Jerry Cotton Sammelband 60 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sammelband 60 E-Book

Jerry Cotton

0,0
6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Fünf actiongeladene Fälle und über 300 Seiten Spannung zum Sparpreis!
G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!
Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

In diesem Sammelband sind 5 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:
Jerry Cotton 3075 - Der Deal seines Lebens
Jerry Cotton 3076 - Die falsche Karte gespielt
Jerry Cotton 3077 - Unbekannte Regeln
Jerry Cotton 3078 - Das Ende einer Ermittlung
Jerry Cotton 3079 - Kein Deal mit dem Tod

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 668

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Jerry Cotton
Jerry Cotton Sammelband 60

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben

Für die Originalausgaben:

Copyright © 2016 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2024 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln

Covermotiv: © shutterstock: stockcreations | Nebosja Kontic

ISBN: 978-3-7517-8309-5

https://www.bastei.de

https://www.luebbe.de

https://www.lesejury.de

Jerry Cotton Sammelband 60

Cover

Titel

Impressum

Inhalt

Jerry Cotton 3075

Der Deal seines Lebens

Jerry Cotton 3076

Die falsche Karte gespielt

Jerry Cotton 3077

Unbekannte Regeln

Jerry Cotton 3078

Das Ende einer Ermittlung

Jerry Cotton 3079

Kein Deal mit dem Tod

Guide

Start Reading

Contents

Der Deal seines Lebens

Als FBI-Agent Tom Walker das Haus verließ, klingelte sein Handy. Er zog es aus der Innentasche seines Jacketts und meldete sich. Gleichzeitig trat er vom Bürgersteig auf die Straße, um sie zu überqueren.

Durch den Anruf abgelenkt, bemerkte er nicht den Geländewagen, der auf ihn zufuhr. Erst als der SUV ihn fast erreicht hatte und er das Unvermeidliche kommen sah, zuckte er zusammen, ganz so, als wollte er sich auf den Aufprall vorbereiten.

Der Wagen erfasste seinen Körper und schleuderte ihn durch die Luft. Er landete hart auf dem Asphalt und rollte weiter, bis er neben einem parkenden Auto liegen blieb.

Einige Passanten schrien entsetzt auf. Andere zückten ihre Mobiltelefone, um Hilfe herbeizurufen.

Als der Rettungswagen endlich kam, hing Tom Walkers Leben am seidenen Faden.

Phil saß in meinem Büro und machte sich gerade mit seinem neuen Smartphone vertraut. Vor ihm auf dem Tisch stand sein Notebook, auf dessen Display das Handbuch angezeigt wurde, das er Seite für Seite durchging.

Ich wollte gerade eine bissige Bemerkung über die moderne Technik machen, als mein Handy klingelte. Concita Mendez von unserem Scientific Research Team war dran.

»Hallo, Concita«, meldete ich mich.

»Hallo, Jerry«, sagte sie und wirkte, was für sie eher ungewöhnlich war, etwas zurückhaltend.

»Was haben Sie auf dem Herzen?«, fragte ich.

»Es geht um eine eher ungewöhnliche Bitte«, antwortete sie. »Ich muss wegen einer Prüfung zu einer Firma und … na, ja, ich würde ungern allein hingehen. Haben Sie im Moment etwas Zeit?«

Ich nickte unwillkürlich. »Ja, so könnte man sagen. Und solange Mr High keinen neuen Auftrag für uns hat, wird das wohl auch so bleiben. Worum genau geht es denn?«

»Ich soll eine Überprüfung der Bücher der Firma Western Consolidated durchführen. Sitz der Firma ist Hagerstown«, erklärte sie. »So weit, so gut. Ich bin die Vertretung von Agent Tom Walker, der das eigentlich übernehmen sollte, aber gestern früh einen Unfall hatte und jetzt schwer verletzt im Krankenhaus liegt, auf der Intensivstation. Keine Ahnung, aber irgendwie habe ich kein gutes Gefühl bei der Sache und würde nur ungern allein zu dem Unternehmen gehen. Wegen eines Gefühls einen Agent anzufordern, kommt mir irgendwie blöd vor, daher meine eher inoffizielle Bitte.«

»Inoffiziell, das hört sich irgendwie gut an«, sagte ich. »Gut, ich komme mit. Hagerstown ist nicht allzu weit weg. Hoffentlich wird es nicht zu langweilig.«

»Danke«, sagte sie. »Mir fällt ein Stein vom Herzen. Wobei ich ehrlich gesagt nichts dagegen hätte, wenn es ruhig ablaufen würde.«

»Für wann haben Sie einen Termin?«, fragte ich.

»Kein Termin, wir werden einfach dort auftauchen und die Überprüfung, die Agent Walker angekündigt hatte, durchführen«, sagte sie. »Es ist in solchen Fällen zuweilen von Vorteil, wenn man das Überraschungsmoment auf seiner Seite hat.«

Ich lächelte. »Soll mir recht sein.«

Wir vereinbarten einen Treffpunkt und eine Zeit, wann wir dort sein wollten. Dann beendeten wir das Gespräch.

»Und? Was wollte sie?«, fragte Phil neugierig.

»Begleitschutz«, antwortete ich knapp.

»Begleitschutz? Hört sich interessant an«, sagte er. »Kannst du das näher ausführen? Nicht, dass ich neugierig wäre …«

»Sie soll ein Unternehmen überprüfen, als Ersatz für einen Agent, der gestern angefahren wurde, und hat kein gutes Gefühl dabei. Deshalb wäre es ihr lieb, wenn ich sie begleiten könnte. Eher inoffiziell. Kannst du mich ein paar Stunden entbehren?«

Er schaute mich überrascht an. »Willst du allein fahren?«

Ich zuckte die Schultern. »Das ist keine große Sache. Und falls Mr High uns braucht, ist es von Vorteil, wenn einer von uns hier ist.«

Phil seufzte. »Ja, gut, dann machen wir es so. Ich kämpfe mich derweil weiter durch das Handbuch meines neuen Smartphones. Euch wünsche ich viel Spaß.«

»Wie viel Spaß wird es wohl machen, einer Wirtschaftsprüferin bei der Arbeit zuzuschauen?«, erwiderte ich, schnappte mir mein Sakko und verabschiedete mich.

Nachdem ich das Büro verlassen hatte, kam mir der Gedanke, Mr High Bescheid zu geben. Ich machte einen kleinen Abstecher zu seinem Büro, erzählte ihm, was ich vorhatte. Von seiner Seite gab es keinen Einwand.

***

Ich traf mich mit Concita Mendez in der Nähe des Firmensitzes von Western Consolidated .

»Schön, dass Sie da sind«, begrüßte sie mich. »Gute Fahrt gehabt?«

»War so weit in Ordnung«, sagte ich. »Und selbst?«

Sie nickte. »Ja, keine Probleme. Wollen wir?«

Ich nickte zustimmend. Sie nahm einen Aktenkoffer aus ihrem Auto, dann gingen wir zusammen los.

»Irgendetwas, was ich beachten sollte?«, fragte ich.

»Nein, nicht wirklich«, sagte ich. »Am besten übernehme ich das Reden, ich weiß ja, was ich will. Bin gespannt, wie es läuft.«

»Ich auch.«

Mehr hatte ich dazu nicht zu sagen. Buchprüfungen waren nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung.

Western Consolidated befand sich in einem zweistöckigen Bürogebäude. Soweit ich sehen konnte, war es das einzige Unternehmen dort.

Wir betraten das Gebäude durch den Haupteingang und gingen auf die Rezeption zu, an der eine stabile Afroamerikanerin saß.

»Guten Tag«, sagte Concita und stellte sich vor. »Wir sind hier, um eine angekündigte Überprüfung vorzunehmen. Könnten Sie bitte Mr Davis, den Geschäftsführer, informieren?«

»Klar, mache ich«, kam die eher frostige Antwort. Sie nahm einen Telefonhörer in die Hand und telefonierte leise mit jemandem, soweit ich hören konnte, die Sekretärin des Geschäftsführers.

»Es kommt gleich jemand, der sich um Sie kümmert«, sagte sie anschließend zu uns und schaute kurz in Richtung einer Art Wartezimmer. »Wenn Sie wollen, können Sie dort Platz nehmen.«

»Ich hoffe, es dauert nicht allzu lange«, sagte Mendez. »Sonst gehen wir eben zum Büro von Mr Davis. Wo befindet es sich?«

Die Rezeptionistin holte tief Luft. »Äh, nun, wie gesagt, es kommt gleich jemand.«

Concita schaute demonstrativ auf die Uhr. »Nun ja, warten wir fünf Minuten.«

Während wir zum Wartezimmer gingen, konnte ich aus den Augenwinkeln sehen, wie die Rezeptionistin erneut telefonierte. Die Worte meiner Kollegin hatten sie wohl auf Trab gebracht.

»Man muss manchmal ziemlich viel Druck machen, sonst bewegt sich bei solchen Überprüfungen nichts«, sagte sie.

»Sie sprechen aus Erfahrung.«

»Und wie«, antwortete sie mit einem Nicken. »Besonders Firmen, in denen etwas nicht stimmt, neigen dazu, einem Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Als ich das erste Mal einen solchen Job hatte, wartete ich geschlagene zwei Stunden, ehe sich die verantwortliche Person zeigte. Nun, jetzt bin ich älter und klüger.«

»Es ist aber wie bei den richtigen Gangstern, am Ende kommt alles heraus«, bemerkte ich.

»Einige von denen sind richtige Gangster«, sagte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. »Sie halten einem zwar keine Waffe an den Kopf, aber ein paar Millionen hinterzogene Steuern sind kein Pappenstiel.«

»Schon wahr«, sagte ich und setzte mich.

