Jerry Cotton Sammelband 59 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sammelband 59 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Fünf actiongeladene Fälle und über 300 Seiten Spannung zum Sparpreis!
G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!
Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

In diesem Sammelband sind 5 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:
Jerry Cotton 3070 - Gangstern traut man nicht
Jerry Cotton 3071 - Jeder hat seinen Preis
Jerry Cotton 3072 - Alibi ohne Zeugen
Jerry Cotton 3073 - Lügen, die den Tod bedeuten
Jerry Cotton 3074 - Keiner stirbt für sich allein

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Seitenzahl: 659

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Jerry Cotton
Jerry Cotton Sammelband 59

BASTEI LÜBBE AG Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Für die Originalausgaben: Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten. Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2024 by Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln Covermotiv: © shutterstock: stockcreations | yexelA ISBN: 978-3-7517-6514-5 https://www.bastei.de https://www.luebbe.de https://www.lesejury.de

Jerry Cotton Sammelband 59

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Jerry Cotton 3070

Gangstern traut man nicht

Jerry Cotton 3071

Jeder hat seinen Preis

Jerry Cotton 3072

Alibi ohne Zeugen

Jerry Cotton 3073

Lügen, die den Tod bedeuten

Jerry Cotton 3074

Keiner stirbt für sich allein

Guide

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Contents

Gangstern traut man nicht

»Bruce, schau doch mal, das Licht, ist das eine Sternschnuppe? Dann kann ich mir was wünschen«, sagte die junge Frau, die sich nackt im Wasser des Swimmingpools treiben ließ. Dabei kicherte sie haltlos, denn das Kokain, das sie zusammen geschnupft hatten, tat seine Wirkung.

»Du bist meine Sternschnuppe«, erwiderte er und zog sie in seine Arme, um sie leidenschaftlich zu küssen.

»Bitte sieh wenigstens einmal hin«, quengelte sie und planschte vor ihm im Wasser. Er legte seinen Kopf in den Nacken. Über ihm leuchtete ein wunderbarer Sternenhimmel, doch sie hatte recht. Ein einzelnes Licht kam mit außergewöhnlicher Geschwindigkeit genau auf sie zu.

»Das ist ganz erstaunlich«, meinte er und lachte ebenfalls. In dem Moment zerplatzte sein Kopf und sie fing an zu schreien wie eine Besessene, während sich sein Blut mit dem Wasser mischte.

Eine der größten Hitzewellen in der Geschichte der Vereinigten Staaten hatte den Nordosten in ihrer Gewalt. Man versuchte von einem klimatisierten Raum in den anderen zu gelangen, um den 35 Grad, die schon am frühen Morgen herrschten, zu entgehen. Heute sollte im Laufe des Tages die magische Zahl von 40 Grad erreicht werden, und bereits gestern waren für die gesamte Ostküste Warnungen herausgegeben worden.

Schulen und öffentliche Gebäude blieben geschlossen, doch anscheinend galt das nicht für das FBI, denn Phil und ich schleppten uns wie immer in das Headquarter in der Pennsylvania Avenue.

»Jetzt sind wir doch nur für ein paar Minuten draußen, trotzdem klebt mir schon das Hemd am Körper«, meinte ich, als wir mit dem Aufzug in unserem Stockwerk angekommen waren.

»Ich habe für alle Fälle ein zweites Hemd dabei«, meinte Phil und schwenkte eine Plastiktüte. »Wenigstens wird es ruhig werden im Büro, denn bei der Hitze ist es selbst den schweren Jungs zu heiß«, erwiderte er. In dem Moment kam Dorothy aus ihrem Büro.

»Habe ich doch richtig gehört«, meinte sie und lächelte uns erstaunlich frisch an. »Guten Morgen, die Herren. Bitte gleich in das Büro von Mr High, er erwartet Sie bereits. Eistee steht bei ihm auf dem Tisch, denn für Kaffee ist es einfach zu warm.«

Also drehten wir ab und gingen in das Büro unseres Chefs. Er war nicht allein, bei ihm saßen Lance McCullers, der Field-Office-Leiter aus Pittsburgh, Pennsylvania und Mitch Hannigan, der neue Leiter des Field Office in Indianapolis. Er hatte erst vor kurzem den Job von Hank Snow übernommen, den wir bei einem Amoklauf verloren hatten. Wir begrüßten Lance und stellten uns dem neuen Kollegen vor. Mitch Hannigan war etwa in unserem Alter, hatte krauses Haar und eine beachtliche Nase im Gesicht. Doch er besaß auch einen verschmitzten Gesichtsausdruck und sehr wachsame grüne Augen.

»Gut, dass Sie da sind, guten Morgen«, wandte sich Mr High an uns und forderte uns auf, am Tisch Platz zu nehmen. »Die Special Agents in Charge McCullers und Hannigan sind nach Washington gekommen, da sie dringend Unterstützung brauchen. Am besten berichten Sie den Inspektoren einfach selbst«, forderte er die Männer auf.

»Natürlich, Assistant Director High«, sagte Lance McCullers. »Dann mache ich den Anfang. Wir hatten in Pittsburgh vor vier Wochen einen Mordfall: Bruce Esponito. Er stand auf der Todesliste so ziemlich aller großen Gangster der Gegend, denn er kontrollierte das Milieu in Pittsburgh. Prostitution, Drogen, aber er hatte seine Hände auch im Immobiliengeschäft und verschiedenen Speditionsunternehmen. Auch wir observieren ihn schon seit Jahren, konnten ihm aber nie etwas nachweisen. Jede zwielichtige Gestalt hätte Bruce Esponito lieber heute als morgen tot gesehen. Doch der Mann war nicht nur schlau, er war auch sehr vorsichtig. Wir wissen von mindestens zwei Anschlägen auf ihn, doch er wurde dabei nicht einmal verletzt. Dann, vor vier Wochen, explodierte sein Kopf durch ein Dumdum-Geschoss, als er sich gerade mit einem Callgirl in seinem Pool vergnügte.« Er sah uns an und nickte Mr High zu, der den Wandbildschirm per Fernbedienung einschaltete.

»Das sind die Aufzeichnungen seiner Sicherheitsleute«, sagte der Chef und wir sahen, wie ein nackter Mann und eine junge Frau sich in einem Pool vergnügten.

»Er hat sich dabei filmen lassen«, kommentierte mein Partner die Bilder erstaunt.

»Ja, ich habe doch gesagt, er war vorsichtig. Anscheinend war es ihm völlig egal, ob seine Sicherheitsleute ihm bei seinen Vergnügungen zusahen, Hauptsache er fühlte sich sicher«, meinte Field-Office-Leiter McCullers. »Jetzt, sehen Sie es sich an, das ist der Moment.« Die hübsche Rothaarige sah nach oben, sagte etwas zu ihm und lachte. Er küsste sie und dann spritzte sie ihn mit Wasser voll und redete wieder, woraufhin er auch hochsah und lachte. Dann zerplatzte sein Schädel wie eine reife Wassermelone, die auf den Boden knallt. Sein Körper trieb auf der Wasseroberfläche und die junge Frau krabbelte panisch aus dem Pool.

»Keine Tonaufzeichnungen?«, fragte ich nach.

»Nein, das gönnte er seinen Bodyguards wohl nicht«, meinte Lance McCullers salopp.

»Ein Profikiller kann einem Menschen auf dreihundert Yards ein Auge ausschießen. Von einem erhöhten Standpunkt ist das doch kein Problem«, schlug Phil vor. Doch in dem Moment erschien eine Luftaufnahme auf dem Bildschirm, die seine Theorie sofort verwarf.

»Das Anwesen liegt auf einem tausend Squareyards großen Grundstück, das umzäunt ist, nicht einsehbar, und es gibt in der Nähe keine Hügel, Hochhäuser oder Antennenmasten.«

»Und was ist mit seinen Sicherheitsleuten? Hätten die eine Möglichkeit gehabt?«, fragte ich Lance.

»Nein. Jeder von ihnen trägt ein Tracker-Armband. Wie gesagt, dieser Esponito war vorsichtig. Sehen Sie, als der Schuss fiel, wurde diese Aufnahme gemacht«, führte der Field-Office-Leiter aus. Wir sahen das Grundstück jetzt als Computerkarte und darauf rote Punkte. Nur ein einziger der Punkte war in ungefährer Schussnähe.

»Was ist mit dem?«, bohrte ich weiter.

»Das ist Esponitos zutiefst ergebener Leibwächter, seit zehn Jahren arbeitete er für den Mobster. Er war im Wohnzimmer und sah fern. Das Callgirl bestätigte, dass er aus dem Wohnzimmer gerannt kam, als sie anfing zu schreien und aus dem Pool krabbelte. Während der Schuss fiel, schwamm diese Diana Lane vor Esponito und sah auf das Wohnzimmer. Hätte der Mann geschossen, dann hätte sie es gesehen.«

»Ja, aber sie war doch genau neben dem Mann, als er starb. Was sagt sie denn über den Schützen?«, fragte Phil und seine Mimik verriet mir, dass auch er irritiert war.

»UFOs!«, meinte Lance McCullers und seufzte. »Sie war an dem Abend mit Kokain zugedröhnt, doch selbst jetzt, zwei Monate später, redet sie von Aliens und UFOs.«

»UFOs?«, wiederholte mein Partner und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

»Gut, dann lassen Sie Ihre Geschichte hören, Special Agent in Charge Hannigan«, unterbrach Mr High diesen unwirklichen Moment, in dem wir uns nur gegenseitig amüsiert anstarrten.

