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Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.
Fünf actiongeladene Fälle und über 300 Seiten Spannung zum Sparpreis!
G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!
Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!
In diesem Sammelband sind 5 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:
Jerry Cotton 3060 - Einladung zum Sterben
Jerry Cotton 3061 - Ein unischerer Plan
Jerry Cotton 3062 - Last Exit
Jerry Cotton 3063 - Falsche Beweise
Jerry Cotton 3064 - Der Tod ist kein Zufall
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Seitenzahl: 664
Veröffentlichungsjahr: 2024
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2016 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Für diese Ausgabe:
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Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Covermotiv: © shutterstock: stockcreations | mr.Timmi
ISBN: 978-3-7517-6512-1
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https://www.luebbe.de
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Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Jerry Cotton 3060
Einladung zum Sterben
Jerry Cotton 3061
Ein unsicherer Plan
Jerry Cotton 3062
Last Exit
Jerry Cotton 3063
Falsche Beweise
Jerry Cotton 3064
Der Tod ist kein Zufall
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Contents
Einladung zum Sterben
Das war das Todesurteil! Er hörte das Klicken in der Leitung. Dieser bornierte Beamte hatte einfach aufgelegt und damit über sein Leben entschieden – alles zerstört, was er aufgebaut hatte. Alle, die er liebte, waren ruiniert: seine Frau, sein Sohn und auch sein Bruder. Die Schulden waren, solange sie lebten, nie mehr zu begleichen. Er nahm einen der Briefbögen und fing bedächtig an zu schreiben.
Als er fertig war, griff er nach der Waffe. Ohne einen weiteren Gedanken steckte er sich den Lauf in den Mund, dann drückte er ab. Der Schuss hallte im ganzen Haus wider, und als sein lebloser Körper auf den Schreibtisch fiel, fehlte ihm die Hälfte seines Kopfes.
»Daddy, was war das für ein Knall?«, rief sein zehnjähriger Sohn und drückte die Klinke zum Arbeitszimmer seines Vaters herunter.
Es gab verschiedene Dinge beim FBI, denen noch nicht einmal ein Inspektor entkommen konnte: Fortbildung und die jährliche Schießprüfung. Mein Partner und ich versuchten beides immer miteinander zu verbinden und verbrachten dementsprechend eine ganze Woche in Quantico.
Es war fast immer Mitte bis Ende Oktober, die Wälder um Quantico verfärbten sich, und es war besonders schön, den Yellow Brick , den mehrere Meilen langen Hindernisparcours dort, zu laufen. Außerdem stellte Mr High sicher, dass wir in der Zeit nicht gestört wurden, es sei denn, die Welt ging unter.
»Jerry, Phil«, begrüßte uns Concita nach ihrer zweistündigen Vorlesung in Wirtschaftskriminalität. »Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen«, meinte sie, als wir beide das Auditorium verließen. Sie gehörte zu dem Scientific Research Team, mit dem wir zusammenarbeiteten, und wir kannten uns dementsprechend gut.
»Hallo, Concita«, erwiderte Phil und lächelte sie an. »Ihr Vortrag war sehr interessant«, flunkerte er ein wenig. Wirtschaftskriminalität war nicht Phils Steckenpferd, und ich hatte ihn während der zwei Stunden immer mal wieder in die Seite gestoßen, damit ihm nicht die Augen zufielen. Ich hingegen fand es wirklich interessant, auch wenn Concita nicht gerade eine begnadete Rednerin war.
Doch um ehrlich zu sein, so wie Phil ging es mir regelmäßig, wenn wir uns mit den neusten EDV-Errungenschaften auseinandersetzen mussten. Er hingegen wurde bei Computern zum Virtuosen.
»Haben Sie zum Abschluss Ihrer Woche in Quantico heute Abend etwas geplant?«, fragte sie uns.
»Nein, heute ist kein offizielles Abendessen angesetzt«, erwiderte ich. Wir hatten heute wirklich freie Zeit zur Verfügung und wollten außerhalb der Basis essen gehen, bevor wir uns morgen früh auf den Rückweg machten.
»Vielleicht haben Sie Lust auf ein hausgemachtes Abendessen. Ich würde Sie gerne einladen. Mein Mann ist ein exzellenter Koch, und Mai-Lin hat auch schon zugesagt«, meinte Concita.
»Sehr gerne«, erwiderte Phil und sah mich begeistert an. Ich hatte das Gefühl, alles wäre ihm recht, nur um Quantico für ein paar Stunden zu verlassen.
»Wunderbar, dann seien Sie um halb acht bei mir«, erwiderte sie und gab uns ihre Adresse. »Ich würde gerne auch etwas mit Ihnen besprechen.«
»Um was geht es Concita? Sie wirken plötzlich besorgt.«
»Nun, ich weiß nicht, ob ich wirklich etwas entdeckt habe, doch ich glaube, einer Sache auf der Spur zu sein.«
»Auf der Spur zu sein?«, fragte Phil und war plötzlich ungemein interessiert.
»Sehen Sie, im Rahmen der Routineüberprüfungen des FBI und auch als Vorbereitung zu diesem Seminar habe ich mich dieses Jahr mit den staatlichen Subventionen beschäftigt, die an Unternehmen ausgezahlt werden. Mir sind in dem Zusammenhang ein paar Dinge aufgefallen, die eigenartig sind. Doch lassen Sie uns nach dem Essen darüber sprechen, dann kann ich Ihnen auch die Unterlagen zeigen.«
Wir verabschiedeten uns von ihr, da wir uns noch umziehen mussten. Die Schießprüfung stand heute Nachmittag an, und das war etwas, auf das wir uns beide richtig freuten. Doch die sechzig Runden, die wir mit der Glock zu absolvieren hatten, waren mehr eine Spaßveranstaltung für uns.
Die Aufgabe war, sechzig Schuss abzugeben, davon mussten achtundvierzig Treffer sein, nur dann war der Test erfolgreich bestanden. Aus unterschiedlichen Entfernungen von drei bis fünfundzwanzig Yards wurde gezogen oder beidhändig geschossen.
Phil und ich machten daraus immer einen kleinen Konkurrenzkampf. Wir schlossen normalerweise mit weit über neunzig Prozent, was uns bereits als Ausbilder qualifizierte, doch Phil hatte es bisher jedes Jahr geschafft, mir einen oder zwei Punkte voraus zu sein.
***
»Ich kann es nicht fassen«, meinte Phil und wiederholte sich, seit wir Quantico verlassen hatten. »Du hast fünfundneunzig Prozent geschossen, was ist denn plötzlich mit dir los?« Er saß wie immer auf dem Beifahrersitz des Interceptor und hielt eine Flasche Wein und ein paar Blumen in der Hand, die wir für Concita besorgt hatten.
»Hatte einen guten Tag, nimm es dir nicht zu sehr zu Herzen«, erwiderte ich und grinste in mich hinein. Phil wurmte es fürchterlich, dass er drei Punkte unter mir gelandet war, und ich musste zugeben, ich hatte ein diebisches Vergnügen daran.
»Hier, das ist es«, meinte er immer noch verstimmt. Wir parkten vor einem freistehenden Einfamilienhaus in Alexandria. Das Haus war ungemein gepflegt, der Garten liebevoll gestaltet, und die Fenster waren erleuchtet und mit Herbstdekorationen geschmückt.
Es wunderte mich, dass Concita keine Kinder hatte, denn eigentlich war sie mit ihrer mütterlichen Art dafür prädestiniert. Sie war so ein bisschen die Seele des Research-Teams, wurde von allen hochgeschätzt und ich glaubte, dass die Mitglieder des Research-Teams ihr auch manchmal die beruflichen Sorgen anvertrauten.
»Hätte ich gewusst, dass Sie auch kommen, dann hätte ich lieber in der Kantine gegessen«, meinte Phil scherzhaft und begrüßte Frederick Fortesque und Gerold Willson, zwei weitere Mitglieder des Research-Teams. Beide gehörten in der forensischen Pathologie und Chemie zu den führenden Experten des FBI. Hervorragende Wissenschaftler, doch auch anstrengende Charaktere, die vor allem miteinander einen sehr speziellen Umgangston pflegten.
»Das habe ich auch schon gesagt, als FGF hier auftauchte«, meinte Gerold Willson mit breitem texanischem Akzent und klopfte Frederick Fortesque heftig auf die Schulter. Phil übergab Concita unsere Gastgeschenke, und als ihr Mann aus der Küche kam, da blieb mir und auch meinem Partner die Luft weg.
Kitchen Is A Man’s World,
»Freut mich, Sie endlich kennenzulernen. Die beiden Inspektoren, die Conny so auf Trab halten«, meinte er und schüttelte uns kräftig die Hand.
»Ich bin Jerry, das ist mein Partner Phil«, erwiderte ich immer noch erstaunt.
»David Warren-Mendez«, sagte er und bot uns einen Aperitif an. Phil griff zu, doch ich begnügte mich mit Wasser, da ich noch fahren musste.
***
Es wurde ein erstaunlicher Abend, denn nicht nur das Essen, das David gezaubert hatte, entsprach einem Sterne-Restaurant, sondern auch die Gespräche waren ein Vergnügen. Wir lachten viel und laut. Als Frederick und Gerold sich verabschiedet hatten, kam Concita zur Sache.
»Jerry, Phil, Mai-Lin, kommen Sie doch kurz mit in mein Arbeitszimmer, dann können Sie sich alles genau ansehen«, meinte sie und sah ihren Mann entschuldigend an.