Das hätte ich mir schenken können, denn eine halbe Minute später kam eine bildhübsche, schlanke Frau mit gestyltem Aussehen und begrüßte uns freundlich, wenn auch leicht nervös. »Guten Tag, ich bin Jenna Leaf, die Privatsekretärin von Mr Davis.«

»Concita Mendez«, sagte Mendez und zeigte kurz auf mich. »Und das ist Mr Cotton.«

Meinen Posten beim FBI nannte sie absichtlich nicht.

»Wenn Sie mir bitte folgen würden, Mr Davis erwartet Sie«, sagte die Sekretärin, nachdem sie uns die Hand geschüttelt hatte, machte kehrt und ging los.

Mir fiel auf, dass sie äußerst figurbetonte Kleidung trug, einen eng anliegenden, kurzen Rock und ein Top, das sich am Rande des im Büro Vertretbaren befand. Und Schuhe mit hohen Absätzen, die ihre Figur gut zur Geltung brachten.

Irgendetwas sagte mir, dass sie sich nicht für die Besucher des Unternehmens so anzog, sondern für einen der Männer hier. Ich schob den Gedanken beiseite und schaute mich um. Die Räumlichkeiten sahen gut aus, modern, aber ich konnte nur wenige Mitarbeiter sehen.

Schließlich erreichten wir über die Treppe im ersten Stock ein großes Büro, das einem Mann mit ebenso großem Ego zu gehören schien. An den Wänden hingen viele Auszeichnungen, einige sogar von College-Sportveranstaltungen.

Der Mann, der in dem Büro arbeitete, stellte sich uns als Don Davis vor. Er war etwa sechs Fuß groß und machte einen sportlichen Eindruck. Sein Alter schätzte ich auf Mitte dreißig. Von der Stimme her war er freundlich, aber nicht zu sehr. Unser Besuch schien ihm nicht besonders zu gefallen, was er vergeblich zu kaschieren suchte.

»Eigentlich hatten wir Mr Walker erwartet, gestern schon«, sagte er. »Sein Büro hat angerufen und gesagt, dass er einen Unfall gehabt hätte. Von einer Vertretung war nicht die Rede.«

»Ja, so sind die Kollegen, manche Details vergessen sie einfach«, sagte Mendez und zeigte ihm die Verfügung, aufgrund derer sie die Überprüfung durchführte.

Er warf einen kurzen Blick darauf und nickte. »Ja, sieht okay aus, keine Frage. Und ich will Ihre Autorisierung gar nicht in Frage stellen. Es kommt nur etwas unerwartet.«

»Es war auch für mich überraschend, mit der Aufgabe betraut worden zu sein«, sagte sie. »Aber wie auch immer, je schneller ich loslegen kann, desto eher bin ich wieder weg. Gewähren Sie mir einfach Zugriff auf all Ihre Kontodaten, dann bin ich schon zufrieden.«

Davis wurde merklich unruhig. Der Gedanke, dass ein Beamter die Konten seines Unternehmens unter die Lupe nahm, schien ihm nicht zu gefallen.

»Kein Problem, ich werde jemanden kommen lassen, der Ihnen alles geben wird, was Sie brauchen«, sagte er, ging hinter seinen Schreibtisch, nahm den Hörer vom Telefon und rief einen gewissen Boyd zu sich.

»Welche Funktion hat Mr Boyd?«, wollte ich wissen. »Buchhaltung?«

Davis lächelte. »Nein, er ist der Sicherheitschef. Das schließt auch die Sicherheit des unternehmenseigenen Computernetzwerks mit ein. Er kann Ihnen einen Zugang geben, der es Ihnen erlaubt, die entsprechenden Informationen abzufragen.«

»Hört sich gut an«, sagte Mendez. »Er ist doch im Gebäude, oder?«

Davis nickte. »Natürlich, er wird gleich hier sein und … ach, da ist er schon.«

In der Tür stand ein Mann, der etwa einen halben Fuß kleiner war als Davis, eher drahtig, dessen Augen mir aber sofort verrieten, dass er schon einiges erlebt hatte. Ich musterte ihn kurz und war mir sicher, dass er unter seinem Sakko eine Waffe trug, in einem Schulterholster.

Natürlich musterte er uns auch, vor allem mich. Sicher erkannte er sofort, dass ich kein Büromensch war.

»Guten Tag, Mr Davis, worum geht es?«, fragte er seinen Chef.

»Das sind die Herrschaften, die uns angekündigt wurden, um die Überprüfung durchzuführen«, antwortete Davis. »Könnten Sie Ihnen Zugriff zum Computernetzwerk gewähren?«

Boyd nickte und kam auf mich zu. »Sind Sie Mr Walker? Geht es Ihnen wieder gut?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Mr Walker ist verhindert. Mrs Mendez ist seine Vertretung, ich bin nur die Begleitung.«

»Nur die Begleitung«, wiederholte er und wirkte einen Augenblick lang nachdenklich.

Ich hätte gern gewusst, was in seinem Kopf vorging, konnte es aber nur erahnen. Irgendetwas beschäftigte ihn. Es hatte wahrscheinlich mit der Überprüfung zu tun.

»Mr Boyd, wenn Sie den beiden dann einen Platz geben würden, an dem sie arbeiten können«, forderte Davis ihn auf.

»Natürlich, kein Problem, folgen Sie mir«, sagte Boyd und verließ zusammen mit uns das Büro des Geschäftsführers.

»Wie lange arbeiten Sie schon hier?«, fragte ich ihn, als wir den Flur entlanggingen.

»Schon eine ganze Weile«, antwortete er ausweichend. »Und Sie? Als Staatsbeamter?«

»Auch eine ganze Weile«, tat ich es ihm gleich.

Ich startete keinen weiteren Versuch, etwas über ihn herauszufinden, weil ich wusste, dass das nichts bringen würde. Außerdem war ich nur zur Unterstützung von Concita in dem Unternehmen, nicht wegen irgendwelcher Ermittlungen.

»So, den Raum können Sie benutzen«, sagte er und öffnete die Tür zu einem Büro von etwa vier mal fünf Yards Grundfläche.

»Schick«, sagte Concita und deutete auf den Computer hinter dem Schreibtisch. »Wenn Sie mir jetzt noch einen Zugang zum System geben würden, wäre ich für den Moment zufrieden.«

»Natürlich, kein Problem«, antwortete er, ging zum Computer und loggte sich ein.

»Haben wir jetzt Ihren Zugang zum System?«, fragte ich.

Er lächelte und schüttelte leicht den Kopf. »Nein, Sie haben Zugang zu den Finanzdaten, keine Administratorberechtigung. Die benötigen Sie für eine Überprüfung der Finanzen ja auch nicht, oder?«

»Nein, natürlich nicht«, sagte Mendez und nahm auf einem Bürostuhl Platz. »Dann wollen wir mal loslegen.«

»Wenn Sie etwas benötigen, rufen Sie mich einfach an«, sagte Boyd und legte seine Karte auf den Schreibtisch, bevor er das Zimmer verließ.

Concita schaute mich an. »So, jetzt kommt der eher langweilige Part, zumindest für Sie, Jerry. Ich hoffe, Sie haben sich etwas zu lesen mitgebracht. Ansonsten kann ich Ihnen die heutige Ausgabe der Financial Times anbieten.«

»Warum nicht«, sagte ich, ließ mir die Zeitung geben, machte es mir auf einem Bürostuhl bequem und fing an zu lesen.

***

Es war vielleicht eine Viertelstunde vergangen, als Concita einen Fluch ausstieß. »Verdammt, was ist denn jetzt los?«

Ich schaute auf. »Stimmt etwas nicht?«

»Nein, irgendwie ist die Verbindung zum Server unterbrochen«, antwortete sie.

Ich legte die Zeitung zur Seite, stand auf und ging zu ihr. Tatsächlich, die Verbindung war unterbrochen.

»Wir sollten jemanden fragen«, sagte ich. »Kommt so etwas häufig vor?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ehrlich gesagt nicht. Server sind ja zumeist gut geschützt und gegen Ausfälle abgesichert.«

Wir verließen das Büro und sahen einen Mann mit schnellen Schritten den Flur entlanggehen.

»Was ist passiert?«, fragte ich ihn.

»Weiß nicht genau, der Server scheint ausgefallen zu sein«, antwortete er. »Das ist schon das zweite Mal in diesem Monat.«

Er verschwand im Treppenhaus. Wir gingen zum Büro von Mr Davis, beziehungsweise zu dessen Sekretärin.

»Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte sie freundlich.

»Es scheint so, als wäre der Server ausgefallen, ich kann nicht weiterarbeiten«, antwortete Concita.

Die Sekretärin drehte sich zu ihrem Computer, bewegte die Maus, tippte etwas auf der Tastatur ein und schaute überrascht drein. »Tatsächlich, ich bekomme keine Verbindung. Einen Moment, ich sage Mr Davis Bescheid.«

Sie stand auf, klopfte an der Bürotür ihres Chefs, trat ein und berichtete ihm, was passiert war.

Davis kam kurz darauf aus seinem Büro und sprach uns an. »Sorry, wir haben zuweilen etwas Probleme mit der IT, ich lasse das überprüfen. Am besten warten Sie einen Augenblick, dann weiß ich mehr.«

»Wir gehen zurück ins Büro«, sagte Mendez, drehte sich um und ging los.

»Da merkt man mal wieder, wie abhängig wir von Computern sind«, sagte ich.