»Gerne, Sir. Würden Sie bitte?«, meinte SAC Mitch Hannigan und ein Foto erschien auf dem Bildschirm. »Das ist Stanton Spellberg, er war eine große Nummer in der Drogenszene von Indianapolis. Wir erwischten ihn vor etwa einem Jahr, er wurde verurteilt, und um sich ein paar Privilegien im Strafvollzug zu sichern, ließ er ein paar schwere Jungs über die Klinge springen. Einige konnten wir verhaften, andere sind immer noch flüchtig. Doch Spellberg katapultierte sich damit auf eine Todesliste. Er wurde in ein Höchstsicherheitsgefängnis gebracht, völlig isoliert, die Wächter wechseln täglich, damit er keine Verbindungen aufbauen konnte. An die frische Luft kam der Mann nur in den frühen Morgenstunden, allein und von Beamten auf dem Tower bewacht. Der Hof war ausgeleuchtet, es gibt keine Möglichkeit, auf die Umzäunung zu kommen. Und dann passierte vor acht Wochen das«, sagte SAC Hannigan und nickte Mr High zu.

Wir sahen wieder eine Aufzeichnung: Ein Mann in einem orangefarbenen Overall lief in einem Gefängnis-Innenhof herum, er machte irgendwelche sportlichen Übungen, blickte nach unten, weil er eine Rumpfbeuge machte. In dem Moment explodierte sein Kopf, wie der von Bruce Esponito, nur dass die Kugel bei ihm in den Hinterkopf eintrat und sein Gesicht wegsprengte.

»Aliens?«, fragte Phil provokant, grinste wieder und kassierte einen düsteren Blick von unserem Chef.

»Vielleicht, Inspektor Decker«, erwiderte Mitch Hannigan selbstsicher und sah herausfordernd auf meinen Partner.

»Meine Herren, bitte«, griff Mr High resolut ein.

»Ich nehme an, man fand keine Hülsen, keine Spuren, nichts, richtig?«, fragte ich und blickte auf den SAC von Indianapolis, der anscheinend genauso ein Dickschädel war wie mein Partner.

»Nichts. Dieses Hochsicherheitsgefängnis liegt in einer Gegend, der sich ein Auto ungesehen nicht nähern könnte, es gibt ein Überflugs-Verbot und eine Radaranlage, die das genau checkt. Selbst ein Sportflugzeug in 3000 Fuß Höhe hätte einen Alarm ausgelöst«, bestätigte er entschieden und sah Phil immer noch säuerlich an.

»Und Ihr Mord liegt fast zwei Monate zurück. Wie kam es, dass Sie mit dem Field Office Pittsburgh den Kontakt aufnahmen?«, fragte ich Mitch Hannigan.

»Special Agent in Charge McCullers hatte für die Field Offices ein Memorandum verfasst, und da ich mich momentan noch einarbeite, lege ich großen Wert darauf, alle diese Meldungen zu lesen«, sagte Hannigan, und sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen. Denn weder Phil noch ich schafften es, alle Memos der Field Offices zu lesen. Wir waren schon froh, wenn wir alle Informationen der Field-Section-Leiter im Monat schafften. »Da Special Agent in Charge McCullers seinen Täter den Ghost nannte, wurde ich aufmerksam und wir besprachen die Angelegenheit. Deshalb haben wir dann auch entschieden, uns an Sie zu wenden.«

»Es scheint mir, wir jagen wirklich einen Geist«, sagte Mr High und wir alle sahen ihn erstaunt an. »Jerry, Phil, Sie werden sich das ansehen. Unterstützen Sie Special Agent in Charge McCullers und Hannigan, denn ich persönlich glaube nicht an Geister.«

***

»Jetzt hören Sie mir einmal gut zu, Miss Lane – oder soll ich Sie lieber Kovich nennen?«, sagte Phil streng und die junge Frau blickte ihn erschrocken an. Diane Lane war das Escort Girl, das bei Bruce Esponito war, als er starb. Mittlerweile hatte das Field Office in Pittsburgh herausbekommen, dass Miss Lane falsche Papiere hatte und eigentlich aus Polen stammte. Doch was viel schlimmer war: Das Mädchen war kaum sechzehn Jahre alt, obwohl sie eher aussah wie Anfang zwanzig. Ich wollte gar nicht wissen, wie lange sie schon als Escort Girl im Geschäft war.

»Wir wissen, wie alt Sie wirklich sind. Prostitution ist illegal, und die Aufzeichnungen, die in Esponitos Haus von Ihnen gemacht wurden, zeigen, dass Sie nicht nur eine Abendbegleitung waren. Außerdem haben Sie gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen. Wie wäre es, wenn Sie mit uns reden und uns erzählen, wer Bruce Esponito wirklich getötet hat?«, fuhr ich mit dem Verhör fort. Dabei hatte ich sehr sanft mit ihr gesprochen.

»Sie können mich gar nicht bestrafen«, meinte sie sofort. »Da ich unter sechzehn bin, wird man mich als Jugendliche behandeln«, erwiderte sie. Für ihr zartes Alter war sie mit allen Wassern gewaschen, dachte ich in dem Moment.

»Irrtum«, raunzte Phil sie wieder an. »Das liegt im Ermessen der Staatsanwaltschaft und des Richters. Man kann Sie sehr leicht als Erwachsene verurteilen, und da Sie bei dem Escort Service schon ziemlich lange sind, kann Ihnen das leicht fünf Jahre bringen, von dem Kokainkonsum einmal ganz abgesehen. Wollen Sie das wirklich? Denn nach der Haftstrafe wird man Sie abschieben. Dann geht es zurück nach Polen«, drohte er ziemlich heftig.

»Wenn Sie jedoch vernünftig mit uns sprechen, dann helfen wir Ihnen. Jugendarrest, psychologische Behandlung und vielleicht eine Pflegefamilie. Wie hört sich das an?«, meinte ich. Sie sah mich an und kaute auf ihrer Unterlippe.

»Gut«, meinte sie kleinlaut und blickte trotzig auf Phil. »Bruce war gar nicht so übel, ich glaube, er hätte mich da auch rausgeholt, denn er mochte mich sehr. Ich sage Ihnen alles, was ich weiß, doch ich denke, Sie werden enttäuscht sein.«

»Kommen Sie, versuchen Sie es«, ermutigte ich sie.

»Bruce und ich hatten an dem Abend ein paar Linien Koks durchgezogen. Nicht viel, ich war ein bisschen high, doch weder weggetreten noch völlig irre. Wir waren im Pool, da sehe ich plötzlich eine Sternschnuppe. Bruce sah sie auch, die kam mit einer unheimlichen Geschwindigkeit auf uns zu, und dann plötzlich explodiert sein Kopf und das ganze Blut verteilt sich über mich und in den Pool. Es war furchtbar!«, sagte sie und biss sich wieder auf die Lippen.

»Eine Sternschnuppe?«, vergewisserte ich mich.

»Das dachte ich jedenfalls, doch jetzt denke ich, es war ein UFO. Die haben mit einem Laser auf ihn geschossen«, sagte sie so voller Überzeugung, dass Phil mich ansah und den Kopf schüttelte.

»Wir haben Projektilteile gefunden, es war kein Laser, Diane. Das war ein Dumdumgeschoss, und die Eintrittswunde war nicht oben im Kopf, sondern auf seiner Stirn«, sagte Phil, doch sein Ton war mittlerweile auch gemäßigter. Wahrscheinlich tat ihm die Kleine ebenfalls leid.

»Ja klar, er guckte doch nach oben, als es passierte, genau wie ich. Das Leuchten von dem Ding war echt krass, und dann habe ich auch keinen Knall gehört. Den hört man doch, wenn man eine Waffe abschießt, oder?« Sie hatte recht, das Gleiche hatte der Bodyguard auch ausgesagt. Er hatte zwar den Fernseher laut gestellt, um die Geräusche im Pool nicht im Detail mitzubekommen, doch einen Schuss hatte er nicht gehört. Er war erst aufgrund von Dianes Schreien nach draußen gelaufen.

»Sie ist von ihrer Geschichte richtig überzeugt«, meinte Phil, als wir den Verhörraum verließen. »Also jagen wir ein Ufo und verhaften Aliens, mal was ganz Neues«, knurrte er zynisch. »Aber vorher reden wir mit dem Staatsanwalt. Die Kleine gehört in therapeutische Behandlung und nicht in ein Gefängnis.«

Ich nickte nur zustimmend.

»Was kann das gewesen sein? Ein Licht, das auf sie zufliegt, und dann erfolgt ein gezielter Schuss ohne Geräusch. Ich bin nur froh, dass Dumdum-Geschosse benutzt wurden, sonst würde ich vielleicht selbst anfangen, an Aliens zu glauben«, erwiderte ich.

***

Zwar hatten die Forensiker die winzigen Projektilstücke, die man in Esponitos Schädel noch gefunden hatte, untersucht, doch Lance McCullers zeigte uns auch einen Beweismittelbeutel, in dem sich eine ganze Menge anderer Kleinstteile befanden.

»Und was ist das, woher haben Sie das?«, fragte ich ihn, als er uns den Beweismittelbeutel auf den Tisch des Besprechungsraums legte.