»Geh nur, Conny, ich ziehe mich in meine Küche zurück. Jerry, ich glaube, sie hat sich an etwas festgebissen, Sie sollten sich das ansehen. Ich persönlich bin der Meinung, Conny hat etwas entdeckt«, sagte er zu unser aller Erstaunen. David war nicht nur ein begnadeter Koch, was er uns allen bewiesen hatte, er war auch ein Wirtschaftsexperte. Wie es schien, hatte Concita ihn über ihre Erkenntnisse informiert.
»Tut mir leid, doch mein Mann und ich haben keine Geheimnisse, er weiß, woran ich arbeite, und unterstützt mich manchmal. Natürlich ist er sich im Klaren darüber, dass alles der Verschwiegenheit unterliegen muss«, sagte Concita und führte uns drei in ein Büro.
Eine der Wände war mit Dokumenten beklebt, auf anderen Papieren befanden sich Pfeile und Verweise. Ich musste zugeben, ich war fasziniert. Phil und Mai-Lin traten näher an die Wand und lasen sich einzelne Dokumente durch.
»Es ist immer das gleiche Schema«, begann sie. »In den letzten zwei Jahren wurden private Firmen mit Geldern für Zukunftstechnologie oder Kulturförderung stark subventioniert. Es wurde gezahlt, die Firmen gingen pleite und die Abschlussberichte waren meiner Meinung nach sehr unzureichend dokumentiert.«
»Passiert das nicht öfters? Ich meine, man versucht einen maroden Betrieb zu unterstützen, doch der Ruin ist nicht abzuwenden«, fragte Phil nach.
»Ja, natürlich, das stimmt«, warf Concita ein. »Doch in diesen Fällen rede ich von mehreren Millionen US-Dollar.«
Phil pfiff durch die Zähne. »Das ist eine Menge Geld!«
»Genau, und ich sehe ein Schema: einen Betrug, und er scheint mir organisiert und vor allem raffiniert«, erklärte sie. »Jerry, Phil, Sie sollten die Fälle offiziell untersuchen! Hier werden dem Staat in großem Stil Gelder unterschlagen. Ich befürchte, die zwei Millionen, die ich untersucht habe, sind nur die Spitze des Eisbergs.«
»Mal langsam, Concita«, warf ich ein. »Wir haben weder von irgendeinem Field Office von solchen Dingen gehört, noch hat sich der Subventionsausschuss an uns gewandt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Regierungsstelle in Washington solche Dinge nicht prüft. Sie wissen doch selbst, was für ein Theater wir jedes Jahr haben, wenn es darum geht, das Haushaltsbudget für unsere Organisation zu bekommen.« Ich sah in die Gesichter meiner Kollegen und Phil zuckte skeptisch die Schultern.
»Bitte hören Sie sich wenigstens die zwei Fälle an, die mir ins Auge gestochen sind. Vielleicht können wir uns umhören, oder noch besser, Sie sprechen mit Assistant Director High einmal über die Sache«, erwiderte sie, und in dem Moment kam ihr Mann mit einer weiteren Flasche Wein in das Büro.
»Noch jemand was zu trinken?«, fragte er und sowohl Phil als auch Mai-Lin hielten ihm die Gläser hin. »Was dagegen, wenn ich hierbleibe?«, schob er hinterher und füllte ihre Gläser.
»Nein, Sie sind ebenfalls Wirtschaftsexperte, richtig?«, fragte ich und er nickte.
»Ich arbeite für die Washingtoner Börsenzeitung, war aber vorher in der Wirtschaft. Beratung bei Konkursabwicklung, das wurde mir aber mit der Zeit zu deprimierend, da mit einem Unternehmen auch immer Hunderte von Jobs und damit Familienexistenzen den Bach runtergehen«, erwiderte er ungezwungen.
»Dann wissen Sie wahrscheinlich am besten, dass Subventionen von der Regierung strengen Kontrollen unterliegen. Denken Sie auch, dass man Gelder dort unterschlagen könnte, ohne dass die Behörden etwas mitbekommen«, fragte ich ihn unverblümt, denn mir war klar, dass er die beiden Fälle, von denen Concita sprach, genau kannte. David setzte sich zu uns und nippte nachdenklich an seinem Rotwein.
»Natürlich sind die beiden Fälle, die meiner Frau aufgefallen sind, kleine Fische. Zwei Millionen ist gar nichts, wenn es um die jährlichen Ausgaben geht. Wir reden insgesamt von Milliarden an Subventionen, die jährlich bewilligt werden. Besonders bei Zukunftstechnologie wird tief in die Taschen gegriffen. Ökostrom, Elektroautos und Schadstoffminimierung bei der Produktion, nur um ein paar Beispiele zu nennen. Es kommt immer darauf an, welche Welle die Parteien reiten und wie weit die Wahl entfernt ist. Aber vergessen Sie auch nicht die Agrarsubventionen: Fischzucht, Baumwolle, Getreide. Milliarden, sage ich Ihnen. Also, um Ihre Frage zu beantworten, nein, ich denke, die Regierung hat nicht den nötigen Überblick, um die verschiedenen Gremien, die solche Gelder bewilligen, zu kontrollieren.«
»Höre ich da einen gewissen Zynismus heraus?«, fragte Phil und auf Davids Gesicht erschien ein Lächeln.
»Ja, natürlich hören Sie Zynismus, Phil. Nicht umsonst habe ich alles hinter mir gelassen und einen verdammt überbezahlten Job gegen das schlecht vergütete Dasein eines freien Journalisten eingetauscht. Subventionen sind ein dreckiges Geschäft, selbst wenn alles mit rechten Dingen zugeht. Doch die Entscheidungsträger sind fast immer politisch motiviert. Da geht es nicht um eine Stadt, die zugrunde geht, wenn ein Stahlwerk schließen muss. Es geht um Wählerstimmen, um Macht und um Gefälligkeiten. Sehen Sie sich Detroit an, einst die Hochburg der Autoindustrie – jetzt ist es eine heruntergekommene Metropole, mit einer der höchsten Verbrechensstatistiken und Schulden, die in diesem Jahrhundert nicht mehr beglichen werden können. Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum?«
»Eine der vielen Städte, die der wirtschaftliche Niedergang getroffen hat«, erwiderte Phil. »Die Autoindustrie hat den Anschluss nicht geschafft.«
»Sehr naiv für einen Inspektor. Tut mir leid, dass ich das so direkt sage, ich hoffe, Sie wissen, wie ich es meine. Aber nehmen wir einmal an, ein Wirbelsturm hätte Detroit zerstört, dann wären Gelder geflossen. Doch so … Es gibt einen Grund, warum der letzte Bürgermeister wegen Korruption im Gefängnis sitzt. Ja, natürlich steht und fällt alles immer mit der Wirtschaft, doch wenn es um Regierungsgelder geht, dann geht es nach Lobbys. Das Geld fließt in Kanäle, die momentan im Fokus stehen. Als Detroit der Niedergang drohte, war die Autoindustrie nicht das Ziehkind der Regierung.«
»Okay, aber Concita redet doch davon, dass sich einige Leute gesundstoßen am Untergang subventionierter Firmen. Das sind genehmigte Gelder, die unterliegen doch einer gewissen Kontrolle«, warf ich ein, denn ich fand Davids Ausführungen etwas zu radikal.
»Stimmt, da haben Sie recht. Jedoch bin ich fest der Meinung, dass solche kriminellen Machenschaften nur mit der Zustimmung eines Regierungsbeamten möglich sind.«
»David, bitte, du bist und bleibst ein Journalist, der die Machthaber gerne aus Gewohnheit angreift«, schritt Concita jetzt ein, doch ihr Mann lächelte sie nur an und verneigte den Kopf.
»Danke für das Kompliment«, sagte er und sah seine Frau liebevoll an.
»Also, wollen Sie sich die Fälle anhören?«, fragte Concita ungerührt.
***
»Hör auf, Adan, wir haben erst gestern Jim beerdigt. Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, und kannst du dir überhaupt vorstellen, was mit unserem Jungen ist? Er ist traumatisiert, ich weiß nicht, ob er es jemals überwinden wird«, meinte Sarah mit leiser Stimme und die Tränen liefen ihr schon wieder über das von Trauer gezeichnete Gesicht. Adan stand auf und kniete sich vor seine Schwägerin. Er nahm ihre Hände und küsste sie.
»Es tut mir leid, Sarah, ich weiß, was du durchmachst, und ich möchte gar nicht daran denken, was in Tommys kleinem Kopf vorgeht. Er hätte seinen Vater nie so finden dürfen. Doch wir müssen uns schnell entscheiden. Die Gläubiger warten vielleicht noch einen, zwei Tage, dann hetzen sie uns wie die Hyänen. Sarah, die interessiert der Tod von Jim nicht, die wollen ihr Geld.«
»Aber was sollen wir denn tun?« Sie sah ihn an und er nahm ihr Gesicht in seine Hände.
»Uns selbst helfen. Pack sofort das Notwendigste – nur das Notwendigste, wir verschwinden. Du, ich und selbst Tommy haften persönlich für die Schulden. Wir müssen verschwinden, und dann will ich rausfinden, warum man unsere Firma kaputt gemacht hat.«
»Und das Haus, die Fabrik, unsere Freunde?«
»Wir haben kein Haus, keine Fabrik und vor allem keine Freunde mehr. Die Blumen auf dem Sarg deines Mannes, meines Bruders, waren das Letzte, was wir von unseren Freunden gesehen haben. Komm, pack, wir müssen weg. Ich habe noch etwas Geld abzweigen können, das bringt uns durch die nächsten Monate. Wir fahren nach Washington und finden raus, warum man uns fallen ließ.«
»Adan, ist das wirklich der richtige Schritt?«, warf sie ein und sah ihm ernst in die Augen.