Sie nickte. »So ist es. Früher waren alle Buchungen auf Papier aufgezeichnet, heute geschieht das teilweise zwar auch noch, zu Sicherheitszwecken, aber es ist bei der Menge an Daten kaum noch möglich, vernünftig damit zu arbeiten. Ich hoffe, die kriegen das in den Griff, und zwar schnell.«

»Haben Sie schon etwas Interessantes gefunden?«

»Nein, bis jetzt nicht. Ich habe ja gerade erst angefangen. Es dauert eine Zeit, sich in den Datenbanken zu orientieren, bevor man richtig loslegen kann.«

Wir warteten. Etwa zehn Minuten später kam Davis zu uns.

Er machte einen besorgten Eindruck. »Sorry, ich habe gerade mit dem Systemadministrator gesprochen, er ist dabei, die Sache in Ordnung zu bringen. Kann aber etwas dauern. Wenn Sie vielleicht etwas essen gehen wollen …«

»Machen wir«, sagte Mendez, sichtlich unzufrieden. »Aber wir kommen wieder. Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit. Rufen Sie mich an!«

Sie gab ihm ihre Karte und ging los. Ich folgte ihr.

Zusammen verließen wir das Gebäude und fuhren zu einem nahe gelegenen Restaurant.

»Da stimmt etwas nicht!«, brachte sie nach ein paar schweigsamen Minuten hervor. »Meine Nase sagt mir, dass da etwas nicht stimmt. Die haben etwas zu verbergen.«

»Da widerspreche ich nicht«, sagte ich. »Eine gewisse Unruhe war nicht zu leugnen. Meinen Sie, dass sie Steuern hinterzogen haben oder etwas in der Art?«

Sie nickte. »Gut möglich. Meistens läuft es darauf hinaus. Entweder mit einem Trick, um die Bücher zu fälschen, oder einer halblegalen Steuersparmethode, die sich irgendein findiger Finanzberater ausgedacht hat. Sie glauben nicht, auf was für Ideen die kommen. Kaum kommt ein neues Gesetz heraus, um eine Lücke im Steuerrecht zu schließen, findet irgendjemand eine Methode, dieses Gesetz zu umgehen. Manchmal wird es von den Steuerbehörden akzeptiert, manchmal aber auch nicht. Aber es können auch andere Sachen hochkommen, nicht nur Steuersünden. Etwa Geschäftsbeziehungen zu Staaten, in die gewisse Waren nicht geliefert werden dürfen.«

Ich lächelte. »So wie Plutonium nach Nordkorea?«

»So in der Art«, antwortete sie. »Wobei ich so etwas noch nie aufgedeckt habe. Aber gewisse Chemikalien, Seltene Erden oder Waffen, das ist schon vorgekommen. Es ist schon interessant, dass es immer wieder jemand versucht.«

»Und wenn die nicht bösen Buben und Mädchen von einer Meisterin der Wirtschaftswissenschaften aufs Korn genommen werden, haben sie ohnehin keine Chance, weiterhin jemanden hinters Licht zu führen.«

»Charmant«, sagte sie lächelnd und schaute auf die Speisekarte. »Nutzen wir die Zeit, um etwas zu essen. Langsam bekomme ich Hunger.«

Als wir mit dem Essen fertig waren, schaute ich auf die Uhr. »Die lassen sich aber Zeit.«

»Zu viel Zeit«, stimmte sie mir zu.

Wir riefen den Kellner, zahlten und wollten gerade aufstehen, als ihr Handy klingelte.

Sie holte es aus ihrer Handtasche und nahm den Anruf entgegen. »Mendez …. Ja … aha … Nein, das ist nicht in Ordnung. Wir reden hier über eine offizielle Buchprüfung und … ja, natürlich … Morgen, in Ordnung. Ihnen ist klar, dass es Konsequenzen haben wird, wenn sich herausstellen sollte, dass Sie die Prüfung nur verzögern wollen … okay, bis morgen!«

Sie beendete das Gespräch und steckte das Handy wieder weg.

»Und?«, fragte ich interessiert, obwohl ich mir schon denken konnte, was ihr Gesprächspartner gesagt hatte.

»Der Server wird heute wohl nicht mehr repariert werden können, hat Davis gesagt«, kam ihre Antwort. »Er hat sich entschuldigt und versprochen, die Sache bis morgen in Ordnung bringen zu lassen, meinte aber, dass er sich selbst mit Computern nicht auskennen würde und die Situation daher nicht abschätzen könnte. Und so weiter, bla, bla.«

Sie war gereizt. Entgegen ihrer sonst eher ruhigen Art konnte ich sehen, wie es in ihr brodelte.

»Was machen wir jetzt? Die Kavallerie rufen und den Laden stürmen?«, fragte ich.

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das wäre unangemessen. Falls wir uns irren, hätten wir ihre Anwälte am Hals. Wir warten bis morgen. Zumindest, was die Buchprüfung angeht. Bis dahin nehme ich die Firma genauer unter die Lupe. Mit anderen Worten: Ich fahre nach Quantico.«

»Da schließe ich mich an«, sagte ich. »Das Ganze hat meine Neugier geweckt. Wer weiß, was hinter dieser Verzögerungstaktik steckt.«

Sie lächelte. »Nichts dagegen. Es ist zwar keine offizielle Ermittlung, die in den Aufgabenbereich eines FBI-Inspektors fallen würde, aber ich habe nichts dagegen, wenn mir ein erfahrener Ermittler zur Seite steht.«

Wir verließen das Restaurant und fuhren nach Quantico. Ich war gespannt, was wir über Western Consolidated in Erfahrung bringen würden.

***

In ihrem Büro angekommen, bot mir Concita zuerst einen Kaffee an.

»Danke, warum nicht«, sagte ich.

Sie besorgte zwei Becher und stellte einen vor mir auf den Schreibtisch. »Hier, bitte. Ist nicht mehr ganz frisch, meinte die Kollegin. Wenn er nicht mehr schmeckt, kocht sie einen neuen.«

»Mal sehen«, sagte ich und nahm einen Schluck. »Geht noch.«

»Gut«, sagte sie und setzte sich. »Wo wollen wir anfangen? Mit dem Geschäftsführer?«

»Warum nicht«, sagte ich und loggte mich ein.

Mit meinen Zugangsdaten hatte ich von hier aus Zugriff auf alle relevanten FBI-Datenbanken.

»Mal sehen, was über den Herrn in unseren Archiven zu finden ist. Ah, da ist er schon, Don Gerald Davis, siebenunddreißig Jahre alt, verheiratet mit Mary Davis, keine Kinder. Ebenso keine Vorstrafen. Er liebt es wohl, zu schnell zu fahren, denn in den letzten Jahren hatte er zwei Bußgelder diesbezüglich zahlen müssen. Ansonsten sieht er, zumindest was unsere Datenbank angeht, sauber aus.«

»Ich schaue mal, was das Internet hergibt«, sagte Mendez und klappte ihr Notebook auf. »Mal sehen, er hat einen Facebook-Account, und was hat Google sonst noch über ihn? Ah ja, da ist ein Artikel in einem Wirtschaftsmagazin. Ist eher neutral gehalten, er spricht über seinen Führungsstil. Nichts, mit dem wir etwas anfangen können. Viel mehr gibt es nicht, er ist nicht prominent oder so.«

»Vielleicht gibt es was zu seiner Frau«, sagte ich und schaute nach. »Hm, Mary Louise Davis, geborene Winterburn. Achtundzwanzig Jahre alt. Sie scheint einen Hang zum Falschparken zu haben. Und einmal wurde sie wegen Alkohol am Steuer festgenommen, ist aber schon neun Jahre her, also fast noch eine Jugendsünde. Sonst ist sie sauber.«

»Ich kann auch nichts Besonderes über sie finden«, meinte Concita, die Mrs Davis gegoogelt hatte. »Was ist mit dem Sicherheitschef?«

Ich nickte und gab dessen Namen ein. »Mac Boyd, 41. War früher in der US-Army. Hat drei Jahre gedient. Danach ist er ein paar Mal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Ist mehrmals wegen Trunkenheit festgenommen worden, einmal wegen einer Schlägerei. Gab aber nur geringe Strafen. Das zog sich über etwa zwei Jahre. Danach ist er sauber geblieben. Keine weiteren Einträge.«

»Im Internet gibt es über ihn absolut nichts«, sagte Concita. »Scheint kein sehr sozialer Typ zu sein, zumindest nicht, was soziale Netzwerke angeht.«

»Das ist bei Personen, die im Sicherheitsbereich arbeiten, nicht ungewöhnlich. Man ist meist besser dran, wenn man so wenig Informationen wie möglich weitergibt.«

Sie schaute mich an und lächelte. »Klar, macht Sinn. Wobei er nicht besonders freundlich war, was sicherlich auch an seinem Job liegen mag. Er arbeitet ja nicht in der PR-Abteilung. Egal, mal sehen, was es über das Unternehmen gibt.«

Ihre Finger flogen über die Tastatur, sie bewegte sie ein paar Mal über das Touchpad ihres Notebooks und nickte dann. »Im Internet gibt es eine offizielle Seite, sonst nichts. Es handelt sich um ein Dienstleistungsunternehmen, das Beratungstätigkeiten im Finanzsektor anbietet. Wer ihre Kunden sind, steht hier nicht. Auch keine konkreten Informationen zu Umsatzzahlen und dergleichen. Sieht aus, als müsste ich da etwas tiefer graben. Das könnte etwas dauern.«

»Kein Problem, ich widme mich dann mal meinem Kaffee«, sagte ich und lehnte mich zurück.