»Taucher haben in dem Pool so viele der Metallstücke und auch Knochenstücke aufgesammelt, wie sie finden konnten, bevor wir dann den Pool abgelassen haben. Dabei wurde ein sehr feiner Filter benutzt, und das hier ist die Ausbeute. Natürlich kann das alles Mögliche sein und ist bisher noch nicht weiter untersucht worden, da die Forensiker hier in Pittsburgh unglaubliche Vorlaufzeiten haben«, erklärte der Field-Office-Leiter.

»Wissen Sie, Lance, ich denke, wir schicken das lieber nach Quantico, damit sich Dr. Fortesque, unser Materialexperte, es sich einmal ansieht«, sagte ich und nahm den Beutel. Es handelte sich um eine Handvoll kleinster Stücke. Selbst ich konnte mit bloßem Auge sehen, dass es ein Sammelsurium verschiedenster Materialien war. Kleine Steine, Splitter vom Poolanstrich, Haare und sonstige nicht definierbare Teilchen. Frederick würde seinen Spaß damit haben, dachte ich.

»Fahren wir dann auf das Anwesen?«, fragte Phil. Wir wollten uns den Tatort ansehen, bevor wir weiter nach Indianapolis fliegen würden, wo der zweite Mord geschah.

»Natürlich, das machen wir jetzt gleich. Ich habe Esponitos Bodyguard ebenfalls dort hinbestellt, damit Sie noch einmal mit ihm reden können«, erwiderte er und wir folgten ihm zur Tiefgarage.

Vom FBI-Gebäude in der East Carson Street, das direkt am Monongahela River lag, fuhren wir fünfundvierzig Minuten westlich, bis wir in einen Vorort namens Green Tree gelangten. Hier standen imposante Villen, doch als wir am Ende der Elmhurst Street angelangt waren und durch das große elektronisch gesicherte Tor auf Esponitos Grundstück fuhren, staunte ich nicht schlecht.

Es wirkte wie das Anwesen einer Hollywoodgröße. Selbst jetzt noch liefen bewaffnete Sicherheitsleute und Hunde auf dem Grundstück herum. Eine Menge Sicherheitskameras waren hier angebracht und ich vermochte mir kaum vorzustellen, dass sich jemand unbemerkt einschleichen konnte.

»Sein Bruder Vincent Esponito hat fast alles geerbt, auch ihn habe ich hergebeten«, erklärte Lance McCullers, als wir vor der Villa parkten. Schon auf den ersten Blick erkannte ich, dass das Gebäude einen Wert von über zehn Millionen haben musste. Nur das Feinste vom Feinen hatte man hier verarbeitet.

»Und ist sein Bruder auch in die dunklen Machenschaften von Esponito verwickelt?«, fragte ich, als wir auf die Tür zugingen.

»Nein, ganz im Gegenteil. Das kann er Ihnen selbst erzählen«, erwiderte unser Kollege aus Pittsburgh. Ein junger Mann öffnete uns, der sehr viel Ähnlichkeit mit seinem verstorbenen Bruder hatte. Er trug eine weiße Navy-Seal-Uniform mit Rangabzeichen, die ihn trotz seines Alters bereits als Chief Petty Officer auszeichneten.

»Danke, dass Sie auf uns gewartet haben, Chief Petty Officer Esponito«, meinte McCullers und wir schüttelten dem Officer die Hand.

»Da Sie die Leiche meines Bruders erst vor ein paar Tagen freigegeben haben, war ich zur Beerdigung hier, doch ich werde morgen wieder nach San Diego fliegen. Ich bin auf der Base Coronado stationiert und muss zurück zu meiner Einheit«, sagte er in ruhigem Ton. »Kommen Sie rein.«

Wir gingen direkt ins Wohnzimmer und von dort auf die Terrasse. Wie es schien, hatte niemand hier Hand angelegt, denn die gelben Absperrbänder flatterten immer noch im Wind um den leeren Pool herum. Selbst die Flecken auf den Betonfliesen zeigten noch Spuren, die von Blut stammen konnten.

»Sie wussten von den Aktivitäten Ihres Bruders. Ich meine, Sie stehen im Dienst der Regierung und er war ein Mobster, oder?«, meinte Phil an Vincent Esponito gewandt und fiel wieder einmal mit der Tür ins Haus. Der Officer sah ihn an und schüttelte den Kopf.

»Ja und nein. Um ehrlich zu sein, wollte ich nichts davon wissen. Unsere Eltern verstarben sehr früh, mein Bruder war damals keine zwanzig und ich erst zwölf Jahre alt. Bruce zog mich auf, er ermöglichte es mir, eine gute Ausbildung zu bekommen und eine Karriere bei den Seals anzufangen. Ich war immer auf Internaten und später dann auf irgendeiner Navy Base stationiert. Wir sahen uns kaum, dennoch wurde mir irgendwann klar, was Bruce trieb und dass es alles andere als legal war. Besonders, als er sich einen Bodyguard zulegte. Ich brach den Kontakt zu ihm ab. Deshalb erstaunte es mich sehr, dass er mich in seinem Testament bedacht hat.« Der junge Seal Officer erstattete uns Bericht, als wären wir seine Vorgesetzten, und klang dabei völlig aufrichtig.

»Darf ich fragen, von wie viel Sie sprechen? Ich meine, Ihr Erbe«, fragte ich ihn.

»Etwa vierzig Millionen Dollar«, antwortete er ohne Umschweife.

»Verdammt viel Geld«, meinte Phil provokant.

»Ja, und der Witwen- und Waisenfonds der Navy Seals wird sich darüber sehr freuen. Man sagte mir, da meinem Bruder nie etwas nachzuweisen war, kann ich das Erbe antreten. Doch ich will sein Blutgeld nicht, ich denke, in dem Fonds kann dieses Geld viel Gutes bewirken.«

»Sie sagten, man hat Sie bedacht. Wer erbt denn außer Ihnen noch?«, fragte ich und musste zugeben, die Einstellung des Chief Petty Officer gefiel mir.

»Sein Leibwächter bekommt das Haus hier, und das Mädchen, das an dem Abend bei ihm war, wurde bedacht. Auch sie bekommt eine hübsche Summe.«

»So, schau mal einer an, sein Leibwächter und Diane Lane«, meinte Phil und sah mich vielsagend an.

***

»Hör zu, ich denke, wir sollten noch einen weiteren Auftrag annehmen. Erstens will ich noch einen erneuten Test und zweitens brauchen wir noch mehr Kapital, für den großen Auftrag«, sagte er. Sie sah in sein vernarbtes Gesicht, in die ständig zornigen, wasserblauen Augen und schüttelte den Kopf vehement.

» Skull , du willst endlich Gerechtigkeit, doch ich ebenfalls. Das war unser Deal, ich helfe dir bei deinem Projekt und dafür kümmerst du dich um Sergei. Wir erledigen ihn zuerst! Vergiss nicht, mit seinem Wissen kann er auch noch anderen Schaden anrichten. Außerdem braucht meine Seele endlich Frieden, und die finde ich nur, wenn er tot ist«, erwiderte sie mit harten Worten.

Skull sah die hübsche Frau mit den eiskalten Gesichtszügen an. Er verstand ihren Schmerz so gut, auch wenn er nur ahnen konnte, was dieser Sergei ihr wirklich angetan hatte. Sie hatte ihm nur erzählt, dass sie damals noch ein Kind war und durch ihn ihre Welt aus den Angeln gerissen wurde.

»Na gut, wie willst du es machen? Vergiss nicht, wir brauchen ihn im Freien, und es wäre das Beste, wenn es in der Nacht passiert. Mir hat die Aktion im Morgengrauen schon nicht gefallen. Auch wenn wir so gut wie unsichtbar sind, ein ungünstig einfallender Sonnenstrahl könnte sich spiegeln«, lenkte er ein, und der verkniffene Zug um ihren Mund entspannte sich langsam wieder.

»Das wird einfach sein. Ich rufe ihn an und vereinbare ein Treffen. Vergiss nicht, was er alles dafür gegeben hat, mich wiederzusehen nach all den Jahren. Ich bin mir sicher, er wird meine Stimme irgendwie erkennen. Glaube mir, er wird überall hinkommen, wohin ich ihn bestelle, und wenn es mitten in der Nacht ist«, erwiderte sie überzeugt. Skull griff sich die Landkarte auf dem Tisch und breitete sie aus. Dann fuhr er mit dem Finger über die Waldgebiete und suchte eine einsame freiliegende Stelle, die nicht von Bäumen bewachsen war.

»Hier«, meinte er und tippte mit dem Finger auf den Bangor City Forest. »Dort ist eine sehr große freie Fläche. Das ist der Bog Boardwalk, dort ist ein kleiner Feldweg, den kann er nicht mit dem Auto befahren, er muss zwei Meilen laufen. Es ist ein Rundweg und wird nur Bog genannt. Sag ihm, er soll dort entlanggehen und du triffst ihn unterwegs«, meinte er und sah sie dann prüfend an. »Es sind drei Stunden Autofahrt von Portsmouth bis Bangor. Doch wir müssen etwas weiter weg agieren. Ich bin mir nicht sicher, ob die Naval Base in Portsmouth eventuell sehr empfindliche Überwachungsgeräte verwendet.«

»Ich dachte, kein Radar kann uns erfassen?«, meinte sie irritiert.