»Sarah, es ist der einzige Schritt. Ich habe heute lange mit dem Konkursverwalter gesprochen, er war empört. Er wird Beschwerde in Washington einlegen, doch das wird alles lange dauern. Wir müssen weg, um frei zu sein, um unsere eigenen Ermittlungen zu führen. Wenn wir hierbleiben, werden wir zerfleischt: vom Bürgermeister, der Stadt und den Familien unserer ehemaligen Angestellten. Der Bericht spricht von Missmanagement, die zweite Subventionsrate wurde von der Regierung nicht gezahlt, wegen dieses Vorwurfs. Du weißt genau, dass Jim und ich alles unter Kontrolle hatten, gerade lief es wieder richtig gut, der Umsatz stieg, darum haben wir ja auch jeden eigenen Penny eingesetzt, um das Projekt voranzutreiben.« Er sah kurz unter sich, driftete in Gedanken plötzlich weg.
»Adan«, meinte sie besorgt und er sah endlich wieder auf.
»Die Bank hat uns den Kredit über zwei Millionen Dollar nur gewährt, weil sie wusste, dass das Regierungsgeld fließen würde. Wir haben alles, was uns gehörte, verpfändet dafür. Es gab kein Missmanagement, wir haben letzten Monat über vierzig neue Leute eingestellt, weil das Unternehmen so gut lief. Es gab nie einen Grund, die zweite Rate nicht zu zahlen. Die haben uns fertiggemacht, und ich will wissen, warum. Wir müssen abtauchen, sonst erfahren wir es nie.« Sarah blickte lange in das Gesicht ihres Schwagers, doch dann nickte sie langsam.
***
»Sehen Sie, das ist der Geschäftsbericht eines Solartechnik-Herstellers aus South Carolina. Die Firma war heruntergewirtschaftet, sie hatten schon lange den Anschluss an die neuste Technologie verpasst, und dann plötzlich stellen sie einen Antrag auf Subvention«, fing Concita an zu erklären. »Eigentlich standen sie kurz davor, Konkurs anzumelden.«
»Und warum wurde ihnen die Unterstützung gewährt?«, fragte ich erstaunt.
»Weil sich private Kapitalgeber fanden. Es wurde ein Drittel privat eingezahlt, ein neuer Wirtschaftsplan erstellt und dann floss das Geld von der Regierung. Doch keine acht Monate später machte Sun-Sol endgültig seine Tore zu.«
»Wie viel zahlte der private Kapitalgeber?«
»Eine Million Dollar.«
»Concita, niemand versenkt eine Million Dollar aus Spaß. Die neuen Gesellschafter müssen daran geglaubt haben, das Unternehmen wieder auf die Beine stellen zu können«, warf Phil ein und auch ich wurde immer skeptischer, ob Concita hier nicht einer Verschwörungstheorie nachjagte.
»Nicht unbedingt, sie zahlen zwar eine Million Dollar, doch sie bekommen vom Staat zwei Millionen zusätzlich. Die Frage ist doch: Was ist mit dem Geld passiert?«, erwiderte sie. »Dann dieser Fall eines Autoteile-Zulieferers, der Batterien herstellte. In dieser Firma kaufen sich ebenfalls neue Gesellschafter ein und bringen eine halbe Million Eigenkapital mit. Dann soll der Betrieb, der schon seit fünfzig Jahren Autobatterien herstellt, plötzlich umgerüstet werden auf Spezialbatterien. Ein Konzept, mit dem man sehr schnell an Regierungsgelder kommt, da die Investition in Zukunftstechnologie sehr stark unterstützt wird. Wieder wird dem Antrag auf Subvention zugestimmt und drei Raten zu je einer Million zugesagt. Zwei der Raten fließen in den Betrieb, dann kommt die Pleite.«
»Und wohin ging das Geld?«, meinte ich mittlerweile ein wenig ungeduldig, denn ich sah ihren Punkt immer noch nicht.
»Das ist eine gute Frage – die Konkursmasse war jedenfalls keine drei Millionen Dollar wert, aber ich müsste mir die Abwicklung ansehen, um Genaues zu sagen. Bitte, Jerry, geben Sie mir den Auftrag und ich fahre nach Kentucky, spreche mit dem Konkursverwalter und sehe mir die ehemalige Fabrik an. Dieser Fall liegt erst zwei Monate zurück, dort könnte ich noch etwas finden. Ich könnte mir alles ansehen, was mit dem Geld angeschafft wurde, welche Gläubiger bezahlt wurden. Bitte, Jerry.«
»Ich weiß nicht, Concita«, erwiderte ich. »Also gut«, gab ich nach. »Wir werden Montag mit Mr High sprechen, doch ich befürchte, Ihr Verdacht ist nicht stabil genug, um eine offizielle Untersuchung rechtfertigen zu können. Lassen Sie uns sehen, was er sagt.«
***
»Mr Walls, so langsam habe ich die Nase voll. Sie sind ein Quertreiber«, meinte Samuel Fischer resolut. »Wir haben Ihre Firma ausgewählt, weil Sie als Berater einen guten Ruf haben, doch seit wir zusammenarbeiten, höre ich nur Kritik von Ihnen.«
»Sir, ich muss schon bitten«, erwiderte der Wirtschaftsexperte und sah den Regierungsbeamten empört an. »Es ist meine Aufgabe, ich werde dafür bezahlt, die Wirtschaftspläne zu beurteilen und Subventionszahlungen zu empfehlen oder auch nicht. Das hat nichts mit Quertreiberei zu …«
Weiter kam er nicht.
»Es reicht. Erst erzählen Sie mir, ich hätte bei zwei der Firmen kein Budget zur Verfügung stellen sollen, und jetzt werfen Sie mir vor, ich hätte die Raten bei dieser Mikrochip-Firma, Micro-Lay , nicht einstellen sollen. Was wollen Sie denn eigentlich? So langsam bekomme ich den Eindruck, Sie zweifeln jede meiner Entscheidungen an.«
»Wie bitte? Dr Fischer, so einfach ist das nicht. Meine Empfehlungen sind immer fallbedingt. Micro-Lay war eine durch und durch gesunde Firma, die mit viel Geld ihre Produktion umgerüstet hat, sodass die umweltbelastenden Faktoren der Herstellung auf ein Minimum reduziert wurden. Die beiden Eigentümer haben fest mit der nächsten Rate gerechnet und sich privat hoch verschuldet, damit es zu keinem Produktionsstillstand kommt. Mit Ihrer Entscheidung haben Sie ein Unternehmen zerschlagen, das seit zwanzig Jahren solide gearbeitet hat. Jim Bowman, einer der Inhaber, hat daraufhin Selbstmord begangen. Ich frage mich, wie Sie damit leben können.«
Bob Walls schüttelte entsetzt den Kopf. Er wusste, dass mit diesem Mann einfach nicht zu reden war, und gab auf.
»Wissen Sie was? Gerade dieser Selbstmord zeigt mir, dass das Unternehmen bankrott war. Wenn Bowman sich nichts zuschulden hat kommen lassen, warum sollte er sich dann selbst töten?« Fischer wischte das Thema damit einfach vom Tisch, und Bob Walls konnte diesem arroganten Menschen nichts mehr entgegenhalten.
»Dr Fischer, ich kann die Art und Weise, wie Sie Entscheidungen über Subventionen treffen, weder vom wirtschaftlichen noch vom moralischen Aspekt weiter unterstützen. Suchen Sie sich eine neue Beratungsfirma, mein guter Ruf ist mir zu wichtig.«
Bob Walls stand auf, griff nach den Unterlagen und steckte sie in seine Aktentasche. Melanie Whyler, die Assistentin von Dr. Fischer, sah ihn mit großen Augen an.
»Hervorragend, denn wenn Sie diesen Schritt nicht gemacht hätten, dann wäre dies mein Vorschlag gewesen. Schicken Sie uns die noch ausstehenden Rechnungen und die Akten, und dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie gleich mein Büro verlassen.« Regierungsrat Dr. Fischer erhob sich ebenfalls.
»Sie sind eine Schande für den Subventionsausschuss und sollten sich schämen, mit den Steuergeldern der Regierung solche Misswirtschaft zu treiben«, konnte sich Bob Walls nicht verkneifen, denn er war wütend über so viel Inkompetenz.
»Ich bringe Sie raus, Mr Walls«, sagte Melanie Whyler schnell, bevor die Sache noch in einen handfesten Streit ausartete.
Sie gingen den Flur entlang und Bob Walls schüttelte immer noch den Kopf. »Melanie, ich weiß, wie tüchtig Sie sind«, sprach er sie an, als sie vor den Aufzügen angekommen waren. »Bitte sagen Sie mir, wenn ich mit meinen Einschätzungen falsch liege.« Zögerlich blickte sie Walls an, sie mochte ihn, seine resolute Art Probleme anzugehen und seinen Intellekt. »Habe ich recht?«
»Nicht hier, Bob«, war alles, was sie erwiderte. »Treffen wir uns zum Lunch, in einer Stunde in dem Diner am Park, Sie wissen schon, der umgebaute Trailer.«
»Okay, gerne, in einer Stunde«, meinte Bob erfreut, wenn auch etwas erstaunt über ihre Reaktion.
***
»Tut mir leid, Jerry, aber wir haben genug zu tun. Ich zweifle nicht an Agent Mendez’ Kompetenz, doch da es kein Amtshilfe-Ersuchen von der Polizei oder einem unserer Field Offices gibt, kann ich keine Ermittlungen einleiten«, sagte Mr High bestimmt.
