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er etwas mit Festrals Flucht zu tun hat. Und dann dieses Märchen, dass er ohne Festral besser dran wäre und nichts dagegen hätte, ihn wieder hinter Gittern zu sehen – Mann, ich glaube ihm kein Wort.«

»Er hat es auf jeden Fall faustdick hinter den Ohren«, sagte ich. »Wobei er nicht leicht zu durchschauen war. Auf jeden Fall weiß er, dass wir in der Stadt sind, und wenn er für Festral arbeitet, wird der das auch bald erfahren. So gesehen war es keine verschwendete Zeit. Wir sollten Steve bitten, ihn und seine Leute zu überwachen. Und wenn wir schon dabei sind, auch Miss Boyle. Dann kriegen wir Festral, sobald er einen von ihnen kontaktiert.«

»Wenn der so dumm ist«, bemerkte Phil. »Aber so was kommt ja immer wieder vor. Ich rufe eben an.«

Er nahm sein Smartphone heraus und stellte die Verbindung zu Steve her, dem er unsere Wünsche unterbreitete.

»Kein Problem«, tönte Steves Stimme aus dem Lautsprecher des Smartphones. »Und noch was, ich wollte euch eigentlich gerade selbst anrufen. Einer meiner Agents hat gehört, dass ein Informant namens Rick Benedikt etwas über Festrals Aufenthaltsort wissen würde. Leider ist der Typ bisher nicht aufgetaucht. Ein paar Agents suchen nach ihm.«

»Benedikt?«, sagte Phil nachdenklich und schaute mich an. »Ist das nicht dieser Technikfreak, der alle möglichen Computer und Elektronikgadgets selbst baut? Und der schon ein paar Mal im Krankenhaus gelandet ist, weil er zu viel gehört hatte?«

Ich nickte. »Ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Ende vierzig, schütteres Haar, eher schlank und nicht besonders kräftig. Ich glaube, er war für Joe und Les zuweilen eine sprudelnde Informationsquelle.«

»Steve, ist das alles?«, fragte Phil. »Nur dass dieser Benedikt etwas über den Aufenthaltsort von Festral weiß? Nichts Konkretes?«

»Leider nicht«, antwortete Steve. »Ich würde euch gern mehr sagen, aber mehr gibt es wohl nicht. Ich werde ihn weiter suchen lassen.«

»Ja«, sagte Phil. »Aber … wir werden uns auch an der Suche beteiligen. Ich habe eine Idee, wo wir anfangen können. Wenn wir Genaueres wissen, melden wir uns wieder.«

»Gut, dann bis später«, sagte Steve und beendete das Gespräch.

»Und wo denkst du Benedikt zu finden?«, fragte ich Phil.

Der steckte sein Handy ein und lächelte wissend. »Dort, wo er sein Herz hat.«

***

Wir fuhren bis nach Brooklyn, um Phils Idee zu überprüfen. Hier, in einem mittelprächtigen Apartmenthaus, wohnte Debra Singer, eine ehemalige Prostituierte, deren treuer Stammkunde Benedikt gewesen war, zumindest zu der Zeit, als wir ihn das letzte Mal gesehen hatten.

»Er steht auf schwarze Frauen, daraus hat er nie einen Hehl gemacht«, sagte Phil. »Weißt du noch, als wir einmal in seiner Werkstatt waren, da hatte er eine Menge Poster von üppigen schwarzen Damen an den Wänden hängen. Später haben wir dann herausgefunden, dass er bei Miss Singer, auch einer Schwarzen, ein- und ausging. Irgendetwas sagt mir, dass er zu ihr gehen würde, wenn er untertauchen wollte.«

»Nette These«, sagte ich. »Ob du richtig liegst, werden wir bald wissen.«

Ich warf einen Blick in den Rückspiegel und sah, wie die Agents Tasman und Dobran ihren Wagen parkten. Wir hatten sie bereits fernmündlich darüber informiert, zu wem wir wollten. Sie würden im Wagen bleiben und uns wenn nötig Rückendeckung geben.

Wir betraten das Haus zusammen mit einem Paketboten, dem die Tür geöffnet wurde, und gingen in den zweiten Stock, wo sich das Apartment von Miss Singer befand. Phil klopfte.

Wenige Augenblicke später öffnete eine gut aussehende schwarze Frau von Mitte vierzig die Tür, schaute uns an und sagte, ohne groß nachzudenken: »Bullen? Mann, damit hätte ich jetzt aber nicht gerechnet.«

Ich ignorierte ihr loses Mundwerk und hielt ihr meine Dienstmarke vor die Nase. »Ja, genauer gesagt vom FBI. Haben Sie einen Augenblick Zeit für uns?«

Sie wurde unruhig. »Im Moment ist es ungünstig, ich habe gleich einen Termin und muss mich noch zurechtmachen, und …«

»Sie sehen gut aus«, unterbrach Phil sie. »Davon abgesehen brauchen wir nicht lange. Wenn Sie uns also hereinbitten würden, können wir das schnell erledigen.«

Sie machte keine Anstalten zur Seite zu treten und wurde noch eine Spur unruhiger. »Es passt mir im Moment wirklich nicht, mein Apartment sieht aus wie ein Saustall, ich möchte nicht, dass Sie das sehen.«

Phil schaute ihr direkt in die Augen. »Ist er hier?«

»Wer?«, fragte sie und tat unwissend.