Concita fing an fieberhaft zu arbeiten. Ich hatte nicht oft Gelegenheit, ihr dabei zuzusehen, wie sie Informationen sammelte, kombinierte und dabei Ergebnisse erhielt. Alles, was Geld, Unternehmen und Konten anging, war ihr Spezialgebiet. Und darauf verstand sie sich wie sonst niemand, den ich kannte.

Sie brauchte eine halbe Stunde, dann hatte sie bereits einiges zutage gefördert.

»Interessant«, murmelte sie und wandte sich dann mir zu. » Western Consolidated hat laut Auskunft der Steuerbehörde nur zwölf Mitarbeiter. Dafür machen sie aber enorm viel Umsatz. Wobei mir immer noch nicht klar ist, wofür sie so viel Geld bekommen. Möglicherweise ist der Laden nur da, um Geld zu waschen.«

»Zwölf Mitarbeiter?«, überlegte ich laut. »Dafür war das Gebäude recht groß.«

»Und es fließt enorm viel Geld«, fuhr sie fort. »Weit mehr, als bei einem Unternehmen dieser Größe in der Branche üblich ist. Das stinkt. Da ist irgendetwas faul. Und ich werde herausfinden, was es ist!«

In dem Augenblick kam sie mir wie ein Terrier vor, der sich an einem Stück Fleisch festgebissen hatte und nicht bereit war, es wieder loszulassen.

»Wenn ich dabei hilfreich sein kann, bin ich mit dabei«, sagte ich. »Wobei das nicht gerade mein Spezialgebiet ist.«

Sie lächelte. »Kein Problem, ich arbeite erst einmal allein weiter. Wir können morgen früh telefonieren. Bis dahin habe ich sicher ein Konzept und weiß, wie es weitergeht.«

Ich nickte. »In Ordnung, machen wir es so. Sofern Mr High keinen dringenden Auftrag hat, stehe ich gerne zur Verfügung. Was auch immer die Leute in diesem Unternehmen zu verbergen haben, sie haben mein Interesse geweckt.«

»Gut, dann bis morgen früh«, sagte sie.

Ich verabschiedete mich, verließ ihr Büro, ging aus dem Gebäude und stieg in meinen Jaguar.

***

Ich wurde eine halbe Minute vor dem Klingeln des Weckers wach und fühlte mich gut. Die Sonne schien durch einen Spalt des Vorhangs ins Zimmer hinein. Irgendwie hatte ich ein Gefühl, dass es ein guter Tag werden würde.

Ich machte mich im Bad frisch, duschte und ging dann im Bademantel in die Küche, um Frühstück zu machen.

Nach dem Essen zog ich mich an, steckte meine Waffe ein und verließ das Apartment.

Ich war noch nicht ganz bei meinem Wagen angekommen, als mein Handy klingelte. Es war Concita.

»Guten Morgen«, grüßte ich sie. »Und? Wie sieht es aus? Haben Sie ein Konzept für das weitere Vorgehen?«

»Das hatte ich«, sagte sie mit ernster Stimme. »Es ist allerdings hinfällig geworden. Ich habe gerade erfahren, dass sich Don Davis umgebracht hat. Selbstmord.«

»Wie bitte?«, stieß ich überrascht aus. »Wow, das hätte ich nicht erwartet, dass sich jemand wegen einer Finanzprüfung umbringt. Kommt das oft vor?«

»Extrem selten«, antwortete sie. »Gestern kam er mir nicht wie jemand vor, der sich das Leben nehmen würde. Merkt man das den Leuten an, die so etwas tun? Gibt es irgendwelche Merkmale, die darauf hinweisen?«

»In der Regel sind solche Menschen natürlich unglücklich«, antwortete ich. »Es gehört aber schon eine Menge dazu, diesen Schritt zu wagen, eine Menge Verzweiflung. Ganz ehrlich, ich hatte das nicht erwartet. Ist natürlich auch eine Methode, sich aus der Affäre zu ziehen. So übernimmt man absolut keine Verantwortung für das, was man getan hat. Wobei …«

»Was?«

»War es wirklich Selbstmord? Ist das schon überprüft worden?«

»Keine Ahnung«, antwortete sie. »Das ist das, was ich gehört habe. Details kenne ich keine.«

»Dann sollten wir uns die Sache besser ansehen«, sagte ich. »Wir hatten ja bereits vermutet, dass irgendetwas nicht stimmt. Vielleicht steckt mehr dahinter, als wir vermutet hatten.«

»Vielleicht war auch der Unfall von Agent Walker gar kein Unfall«, sagte sie. »Und ich hatte recht, was mein unangenehmes Gefühl anging. Ich werde zum Haus von Davis fahren und mit dem zuständigen Detective reden. Sicher kann er mehr zu den Umständen seines Todes sagen.«

»Ja, gute Idee«, sagte ich nachdenklich. »Wobei … vielleicht wäre es sinnvoll, wenn wir uns der Sache annehmen würden. Vom FBI aus, meine ich. Immerhin wurde ein Bundesagent verletzt, fast getötet. Nein, keine Frage, ich werde das mit Mr High aufgreifen. Vielleicht übergibt er uns den Fall.«

»Da hätte ich absolut nichts dagegen«, sagte Mendez. »Ganz im Gegenteil, ich würde mich dabei sehr viel wohler fühlen.«

»Gut, dann machen wir es so«, sagte ich. »Ich fahre in der Zentrale vorbei, kläre das ab und melde mich wieder.«

»In Ordnung, bis später«, sagte sie und beendete das Gespräch.

Ich ging weiter zum Jaguar, stieg ein und fuhr los.

Irgendetwas war an der ganzen Sache faul. Ich nahm mir vor herauszufinden, was es war.

***

»Interessant«, sagte Mr High, nachdem ich ihm geschildert hatte, was geschehen war. »Und beunruhigend. Und ja, ich denke, wir sollten uns der Sache annehmen. Normalerweise könnten das ein paar Agents vom Field Office Washington übernehmen, aber da Sie beide sowieso schon in die Angelegenheit involviert sind, können Sie das übernehmen. Ich regele das mit den Zuständigkeiten. Da das Field Office hier in Washington mit den Vorbereitungen der Sicherheitsmaßnahmen einer internationalen Konferenz ohnehin viel zu tun hat, wird es sicher keinen Protest geben, wenn wir ihnen ein wenig Arbeit abnehmen.«

»Gute Entscheidung, Sir«, sagte Phil, der neben mir saß.

Er war froh, wieder etwas zu tun zu bekommen, das seiner eigentlichen Aufgabe beim FBI entsprach, statt sich mit Bedienungsanleitungen und Handbüchern herumzuschlagen.

»Erstatten Sie mir in Kürze Bericht, insbesondere, wenn sich die Hinweise verdichten, dass in dem Unternehmen etwas nicht mit rechten Dingen zugeht und Sie wissen, worum es sich dabei handelt. Auch wenn ich Ihrer Meinung bin, dass dort etwas faul ist, haben wir bisher keinen konkreten Hinweis darauf, was hinter diesen verdächtigen Geschehnissen steckt.«

»Das werden wir, Sir«, versprach ich.

Wir verabschiedeten uns. Nachdem wir Mr Highs Büro verlassen hatten, gingen wir noch kurz in unseren Büros vorbei und machten uns dann auf den Weg nach Hagerstown, wo Davis gewohnt hatte.

***

Während der Fahrt ging Phil die Informationen durch, die Concita Mendez und ich zusammengetragen hatten.

»Verdächtig, äußerst verdächtig«, sagte er. »Kein Wunder, dass Walker den Auftrag hatte, sich dort umzusehen. Würde mich nicht wundern, wenn ihn jemand beseitigt hätte, damit genau das nicht geschieht.«

Ich nickte. »Das war auch mein erster Gedanke. Allerdings hätten sie wissen müssen, dass Ersatz geschickt wird und ein solcher Unfall eine Untersuchung nach sich zieht. So betrachtet scheint es mir keine gute Lösung gewesen zu sein, Walker aus dem Verkehr zu ziehen, wenn jemand von Western Consolidated dahintergesteckt hat.«

»Verbrecher begehen manchmal reichlich unlogische Taten«, meinte Phil. »Vielleicht ist das auch hier der Fall. Die dachten sich: Hey, lasst uns den FBI-Agent überfahren, dann lassen die uns in Ruhe. Klar, falsch gedacht, aber so was passiert. Oder sie haben versucht, Walker zu bestechen, er ist nicht darauf eingegangen, also haben sie ihn beseitigt, weil sie hofften, bei seinem Nachfolger mehr Glück zu haben.«

»Möglich«, sagte ich. »Noch wissen wir viel zu wenig, um das konkret sagen zu können. Und genau das stört mich. Aber wie auch immer, bald werden wir mehr wissen und Licht in die Sache bringen.«

»Wie macht sich Concita, kommt sie damit klar, dass Walker möglicherweise absichtlich angefahren wurde?«, fragte Phil.

Ich lächelte. »Sie ist hart im Nehmen. Und ich glaube nicht, dass sie davon ausgeht, ihr würde etwas Ähnliches passieren.«

Phil schaute mit einem Mal besorgt drein. »Das könnte es aber. Wir haben keine Ahnung, was genau in dem Laden los ist. Entsprechend sollten wir besser auf sie achten. Ich würde es mir nicht verzeihen, wenn sie in den Fokus von wem auch immer gerät und ihr etwas zustoßen würde.«

»Geht mir genauso«, sagte ich. »Ruf sie an, ob sie noch beim Haus von Davis ist. Dort sollten einige Cops sein, sodass sie sich also in Sicherheit befindet.«

Phil nahm sein Handy aus der Tasche. Es handelte sich noch um das alte Modell. Ein paar Sekunden später hatte er Concita in der Leitung.