»Vorsicht ist besser als Nachsicht. Warum sollten wir solch ein Risiko eingehen? Für die Radartests können wir immer noch eine andere Stelle aussuchen, aber nicht, wenn wir es ernst meinen. Oder glaubst du, er wird es verdächtig finden, wenn wir ihn nach Bangor bestellen?«

» Skull , er ist Russe. Nein, nach allem, was er schon erlebt hat, versteht er jede Sicherheitsmaßnahme. Er wird kommen, selbst in die Hölle, wenn ich es ihm sage.«

***

»Denkst du, das Video ist vielleicht eine Fälschung? Ich meine, Diane Lane und dieser Leibwächter könnten das Ding durchgezogen haben, es geht immerhin um viel Geld«, sagte Phil, als wir in der Wartehalle saßen und auf das Boarding unseres Flugzeugs nach Indianapolis warteten. Ich sah ihn skeptisch an und kräuselte die Stirn.

»Du warst auch schon mal scharfsinniger«, erwiderte ich und er verzog den Mund. »Falls das Video getürkt war, dann ist es doch erstaunlich, dass dieser Spellberg im Gefängnis auf die gleiche Weise umkam. Du denkst doch nicht, das waren auch dieser Luciano und Diane Lane, oder?«, fragte ich gereizt.

»Schon gut, aber ich suche krampfhaft nach einem Motiv«, entschuldigte Phil sich für seine naive Bemerkung.

»Weißt du, ich bin der Meinung, wir sollten uns erst einmal von der Motivsuche verabschieden, bis wir herausgefunden haben, wie die Opfer umkamen.« Ich grübelte schon die ganze Zeit über den Tathergang nach.

»Okay, dann fragen wir nicht wer, sondern wie«, gab Phil auf und trank von dem Mineralwasser, das wir uns am Gate besorgt hatten.

»Es kommt von oben, ein Lichtpunkt, und ist unglaublich schnell, das meinte Diane Lane. Doch dieser Trenton Spellberg hatte den Kopf gesenkt, was bedeutet, er hörte das Ding nicht kommen. Sonst hätte er aufgesehen. Außerdem bezeugen der Leibwächter, Diane und auch die Wächter in dem Hochsicherheitsgefängnis, dass sie keinen Schuss hörten«, fasste ich zusammen und sah meinen Partner an.

»Ich dachte schon einmal an eine Drohne, doch wir haben Projektilstücke, wenn auch keine Hülsen. Selbst unser Militär benutzt immer häufiger Drohnen, aber die kleineren, die mit einem Laser ausgerüstet sind, sind auch nicht völlig lautlos. Erinnerst du dich, wie der Mörder von Assistant Director Homer mit einer dieser Drohnen ausgeschaltet wurde? Er hörte sie und blickte irritiert hoch, kurz bevor der Laserstrahl aktiviert wurde. Nein, ganz lautlos sind die nie, und dann noch mit einer Projektilwaffe bestückt?«, fragte Phil und schüttelte den Kopf.

»Außerdem, die kleineren Drohnen sind nicht so schnell. Stell dir vor, dieser Spellberg bricht getroffen zusammen. Es dauert maximal zwei, drei Sekunden, dann blicken die Wächter hoch und suchen den Horizont ab. So schnell könnte ein Flugkörper nicht verschwinden«, stellte er fest.

»Wie oft hast du Drohnen im Einsatz gesehen?«, fragte ich Phil. Es wunderte mich nicht, dass mein Partner in diese Richtung dachte, denn auch ich hatte den Gedanken bereits erwogen.

»Einmal, das weißt du doch, als Holland, der Mörder von Assistant Director Homer, starb. Und das war eine große Ausnahme, denn FBI Director Fuller hatte die Army angefordert für den Drohnenangriff«, erwiderte er.

»Stimmt schon, doch wer sagt uns denn, dass die Entwicklung mittlerweile nicht schon viel weiter ist? Es gibt auch talentierte Hobbywissenschaftler. Vielleicht hat jemand solch ein Ding gebaut, schneller, leiser und mit einer Waffe bestückt!«, warf ich ein.

»Wir sollten Mai-Lin darauf ansetzen, sie kann die neueste Technik ausgraben. Was meinst du?«, schlug er vor.

»Nein, die Army hält sich bedeckt, doch ich kenne jemanden, der uns vielleicht mehr sagen kann. Wenn wir zurück in Washington sind, dann sprechen wir mit ihm«, erwiderte ich und dachte an James Merill, der einst Colonel der Air Force war und dann in die Politik gewechselt hatte.

Er war mittlerweile einer der Militärberater des Weißen Hauses. Ich hatte ihn auf einer Party der Staatsanwaltschaft kennengelernt und wir beide hatten einige Gläser zusammen getrunken und uns auf Anhieb verstanden. Seitdem trafen wir uns ab und zu auf ein Dinner in der Stadt.

Ich konnte mich nicht erinnern, warum Phil damals nicht auf der Party war, doch es wunderte mich nicht, denn wenn es möglich war, entzog er sich gerne solchen Pflichtveranstaltungen.

»Na gut, wenn du meinst«, erwiderte er nur und fragte nicht weiter nach, denn er wurde abgelenkt. In dem Moment kamen zwei Männer auf uns zu, die eindeutig Mitarbeiter des Bureau waren. Es war ein junger Asiate mit einem verkniffenen Gesicht, begleitet von einem ebenso jungen Weißen. Die beiden konnten die Ausbildung in Quantico noch nicht lange hinter sich gebracht haben.

»Inspektor Cotton, Inspektor Decker?«, fragte uns einer der Agents, wies sich aus und wir nickten. »Bitte kommen Sie mit, ein Jet steht für Sie bereit, der Sie nach Bangor bringt«,

»Bangor, Maine?«, fragte Phil erstaunt. »Und was sollen wir dort?«, fügte er an.

»Wir haben Anweisungen vom Headquarter bekommen. Man wird Sie vor Ort informieren. Leider kann ich Ihnen nicht mehr sagen, da man uns die Details nicht mitgeteilt hat.« Wir standen auf und schnappten unser Handgepäck.

»Unsere Waffen sind bereits an Bord des Flugzeugs nach Indianapolis«, warf ich ein.

»Agent Wan wird sich darum kümmern, Sir. Bitte folgen Sie mir schon einmal.«

***

So fanden wir uns fünfundvierzig Minuten später in einem sehr luxuriösen Learjet in entgegengesetzter Richtung nach Maine wieder. Ich hatte schon vom Flughafen aus versucht, Mr High anzurufen, doch er war unabkömmlich. Jetzt, da wir Flughöhe erreicht hatten und erst in drei Stunden landen würden, versuchte ich es erneut.

»Wenn das Bureau uns so kostspielig reisen lässt, dann muss es dem Chef auf den Nägeln brennen«, meinte Phil, während ich wartete, dass er endlich abnahm.

»Sind Sie schon auf dem Weg nach Maine?«, fragte Mr High ohne Begrüßung und wirkte etwas abgehetzt.

»Ja, Sir, sind wir. Was ist denn los?«, fragte ich und stellte auf Lautsprecher.

»Vor zwei Stunden wurde eine Leiche im Bangor City Forest gefunden. Dem Chief des Police Department haben wir es zu verdanken, dass wir so schnell davon Kenntnis bekamen. Es scheint die gleiche Vorgehensweise zu sein wie in Pittsburgh und Indianapolis«, erklärte er uns.

»Aber wie ist das möglich? Das FBI hat den Police Departments doch keine Warnung rausgeschickt, oder?«, fragte Phil sofort. »Ich meine, warum hat sich der Chief des Police Department an uns gewandt?«

»Weil wir dieses Mal Augenzeugen haben, die noch in den frühen Morgenstunden zum Polizeipräsidium kamen und von einem UFO sprachen. Erst war der Chief einigermaßen skeptisch, doch die Teenager waren weder betrunken noch standen sie unter Drogeneinfluss. Er hat dann heute Nachmittag beschlossen, doch einmal einen Streifenwagen dort hinzuschicken, und die fanden die Leiche.«

»Die Jugendlichen haben die Tat gesehen?«, vergewisserte ich mich, denn falls jemand bei der Polizei von einem Toten sprach, warteten die nicht einen halben Tag ab, um das zu prüfen.

»Nein, die Tat nicht, nur das Flugobjekt. Sie haben es sogar mit ihren Handys gefilmt«, erwiderte er. »Die drei Jungs trieben sich in der Nähe des Forest herum, und der Chief nahm sie erst nicht ganz so ernst. Wir können nur froh sein, dass er sofort beim FBI Satellite Office in Bangor angerufen hat, nachdem man die Leiche fand. Die haben sich mit dem zuständigen Field Office in Boston kurzgeschlossen und der Field-Office-Leiter kannte McCullers Memorandum. Man hat sofort ein paar Leute hingeschickt und auch Dr. Willson und Dr. Fortesque sind bereits auf dem Weg von Quantico aus. Sie werden bei Ihrer Ankunft am Flughafen erwartet und sofort dort hingebracht«, erklärte er. »Jerry, Phil, ich muss wieder los. Informieren Sie mich später über den Stand der Dinge.« Damit legte er auf.

***

Es war bereits halb neun, und es hatte angefangen zu dämmern, dennoch lag der Horizont immer noch in einem diffusen Licht. Die Hitze drückte auf die Stadt, da kein Lüftchen wehte und als wir endlich im Wagen saßen, zogen wir unsere Jacketts aus.