Wir hatten ihm gleich am Montag kurz umrissen, was Concita uns mitgeteilt hatte. Ich konnte nicht behaupten, überrascht zu sein – ich an seiner Stelle hätte genauso gehandelt. Ganz sicher war ich mir über ihre Theorie immer noch nicht, daher fing ich auch keine überflüssigen Diskussionen an. Eigentlich war das Thema für mich damit abgehakt, bis mein Partner mich ansprach.
»Was hältst du davon, eine Runde durch den Constitutional Garden zu gehen? Wir holen uns etwas zu essen und genießen die letzten Sonnenstrahlen«, meinte Phil gegen Mittag. Die letzten Oktobertage erwiesen sich als ein richtiger Indian Sommer: Es war zwar kühl, doch der Himmel klar und tiefblau.
Scheinbar lockte es sogar meinen sonst so fußfaulen Partner nach draußen. Wir besorgten uns beide eine Portion Quesadillas und schlenderten am Reflecting Pool des Lincoln Memorial entlang.
»Ich habe am Wochenende ein bisschen Recherche betrieben«, meinte Phil plötzlich, stopfte sich sein letztes Stück Quesadillas in den Mund und wischte sich mit der Serviette den fettigen Käse von den Händen.
Ich ließ mich auf eine Bank nieder, sah auf das Memorial und den nicht abreißenden Strom der Touristen, die in Gruppen davorstanden. Dann schloss ich die Augen und fühlte die Sonne warm in meinem Gesicht. »Hast du gehört, was ich gesagt habe?«, fragte er.
»Mhm«, erwiderte ich, obwohl ich nicht zugehört hatte.
»Also, diese ganze Geschichte mit diesen Subventionen ist schon interessant. Wusstest du, dass bei staatlichen Förderungsprogrammen, besonders Zukunftstechnologie, ein sogenannter Production Tax Credit vergeben wird? Bei Kulturförderungsprojekten sogar eine Eins-zu-drei-Förderung. Das bedeutet, wenn ein Kapitalgeber eine Million einfließen lässt, erhält er drei Millionen vom Staat.« Jetzt öffnete ich die Augen und sah ihn genervt an.
»Hätte Mr High uns auf den Fall angesetzt, dann würdest du mir jetzt gerade die Ohren volljammern, dass wir uns mit so einem Mist rumschlagen müssen. Da wir aber offiziell keine Ermittlungen führen dürfen, interessiert es dich plötzlich. Du bist manchmal so vorhersehbar!«, erwiderte ich ärgerlich.
»Quatsch, ich habe mich am Wochenende damit beschäftigt. Da wussten wir noch gar nicht, dass der Chef nichts unternehmen will. Nein, ich habe mir was anderes überlegt«, warf er schnell ein.
»Phil, lass uns zurückgehen. Wir sollten uns auf unsere Zeugenaussagen konzentrieren. Der Fall Coburn geht nächste Woche Freitag vor Gericht, und wenn ich mich nicht irre, werden wir dort erwartet.« Ich sah ihn an und er verzog das Gesicht.
»Du willst also nicht wissen, was ich mir überlegt habe?«
»In Ordnung, schon gut. Was hast du dir überlegt?«, gab ich klein bei und stand auf.
»Ich habe mir überlegt, wie ich es anstellen müsste, den Staat um Subventionsgelder zu betrügen, und weißt du was? Es ist gar nicht so schwer«, erwiderte er und grinste. »Am besten man sucht sich ein Unternehmen, das in einer von der Infrastruktur dünn besiedelten Gegend liegt, wie diese Batterien-Firma in South Carolina. Der kleine Ort ist buchstäblich abhängig von dem Unternehmen. Würde es schließen, dann wäre jede dritte Familie ohne Einkommen. Verstehst du?«, meinte er und ich nickte mit dem Kopf. Mir war schon klar, ich musste ihn reden lassen, sonst nahm das nie ein Ende.
»Gut, das ist die Voraussetzung. Ein paar hundert Arbeitsplätze, eine Kleinstadt mit einem Bürgermeister, der ebenfalls alles verliert, wenn das Unternehmen dichtmacht. Das Einzige, was ich dann brauche, ist etwas Eigenkapital und jemanden, der in der Lage ist, einen professionellen Sanierungsplan aufzustellen. Dann wickle ich den Bürgermeister und den Senat der Stadt ein, überzeuge die Firmeninhaber und kaufe mich dort ein.«
»Ach, und du glaubst, das ist alles, dann wird dir sofort Unterstützung zugesagt?«, fragte ich voller Zynismus.
»Ja«, erwiderte er nur. »Zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Jerry, als das mit dem Unternehmen in South Carolina passierte, waren gerade Vorwahlen. Der Senator von Carolina hätte sehr viel Druck gemacht, denn die Stimmen der Arbeiter dieser Gegend wären ihm wichtig. Also, das Geld fließt, und schon bin ich um drei Millionen reicher.«
»Dein kriminelles Potenzial lässt zu wünschen übrig, Partner«, war alles, was ich darauf sagte.
»Wieso?«
»Mensch, Phil, nehmen wir mal an, das Geld fließt wirklich. Wenn du dich dann damit abgesetzt hättest, dann wären Anzeigen erfolgt. Dein Bürgermeister, der dich so unterstützt hätte, wäre der Erste gewesen, der in Washington einen Betrug gemeldet hätte. Wie also hättest du das Geld aus der Firma rausgeschafft, ohne dass es auffällt, und gleichzeitig den Betrieb vor die Wand gefahren?«
»Ich denke, das kann uns Concita sagten. Man müsste mal nachfragen, bei den ehemaligen Besitzern, dem Konkursverwalter. Ich meine, North Carolina ist doch nur vier Stunden mit dem Auto entfernt, oder wir rufen einfach mal an.«
Phil grinste, und ich ahnte schon, dass ich ihm wenigstens die Telefonate zugestehen musste. Besser ich wusste, was vor sich ging, denn abhalten konnte ich meinen Partner nicht mehr davon: Er hatte Blut geleckt und würde die Sache nicht so einfach ruhen lassen.
»Na gut, mach du deine Telefonate und ich kümmere mich um den Bericht Coburn«, erwiderte ich. »Wenn Mr High davon erfährt, dann hältst du deinen Kopf hin.« Wir gingen zurück ins FBI-Headquarter, und irgendwie hoffte ich, die Sache würde im Sande verlaufen.
***
»Sie sehen besorgt aus, Melanie«, sagte Bob Walls, als sie ihre Bestellungen aufgegeben hatten.
»Es tut mir leid, dass Sie nicht mehr für uns arbeiten«, erwiderte sie. »Ich finde, Sie haben gute Arbeit geleistet.« Melanie blickte ihn kurz an, sah dann aber auf ihre Hände, die auf der Tischplatte lagen.
»Aber das ist doch nicht alles. Was ist los, Melanie? Hat es mit Dr Fischer zu tun?«, drängte er sie sanft zu reden.
»Bob«, fing sie zögerlich an, »Sie haben recht, Samuel Fischer trifft falsche Entscheidungen. Auch ich habe mich bereits mit ihm angelegt, besonders als es um Micro-Lay ging. Doch auch mir hat er gedroht. Er meinte, wenn ich seine Entscheidungen nicht akzeptieren könnte, dann müsse ich gehen.«
»Das ist doch wohl nicht wahr! Verdammt, dieser inkompetente Mistkerl, wir dürfen nicht zulassen, dass er noch mehr Firmen zugrunde richtet.« Bob stoppte, da die Kellnerin mit ihren Sandwiches und den Getränken kam.
»Nein, das ist es doch gerade, er ist nicht inkompetent«, meinte Melanie leise, nachdem die Bedienung gegangen war. »Bob, ich habe vorher mit Fischer zwei Jahre die Beratung für den Kulturausschuss gemacht. Samuel Fischer ist hochintelligent, und besonders, wenn es um Firmensanierungen geht, weiß er genau, was er tut. Doch vor etwa einem Jahr fingen seine Fehlentscheidungen an. Das Eigenartige dabei ist nur, dass es vielleicht jede vierte, fünfte Firma ist, bei der er Fehler macht, alle anderen laufen super. Auch geht es immer nur um relativ kleine Beträge, zwei, drei Millionen – die großen Subventionen tragen Früchte. Es ist fast so, als ob er es mit Absicht macht.«
»Sie meinen, er macht das vorsätzlich?«
Melanie antwortete nicht darauf, sondern zuckte nur die Schultern. Bob sah sie entsetzt an. »Aber dann müssen wir das dem Ausschuss melden.«
»Vergessen Sie es, ich habe mir einmal die Historie des Ausschusses angesehen. Fischers Vorgänger hat doppelt so viele Fehlschläge gehabt, und das wurde nie untersucht. Samuel hat einen ausgezeichneten Ruf. Wenn ich so etwas zur Anzeige bringe, dann würde man mir vorwerfen, dass ich hinter seinem Job her bin.«
»Und wenn ich es täte?«
»Die Rache eines Beraters, der entlassen wurde. Ich bitte Sie, Bob! Wie sähe das aus?«
»Aber es muss doch noch mehr Leute geben, die erkennen, was er tut. Was ist mit dem Agrarsektor? Dort ist doch auch eine Beratungsfirma eingesetzt. Wenn ich mich nicht irre, Kinsley. Denen kann man zwar vorwerfen, dass ihr Honorar kriminell hoch ist, doch sonst ist die Firma tadellos.«
»Das war sie auch. Fischer hat sie entlassen, dort ist nun ein kleines mittelständisches Beratungsunternehmen eingesetzt, die ihm die Füße küssen. Für ein kleines Unternehmen ist ein Regierungsauftrag enorm wichtig, die fangen nicht gleich an zu kritisieren. Kinsley war empört, aber sie haben ihrem Mann, den sie bei uns eingesetzt hatten, gekündigt. Sie machten ihn dafür verantwortlich, dass man ihnen den Auftrag entzog.«
»Und der Ausschuss findet es nicht eigenartig, dass zwei großen Beratungsunternehmen wie Kinsley und meinem eigenen plötzlich der Auftrag entzogen wird?«
»Nein, sie haben ohne Zögern zugestimmt. Fischer sagte ihnen, dass die Honorare für die erbrachten Leistungen in keinem Verhältnis stünden. Er meint, dass gerade dieser Ausschuss seinen Worte Taten folgen lassen sollte und deshalb kleine innovative Beratungsunternehmen unterstützen solle. Weniger Kosten, höhere Motivation.«
»Keine Kritik und freie Hand, meinen Sie. Verstehe«, meinte Bob Walls. »Wir müssen was unternehmen!«
»Aber was?«, fragte Melanie resigniert.