»Hallo, Phil hier, ich bin mit Jerry unterwegs. Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«, fragte er.

»Klar, natürlich, warum?«, hörte ich ihre Stimme über die Freisprecheinrichtung. »Machen Sie sich etwa Sorgen?«

»Na ja, sagen wir mal so, wir möchten nur sicherstellen, dass ein wichtiges Mitglied unseres Scientific Research Team in Sicherheit ist«, antwortete Phil.

»Sie sind echt süß«, erwiderte sie. »Aber ja, bei mir ist alles in Ordnung. Viel mehr als bei Mr Davis. Ich bin gerade vor seinem Haus. Die Kollegen von der lokalen Polizei sind nicht unbedingt kooperativ, aber ich denke, das ist etwas, das Sie handhaben können, nicht wahr?«

»Da wirken unsere Dienstmarken Wunder«, sagte Phil. »Bis gleich.«

»Ja, bis gleich«, erwiderte sie und beendete das Gespräch.

»Also geht es ihr gut«, sagte Phil und steckte sein Handy weg.

***

Wir erreichten unser Ziel aufgrund eines kleinen Staus später als geplant. Den Jaguar stellte ich direkt hinter Concitas Wagen.

»Unverkennbar, das Dreamteam im roten Jaguar«, sagte sie zu uns, als wir ausstiegen.

»Und der Albtraum der bösen Buben«, erwiderte Phil lächelnd.

Nach einer kurzen Begrüßung gingen wir zu dem Haus, in dem Don Davis seinen letzten Atemzug getan hatte.

An der Absperrung stellte sich uns ein Officer in den Weg.

»Hier geht es nicht weiter«, sagte er abweisend.

Ich holte meinen Dienstausweis hervor und hielt ihn ihm vor die Nase. »FBI. Wir würden gern mit dem ermittelnden Detective reden.«

»Der ist im Haus«, sagte der Officer und gab den Weg frei.

»Gar keine Presse hier, ungewöhnlich, nicht wahr?«, meinte Phil zu ihm.

»Die steht eben mehr auf Mord und Blut als auf einen ruhigen Selbstmord«, kam die Antwort.

Phil nickte. »Ja, denke ich auch.«

Wir betraten das Haus durch den vorderen Eingang und standen kurz darauf im Flur. Ein Mann, bei dem es sich meiner Einschätzung nach um den Detective handelte, schaute auf und kam auf uns zu.

»Hallo, ich bin Detective Bueller, wer hat Sie durch die Absperrung gelassen?«, fragte er wenig erfreut.

»Einer Ihrer Kollegen, dem ich das hier gezeigt habe«, sagte ich und hielt zum zweiten Mal meine Dienstmarke hoch.

Er griff zu, schnappte sie sich und warf einen Blick darauf. »FBI? Und dann noch ein Inspektor aus Washington? Was für ein Interesse haben Sie an einem Selbstmord?«

»Zwei Inspektoren, um genau zu sein«, erwiderte ich und deutete auf Phil. »Phil Decker. Und das ist Concita Mendez, die dabei war, die Finanzen von Western Consolidated zu überprüfen, dem Unternehmen, dessen Geschäftsführer Don Davis war.«

»Na gut, zwei Inspektoren, soll mir recht sein«, sagte der Detective und gab mir meine Marke zurück. »Und? Soll das heißen, wir sollen die Leiche noch nicht herunterholen?«

»Besser nicht«, antwortete ich. »Ist Ihre Crime Scene Unit schon mit der Arbeit fertig?«

»Bis jetzt habe ich keine angefordert«, sagte er. »Hatte schon genug damit zu tun, mit der Witwe zu reden. Die Frau ist völlig durch den Wind. Kann man ja verstehen. Sie kommt von der Arbeit nach Hause und findet ihren Mann im Wohnzimmer von der Decke baumeln.«

»Da stimme ich Ihnen zu«, sagte ich. »Wenn es Selbstmord war. Gibt es irgendwelche Hinweise auf Fremdeinwirkung?«

Der Detective schüttelte den Kopf. »Mir ist nichts aufgefallen. Es gibt keine Anzeichen für gewaltsames Eindringen, Haustür und die hinteren Türen waren geschlossen, als die Frau ankam, keine Kampfspuren, nichts.«

»Also war es entweder Selbstmord oder wir haben es mit einem Profi zu tun, der weiß, wie man einen Selbstmord inszeniert«, bemerkte Phil.

»Das werden unsere Leute schon herausfinden«, sagte ich. »Ruf Gerold an, er soll sich mit FGF und wen er sonst noch brauchen sollte auf den Weg hierhin machen. Ich will, dass die Leiche genau untersucht wird und auch das Haus. Wenn Davis ermordet wurde, werden sie das herausfinden. Und wenn nicht, dann wissen wir mit Sicherheit, dass das nicht der Fall war.«

Phil nickte, nahm sein Handy heraus und rief Dr. Willson an, um das zu organisieren.

»Soll das etwa heißen, Sie übernehmen den Fall, einfach so?«, wandte Detective Bueller ein.

Ich schaute ihn an. »Nach dem, was Sie gesagt haben, gibt es hier doch keinen Fall, oder? Aber wie auch immer, ja, wir übernehmen jetzt. Vielleicht haben Sie ja recht und es ist einfach der Selbstmord eines gestressten Managers. Dann werden wir Sie informieren und Sie können die Angelegenheit zu den Akten legen.«

Der Detective war darüber augenscheinlich nicht begeistert, wusste aber wohl nicht, was er einwenden sollte. »Okay, äh, ja, gut, aber ich bleibe erst einmal vor Ort und schaue, was Ihre Leute hier machen.«

»Kein Problem«, sagte ich. »Wir arbeiten gern mit den lokalen Polizeikräften zusammen. Das ist gewöhnlich von Vorteil, da die sich in ihren Gebieten gut auskennen.«

»Okay, so machen wir es also«, sagte der Detective.

Ich schaute auf die Uhr. »Bis das Scientific Research Team aus Quantico hier ist, kann es einige Zeit dauern. Wir sollten die Zeit nutzen, um mit Mrs Davis zu reden. Vielleicht kann sie uns etwas sagen, das für den Fall von Interesse ist.«

Phil kam zurück und nickte. »Alles klar, sie machen sich auf den Weg.«

»Gut«, sagte ich.

»Im Wohnzimmer, wo die Leiche ist, befindet sich niemand?«, fragte Phil den Detective.

»Nein, niemand«, antwortete der.

Wir warfen einen Blick hinein und sahen den Leichnam von Don Davis an der Decke hängen, an einem Haken, der sich wahrscheinlich schon länger dort befunden hatte. Unter ihm befand sich ein umgestürzter Stuhl. Auf dem hatte er wahrscheinlich gestanden, bis er selbst oder jemand anders ihn umgeworfen hatte. Sonst sah das Wohnzimmer ordentlich aus. Der Detective hatte recht, es gab keine Anzeichen eines Kampfes.

»Wir machen die Tür besser zu, damit Mrs Davis nicht aus Versehen hineinschaut und ihren Mann noch einmal so sieht«, sagte ich und schloss die Tür. »Bringen Sie uns zu ihr?«

***

Der Detective nickte und führte Phil und mich zu einem Nebenraum, in dem sich eine am Boden zerstörte Frau mit einer Betreuerin der Polizei befand. Concita zog es vor, vor dem Haus auf uns zu warten.

Mrs Davis war Anfang dreißig, aber im Moment sah sie um Jahre älter aus. Ihre mittellangen, blonden Haare sahen zerzaust aus, ihr Gesicht war von Trauer gezeichnet.

»Mrs Davis, guten Tag«, sagte ich. »Das ist mein Kollege Phil Decker, ich bin Jerry Cotton. Wir sind vom FBI Washington. Zuerst möchten wir Ihnen unser Beileid für das, was geschehen ist, aussprechen.«

Sie schaute mich nur flüchtig an, nickte und sagte mit schwacher Stimme: »Danke.«

Ich nahm neben ihr Platz, Phil etwas weiter weg.

»Ich kann verstehen, dass Sie von dem, was passiert ist, mitgenommen sind und wahrscheinlich mit niemandem reden wollen«, sagte ich. »Dennoch möchte ich Sie bitten, uns zu erzählen, was heute früh passiert ist, als Sie das Haus betreten haben.«

Sie nickte, schluckte und fing dann nach einer kurzen Pause mit schwacher Stimme an zu reden. »Ich bin ganz normal von der Arbeit nach Hause gekommen, heute Morgen, habe meine Sachen abgelegt, und dann, als ich die Treppe hochgehen wollte … habe … habe ich ihn dort hängen sehen.«

Ihre Augen wurden feucht, Tränen liefen ihre Wangen herunter.

Sie holte tief Luft und fuhr fort. »Ich habe geschrien, wusste erst nicht, was ich tun sollte, bin zu ihm gelaufen, habe ihn angesehen, seinen Puls gefühlt, aber da war nichts. Sein Herz schlug nicht mehr. Es war kein Leben mehr in ihm. Er war tot!«

Wieder hielt sie einen Moment lang inne. »Dann habe ich die Polizei angerufen, weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, und in der Küche gewartet. Zwei Beamte kamen dann ein paar Minuten später, klingelten an der Tür und … ich habe mich nicht getraut, noch einmal ins Wohnzimmer zu gehen. Ich wollte nicht sehen, wie er dort …«

Sie verstummte. Wieder rannen Tränen ihr Gesicht hinunter. Sie nahm ein Taschentuch und wischte sie ab, aber es kamen immer mehr. In ihren Augen konnte ich Verzweiflung sehen, Trauer und Zukunftsangst. Ihr Mann war ihr genommen worden. Und egal, was die Hintergründe waren, er war tot, das war Fakt.