Die Fahrt zum City Forest dauerte zwanzig Minuten, das Waldstück war großräumig abgesperrt und überall sah man Streifenwagen mit Blaulicht. Der Agent, der uns abgeholt hatte, wurde durch die Absperrung gewunken, und wir rumpelten auf einem kleinen Waldweg entlang, bis wir auf eine freie Fläche kamen.

Die Spurensicherung war bereits vor Ort und hatte Scheinwerfer aufstellen lassen, da es mittlerweile richtig dunkel geworden war. Wir begrüßten Chief Henderson, den Leiter des Police Department, und dann reichte er jedem von uns einen Spurensicherungsanzug, den wir bei der Hitze nur widerwillig über unsere Kleidung zogen. Sofort betraten wir das weiße Zelt, das man über dem Tatort aufgestellt hatte.

»Guten Abend«, war das Erste, was wir von Gerold Willson, unserem Pathologen des Scientific Research Team, hörten, der neben der Leiche kniete. Der tote Mann auf dem Boden sah furchtbar aus.

Einen Kopf hatte er nicht mehr, doch in den Kreis, den Willson in dem Zelt gezogen hatte und den wir nicht überschreiten durften, lagen die Einzelteile. Die Waffe musste ihn senkrecht von oben erwischt und den Kopf regelrecht auseinandergerissen haben.

»n’Abend, Gerold, und haben Sie schon was?«, fragte ich. Er sah kurz auf und verzog das Gesicht. Er hasste diese Frage, aber wir stellten sie immer wieder.

»Alles ohne Gewähr«, erwiderte er betont. »Aber ich kann ein bisschen spekulieren. Der Lebertemperaturmessung nach ist der Mann letzte Nacht zwischen vier und sechs Uhr gestorben. Ein erster Blick auf die Projektilsplitter zeigt, dass es ein Teilmantelgeschoss war. FGF hat bereits so viele Splitter gefunden, dass ich noch nicht einmal damit rechne, dass wir ein größeres aufgepilztes Geschossende in den Knochen finden. Das Projektil ist anscheinend völlig explodiert.«

»Hier, das hatte er in seiner Jackentasche«, sagte Fortesque, der zu uns getreten war. Auf seinem Gesicht standen Schweißperlen, da es in dem Zelt noch mal einige Grad wärmer war als draußen.

Er gab Phil eine Brieftasche. Er wollte sie gerade aufschlagen, als wir draußen mehrere Wagen hörten, die mit hoher Geschwindigkeit auf uns zukamen. Sofort verließen wir das Zelt, um nachzusehen, was da los war.

***

Es waren zwei silberne Cherokee Jeeps, die fast genau vor unseren Füßen abbremsten.

»Spooks?«, raunte mir Phil zu. Den Ausdruck benutzten wir untereinander, wenn wir von CIA-Agents sprachen. Er steckte die Hände provokant in die Hosentaschen des Spurensicherungsanzugs, als vier in dunkle Anzüge gekleidete Männer auf uns zukamen. Mein Partner hatte recht, jeder von ihnen hatte gut ersichtlich eine CIA-Marke an die Brusttasche geklemmt.

»Agent Winder, wer sind Sie?«, fragte uns der Agent so arrogant, dass sich mir die Nackenhaare sträubten.

»Inspektor Cotton und Decker, FBI«, erwiderte ich genauso rüde und fixierte ihn.

»Sie können sich jetzt hier verabschieden, wir übernehmen. Ihre Forensiker nehmen Sie auch gleich mit«, befahl er und sah auf Willson und Fortesque, die zu uns getreten waren. »Das Beweismaterial bleibt hier«, kommandierte er in ihre Richtung.

»Jetzt mal langsam«, fuhr Phil ihn an und zog die Hände aus den Taschen, um sie vor der Brust zu verschränken. »Das ist unser Fall. Wie wäre es, wenn Sie die Fliege machen?«

»Rufen Sie Ihren Vorgesetzten an«, erwiderte Agent Winder und sah mich auffordernd an. »Jetzt machen Sie schon!« Sofort tippte ich Mr Highs Kurzwahl.

»Jerry, kommen Sie sofort zurück nach Washington. Die Fälle wurden übernommen von der CIA. Wir sind nicht mehr zuständig. Bringen Sie Agent Willson und Fortesque gleich mit«, sagte Mr High sofort, ohne dass ich überhaupt eine Frage gestellt hatte, und legte dann auf.

»Gerold, FGF, packen Sie zusammen, wir fliegen zurück«, sagte ich und Phil sah mich entrüstet an. Unsere beiden Forensiker gingen wieder in das Zelt, um ihre Spurensicherungskoffer zu holen.

»Moment, was hat Mr High gesagt?«, fragte mein Partner mich.

»Wir sollen zurückkommen, die CIA übernimmt«, antwortete ich, doch ich fixierte immer noch Agent Winder, der ernst nickte und dann seine Leute und auch seine eigenen Forensiker aus dem Jeep heranwinkte. Einer der Agents ging zu Phil und ergriff seinen Arm, um ihn zu unserem Wagen zu bringen. Dass das ein Fehler war, wurde mir sofort klar, und schon ging es los.

»Wenn du deine Pfoten nicht gleich wegnimmst, dann werden wir austesten, ob das FBI oder die CIA die bessere Nahkampfausbildung hat«, knurrte er den Mann an. Agent Winder musste nur kurz seinen Kopf heben und schon ließ der Mann Phil los.

»Hey, Agent Winder«, rief mein Partner dem CIA-Agent zu, der bereits im Begriff war, das Spurensicherungszelt zu betreten. Doch er blieb stehen und drehte sich zu Phil um. »Könnten Sie mir kurz erklären, wofür das I in CIA steht? Das habe ich irgendwie nie kapiert«, machte er Winder an, doch der ignorierte Phil wie eine lästige Fliege und verschwand im Zelt.

Mein Partner stapfte wutschnaubend zum Wagen und stieg auf der Beifahrerseite ein. Ich folgte ihm eine Minute später mit Willson und Fortesque und wir quetschten uns auf den Rücksitz, wo wir uns nacheinander aus den Spurensicherungsanzügen quälten.

Keine Stunde später betraten wir vier den Learjet. Natürlich machte es mich sauer, dass die CIA uns den Fall abgenommen hatte, doch ich verstand nicht, warum. Es konnte doch nicht etwa an der UFO-Geschichte liegen, fragte ich mich ernsthaft. UFO-Sichtungen wurden heutzutage eigentlich nicht mehr so ernst genommen, dass die CIA eingeschaltet wurde.

»Es muss mit dem Opfer zu tun haben. Leider erfahren wir nicht mehr, wer das war«, dachte ich laut und sah Phil an, der sich gerade setzte. »Sag mal, ist dir kalt oder warum hast du immer noch den Spurensicherungsanzug an?«, fragte ich ihn erstaunt, als er anfing, sich langsam aus dem weißen Overall zu schälen.

»Jetzt kann ich ihn schon ausziehen«, meinte er und hatte ein Grinsen auf dem Gesicht, sodass mir Übles schwante. Seine plötzliche gute Laune hatte einen Grund, so gut kannte ich meinen Partner.

»Also«, fing er an und spielte mit etwas in seiner Hand rum. »Unser Opfer heißt Sergei Assimov, anscheinend ein Russe, was erklärt, warum die Spooks aufgetaucht sind«, meinte er lässig.

Ich konnte es nicht glauben, aber er hatte die Brieftasche des Toten mitgehen lassen. Mir wurde noch heißer, als es schon war. »Phil, bist du übergeschnappt?«, fragte ich entsetzt.

»Nein, nur sauer. Mir hat nicht gefallen, wie diese CIA-Agents sich aufgeführt haben. Außerdem hat er mich doch sofort zum Wagen gezerrt, ich hatte gar keine Zeit, ihm die Brieftasche zu geben«, sagte er. »Und dann habe ich es total vergessen, weil ich richtig Angst bekommen habe, als er mich packte. Ich stand regelrecht unter Schock!«, meinte er sarkastisch und grinste wieder.

»Hey, FGF, werfen Sie mir mal einen Beweismittelbeutel rüber«, rief er und zog seinen Latexhandschuh vorerst über die Brieftasche. Ich stöhnte laut auf und betete, dass keiner dahinterkommen würde, sonst hätten wir jede Menge Ärger am Hals.

***

Da wir kurz nach ein Uhr in der Nacht landeten und wir Willson und Fortesque nicht noch die Suche nach einem Hotel zumuten wollten, nahmen Phil und ich je einen der beiden mit in unsere Apartments, dort war immer eine Couch frei. So kamen wir alle vier um halb neun am anderen Morgen ins Büro und wurden dort bereits erwartet.

»Bitte kommen Sie sofort in mein Büro«, hörten wir Mr High, der vor dem Aufzug anscheinend auf uns gewartet hatte, sich umdrehte und vorging. Er war furchtbar schlecht gelaunt und ich musste mich nicht lange fragen, warum. Ich sah Phil an, er zuckte leicht die Schultern und trottete hinter mir her.

»Sind Sie eigentlich von allen guten Geistern verlassen?«, hielt der Chef uns eine Standpauke, als wir wie die Grundschüler vor seinem Schreibtisch standen. »Wer von Ihnen kam auf die glorreiche Idee, die Brieftasche des Opfers mitzunehmen?«

»Ich, Sir«, erwiderte Phil leise.