»Geben Sie mir den Namen des Kinsley-Mitarbeiters, der gefeuert wurde. Ich werde mich mal mit ihm unterhalten. Sie werden Fischer ab jetzt unterstützen, nicht mehr kritisieren, denn Sie, Melanie, sind unser Joker in seinem Büro. Versuchen Sie, so viele Fälle wie möglich zu finden, von denen Sie glauben, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht. Egal ob Agrar-, Kultur- oder Techniksubventionen. Wir brauchen Kopien und sollten uns die Sachen in Ruhe ansehen. Vielleicht fällt mir dann doch was ein.« Melanie nickte und Bob Walls nahm ihre Finger und drückte sie zärtlich.
»Ich habe ein bisschen Angst. Wenn das alles stimmen sollte, dann geht es um riesige Summen von Geld. Eigentlich hoffe ich, wir beide sind nur ein bisschen paranoid«, meinte sie traurig.
»Sie sind viel zu clever und vor allem zu hübsch, um paranoid zu sein«, meinte er und lächelte die Frau an, der er diese Worte schon lange hatte sagen wollen. Melanie ergriff seine Hand fest und erwiderte liebevoll seinen Blick.
***
Bob Walls war nach dem Lunch noch eine Weile Hand in Hand mit Melanie durch den Park geschlendert. Sie hatten sich getrennt und wollten sich am Abend wieder treffen. Melanie war zuversichtlich, bis dahin die Akten einiger der Fälle kopieren zu können.
Auch wenn Bob die Angelegenheit Bauchschmerzen bereitete – denn immerhin versuchten sie einem Regierungsrat einen Betrug nachzuweisen –,war er doch von einem ganz besonderen Gefühl erfüllt. Bob Walls war seit langem wieder einmal richtig verliebt und Melanie Whyler erwiderte seine Gefühle. Sie hatte ihm so viel bedeutet und nie hatte er sich erhofft, eine Chance zu haben. Doch wie es schien, ging es ihr ebenso, und wenn es der Kampf gegen Fischer sein sollte, der sie zusammenschweißte, dann war es nun einmal so.
»Bob, Sie sind schon hier – so früh habe ich Sie gar nicht erwartet«, meinte seine Empfangsdame. »Da ist ein Besucher für Sie, er bestand darauf, auf Sie zu warten.«
»Wer ist es, Clarissa?«, fragte er und wunderte sich, da er keinen Termin vereinbart hatte.
»Ein gewisser Adan Bowman, er wartet im Besprechungsraum.«
»Adan Bowman von Micro-Lay ?«, fragte Bob verwundert und sie nickte. Er schüttelte den Kopf und strich sich angespannt durch die Haare. Dann ging er sofort in den Besprechungsraum.
»Hallo, Adan, ich muss zugeben, ich bin erstaunt, Sie hier zu sehen«, meinte Bob und schüttelte die Hand des ehemaligen Geschäftsführers. »Ich hätte Sie auch gleich angerufen. Warum sind Sie extra nach Washington gekommen?«
»Man hat ein Verfahren gegen mich eröffnet, wegen betrügerischen Konkurses. Ich will ehrlich sein zu Ihnen: Ich bin abgetaucht. Damit machen Sie sich auch kriminell, wenn Sie mit mir reden«, sagte Bowman geradeheraus.
»Was? Aber auf welcher Grundlage?«, fragte Bob.
»Missmanagement und Unterschlagung!«, erwiderte Adan. Bob schüttelte fassungslos den Kopf. »Was hat das Meeting mit Dr Fischer ergeben? Haben Sie Beschwerde eingelegt?«, fragte Bowman. Bob seufzte und setzte sich Adan gegenüber, dann berichtete er über seinen erfolglosen Versuch zu intervenieren und erzählte ihm, dass man seiner Firma den Auftrag entzogen hatte. Wütend sprang Adan auf und ging zum Fenster.
»Man muss doch etwas machen können! Der Mann hat das Leben meines Bruders auf dem Gewissen. Sarah, seine Frau, und Tommy, sein Sohn, sind mit mir hier in Washington. Wir sind untergetaucht, flüchten vor den Gläubigern, bevor es zu spät ist.«
»Um Gottes willen, Adan, so geht das nicht! Sie dürfen sich jetzt nicht entziehen, sonst droht Ihnen Gefängnis! Sie müssen sich stellen, bevor die Sache offiziell wird«, erwiderte Bob entsetzt.
»Das ist bereits der Fall: Die Bank hat mir bereits einen betrügerischen Konkurs vorgeworfen und die Polizei eingeschaltet. Doch um meine Unschuld zu klären, mussten wir untertauchen. Ich bin hier, weil wir Ihre Hilfe brauchen. Ich kann meine Schwägerin und meinen Neffen so etwas nicht aussetzen, sie brauchen mich jetzt. Sie wissen, Bob, dass weder Jim noch ich jemals etwas Unrechtes getan haben. Bitte helfen Sie uns!«
Bob dachte einen Moment nach. »Also gut, ich erzähle Ihnen jetzt etwas. Sie müssen unter allen Umständen darüber schweigen, doch ich glaube, wir haben eine Chance, diesen Fischer dranzukriegen.« Dann berichtete er über das Gespräch mit Melanie Whyler und den Plan, den sie gefasst hatten.
»Wie kann ich helfen?«, fragte Adan gleich. »Es bringt meinen Bruder nicht wieder, doch vielleicht können wir das Unternehmen und den guten Ruf meiner Familie retten und ganz nebenbei diesen korrupten Regierungsbeamten das Handwerk legen.«
»Kommen Sie heute Nachmittag zu mir nach Hause. Sagen wir, so gegen fünf Uhr. Wir setzen uns dann zusammen und gehen alle Details noch einmal durch. Ich hoffe, dass ich am Abend Papiere in die Hand bekomme, die uns Beweise liefern, dann wenden wir uns an das FBI. Wenn es um Regierungsbeamte geht, dann ist es besser, das FBI einzuschalten und nicht die Polizei.«
***
Ich hatte mich den ganzen Nachmittag hinter den Coburn-Fall geklemmt und war alle Details noch einmal durchgegangen. Die Notizen für mich und Phil waren tatsächlich am Ende des Arbeitstages fertig, und damit konnten wir beide ohne Bedenken vor Gericht unsere Aussagen machen.
Von Phil hatte ich nichts gesehen und gehört, und als ich um halb sechs in sein Büro ging, um mich zu verabschieden, hing er immer noch am Telefon. Daher beschloss ich einfach, einmal pünktlich Schluss zu machen und mir zur Abwechslung etwas zu kochen. Kaum hatte ich die Einkäufe in mein Apartment gebracht und angefangen, Salat zu putzen und die Tomatensauce vorzubereiten, klingelte es.
»Bier?«, fragte Phil, als ich die Tür aufmachte, und streckte mir einen Sixpack hin. »Wenn du willst, auch Pizza, bestelle und bezahle ich«, fügte er hinzu und schob sich an mir vorbei in meine Wohnung.
Der Doorman meines Apartmentblocks kannte ihn von seinen vielen Besuchen und ließ ihn immer gleich hoch, ohne mich anzurufen.
»Ich bin am Kochen«, erwiderte ich, in der Hoffnung, dass er den Wink mit dem Zaunpfahl verstand.
»Gut, was gibt’s?«, fragte er ganz natürlich, und mir wurde klar, dass ich ihn so schnell nicht abwimmeln konnte.
»Pasta und Salat«, antwortete ich also und schnippelte Kräuter in die köchelnde Tomatensauce.
»Wunderbar! Dazu passt aber besser Wein, hast du welchen?« Ich verdrehte die Augen und deutete auf den Weinschrank. Phil ging rüber, suchte einen ziemlich teuren Barolo heraus und kramte in einer Schublade nach dem Korkenzieher.
»Was soll ich machen?«, fragte er und schüttete uns zwei Gläser voll. Ich knallte ihm den Parmesan und die Reibe auf die Anrichte.