»Hat Ihr Mann in der letzten Zeit Probleme gehabt?«, fragte ich.

Sie senkte ihren Blick und schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht, zumindest nicht mehr als sonst. Er war oft in der Firma, hat viel gearbeitet, das hat ihn natürlich beschäftigt, aber darüber hat er mir nichts erzählt. Er meinte, dass es besser wäre, Beruf und Privatleben zu trennen, und er wollte nicht, dass ich mit dem, was er bei der Arbeit erlebte, belastet werde.«

»Es war also eine Last für ihn, die Arbeit meine ich?«

»Sicher, irgendwie schon, aber wie gesagt, ich kenne keine Details«, antwortete sie.

»Haben Sie irgendwelche von seinen Arbeitskollegen kennengelernt?«, fragte ich.

Wieder schüttelte sie den Kopf. »Nein, keinen. Es kam niemand zu Besuch hierher. Auch gab es keine Partys oder so.«

»Und wie lief es in Ihrer Beziehung? War alles in Ordnung?«

»Ja, schon«, antwortete sie. »Zumindest dachte ich das. Aber jetzt … Wenn er Probleme hatte, warum hat er mir nichts davon erzählt? Ich bin doch seine Frau, er hätte mir alles erzählen können und sollen. Dann wäre das vielleicht nicht passiert und er wäre noch am Leben.«

»Vielleicht haben Sie recht«, sagte ich.

Mir fiel nichts ein, was ich ihr sagen könnte, damit es ihr besser ging. Ihr gegenüber den Verdacht auszusprechen, dass ihr Mann ermordet wurde, würde ihr auch nicht helfen. Ebenso wenig die Tatsache, dass ich ihn noch am Tag zuvor im Rahmen einer Prüfung zusammen mit Concita gesehen hatte.

»Aber warum beschäftigt sich das FBI mit einem Selbstmord?«, fragte sie mich plötzlich.

Ich wollte sie in ihrem fragilen Zustand nicht noch weiter verunsichern und antwortete ausweichend. »Das FBI hat ein weites Spektrum an Aufgaben. Dazu gehört manchmal auch, solche Fälle zu untersuchen. Falls Ihnen noch irgend etwas einfallen sollte, was mit dem Tod Ihres Mannes zu tun haben könnte, wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie sich vertrauensvoll an uns wenden würden.«

Ich legte meine Visitenkarte auf den Tisch neben ihr und stand auf. Wir verabschiedeten uns und verließen das Zimmer.

Phil verzog das Gesicht. »Das hat sie wirklich ganz schön mitgenommen. Ich glaube nicht, dass sie irgendeine Ahnung hat, warum ihrem Mann so etwas zugestoßen ist.«

»Denke ich auch«, stimmte ich ihm zu. »Sein Job bei Western Consolidated , das ist es, was wir weiter durchleuchten sollten. Dort werden wir bestimmt ein paar Antworten finden.«

»Hoffentlich«, sagte Phil. »Ich meine, klar, werden wir, es kann nur sein, dass wir tief graben müssen. Wenn es sich so verhält, wie wir vermuten, gibt sich jemand enorm viel Mühe, etwas zu verschleiern. Wahrscheinlich geht es um richtig viel Geld bei der Sache.«

Ich nickte. »Sicher, wenn jemand bereit ist, über Leichen zu gehen, dann ist bestimmt viel Geld im Spiel. Oder enorme Machtinteressen. Könnte es sein, dass irgendeine Behörde dahintersteckt? Irgendein Geheimdienst?«

Phil zuckte die Schultern. »Möglich. Aber hätten wir dann nicht schon Gegenwind bekommen? Ich meine, wenn die CIA, die NSA oder wer auch immer etwas zu verbergen hätte, würden sie dann nicht versuchen, unsere Untersuchungen zu behindern oder besser noch zu beenden? Bis jetzt gab es keine derartige Anstrengung.«

»Bis jetzt«, wiederholte ich. »Das muss nicht bedeuten, dass es weiterhin so bleibt.«

Draußen vor dem Haus trafen wir Concita.

»Was war mit Mrs Davis? Hat sie etwas gesagt, das uns weiterhilft?«, fragte sie.

»Nein, nicht wirklich, sie hat keine Ahnung, warum ihr Mann Selbstmord begehen würde«, antwortete ich. »Und was Western Consolidated betrifft, da hat er nie viel drüber erzählt.«

»Etwas mehr hätte ich mir schon davon versprochen«, sagte sie. »Aber so ist das wohl bei Ermittlungen, es dauert manchmal, bis man etwas erfährt, das einen weiterbringt.«

Wir schauten uns in der Umgebung des Hauses um, sprachen mit ein paar Nachbarn, konnten aber nichts Relevantes in Erfahrung bringen. Don und Mary Davis hatten, so zumindest schien es, bis zum vorangegangenen Tage eine vorbildliche Ehe geführt.

Als Willson zusammen mit Fortesque und weiteren Mitarbeitern erschien, begrüßten wir sie. Die beiden Erstgenannten informierten wir in einem geschlossenen Raum, damit niemand mithören konnte.

»Interessant«, sagte Willson anschließend. »Die erste Frage, die wir beantworten sollen, lautet also: War es Selbstmord oder hat jemand nachgeholfen?«

»So ist es«, bestätigte Phil. »Wenn es ein paar Spuren geben würde, die uns Namen und Adresse des Täters, so es denn einen gibt, nennen würden, wären wir auch nicht böse.«

Fortesque seufzte. »Ich hatte mal einen Traum, der ein ähnliches Thema hatte, in der Realität sind wir aber noch nicht so weit, dass die Anschrift oder der Name in der DNA inhärent ist.«

»Welch gewählte Ausdrucksweise«, kommentierte Willson. »Ergebnisse wäre mir lieber als geschliffene Worte, FGF.«

»Wem nicht«, konterte der. »Also gut, machen wir uns an die Arbeit. Dafür sind wir ja hier.«

Die beiden verließen den Raum.

»So weit, so gut«, sagte Phil. »Und was machen wir jetzt? Statten wir diesem ominösen Unternehmen einen Besuch ab? Ich würde mich da zu gern umsehen und einigen Leuten Fragen stellen.«

»Dein Wunsch ist mir Befehl«, sagte ich. »Besonders den Sicherheitschef sollten wir uns vornehmen.«

***

Wie schon am Tag zuvor saß an der Rezeption des Unternehmens die stabile Afroamerikanerin. Im Gegensatz zum letzten Besuch schien sie aber ziemlich nervös zu sein. Ich führte das darauf zurück, dass sie vom Tod des Geschäftsführers gehört hatte.

»Guten Morgen, FBI«, sagte ich und wollte gerade weiterreden, als sie mir ins Wort fiel.

»Ich weiß«, sagte sie. »Und ich weiß auch, warum Sie hier sind. Ist das nicht schrecklich? Wieso tut jemand denn so etwas? Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Er hatte doch einen guten Job, war verheiratet, ich verstehe das einfach nicht.«

»Ja, Sie haben recht, das ist nicht leicht nachzuvollziehen«, sagte ich. »Wie haben Sie davon erfahren?«

»Eine Nachbarin von Mr Davis ist die Kusine meiner Tante«, antwortete sie. »So etwas spricht sich natürlich schnell herum.«

»Also haben Sie es über Telefon erfahren und hier im Unternehmen weitererzählt?«, hakte Phil nach.

Sie nickte. »Na klar, die Mitarbeiter haben ein Recht, davon zu erfahren. Stellen Sie sich vor, was wäre, wenn sie es nicht wüssten. Sie würden einfach ihrer Arbeit nachgehen, Scherze machen, sich nichts dabei denken, während Mr Davis tot ist. Das wäre doch pietätlos.«

Phil schaute sie fragend an. »Wie lange arbeiten Sie schon hier, Miss …«

»Mrs Dana Snoof«, erwiderte sie. »Seit etwa einem halben Jahr.«

»Hatte Mr Davis irgendwelche Schwierigkeiten, von denen Sie wissen?«, fragte Phil, ohne weiter auf ihre Worte einzugehen.

Sie dachte kurz nach und schüttelte dann den Kopf. »Schwierigkeiten? Nein, eigentlich nicht. Wieso auch? Mr Davis war immer nett, ein richtig fescher Mann. Ja, ja, was für eine Verschwendung.«

Phil trat etwas näher an die Rezeption heran und beugte sich zu ihr. »Sie scheinen sich hier gut auszukennen. Wissen Sie, ob Davis mit jemandem aus der Belegschaft Probleme hatte? Oder sogar Streit? Irgendetwas in dieser Art?«

»Nein, tut mir leid, keine Ahnung, wüsste ich nicht«, sagte sie. »Er war eigentlich beliebt.«

»Danke«, sagte Phil. »Dann würden wir gern mit Mr Boyd sprechen, dem Sicherheitschef.«

»Kein Problem.« Sie nickte und informierte ihn.

Kurz darauf erschien Boyd im Eingangsbereich und kam mit schnellen Schritten auf uns zu. Er wirkte ein wenig hektisch.