»Warum wundert mich das jetzt nicht, Inspektor Decker? Her damit«, sagte er und Phil nickte Frederick zu, der seinen Spurensicherungskoffer öffnete und den Beweismittelbeutel herausholte.

»Sir, dieser Gorilla von einem CIA-Agent hat mich regelrecht zum Auto gezerrt, da habe ich …«, setzte Phil an, doch Mr Highs Blick ließ ihn sofort verstummen.

»Kein Wort mehr. Mir reicht es schon, was ich mir heute Morgen vom Chef dieses Agent Winder anhören musste. Agent Willson, Agent Fortesque, Sie beide fahren zurück nach Quantico, oder haben Sie in Ihrem Koffer noch mehr Beweismittel, die ich lieber an mich nehmen sollte?« Die beiden schüttelten nur den Kopf. »Und Sie beide gehen in Ihr Büro. Der Fall ist nicht mehr unserer, er gehört der CIA. Ach, und noch was, ich möchte Sie heute nicht noch einmal sehen«, sagte der Chef zu mir und Phil. So hatte ich Mr High nur ein oder zwei Mal gesehen, solange ich ihn kannte. Er war außer sich.

»Sir«, setzte Phil nochmals an.

»Halt den Mund«, sagte ich schnell, griff seinen Arm und zerrte ihn hinter mir her, raus aus Mr Highs Büro. Ich verabschiedete mich von Willson und Fortesque und folgte dann Phil in sein Büro. Wie erwartet saß mein Partner ziemlich geknickt an seinem Schreibtisch. Er respektierte Mr High genauso wie ich und er wusste, dass er unseren Chef in Schwierigkeiten gebracht hatte.

»Sag jetzt ja nicht so was wie: Ich habe es ja gleich gewusst«, meinte er, als ich die Tür hinter mir schloss.

»Nein«, meinte ich abwesend. »Warum ist die CIA so erpicht auf den Fall? Was geht da vor sich?«, grübelte ich laut.

»Nicht unser Fall, darüber denken wir nicht mehr nach«, meinte Phil entschlossen. Ich sah ihn an.

»Wie oft hast du mich schon dazu überredet, an etwas weiterzuarbeiten, das uns entzogen wurde? Hm, zehn Mal, zwanzig Mal?«, meinte ich entschieden. Phil sah mich mit großen Augen an.

»Jerry, du willst doch nicht weiterermitteln?«, fragte er fassungslos.

»Und ob. Ich will wissen, was da los ist. Hast du die Sachen aus der Brieftasche kopiert?«, fragte ich ihn kurzerhand.

»Ja, klar«, antwortete er zögerlich. »Alles ist abfotografiert und auf meinem Laptop.«

»Dann rufen wir jetzt Mai-Lin an und setzten sie auf alles an, was sich in der Brieftasche befand. Das machst du!«, sagte ich unmissverständlich.

»Ähm, und wenn Mr High das rauskriegt?«, fragte er doch etwas verunsichert, denn eigentlich war er derjenige, der unsere Kompetenzen ab und zu überschritt und mich mitzog. Doch diesen Fall konnte ich diesmal nicht loslassen. Ich war mir sicher, dass da etwas Großes vor sich ging, und wollte es auf Teufel komm raus aufklären.

»Dann behaupte ich, dass du der Holzkopf bist, der weiterermitteln wollte, und ich nichts davon wusste«, erwiderte ich. Als er mich mit aufgerissenen Augen ansah und seine Miene erstarrte, konnte ich mein Pokerface nicht mehr aufrechterhalten und grinste übers ganze Gesicht. »Jetzt schick den Kram schon auf unsere Handys und Mai-Lin eine Mail. Sag ihr aber, dass dies eine absolut vertrauliche Sache ist.«

»Mann, für eine Sekunde dachte ich, du meinst das ernst, dass du mich über die Klinge springen lassen würdest«, erwiderte er und seufzte.

***

Ich überließ es Phil, mit Mai-Lin zu sprechen, und ging in mein eigenes Büro. Diese ganze UFO-Geschichte wollte mir einfach nicht in den Kopf, und dann fiel mir plötzlich etwas ein.

»Hallo, Chief Henderson, hier ist Inspektor Cotton, vom FBI, Sie erinnern sich?«, begrüßte ich den Chef des Police Department in Bangor, nachdem ich mir seine Nummer rausgesucht hatte.

»Natürlich erinnere ich mich, Inspektor Cotton«, erwiderte Henderson.

»Ich möchte Sie um etwas bitten. Es geht um Ihren Toten«, fing ich an, doch er unterbrach mich, bevor ich noch ein Wort mehr sagen konnte.

»Oh nein, nicht mehr mein Toter. So gerne ich Ihnen helfen möchte, ich und meine Leute wurden von den CIA-Agents genauso aus dem Fall herauskomplementiert wie Sie gestern Abend«, warf er ein. »Ich befürchte, ich kann für Sie nichts machen. Die haben uns gleich nach Ihnen vom Tatort weggeschickt.«

»Was ist mit den Handyaufnahmen von den drei Jungs, haben Sie die noch?«, fragte ich dennoch, obwohl das sehr unwahrscheinlich war.

»Nein, die CIA hat alles einkassiert. Ich weiß sogar, dass die bei den Jungen zu Hause waren und ihre Computer mitgenommen haben. Eveline, eine der Mütter, rief bei mir an und fragte, ob diese Agents das überhaupt dürfen«, erwiderte er und ich hörte ihn seufzen. Ich fluchte innerlich, denn ich wollte die Aufnahmen unbedingt sehen.

»Könnten Sie mir die Telefonnummern und Namen der Jungs geben? Ich würde gerne noch einmal mit ihnen sprechen«, bat ich ihn und es dauerte keine Minute, bis ich die Informationen aufgeschrieben hatte. Ich bedankte mich beim Chief und legte auf. Vielleicht konnten mir die Jugendlichen das Flugobjekt beschreiben oder eine Zeichnung anfertigen, grübelte ich und wählte die erste Nummer.

Die Mutter des Jungen, Mrs Delmore, war nicht gerade begeistert, von mir zu hören, beruhigte sich aber, als ich ihr erklärte, nicht von der CIA zu sein. Anscheinend hatten die CIA-Agents nicht den besten Eindruck hinterlassen, was mich nicht wunderte, wenn ich an diesen Agent Winder dachte. Nach einigen höflichen Bitten holte sie dann doch ihren Sohn Donny ans Telefon.

»Ja«, meldete er sich und hörte sich nicht im Geringsten so verschreckt an wie seine Mutter.

»Hallo, Donny, mein Name ist Inspektor Cotton vom FBI. Es geht um die Aufnahmen, die ihr von dem Flugobjekt gemacht habt«, sagte ich.

»Haben wir nicht mehr. Diese Geheimdienstleute haben die Handys und auch unsere Computer mitgenommen«, erwiderte er ohne Umschweife.

»Ich weiß, und leider habe ich keine Chance, diese anzufordern. Ich dachte, vielleicht könntest du mir eine Beschreibung geben oder vielleicht eine Zeichnung machen.«

»Woher soll ich denn wissen, ob Sie wirklich vom FBI sind?«, meinte das clevere Kerlchen. »Vielleicht sind Sie ja von der Presse, und diese Agents haben gesagt, wir dürfen nicht mit der Zeitung sprechen.«

»Guter Punkt, Donny«, erwiderte ich. »Warum rufst du nicht einfach Chief Henderson an? Der hat mir deinen Namen und auch die Telefonnummer gegeben. Er kennt mich, und dann meldest du dich noch einmal bei mir. Was hältst du davon?«, schlug ich dem Jungen vor.

»Okay«, meinte er und ich gab ihm meine Nummer vom Headquarter. Es dauerte vielleicht eine Viertelstunde, bis mein Telefon wieder klingelte und er dran war.

»Der Chief sagt, Sie sind in Ordnung«, begrüßte er mich.

»Also, dann fang mal an zu beschreiben, was ihr gesehen habt«, meinte ich sofort.

»Ich habe was Besseres«, erwiderte er leise. »Wir haben noch eine Aufnahme.«

»Was, wieso?«, fragte ich erstaunt.

»Sagen Sie das aber nicht meiner Mom. Wir waren zu viert, meine kleine Schwester war vorgestern auch mit draußen, sie ist erst zwölf Jahre. Ich habe schon mächtig Ärger bekommen, weil wir in der Nacht draußen waren, aber wenn meine Mutter erfährt, dass Elli auch mit dabei war, dann flippt sie total aus. Aber Ellis Handy haben die Agents nicht mitgenommen«, meinte er noch leiser, wohl um zu verhindern, dass seine Mutter doch etwas hörte. Ich konnte mein Glück kaum fassen. So würde ich die Aufnahme doch noch zu sehen bekommen.

»Super. Hör zu, Donny, kannst du zu einem Freund gehen? Keiner der beiden, die in der Nacht dabei waren, einem anderen. Lade die Aufnahme in seinen Computer und verschicke sie unter der E-Mail-Adresse dieses Freundes an mich«, wies ich ihn an.

»Mann, das hört sich ja an wie in einem Spionagefilm. Glauben Sie, die CIA prüft meine E-Mail-Adresse?«, schlussfolgerte er ganz richtig.

»Kann schon sein. Machst du das für mich?«, erwiderte ich.

»Cool, klar mach ich das. Darf denn die CIA nicht erfahren, dass das FBI die Aufnahmen sieht?«, fragte er mich und brachte mich damit in ziemliche Bedrängnis.