»Jetzt rück schon raus: Was willst du hier? Normalerweise turnst du doch montagsabends in deinem Fitness-Center rum und gehst anschließend mit einer der Trainerinnen essen. Was beschert mir die Ehre deiner Anwesenheit?«
Phil grinste und benutzte Reibe und Käse dermaßen ungeschickt, das ich schon befürchtete, Teile seiner blutigen Fingerkuppe auf meinen Spaghetti wiederzufinden. Ich nahm ihm die Reibe ab und erledigte den Rest. »Also, was ist los?«
»Unsere Concita ist auf einer heißen Spur«, kam er endlich zur Sache. »Ich habe heute mit allen möglichen Leuten in Lexington, South Carolina, über diese Batterie-Firma gesprochen. Mit dem Bürgermeister, einem der ehemaligen Inhaber und dem damaligen Vorarbeiter. Rate mal, was die sagen.«
»Phil!«, forderte ich ihn auf und stellte das Wasser für die Spagetti auf.
»Soll ich den Tisch decken?«, fragte er.
»Reden sollst du! Scheint ja wichtig zu sein, sonst wärst du doch nicht hier.«
»Mann, bist du schlecht drauf. Also, der ehemalige Inhaber wurde kurze Zeit, nachdem sich die neuen Kapitalgeber eingekauft hatten, regelrecht aus dem Unternehmen gemobbt. Er behauptet, die beiden Investoren seien verdammt scharfe Hunde gewesen. Ein Mann und eine Frau, die hätten sukzessive erst den Einkaufsleiter und dann den Buchhalter entlassen. Obwohl er noch immer Anteile an seiner alten Firma hatte, bekam er keine Informationen mehr, und als man ihm dann anbot, ihn auszukaufen, nahm er das Angebot an. Er ist der Meinung, die wollten das Unternehmen kaputt machen. Denkt, die wurden von der Konkurrenz dazu beauftragt oder so etwas.«
»Aha, die Konkurrenz will, dass man ein marodes Unternehmen noch maroder macht«, erwiderte ich ironisch.
»Na ja, jedenfalls glaubt er, dass da richtig was faul war. Auch der Bürgermeister ist der Ansicht, denn seit der Konkurs eröffnet wurde, hat man von den beiden Kapitalgebern nichts mehr gehört.«
»Und der Konkursverwalter?«, fragte ich, mittlerweile doch neugierig geworden, und griff nach den Tellern und dem Besteck.
»Mit dem habe ich nicht gesprochen, der war von Washington eingesetzt worden. Eine Beratungsfirma, die den Konkurs abwickeln sollte. Doch ich erfuhr, dass die Konkursmasse nicht mehr wert war als ein paar Zehntausend Dollar.«
»Und wohin sind die Millionen Subventionen dann gegangen?«
»Einer der damaligen Vorarbeiter sagte mir, dass man damit neue Maschinen bestellt hatte, die wurden dann auch geliefert, doch viel zu spät, da war es für das Unternehmen schon aus.«
»Okay, und was ist daran eine heiße Spur?«, warf ich ein, schüttete die Spaghetti ab und stellte die Schüssel und den Topf mit der Sauce auf den Tisch. Phil griff gleich zu und bediente sich mit einer riesigen Portion. Er schob die erste Gabel mit Nudeln in den Mund.
»Die eingeschweißten Maschinen für zwei Millionen Dollar sind Schrott, der keine zwanzigtausend Dollar wert ist, und den Lieferanten gibt es scheinbar gar nicht. Das schmeckt richtig gut, Jerry«, fügte er an.
»Hat er das angezeigt? Ich meine, den Konkursverwalter?«
»Keine Ahnung, jedenfalls kam von Washington keine Rückmeldung. Die Firma wurde so gut wie möglich abgewickelt. Mehr passierte nicht«, erwiderte er mit vollem Mund.
»Eine Beratungsfirma – du denkst, die hängen da mit drin? Wer ist das?«
» Walls Consulting aus Washington. Ich denke, wir sollten dem Inhaber Bob Walls morgen mal einen Besuch abstatten, nur so«, sagte Phil unbefangen.
»Na gut, warum nicht. Das ist ja noch keine Ermittlung, wenn wir ein paar Fragen stellen«, erwiderte ich und trank jetzt endlich auch von dem köstlichen Barolo, denn Phil war bereits bei seinem zweiten Glas.
***
»Melanie, was tun Sie so spät noch hier?«, fragte Dr. Fischer und sie zuckte erschrocken zusammen. Es war sieben Uhr, und eigentlich stellte sich die Frage, was er hier tat. Normalerweise verschwand Fischer immer pünktlich so gegen fünf Uhr am Nachmittag.
»Oh, ich kopiere nur noch ein paar Akten, damit wir alles im Archiv haben. Ich muss mir auch noch einen Überblick verschaffen, was wir von Walls Consulting zurückbekommen sollten«, erwiderte sie schnell und versuchte so gut wie möglich den Aktenstapel am Kopierer mit ihrem Körper zu verdecken.
»So, was für Akten sind das denn?«, fragte Fischer misstrauisch und blickte auf den Stapel. Er sah genau, dass es sich um die Fälle handelte, die er selbst bearbeitet hatte. Solar-Tec, Micro-Lay und High-Power Battery Inc. , konnte er erkennen, doch darunter lagen noch mindestens fünf andere Firmenakten.
»Na ja, das Übliche, die letzten Firmen, die wir bearbeitet haben«, erwiderte Melanie und er sah genau, dass sie vor Unbehagen kaum ruhig auf der Stelle stehen konnte.
»Gut, aber arbeiten Sie nicht mehr so lange, ich bin noch eine Weile in meinem Büro. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie gehen«, meinte er plötzlich, und erleichtert nickte Melanie ihm zu. Kurz darauf verschwand er und sie atmete laut aus. Dann beeilte sie sich mit den restlichen Kopien.
»Wir haben ein Problem«, sagte Fischer, nachdem er die Nummer angerufen hatte.
»Was ist los?«
»Ich glaube, meine Assistentin hat Lunte gerochen. Sie ist gerade hier im Büro und kopiert genau die Akten unseres letzten Falles. Sie hat sich auch die bereits erledigten vorgenommen«, erwiderte Fischer schnell.
»Machen Sie sich keine Sorgen, das musste ja einmal passieren. Hören Sie zu, Samuel, behalten Sie Whyler noch für eine Weile im Büro, bis ich grünes Licht gebe. Ich nehme mich der Sache an. Haben Sie Bob Walls gekündigt?«
»Ich habe ihm heute den Beratungsvertrag entzogen, damit sollte das Problem beseitigt sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er jetzt noch weiter unangenehme Fragen stellen wird. Er ist nur sauer, dass er den Auftrag verloren hat«, beantwortete Fischer wahrheitsgemäß.
»Das wird nicht reichen. Ich denke, Walls hat ausgedient, das erledige ich ebenfalls. Wann können wir den nächsten Fall angehen?«
»Um Gottes willen, nicht so schnell. Wenn Melanie etwas ahnt und wir ziehen jetzt noch einen Deal durch, dann geht sie bestimmt zum Ausschuss. Das dürfen wir nicht riskieren.«
»Ganz ruhig, die Frau überlassen Sie mir. Ich habe bereits eine Idee, wie wir die Sache geradebiegen. Rufen Sie mich an, wenn sie das Gebäude verlässt, ich übernehme dann«, sagte die resolute Stimme und Fischer lief eine Gänsehaut über den Rücken. »Fischer, Sie tun jetzt Folgendes«, sagte sein Gesprächspartner, und Samuel Fischer hörte genau zu.
***
Melanie hatte alle Kopien in ihre Aktentasche gesteckt, kurz bei Fischer im Büro vorbeigeschaut und dann in Windeseile das Gebäude verlassen. Von ihrem Auto aus rief sie Bob Walls an und fuhr dann direkt zu seiner Privatwohnung. Den Wagen, der ihr die ganze Zeit folgte, nahm sie vor lauter Aufregung nicht wahr.
»Das ist unglaublich«, sagte Bob Walls, nachdem sie in seiner Wohnung den Aktenstapel gesichtet hatten. »Willkür. Doch ich verstehe nicht, warum Fischer das tun sollte. Er hat nichts davon. Ich meine, die Gelder gehen doch nicht auf sein Konto, oder? Firmen gehen kaputt und die Konkursmasse bleibt zurück. Es sind Fehlinvestitionen, doch weiter kann ich keine Unterschlagung feststellen.«
»Bei der High-Power Battery Inc. vielleicht doch. Bob, du hast selbst gesagt, dass die bestellten Maschinen nicht einen Bruchteil dessen wert waren, was dafür bezahlt wurde. Erinnere dich daran, wie wütend Fischer wurde, als du dem nachgehen wolltest. Nehmen wir einmal an, die neuen Kapitalgeber haben Geld abgezweigt und den Schrott bestellt.«
»Dann stellt sich immer noch die Frage: Warum deckt Fischer die Sache?«
»Ich muss unbedingt noch mehr über die verschiedenen Kapitalgeber erfahren. Daran mache ich mich gleich morgen. Es muss einen Zusammenhang geben«, erwiderte Melanie resolut und griff nach dem Glas Wein, das Bob ihr eingeschenkt hatte. »Lass uns auch noch einmal ganz genau die Micro-Lay -Sache ansehen.«
»Mir gefällt das nicht«, sagte er und legte seine Hand an ihre Wange. »Melanie, das kann gefährlich werden. Mir wäre es lieber, du würdest gar nicht erst zurück in dieses Büro gehen. Morgen kommt Adan Bowman von Micro-Lay noch einmal zu mir. Er war heute Morgen bereits in meinem Büro und wir haben den Nachmittag hier darüber gesprochen. Vielleicht reichen mit seiner Hilfe die Beweise aus, um ein Ermittlungsverfahren beim FBI zu erwirken. Geh nicht mehr ins Büro, ich mache mir Sorgen um dich.«
Melanie lächelte und beugte sich zu ihm, dann pressten sich ihre Lippen auf seine und Bob erwiderte den leidenschaftlichen Kuss voller Zärtlichkeit.