»Na, Benedikt«, erwiderte Phil und rief laut: »Wir wissen, dass Sie hier sind, Sie können rauskommen. Hier sind Cotton und Decker, wir werden Ihnen auch nichts tun.«

Sie schluckte und war einen Moment lang still. Wir hörten, wie in dem Apartment eine Tür geöffnet wurde, dann erschien Benedikt.

»Tut mir leid, sie haben mir nicht geglaubt«, sagte Miss Singer.

»Ist schon gut, Schatz«, erwiderte Benedikt und wandte sich an uns. »Kommen Sie rein!«

Wir betraten das Apartment, Miss Singer schloss die Tür hinter uns.

Phil schaute sich um. »Nett haben Sie’s hier.«

»Warum verstecken Sie sich?«, fragte ich Benedikt, der sich einen Whiskey einschenkte.

Der lächelte grimmig. »Erschien mir sicherer. Als Joshua Festral in den Bau ging, hatte er noch eine Rechnung mit mir offen. Nichts Großes, zumindest nicht von meinem Gesichtspunkt aus, aber wenn man das mit den Augen eines Mannes wie Festral betrachtet, kann das schnell ganz anders aussehen. Der Typ ist nicht für seine diplomatische Ader bekannt.«

»Also stimmt es, Festral kommt nach New York?«, fragte ich.

Benedikt nickte. »Ja, genau das habe ich gehört. Besser gesagt, dass er schon hier sei. Und da habe ich nicht lange überlegt und mich aus dem Staub gemacht.«

»Er ist schon hier?«, fragte Phil erstaunt. »Das ging aber schnell.«

»Und woher stammt diese Information?«, fragte ich Benedikt.

Der schüttelte ablehnend den Kopf. »Sorry, ich kann meine Quellen nicht verraten, das mache ich nie. Wenn ich einmal damit anfange, erzählt mir bald niemand mehr etwas. Ich kann nur eines sagen: Die Information von Festrals Rückkehr habe ich von zwei verschiedenen Quellen bekommen. Ich gehe daher davon aus, dass sie einen hohen Wahrheitsgehalt hat.«

»Nun gut, verzichten wir auf die Nennung der Quellen«, sagte ich diplomatisch. »Enthielten Sie irgendwelche Hinweise auf Festrals Aufenthaltsort? Oder wo er gesehen wurde?«

»Nein, nichts dergleichen«, kam die Antwort. »Es hieß einfach nur, dass er wieder in der Stadt wäre und ein paar alte Rechnungen begleichen wollte, bevor er verschwindet.«

»Er will verschwinden? Nicht wieder die Führung seiner Organisation übernehmen?«, fragte Phil.

»Na ja, als flüchtiger Sträfling wird er das wohl kaum können«, sagte Benedikt. »Wenn er nicht irgendwann geschnappt werden will, muss er untertauchen. Ob er von dort wieder die Geschäfte leiten will, das weiß ich nicht.«

»Das ist für uns wahrscheinlich auch nicht so wichtig«, sagte ich. »Wenn er hier ein paar alte Rechnungen begleichen will, dann stehen wir wahrscheinlich ebenfalls auf seiner Liste. Sind wir auch erwähnt worden?«

»Mir gegenüber nicht«, antwortete Benedikt. »Mehr weiß ich leider wirklich nicht. Sonst würde ich es Ihnen sicher sagen. Liegt ja auch in meinem Interesse, dass Sie ihn schnappen und wieder einbuchten. Und zwar schnell, bevor er mich findet.«

Ich schaute ihm direkt in die Augen. »Ich glaube Ihnen. Und daher gebe ich Ihnen noch einen Tipp: Tauchen Sie woanders unter. Nehmen Sie Miss Singer mit. Am besten verlassen Sie für ein paar Tage die Stadt und machen irgendwo Urlaub. Zahlen Sie bar und tragen Sie sich in den Hotels unter anderen Namen ein. Wenn wir Sie hier finden konnten, kann Festral das auch.«

Benedikt nickte. »Danke, ja, werde ich machen, ich meine, das werden wir machen.«

»Und vergessen Sie nicht, uns Bescheid zu geben, falls Sie noch etwas erfahren sollten«, sagte Phil und reichte ihm seine Visitenkarte.

Wir verabschiedeten uns von den beiden und verließen das Apartment.

***

Gerade, als sie die Tür hinter uns geschlossen hatten, kam uns ein düster dreinblickender Mann entgegen. Meine Alarmglocken läuteten und ich musterte ihn genau. Ich konnte nicht sehen, ob er bewaffnet war, ging aber vorsichtshalber davon aus.

Als wir gerade an ihm vorbei waren und die Treppe heruntergingen, bewegte sich Phil weiter und ich blieb stehen, drehte mich um und schaute um die Ecke, um zu sehen, was der Mann machte.