»So in der Art, darum ist es wichtig, dass du niemandem davon erzählst, okay?« Mir war nicht ganz wohl, den Jungen mit reinzuziehen, doch auf der anderen Seite hatte ich mich bereits entschieden, gegen den ausdrücklichen Befehl von Mr High zu handeln. Wenn man mir und Phil auf die Schliche kam, dann wäre Donny das kleinste Problem.

»Ich geh gleich los. Bin ich jetzt so eine Art FBI-Geheimagent?«, fragte er und ich schmunzelte.

»Wie alt bist du, Donny?«, fragte ich.

»Vierzehn«, erwiderte er.

»Gut, du bist damit mein Assistent«, sagte ich zu ihm. »Wenn das alles vorbei ist, dann bekommt ihr vier offizielle T-Shirts vom FBI. Doch das muss unser Geheimnis bleiben. Wie schnell kannst du mir die Aufnahmen schicken?«

»Super!«, meinte er begeistert. »In einer halben Stunde haben Sie die Mail.«

***

»Wo hast du die denn her?«, meinte Phil irritiert, als er etwa dreißig Minuten später über meinen Computer gebeugt stand. Er betrachtete das Foto, das der E-Mail angehängt war. Es zeigte einen kleinen Jungen im Supermannkostüm.

»Na, von Superman«, sagte ich genervt, während er die Mail überflog, denn ich wollte, dass er endlich das Video abspielte.

»Lieber Inspektor, anbei die Aufnahmen, gezeichnet Ihr Geheimagent Donny«, las Phil und sah mich dann an. »Ich glaube, ich will nicht wissen, was das bedeutet.«

»Nein, willst du nicht. Öffne schon den Anhang«, forderte ich ihn auf und er klickte auf das Video. Die Aufnahmen waren etwas verschwommen, da das Handy nicht ruhig gehalten wurde. Wir sahen Baumwipfel und dann schrien Kinder durcheinander, es fielen Worte wie cool, krass und UFO. Dann tauchte ein Objekt auf, es war rund oder eher oval, und man sah es immer nur kurz, wenn der Mond durch die Wolken brach. Aber auch dann war es schwer auszumachen. Und plötzlich zog es mit einer unglaublichen Geschwindigkeit senkrecht nach oben und verschwand.

»Sind das die Aufnahmen der Kinder?«, fragte er eher rhetorisch. »Jetzt verstehe ich all das UFO-Geschrei. Was zum Teufel ist das?«, meinte Phil und drückte auf Wiederholung. Wieder sahen wir uns die Aufnahme an, und kurz bevor es verschwand, stoppte Phil den Film. Er versuchte das Standbild näher heranzuzoomen, doch das brachte auch nicht viel, denn es wurde so grobkörnig, dass man nichts mehr erkennen konnte.

»So etwas habe ich noch nie gesehen«, sagte ich. »Kann das Ding eine Drohne sein?«, fragte ich eher mich selbst.

»Jedenfalls keine, die ich je auf Fotos gesehen habe. Vielleicht ein neuer Prototyp«, meinte Phil. »Dann ist es vielleicht auch schon möglich, diese Dinger mit Projektilwaffen zu bestücken.«

»Um was zu tun – Mobster auszuschalten?«, fragte ich Phil, doch dann kam mir die Erleuchtung. »Es sei denn, solch ein Prototyp wurde dem Militär gestohlen.«

»Und genau das erklärt auch, warum die CIA an der Sache dran ist. Es ging gar nicht um eine sogenannte UFO-Sichtung, es geht um diese Waffe«, stimmte mir Phil zu. »Hast du nicht etwas von einem Experten gesagt, jemand, der sich damit auskennt?«

»Ja, James Merill, er ist Militärberater im Weißen Haus«, erwiderte ich und dachte darüber nach, ob ich ihm genug trauen konnte, um ihm die Aufnahme zu zeigen. »Ich rufe ihn an. Wenn er Zeit hat, dann gehen wir heute Abend mit ihm essen«, entschied ich. »Wir plaudern einfach mal ganz generell über Drohnen mit ihm. Mal sehen, wie er reagiert, dann können wir immer noch entscheiden, ob wir ihm die Aufnahme zeigen oder nicht.«

***

»Jerry, wie schön, Sie einmal wiederzusehen«, begrüßte James Merill mich herzlich. Ich hatte ihn am Nachmittag gleich erreicht und er war sehr erfreut gewesen über die Einladung. So hatte ich ihn gebeten, um acht Uhr ins Fiola zu kommen, eines der besten italienischen Restaurants in Washington und nur sechs Minuten Fußweg vom Headquarter. James Merill war ein Genussmensch und eine Einladung ins Fiola nahm er gerne an.

»James, das ist mein Partner Phil Decker, wir arbeiten schon Ewigkeiten zusammen«, stellte ich Phil vor, und auch ihm schüttelte er freundschaftlich die Hand. Wir bestellten eine große Platte mit frischen Austern, die man in diesem Restaurant trotz der großen Hitze unbedenklich essen konnte.

Während der Vorspeise machten wir nur ein bisschen Smalltalk und tauschten uns über die momentane politische Situation aus. Als man uns die hausgemachte Pasta mit Sommertrüffeln servierte, machte ich einen ersten Vorstoß.

»James, sagen Sie, als Militärexperte, wie weit ist eigentlich die Drohnenentwicklung bei unserem Militär vorangeschritten?«, fragte ich eher beiläufig. Er rollte seine Spaghetti mit der Gabel und blickte mich an.

»So wie alle Observierungstechniken – sie schreitet rasend schnell voran. Damals beim Anschlag auf die Twin Towers hatten wir etwa fünfzig Drohnen im Einsatz, jetzt sind es über viertausend. Es ist die Zukunft, und mittlerweile bilden wir mehr Piloten zur Fernsteuerung von Drohnen aus als Kampfjetpiloten«, erwiderte er gelassen und kaute genüsslich.

»Observierungstechnik?«, fragte Phil und nahm einen Schluck Wein. »Sind wir nicht schon lange darüber hinaus, dass die Flugkörper reine Überwachungstechnik an Bord haben?« Auch Phil tastete sich langsam an das Thema heran.

»Nun ja, Phil, seien wir ehrlich. Was ursprünglich zu Observierungsmaßnahmen hergestellt wurde, zeigte sich bei der Terroristenbekämpfung als wenig erfolgreich. Gerade zu der Zeit, als wir hinter Osama Bin Laden her waren. Denn die Zeit zwischen der Erkennung eines Ziels durch eine Drohne und dem Zeitpunkt, bis wir einen kampfbereiten Jet vor Ort hatten, war oft einfach zu lang. Häufig hatten die Terroristen ihren Standort bis dahin gewechselt«, meinte er und wischte sich mit der Serviette den Mund ab. Ich füllte unsere Gläser noch einmal mit dem exzellenten Pinot Noir, den wir bestellt hatten, und wartete darauf, dass er fortfuhr.

»So entwickelte man den ersten Predator, bemannte diese Drohne mit lasergeleiteten Bomben, Hellfire- und Sidewinder-Raketen. Dann folgte das neuste Modell, der MQ-9 Reaper. Eine ganz ungewöhnliche Maschine: Sie kann bis zu fünfhundert Kilo an Bomben transportieren und Bodenziele anvisieren«, fuhr er fort.

»Das sind dann aber ziemlich große Flugkörper«, bemerkte ich, denn es schien ihm zu gefallen, sein Wissen an uns zu vermitteln.

»Stimmt, der Reaper hat eine Länge von vierundzwanzig Fuß und die Spannweite beträgt sechzig Fuß, doch sie hat einen Tarnkappenüberzug und ist vom feindlichen Radar so gut wie nicht auszumachen. Ich habe den Reaper selbst gesehen, es ist eine beeindruckende Drohne. Nur leider warnen unsere Experten immer noch davor, vom Boden ferngesteuerte, autonom operierende Drohnen im Luftkampf einzusetzen. Sie werden bei einem Luftkampf mit bemannten Maschinen noch auf längere Zeit unterlegen bleiben.«

»Wie sieht es denn mit kleinen Drohnen aus? Gibt es schon Entwicklungen, diese mit Waffen auszustatten?«, fragte Phil. »Wollen wir noch einen Espresso nehmen?«, schob er beiläufig hinterher und Merill nickte. Ich winkte dem Kellner und bestellte drei Espresso und für James einen Armagnac.

»Genau genommen haben wir die doch schon, nur mit Lasern ausgerüstet. Die können im Zweifelsfall nützlich sein, haben aber mehrere große Nachteile. Erstens sind sie zu laut, um einen Anschlag erfolgreich umzusetzen, und zweitens zu langsam. Wir verlieren jährlich etliche dieser Drohnen, auch die kleinen, die nur zur Beobachtung dienen. Denn wenn wir zu nahe an ein Ziel herangehen, werden die oft einfach abgeschossen. Wie gesagt, zu laut und zu langsam«, wiederholte er noch einmal.

»Und was ist mit Drohnen, die eine Projektilwaffe tragen?«, fragte ich endlich, und sowohl Phil als auch ich beobachteten seine Reaktion sehr genau.