***
Ich holte Phil eine Stunde früher als gewöhnlich bei seinem Apartmenthaus ab. Wir wollten, bevor wir offiziell den Dienst antraten, bei Bob Walls’ Privatadresse vorbeifahren und kurz mit dem Mann reden. Phil hatte sich die Adresse besorgt.
Wir brauchten nur dreißig Minuten, um in die Columbia Road North-West zu gelangen. Wie es schien, gingen Bob Walls’ Geschäfte, welcher Art auch immer sie waren, ausgesprochen gut, denn wer hier wohnte, hatte genug Geld, die horrenden Mieten zu zahlen.
»Hallo, was haben wir denn hier?«, meinte Phil und zeigte auf die Ansammlung von Polizeiwagen, die mit Blaulicht vor Bob Walls’ Apartmentblock parkten. Dass der Wagen der Spurensicherung auch dort stand, hatte nichts Gutes zu bedeuten. Wir hängten unsere Marken gut ersichtlich an die Jacketts und gingen zu dem Officer, der die Schaulustigen und die Presse vom Absperrband weghielt.
»Cotton und Decker vom FBI, was ist hier passiert?«, fragte ich ihn, nachdem man uns hinter die Absperrung gelassen hatte.
»Da wenden Sie sich besser an Detective Sanchez von der Mordkommission, er steht dort drüber bei dem Pathologen«, erwiderte er und wir gingen auf den Wagen der Kriminaltechnik zu, stellten uns vor und wiederholten die Frage.
»FBI?«, meinte der Detective, der nicht nur von seinem Namen, sondern auch von seinem Aussehen her lateinamerikanische Wurzeln hatte. »Mhm, wir haben wahrscheinlich einen Mord und einen Suizid«, meinte er und nickte zu den beiden Leichen hinüber, die bereits in den schwarzen Säcken lagen.
»Wer ist es?«, meinte Phil und der Pathologe zog für uns den Reißverschluss auf. Die Leiche der Frau war schrecklich zugerichtet: Sie war geschlagen worden und ein großes Loch war an ihrer Schläfe zu sehen.
»Melanie Whyler, aus Washington, wurde geprügelt, ist dann auf den Heizkörper gefallen und hat sich das Genick gebrochen. Wahrscheinlich von ihrem Freund«, klärte uns der Detective auf.
»Die andere Leiche ist Bob Walls. Alles deutet darauf hin, dass er sie geschlagen hat, seine Hände weisen die typischen Spuren auf. Ich denke, dass sie starb, war ein Versehen, er konnte nicht damit leben und hat sich eine Kugel durch den Kopf gejagt.«
»Bob Walls?«, fragte ich. »Woher wissen Sie, dass er ihr Freund war?«
»Die beiden hatten Sex in der letzten Nacht«, antwortete der Pathologe. »Wir müssen zwar noch die DNA-Auswertungen abwarten, doch beide wurden im Schlafzimmer gefunden und es konnten an beiden Körpern Flüssigkeiten sichergestellt werden.«
»Ist das FBI wegen der Unterlagen hier?«, fragte uns der Detective. Ich sah ihn fragend an und runzelte die Stirn. »Na, dieser ganze Kram über staatliche Wirtschaftsförderung, den wir in der Wohnung gefunden haben.«
»Ja, kann man so sagen. Dürfen wir uns den Tatort ansehen?«, meinte Phil geistesgegenwärtig.
»In Ordnung, wir sind so weit fertig, es sind nur noch ein paar Leute von der Spurensicherung oben. Übernehmen Sie den Fall?« Detective Sanchez hatte wohl nichts dagegen, den Schreibkram an die Bundespolizei zu übergeben.
Ich zögerte einen Moment und dachte an Mr High, doch wir waren eigentlich schon mittendrin in diesem Fall, und darum nickte ich und gab ihm und auch dem Pathologen meine Visitenkarte.
»Ja, wir übernehmen den Fall, schicken Sie alles zu uns. Wenn Sie die Autopsie durchführen, rufen Sie uns vorher an, ich würde gerne persönlich daran teilnehmen.«
»Kommen Sie, ich bringe Sie hoch. Immerhin ersparen Sie mir einen Haufen Arbeit«, meinte Detective Sanchez und ging mit uns ins Haus zu den Aufzügen.
Die Wohnung war geschmackvoll und teuer eingerichtet. Auf dem Wohnzimmertisch lagen Akten verstreut, bei denen es sich um verschiedene Firmen handelte, die vom hiesigen Subventionsausschuss entweder Gelder bekommen hatten oder abgelehnt worden waren.
»Sieht mir nicht nach einem Streit aus«, meinte Phil. »Eher nach einem Stelldichein.« Er nickte auf die zwei Weingläser und die zerwühlten Kissen auf der Couch. Verschiedene Kleidungsstücke, die wild am Boden zerstreut waren, führten uns ins Schlafzimmer.
»Auf jeden Fall fing es so an«, meinte ich und blickte dann in das Schlafzimmer, in dem die Leute der Kriminaltechnik mit ihren weißen Overalls immer noch Proben nahmen. Wir blieben an der Tür stehen.
Das Bett war mit Blutspritzern übersät, und auch den Blutfleck am Heizkörper konnten wir sehen. Neben der einen Seite des Bettes sahen wir eine ziemlich große Blutlache auf dem Teppich und an der Wand dahinter Gewebereste, die wohl von dem Kopfschuss stammten.
»Sie bekommen Streit, er schlägt auf sie ein, vielleicht fällt sie unglücklich und ist tot. Dann erschießt er sich«, fasste Phil die Lage zusammen. Ich sah ihn skeptisch an, so etwas passte nicht zu meinem Partner. Er zog nie voreilige Schlüsse.
»Die ganze Sache erscheint wie aus dem Bilderbuch«, fuhr er fort. »Ich habe das Gefühl, dieser Tatort ist zu perfekt, alles zu rund.«
»Gott sei Dank, ich dachte schon, du meinst das ernst«, erwiderte ich, denn auch ich fand, der ganze Tatort wirkte irgendwie inszeniert. »Haben wir irgendwelche Zeichen von Fremdeinwirkung? An der Tür oder sonstige Spuren?«, fragte ich die Männer der Spurensicherung.
»Nein, wenn jemand in die Wohnung eingedrungen ist, dann ein Profi. Wir konnten nichts am Schloss finden, und auch sonst gibt es bisher kein Anzeichen für eine dritte Person. Es sieht so aus, als ob die beiden alleine waren.«
***
»Jerry, was war an meiner Anweisung so falsch zu verstehen?«, fragte der Chef und sah mich vorwurfsvoll an. Wir waren gleich, nachdem wir den Tatort verlassen hatten, zu ihm gegangen, um zu beichten. Natürlich war er alles andere als begeistert.
»Es ist weniger Jerrys Schuld, mich hat der Fall nicht mehr losgelassen. Concita hat da wirklich was entdeckt, und die beiden Toten scheinen ihre Vermutung zu bestätigen«, warf Phil ein. Danke für die Hilfe, Partner, dachte ich und wusste, er würde die Sache nur noch verschlimmern.
»Warum wundert mich das jetzt nicht, Phil?«, erwiderte Mr High resigniert und schüttelte den Kopf. »Also gut, da Sie jetzt schon mal auf den Plan getreten sind, müssen wir uns der Sache wohl annehmen. Rufen Sie Agent Mendez an, sie soll sofort nach Washington kommen, wir sehen uns die Angelegenheit an. Was denken Sie über den Selbstmord beziehungsweise Mord?«
»Für mich stimmt da was nicht, ich würde gerne auch Dr. Willson und Dr. Fortesque für die Obduktion hinzuziehen«, meinte ich schnell und hoffte Mr High damit etwas zu besänftigen.
»Gut, tun Sie das und sehen Sie zu, dass dieser Detective Sanchez mit im Boot bleibt, falls wir den Fall wieder zurückgeben müssen.« Mr High ging in Richtung Tür, dann drehte er sich noch einmal zu uns um.
»So etwas will ich nicht noch einmal erleben. Wenn ich eine Anweisung gebe, gehe ich davon aus, dass sie befolgt wird. Sonst sorge ich dafür, dass Sie beide für eine Weile Personenschutz oder Ausbildung in Quantico übernehmen, und glauben Sie mir, ich weiß, wie sehr Ihnen das gegen den Strich geht.«
»Mist«, rutschte es Phil raus, nachdem Mr High die Tür geschlossen hatte. »Tut mir leid, Jerry, immerhin habe ich damit angefangen«, entschuldigte er sich kleinlaut.
»Warum lasse ich mich von dir immer wieder einwickeln?«, fluchte ich vor mich hin. »Ruf Concita und unsere beiden Doktoren an, ich spreche mit der hiesigen Pathologie, damit sie mit der Autopsie auf das Team warten. Dann sehen wir uns die Papiere an, die wir in der Wohnung gefunden haben.«
Fortesque, Gerold und Concita waren zwei Stunden später in Washington. Während unsere beiden Wissenschaftler an der Autopsie von Melanie Whyler und Bob Walls teilnahmen, gingen wir mit Concita die Papiere durch, die man in dem Apartment gefunden hatte.