»Hallo, ich hatte mir schon gedacht, dass Sie wieder vorbeikommen«, sagte er. »Wobei das im Moment kein guter Zeitpunkt für eine Buchprüfung ist. Sie müssen wissen, der Geschäftsführer, Mr Davis, ist heute früh verstorben und das ist natürlich ein heftiger Schlag für das Unternehmen.«

»Das wissen wir bereits«, sagte Phil und zeigte ihm seine Dienstmarke. »Und ich bin sicher kein Buchprüfer. Können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten?«

»Ja, ja, natürlich, kommen Sie mit, wir können in mein Büro gehen.«

Er ging vor, wir folgten ihm.

Genau wie am Vortag waren nicht viele Mitarbeiter zu sehen. Nur einer, der die Tür seines Büros nicht verschlossen hatte, saß an seinem Schreibtisch und wirkte nachdenklich. Sonst sahen wir niemanden.

»Bitte, hier herein«, sagte Boyd und öffnete die Tür zu seinem Büro.

Es war nicht so groß wie das von Davis, aber für einen Sicherheitschef doch nicht schlecht.

»Sie haben hier viel Platz«, bemerkte ich.

»Ja, wir haben vor, weiter zu expandieren, daher das Gebäude, das eigentlich etwas zu groß für uns ist«, sagte er. »Ist aber relativ günstig. Nun ja, äh, nehmen Sie doch Platz!«

Sein Büro war nicht wirklich für Besuch eingerichtet. Es gab nur ein paar Klappstühle, keine Bürostühle oder gar Sessel.

Wir setzten uns, er ebenfalls.

»Also, ja, ich habe bereits gehört, was mit Mr Davis geschehen ist, jeder in der Firma weiß es inzwischen. Schlimme Sache. Ich weiß im Moment noch gar nicht, was das bedeutet und wie es jetzt weitergehen soll«, sagte Boyd und klang bestürzt.

»Ja, das kam sicher überraschend«, sagte ich. »Kannten Sie ihn gut? Davis meine ich.«

»Es geht«, antwortete er. »Wahrscheinlich nicht gut genug, sonst hätte ich die Tragödie kommen sehen und vielleicht sogar abwenden können. Wir hatten eigentlich nur geschäftlich miteinander zu tun, nicht privat. Als Geschäftsführer war er absolut kompetent, eine Führungspersönlichkeit, würde ich sagen.«

»Sie haben also nicht kommen sehen, dass er sich das Leben nimmt?«, hakte ich nach. »Er hat nichts dergleichen erwähnt, erweckte gestern keinen apathischen Eindruck, sagte nicht, dass er des Lebens überdrüssig sei oder etwas dergleichen?«

Boyd schüttelte den Kopf. »Nein, nichts dergleichen. Deshalb war ich auch so überrascht, als ich von dem Vorfall hörte. Vielleicht ist gestern etwas vorgefallen, ich meine, nachdem ich ihn am Nachmittag das letzte Mal gesehen hatte.«

»Wann war das?«, fragte Phil.

»Gegen drei, würde ich sagen«, antwortete Boyd.

»Gestern wurde mit der bereits vor einigen Tagen angekündigten Buchprüfung begonnen«, sagte ich. »Mrs Mendez konnte ihre Arbeit nicht fortsetzen, weil der Server ausgefallen war. Ein merkwürdiger Zufall. Und am Abend nimmt sich der Geschäftsführer das Leben. Hört sich für mich an, als würde da ein Zusammenhang bestehen.«

»Meinen Sie?«, kam von Boyd eine Gegenfrage.

»Ja, meinen wir«, konterte Phil. »Dem Anschein nach hat jemand dafür gesorgt, dass der Server nicht funktioniert. Und was Davis angeht: Was, wenn es kein Selbstmord war? Wenn jemand nachgeholfen hat?«

»Kein Selbstmord?«, brachte Boyd überrascht hervor. »Meinen Sie etwa, dass er … ermordet wurde? Aber Mrs Snoof meinte doch, er hätte sich selbst umgebracht. Zumindest hat das wohl eine Nachbarin erzählt.«

Ich räusperte mich. »Die Untersuchungen laufen noch. Genaues können wir also zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Wir ermitteln in alle Richtungen, das ist in einer solchen Situation nicht unüblich. Spart Zeit. Nun gut, Sie hatten also nur geschäftlich mit Mr Davis zu tun. Gab es da irgendwelche Probleme? Streitigkeiten? Konkurrenten? Irgendjemanden, dem man einen Mord zutrauen könnte?«

»Nun, an so etwas hatte ich bisher nicht gedacht«, sagte Boyd. »Und eigentlich, hm, nein, nicht wirklich. Ganz ehrlich, mir fällt keiner ein. Das müsste ja schon ein heftiger Streit gewesen sein, wenn jemand darauf mit einem Mord reagieren würde, nicht wahr?«

»So wie ich das sehe, war es, wenn es denn wirklich ein Mord war, keine Tat, die aus Leidenschaft begangen wurde«, sagte ich und musterte ihn genau. »Es war gut geplant, professionell durchgeführt. Da hat sich jemand, der sich mit so etwas auskennt, große Mühe gegeben.«

Boyd holte tief Luft. »Glauben Sie, dass es etwas mit Western Consolidated zu tun hatte, wenn es denn so war? Muss ich mir um die Belegschaft oder das Unternehmen Sorgen machen?«

»Ich an Ihrer Stelle würde mir schon Sorgen machen«, sagte Phil und bedachte Boyd mit argwöhnischem Blick.

»Dann werde ich mir überlegen, was ich tun kann, um unsere Leute zu schützen«, sagte er.

Ich musterte ihn genau. Er war Soldat gewesen, hatte gelernt, wie man Menschen tötet. Ob er hinter der Sache mit Davis steckte? Wenn ja, verstand er es, sich zu verstellen.

»Gestern, nach drei, also nachdem Sie Davis das letzte Mal gesehen haben, was haben Sie da gemacht?«, fragte ich.

»Bis vier oder halb fünf war ich hier, in der Firma«, antwortete er. »Dann bin ich losgefahren, erst zum Essen, dann nach Hause.«

»Und Sie waren bis heute früh zu Hause?«, fragte ich weiter.

Er nickte. »Ja, ah, nein, ich war noch kurz raus, einkaufen. Aber sonst war ich die ganze Zeit zu Hause.«

»Dafür haben Sie nicht zufällig Zeugen?«, fragte Phil.

»Nein, habe ich nicht«, antwortete er und nahm eine ablehnende Haltung ein. »Wieso fragen Sie? Wollen Sie damit etwas andeuten?«

Ich winkte ab. »Nein, nein, das sind nur Routinefragen, weiter nichts. Gibt es sonst etwas, das Sie uns sagen sollten?«

Boyd schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke nicht.«

»Tja, dann wäre das im Moment wohl alles«, sagte ich und erhob mich. »Falls wir später noch Fragen haben, finden wir Sie sicher hier im Gebäude, nicht wahr? Sie haben ja nicht vor, in den nächsten Tagen in Urlaub zu gehen, eine Geschäftsreise anzutreten oder etwas in der Art?«

»Nein, ich werde hier sein«, antwortete er.

»Gut, dann werden wir als Nächstes mit Miss Leaf reden, Mr Davis’ Sekretärin«, sagte ich. »Wissen Sie, wo sie ist?«

»Wahrscheinlich an ihrem Platz«, kam die Antwort.

»Na dann, schönen Tag noch«, sagte ich und verließ zusammen mit Phil das Büro.

Als wir außer Hörweite waren, sprach Phil mich leise an. »Was meinst du? Könnte er derjenige gewesen sein, der Davis erledigt hat? Ich meine, wenn es kein Selbstmord war.«

Ich nickte. »Zutrauen würde ich es ihm auf jeden Fall. Er ist aber nicht leicht zu durchschauen. Ein guter Schauspieler, zumindest schätze ich ihn so ein. Wenn Gerold und die anderen ihre Untersuchungen abgeschlossen haben, wissen wir hoffentlich mehr. Davon abgesehen könnte er auch mit dem angeblichen Unfall von Agent Walker zu tun haben.«

»Sie sollen sich die Handypositionsdaten der Mitarbeiter vornehmen«, meinte Phil. »Falls jemand zum Zeitpunkt des Todes in der Nähe von Davis’ Haus war, hätten wir vermutlich unseren Täter. Ich rufe Gerold nachher an.«

***

Wir trafen Miss Leaf an ihrem Schreibtisch an. Sie saß einfach da, starrte mit leerem Blick ins Nichts. Erst als wir näher kamen, bemerkte sie uns, zuckte kurz zusammen und versuchte dann, einigermaßen freundlich dreinzuschauen, was ihr aber misslang. Man sah, dass sie geweint hatte. Die Tränen hatten ihrem Make-up ziemlich zugesetzt. Wahrscheinlich hatte sie noch nicht in den Spiegel geschaut. Oder es war ihr egal.

»Guten Tag«, sagte ich, als wir vor ihr standen.

Sie räusperte sich. »Guten Tag. Mr Davis ist nicht da … aber das wissen Sie wahrscheinlich schon.«

Ich nickte. »Ja, das ist der Grund, aus dem wir hier sind. Wie haben Sie davon erfahren?«

»Von Mrs Snoof«, antwortete sie. »Ich habe es zuerst nicht glauben können, wollte es nicht wahrhaben. Es ist so schrecklich, einfach grausam.«

Sie versuchte krampfhaft ihre Tränen zurückzuhalten, es gelang ihr aber nicht. Nach Mrs Davis war sie die zweite Frau, die so emotional auf den Tod von Don Davis reagierte.

Ich ließ ihr einen Augenblick Zeit. Sie suchte ein Taschentuch und trocknete damit ihr Gesicht ab, was das Make-up noch mehr verschmierte.