»Wie kommen Sie denn darauf?«, meinte er sofort und ich konnte ihm ansehen, dass die Frage ihn kurz irritierte, doch dann meinte er schnell: »Vielleicht gibt es so etwas in fünf, zehn Jahren, das weiß man nie. Die Technik verändert sich ja fast stündlich.« Er trank seinen Armagnac aus und hatte es plötzlich sehr eilig. »Das war sehr nett, danke für die Einladung, doch ich befürchte, ich muss langsam los. Ich habe morgen einen harten Tag vor mir, Senatsausschuss-Sitzung!«

»Natürlich, James. Aber würden Sie mir noch einen Gefallen tun, bevor Sie gehen, und sich etwas ansehen?«, sagte ich schnell, denn er hatte die Serviette bereits auf den Tisch gelegt und war im Begriff aufzustehen. Ich nahm mein Handy aus dem Jackett, auf das ich die Videoaufnahme gespielt hatte, und hielt es ihm hin. James zog eine Brille aus der Brusttasche seines Hemdes und setzte sie auf. Dann spielte ich das Video ab. Konzentriert sah er sich den Film an.

»Woher haben Sie das?«, fragte er und sah immer noch auf das Video. Sein Tonfall hatte so gar keinen Plauderton mehr.

»Ein paar Kinder haben das mit ihrem Handy aufgenommen«, meinte ich und sah ihn an. Mittlerweile hatte er sich anscheinend wieder im Griff. Dann fing er an, laut zu lachen.

»Na, da haben Ihnen ein paar Kids einen Streich gespielt. Soll wohl so eine Art UFO-Sichtung sein. Ich an Ihrer Stelle würde das vergessen, ist bestimmt am Computer animiert worden«, meinte er und lachte noch immer. Doch das Lachen erreichte nicht seine Augen, die mich fixierten. Er verabschiedete sich, und Phil und ich warteten auf die Rechnung.

»Da hat aber jemand einen Schreck bekommen. Hast du das auch gesehen?«, fragte mich Phil, als James gegangen war.

»Oh ja! Wenn wir beide morgen früh wieder in das Büro von Mr High zitiert werden, dann haben wir mitten in ein Hornissennest gestochen«, antwortete ich und legte meine Kreditkarte auf das Tablett.

***

James Merill ging schnell zu seiner Limousine, die vor dem Restaurant auf ihn gewartet hatte. Sofort fuhr er die Glasscheibe hinter den Vordersitzen hoch, damit der Fahrer sein Telefonat nicht mitbekam.

»Geben Sie mir den Director of Science and Technology, Gilles Goffey in Langley«, sagte er und hörte einen Moment zu. »Ja, es ist verdammt wichtig, hier spricht James Merill vom Weißen Haus. Er weiß, wer ich bin. Bitte sagen Sie ihm, er muss mich jetzt gleich zurückrufen. Egal, wo er gerade ist und was er macht.« Damit legte er auf und blickte durch die getönten Scheiben auf das nächtliche Washington, das an ihm vorüberzog.

»Merill«, meldete er sich, als sein Handy nach fünf Minuten klingelte.

»James, hier ist Gilles Goffey. Was gibt es so Dringendes?«, fragte der CIA-Director, der für den wissenschaftlichen Teil der Agency zuständig war.

»Gilles, wie kann es sein, dass mir vor zehn Minuten ein Inspektor des FBI eine Videoaufnahme der Stealth-Cypher gezeigt hat? Eine Videoaufnahme, die angeblich von Kindern mit dem Handy aufgenommen wurde«, fragte er in hartem Ton.

»Verdammt, wie ist er an die Aufnahme gekommen? Wir hatten alle Handys konfisziert. Wie heißt der Mann?«, stellte Goffey eine Gegenfrage, anstatt zu antworten.

»Inspektor Jerry Cotton, vom FBI Headquarter hier in Washington. Gilles, was hat das alles zu bedeuten?«, fragte er erneut.

»Wir haben Probleme? Ich kümmere mich um den FBI-Mann. Meine Agents wissen bereits, wer er ist. Eigentlich sollten er und sein Partner nicht mehr an dem Fall arbeiten. Doch anscheinend sind die beiden Inspektoren hartnäckiger als gedacht. Machen Sie sich keine Sorgen, wir erledigen das«, versuchte Goffey ihn abzuwimmeln.

»Was wollen Sie erledigen und welcher Fall? Jetzt hören Sie auf mit Ihren obskuren CIA-Andeutungen, was ist los? Wieso wurde der Stealth-Cypher von Zivilisten gesichtet? Sie haben doch wohl keine Überflüge außerhalb unserer gesicherten Gelände genehmigt«, schoss Merill zurück, denn er kannte die CIA-Leute gut genug, um zu wissen, dass sie nicht gerne Informationen herausrückten. Doch in dem Fall musste er es wissen, denn er persönlich hatte das Stealth-Cypher-Projekt durch den Ausschuss gebracht und das ungeheuer hohe Budget genehmigt bekommen.

»Also gut«, meinte Goffey und gab sich geschlagen. »Der Stealth-Cypher ist verschwunden, bereits vor zwei Monaten. Ich habe gute Leute darauf angesetzt«, versuchte er die Situation herunterzuspielen.

»Was heißt das, sie ist weg?« Merill traute seinen Ohren nicht. »Und das erfahre ich erst jetzt? Verdammt noch mal! Wie soll denn das gehen? Die verschwindet doch nicht einfach. Was sagt Assimov dazu?«

»Assimov konnte es sich nicht erklären. Und jetzt wird er uns nie wieder etwas erklären können. Er ist tot. Und das ist auch der Grund, warum diese FBI-Leute an der Sache dran sind, die waren als Erste am Tatort. Doch offiziell wurde ihnen der Fall entzogen. Machen Sie sich keine Sorgen, wir bekommen den Cypher wieder und die beiden FBI-Inspektoren lassen wir nicht mehr aus den Augen.«

»Ich soll mir keine Sorgen machen? Das war der einzige Prototyp, den wir hatten, und ohne Assimov gibt es auch keinen zweiten. Gilles, Sie sind derjenige, der sich Sorgen machen sollte«, erwiderte James Merill und legte wutentbrannt auf.

***

Am anderen Morgen ging ich mit sehr unguten Gefühlen ins Büro und auch Phil war nervös. Eigentlich warteten wir jeden Moment darauf, dass Mr High in unsere Büros stürzte, um uns gehörig den Kopf zu waschen. Mir schmeckte es gar nicht, unseren Chef so außen vor zu lassen, doch wenn er von ganz oben die Anweisung bekommen hatte, den Fall ruhen zu lassen, konnten wir ihn nicht einweihen.

Das alles ging auf unsere Kappe. So beschäftigten Phil und ich uns mit Berichten, die noch geschrieben werden mussten, und warteten. Doch nichts passierte. Hatten wir beide uns in Merills Reaktion getäuscht?, fragte ich mich. Am späten Nachmittag kam Phil in mein Büro und setzte sich vor meinen Schreibtisch.

»Mai-Lin hat gerade angerufen. Sie klang reichlich nervös und wollte nicht am Telefon reden. Sie kommt heute Abend nach Washington und will sich mit uns treffen«, sagte er leise. So langsam kam ich mir vor, als wären wir selbst bei der CIA. Diese ganze Geheimnistuerei wurde schon zu einer Manie.

»Hat sie was rausgefunden über den Russen?«, fragte ich im normalen Tonfall, weil mir das Geflüster auf die Nerven ging.

»Anscheinend, sie hat mir nicht mehr gesagt. Sie will so gegen halb neun hier sein, wir treffen uns in meiner Wohnung«, erwiderte Phil. Ich nickte und sah auf meine Uhr. Es war kurz nach fünf.

»Na gut, ich haue jetzt ab und gehe ein bisschen laufen, sonst bekomme ich gar keinen klaren Kopf mehr. Ich bin dann um halb neun bei dir. Dann sehen wir weiter«, meinte ich und schaltete meinen Computer aus.

»Da uns Mr High den Kopf noch nicht abgerissen hat, haben wir uns wohl bei James Merill geirrt«, meinte mein Partner und stand ebenfalls auf.

»Den Eindruck habe ich auch«, erwiderte ich halbherzig, auch wenn ich mir sicher war, dass James Merill einen gehörigen Schreck bekommen hatte, als er das Video sah.

Als ich um kurz nach halb neun bei Phil eintraf, dachte ich, mich müsse der Schlag treffen. Denn nicht nur Mai-Lin saß an seinem Esstisch, sondern auch Concita, Gerold und Frederick. Das ganze Scientific Research Team war aus Quantico gekommen, und das konnte nur bedeuten, dass Mai-Lin die anderen eingeweiht hatte.

»Verdammt noch mal«, fluchte ich zur Begrüßung und alle sahen mich erschrocken an, denn das war eigentlich nicht meine Art, und solche Worte kannten die vier nicht von mir. »Was soll das? Sind Sie alle verrückt geworden? Es reicht, dass Phil und ich uns so weit aus dem Fenster lehnen. Wollen Sie jetzt auch noch gegen die ausdrückliche Order von Mr High an dem Fall weiterarbeiten? Dann holen wir uns alle ein internes Verfahren an den Hals.«

»Wir wollen nicht an dem Fall weiterarbeiten«, meinte Fortesque trocken auf seine aristokratische, englische Art. »Das haben wir bereits und ganz erstaunliche Dinge gefunden.«

»Was? Aber wieso Sie beide?«, meinte ich und sah unseren Pathologen und Materialkunde-Experten erstaunt an.