»Dieser Bob Walls war der Berater für den Wirtschaftssubventionsausschuss. Auf all diesen Projekten befindet sich seine Unterschrift, genau wie die von Melanie Whyler, einer Regierungsbeamtin, die als Assistentin des zuständigen Dr Fischer hier in Washington arbeitete. Wenn die beiden gemeinsam einen Betrug durchgezogen haben, dann wäre es Dr Fischer schwergefallen, das zu entdecken«, sagte Concita und blätterte weiter durch die Kopien.
»Doch warum sollte Bob Walls seine Partnerin töten?«, fragte ich und ließ meinen Gedanken freien Lauf.
»Vielleicht hat es Streit gegeben wegen des Geldes und er schlägt zu, sie fällt unglücklich, und als sie tot ist, kann er nicht damit leben«, meinte Phil.
»Wir sollten mit Dr Fischer sprechen und auch Bob Walls’ Beratungsbüro aufsuchen. Concita, ich denke, Sie können mit dem Regierungsrat alleine sprechen, Sie wissen besser, welche Fragen zu stellen sind. Phil und ich fahren zu Walls’ Büro.«
***
Es dauerte eine ganze Weile, bis sich Bob Walls’ Mitarbeiterin beruhigt hatte und wir mit ihr sprechen konnten. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie von Walls’ Tod noch nicht informiert war, und so hatten wir ihr diese Hiobsbotschaft überbracht.
Clarissa saß mit rotverweinten Augen im Besprechungsraum und griff immer wieder nach den Kleenextüchern, um sich die Nase zu putzen.
»Clarissa, wussten Sie, dass Ihr Chef eine Beziehung zu Melanie Whyler hatte?«, fragte ich und sie schüttelte den Kopf.
»Nein, Bob ist so professionell, er würde nie mit der Assistentin eines Kunden …«, sagte sie und brach ab. »Ich verstehe das einfach nicht, es sei denn …«, setzte sie wieder an, doch dann schwieg sie.
»Es sei denn was?«, meinte Phil.
»Als Bob gestern von einem Meeting auf der Subventionsstelle zurückkam, da bat er mich sofort, die noch ausstehenden Rechnungen fertig zu machen, einen Aufhebungsvertrag und auch die Akten zurückzuschicken. Ich sollte heute Morgen alles an Dr Fischer senden.« Ich kräuselte die Stirn.
»Wurde Mister Walls der Regierungsauftrag entzogen?«
»Nein, wenn es ein Aufhebungsvertrag war, dann hat Bob das Geschäftsverhältnis beendet.« Sie schniefte wieder.
»Hat sich Mister Walls eigenartig verhalten, als er gestern ins Büro kam?«, fragte ich.
»Nun ja, er war schon ein bisschen angespannt, konfus. Besonders als ich ihm sagte, dass Adan Bowman auf ihn wartete. Das war sehr ungewöhnlich, denn normalerweise kommen die Firmeninhaber, die von der Regierung eine Subvention erhalten, nicht in unser Büro. Bob ist immer zu den Firmen gefahren, hat sich dort die Geschäftspläne angesehen. »
»Na ja, das kann doch ein Zufall sein, vielleicht war er hier in Washington und hat vorbeigeschaut«, warf Phil ein.
»Nein«, meinte sie entschieden und sah uns an. »Besonders nicht Adan Bowman, denn seine Firma gehört nicht mehr in den Pool der subventionierten Firmen. Micro-Lay ist pleite, wird gerade abgewickelt. Man hat entschieden, keine weiteren Gelder in diese Firma zu investieren.«
»Und Ihr Chef hat diese Entscheidung mitgetragen?«
»Natürlich! Das nehme ich an.«
»Gab es Streit, als dieser Bowman hier war? Der musste doch ziemlich sauer sein auf Mister Walls.«
»Nicht, dass ich wüsste, aber Bob war auch kein Mann, der laut wurde. Ich habe jedenfalls nichts mitbekommen.«
Sobald wir wieder im Auto saßen, riefen wir Concita an, die auf dem Weg zu Dr Fischer war. Es war wichtig, dass sie von dem Aufhebungsvertrag wusste. Dann machten wir uns auf den Weg in die Pathologie, denn Gerold hatte sich gemeldet und meinte, es wäre besser, wir kämen vorbei.
Das Auto ließen wir in der Tiefgarage des Headquarter und gingen die zwanzig Minuten zur East Street zu Fuß, da die Parkplatzsituation im Gebäude der Pathologie immer eine Katastrophe war.
Phil hatte mittlerweile Mai-Lin angerufen und sie gebeten, alle Informationen über diesen Adan Bowman herauszusuchen und die relevanten Daten zur Firma Micro-Lay. Wir waren gerade am Haupteingang angekommen, als Phils Handy klingelte. Er nahm ab, zog mich in eine ruhige Ecke und stellte auf Lautsprecher.
»Hallo, Phil«, hörten wir Mai-Lins Stimme. »Ihr Adan Bowman wird gesucht. Eine Fahndung wegen betrügerischen Konkurses wurde von Tennessee aus eingeleitet. Er ist vor zwei Tagen mit seiner Schwägerin Sarah und seinem zehnjährigen Neffen spurlos verschwunden. Bowman soll gemeinsam mit seinem Bruder James über zwei Millionen Dollar veruntreut haben.«
»Wo ist dieser James, sein Bruder?«, fragte ich sofort.
»Oh, hallo, Jerry«, grüßte sie mich. »James Bowman hat sich vor fünf Tagen in seinem Haus in Franklin erschossen. Ich habe mit dem örtlichen PD gesprochen, es war definitiv ein Suizid, wahrscheinlich wegen der Schulden. Der zuständige Detective sagte mir, dass die Bowman-Brüder Regierungsgelder in Höhe von drei Millionen Dollar kassiert haben und bei der Bank nochmals zwei Millionen aufgenommen hatten. Die Regierung hat dann aber die Zahlungen wegen Missmanagement eingestellt, und so konnte der Kredit nicht zurückgezahlt werden.«
»Was ist mit dem Geld passiert?«, fragte Phil.
»Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Momentan ist aller Privatbesitz eingefroren«, erwiderte sie.
»Gut, Mai-Lin, erweitern Sie die Fahndung bundesweit. Adan Bowman wurde gestern in Washington gesehen, wahrscheinlich ist er noch in der Nähe. Leiten Sie das weiter«, sagte ich und überlegte. »Wissen Sie was, Mai-Lin? Ich glaube, es wäre gut, wenn Sie und Concita nach Nashville fliegen und runter nach Franklin fahren. Buchen Sie zwei Tickets für heute Abend. Ich möchte, dass Sie sich die Unterlagen der Firma ansehen, das Geld verfolgen. Concita spricht noch mit dem Regierungsbeamten und trifft Sie später hier in Washington.«
»Alles klar, Jerry. Ich buche gleich die Flüge und sehe mir die Details zu Micro-Lay schon einmal an«, erwiderte sie und legte auf.
»Da haben wir ein Motiv für den Streit zwischen Walls und dieser Melanie. Wenn beide mit Bowman gemeinsame Sache gemacht haben und er taucht plötzlich in Washington auf, hat Bob Walls vielleicht kalte Füße bekommen. Wir müssen die Finanzen von Melanie Whyler und Walls durchleuchten.« Phil sah mich an und ich nickte, dennoch sagte mein Bauchgefühl etwas anderes, doch ich konnte noch nicht sagen, was mich an der ganzen Sache so störte.
»Sprechen wir jetzt erst einmal mit Gerold und FGF, mal sehen, was die beiden zu den Toten sagen«, erwiderte ich stattdessen.
***
»Danke, Dr Fischer, dass Sie sich so schnell Zeit genommen haben«, sagte Concita und schüttelte dem großgewachsenen Beamten die Hand.
»Das ist doch selbstverständlich, Agent Mendez«, erwiderte er und bot ihr einen Platz an. »Es ist eine ganz schreckliche Sache, was da mit Bob und Melanie passiert ist. Vor allem Melanie, ich kannte sie sehr gut«
»Wie lange war Miss Whyler Ihre Assistentin?«
»Wie arbeiten bereits seit fünf Jahren zusammen, haben gemeinsam im Kulturausschuss angefangen, bis mir dann der Wirtschafts- und Agrarsektor übergeben wurde. Nie hätte ich gedacht, dass Melanie zu so etwas fähig wäre«, meinte er und Concita runzelte die Stirn.
»Was meinen Sie damit, Dr Fischer?«, fragte sie erstaunt.
»Na, diesen Betrug, sie und dieser Walls. Ich hatte gestern Nachmittag eine Besprechung mit Bob Walls und habe ihn mit der Sache konfrontiert. Er hat als Berater nichts getaugt, das dachte ich zumindest, doch mittlerweile bin ich mir sicher, dass er sich bewusst Gelder angeeignet hat. Wir haben den Vertrag mit Walls gleich aufgehoben. Dann erwischte ich am Abend Melanie hier im Büro, wie sie Akten kopierte, und habe sie auch zur Rede gestellt«, meinte Fischer. Er tippte auf seinem Laptop, öffnete eine Datei und drehte den Bildschirm zu Concita, sodass sie die Mail lesen konnte.
»Sie haben die Personalabteilung gestern Abend noch angeschrieben und eine fristlose Kündigung für Melanie Whyler gefordert?«, fragte Concita.
»Ja, wie Sie sehen! Ich habe Melanie das mitgeteilt und sie aus dem Büro geworfen. Heute hätte sie Rede und Antwort stehen müssen, doch wie es scheint, ist sie gleich zu Walls gelaufen. Wer konnte ahnen, dass es so tragisch endet«, meinte er, seufzte laut und schüttelte den Kopf.