»Ich muss schrecklich aussehen«, sagte sie und versuchte krampfhaft zu lächeln.

»Ist schon in Ordnung«, sagte ich. »Der Tod von Mr Davis geht Ihnen ziemlich nahe«, sagte ich.

Sie nickte.

»Entschuldigen Sie meine Direktheit, aber hatten Sie nur beruflich mit ihm zu tun oder gab es mehr?«

Ihr Gesicht färbte sich schlagartig rot und sah durch das teilweise vorhandene Make-up etwas fleckig aus. Sie schwieg zuerst, wusste wohl nicht, was sie darauf antworten sollte. Ich sagte auch nichts, wartete auf ihre Antwort, die schließlich kam.

»Wir … wir hatten ein Verhältnis«, flüsterte sie, fast so, als wäre jemand in der Nähe, der mithören könnte.

»Dann verstehe ich, warum Sie sein Tod so sehr getroffen hat«, sagte ich verständnisvoll. »Wann hat Ihre Beziehung angefangen?«

»Vor etwa drei Monaten«, antwortete sie. »Er war so ein netter Mann, so charmant, und … ich weiß nicht, es ist einfach passiert.«

»Wusste seine Frau davon?«, fragte ich weiter.

»Um Himmels willen, nein, sie hatte keine Ahnung«, sagte sie. »Wir haben uns nie gesehen. Ich kenne sie nur vom Telefon, wenn sie ihren Mann über seine Büronummer angerufen hat und ich sie zu ihm durchstellen musste.«

Ich nickte nachdenklich. »Und wie war Ihre Beziehung? Ich meine, hatte er vor, seine Frau zu verlassen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das wollte er nicht. Entsprechend hat er mir das auch nicht versprochen. Es war klar, dass er mit ihr verheiratet bleiben würde. Das mit uns war erst eine schöne Affäre, wir hatten beide Spaß, aber ich habe mich schließlich in ihn verliebt, was gleichzeitig schön und schrecklich war, da er ja auch seine Frau liebte und … und jetzt ist das sowieso egal, weil er nicht mehr da ist.«

Es gab einen weiteren Tränenschwall, der ihre Wangen herunterlief.

Als sie sich wieder gefangen hatte, fragte Phil: »Sie sind nicht etwa schwanger?«

Wieder schüttelte sie den Kopf. »Nein, wir haben aufgepasst, damit das nicht passiert. Zum Glück. Wie würde ich denn sonst dastehen?«

»Und Sie selbst haben keinen Freund, Ehemann oder Verehrer?«, hakte Phil weiter nach.

»Nein, ich bin ganz allein.«

Ich räusperte mich. »Wusste jemand hier im Unternehmen vielleicht von Ihrer Beziehung? Ich meine, wurden Sie mal in einer intimen Situation beobachtet oder hat jemand eine entsprechende Bemerkung gemacht?«

Sie holte tief Luft. »Soweit ich weiß, nicht. Wir waren sehr vorsichtig. Sie wissen ja, wie es ist, wenn so etwas herauskommt. Mitarbeiter reden gern und dann weiß es bald jeder, auch seine Frau. Und das wollten wir verhindern.«

»Klar«, sagte ich. »Ist Ihnen an Mr Davis in den letzten Tagen etwas aufgefallen? Ich meine, war er anders als sonst? Depressiv? In Gedanken versunken?«

Sie schaute auf. »Ja, er war tatsächlich etwas nervös. Ich hatte ihn darauf angesprochen, er wollte aber nichts sagen. Ich dachte erst, es hätte mit seiner Frau zu tun, später hatte ich dann die Idee, es würde mit der Buchprüfung zusammenhängen. Genau weiß ich es aber nicht. Als ich ihn darauf angesprochen hatte, leugnete er, dass irgendetwas los sei.«

»Hatte Mr Davis mit irgend jemandem hier im Unternehmen oder außerhalb Streit? Ist Ihnen etwas in dieser Art zu Ohren gekommen?«, wollte Phil wissen.

»Mit den meisten Mitarbeitern kam Don, äh, Mr Davis gut klar«, sagte sie. »Nur mit Mr Boyd … wie soll ich sagen, zwischen den beiden gab es ab und zu gewisse Spannungen. Sie haben sich nicht angeschrien, sind handgreiflich geworden oder so, aber ich hatte das Gefühl, dass sie in den letzten Tagen nicht gut miteinander zurechtgekommen sind.«

Das war alles, was sie uns an Informationen liefern konnte. Wir warfen noch einen Blick in das Büro des Verstorbenen, konnten aber nichts Auffälliges feststellen. Für seinen Computer hatten wir kein Passwort, Miss Leaf konnte uns auch nicht weiterhelfen.

»Wir sollten das Computernetz der Firma untersuchen lassen«, meinte Phil.

Ich nickte. »Grundsätzlich schon. Wobei ich mir vorstellen kann, dass der Täter, falls es einen gibt und er hier in der Firma sitzt, wahrscheinlich schon alles, was auf ihn hindeuten mag, vernichtet hat. Aber gut, vielleicht auch nicht. Mai-Lin soll sich der Sache mit ein paar Agents als Begleitschutz annehmen.«

Als wir wieder im Jaguar saßen, kontaktierte Phil Mai-Lin und schilderte ihr die Situation.

»Kein Problem, ich mache mich gleich auf den Weg«, sagte sie. »Gerold hatte mich bereits informiert, dass wir an einem Fall arbeiten und meine Unterstützung nötig sein könnte.«

»Na prima, dann wird es ja nicht lange dauern, bis Sie hier sind«, sagte Phil. »Aber wie gesagt, Sie sollten hier nicht allein arbeiten. Nehmen Sie zwei Agents mit, die auf Sie aufpassen. Vor allem vor dem Sicherheitschef, Mac Boyd, sollten Sie sich in Acht nehmen. Er war beim Militär und könnte mit der Sache zu tun haben.«

»Geht klar«, erwiderte sie.

»Bei der Gelegenheit könnten Sie auch prüfen, ob an der Sache mit dem angeblichen Serverproblem gestern was dran ist oder ob jemand das System manipuliert hat.«

»Ich werde mein Bestes tun«, hörte ich ihre Stimme noch einmal über die Freisprechanlage.

Dann beendeten wir das Gespräch.

»So weit, so gut«, sagte Phil. »Oder weniger gut. Und jetzt? Gehen wir was essen?«

»Können wir«, antwortete ich. »Und danach statten wir dem Vorgesetzten von Agent Walker einen Besuch ab.«

***

Von Hagerstown fuhren wir zusammen mit Concita zum rund achtzig Meilen entfernten Field Office Baltimore. Dort hatte Agent Tom Walker gearbeitet, bevor er seinen Unfall hatte.

Als wir den Lord Baltimore Drive erreicht hatten und das FBI-Gebäude in Sicht kam, suchte ich einen Parkplatz und stellte den Jaguar ab. Concita, die mit ihrem eigenen Auto gefahren war, parkte nicht weit entfernt.

Das Gebäude betraten wir zusammen. Zum Büro von Agent Tommy Jefferson, dem Vorgesetzten von Agent Walker, brachte uns jemand.

»Ah, da sind Sie ja«, sagte Agent Jefferson, als er uns sah, stand auf und begrüßte uns.

»Guten Tag, Agent Jefferson«, erwiderte ich die Begrüßung und stellte meine Begleiter und mich vor.

Sein Büro war nicht sehr groß, wirkte aber aufgeräumt. An den Wänden hingen signierte Fotos von Baseballspielern, er war wohl ein Fan. Auf dem Schreibtisch, neben dem Computer, stand eine kleine Fotogalerie, wahrscheinlich seine Familie.

»Schlimme Sache, das mit Agent Walker«, sagte Phil. »Wie geht es ihm denn?«

Agent Jeffersons Miene wurde düster. »Nicht gut. Die Ärzte sagen, dass er nicht mehr in Lebensgefahr schwebt und, sofern keine Komplikationen auftreten, durchkommen wird. Er hat aber einige komplizierte Brüche und wird sicher lange Zeit in der Reha bleiben müssen. Davon abgesehen ist er im Moment nicht bei Bewusstsein, noch nicht.«

»Können Sie uns Bescheid geben, wenn sich etwas ändert?«, wollte ich wissen.

Er nickte. »Natürlich, Inspektor, keine Frage. Nun, Sie hatten am Telefon gesagt, dass Sie sich über Agent Walker und seine Arbeit informieren wollten. Dabei bin ich Ihnen natürlich gerne behilflich. Worum genau geht es dabei? Es ist allgemein nicht üblich, dass sich jemand aus Washington mit Dingen beschäftigt, die einen Agent unseres Field Office betreffen, besonders wenn es nur um einen Unfall geht. Oder wissen Sie vielleicht mehr als ich?«

»Es gibt einige Verdachtsmomente, die uns dazu bewogen haben, den Unfall genauer in Augenschein zu nehmen«, sagte ich und informierte ihn grob über das, was wir über Western Consolidated und den Tod von Don Davis wussten.

Er schaute nachdenklich drein. »Das ist in der Tat verdächtig. Und jetzt verstehe ich Ihr Interesse am Unfall von Agent Walker. Auch ich habe mir Gedanken darüber gemacht. Es kommt zwar schon mal vor, dass ein Agent einen Unfall hat, aber ich war bei dieser Sache skeptisch. Schon allein die Tatsache, dass der Autofahrer, der ihn angefahren hat, Fahrerflucht begangen hat. Mit dem, was Sie mir erzählt haben, scheint es mir nun fast sicher, dass es kein Unfall war.«