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Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.
Fünf actiongeladene Fälle und über 300 Seiten Spannung zum Sparpreis!
G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!
Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!
In diesem Sammelband sind 5 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:
Jerry Cotton 3080 - Ein Moment des Zögerns
Jerry Cotton 3081 - Der sanfte Tod
Jerry Cotton 3082 - Vom Sterben wird keiner reich
Jerry Cotton 3083 - Verwischte Spuren
Jerry Cotton 3084 - Geständnis ohne Täter
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Seitenzahl: 660
Veröffentlichungsjahr: 2025
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben
Für die Originalausgaben:
Copyright © 2016 by
Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln
Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
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Für diese Ausgabe:
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ISBN: 978-3-7517-8310-1
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Cover
Titel
Impressum
Inhalt
Jerry Cotton 3080
Ein Moment des Zögerns
Jerry Cotton 3081
Der sanfte Tod
Jerry Cotton 3082
Vom Sterben wird keiner reich
Jerry Cotton 3083
Verwischte Spuren
Jerry Cotton 3084
Geständnis ohne Täter
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Contents
Ein Moment des Zögerns
Die Worte »Hände hoch, dies ist ein Banküberfall« rissen den Wachmann Dan Bryer aus seinen Tagträumen. Er drehte sich um und blickte in die Mündung einer Waffe.
»Das gilt ganz besonders für dich, Dicker!«, sagte der maskierte Mann zu ihm.
Bryer hob seine Arme langsam an. Keinen Augenblick dachte er daran, Widerstand zu leisten.
Er merkte, wie jemand von hinten auf ihn zukam und ihm den Revolver aus dem Holster zog. Dann wurde er auf den Boden gedrückt.
Er musste tatenlos zusehen, wie drei Männer die Bank, die er eigentlich bewachen sollte, ausraubten.
Der Spuk dauerte nur sieben Minuten, dann waren die Räuber weg und die Alarmsirenen heulten auf.
Unser Chef saß an seinem Schreibtisch. Er wirkte unzufrieden. »Nehmen Sie bitte Platz«, sagte er zu Phil und mir und deutete auf die freien Stühle.
Wir kamen seiner Aufforderung nach und schauten ihn neugierig an.
»Was wissen Sie über eine Serie von Banküberfällen in Ohio?«, fragte er.
Phil zuckte die Schultern.
»Nicht viel«, antwortete ich. »Es gab kürzlich ein diesbezügliches Memo.«
Er nickte. »Das ist richtig. Nun, in Ohio gibt es zwei Field Offices, Cincinnati und Cleveland. Da die Überfälle in verschiedenen Teilen von Ohio stattgefunden haben, fühlen sich beide Field Offices zuständig, was aufgrund der geografischen Positionen der Tatorte durchaus korrekt ist. Nun ist es so, dass zwischen den beiden Field Offices seit einiger Zeit ein, na ja, sagen wir mal, ein Konkurrenzverhältnis existiert.«
»Interessant«, sagte ich und war gespannt auf seine weiteren Ausführungen.
»Es gab bereits Meetings mit den Leitern der Field Offices«, fuhr er fort. »Der frühere Leiter von Cincinnati, Joe Denver, hat seinen Platz geräumt. Er wurde durch Percy Dogget ersetzt, aber auch das hat keine große Veränderung gebracht. Gespräche von Dogget und Bruce Anthony aus Cleveland, sogar mit Director Fuller, haben keine wirkliche Verbesserung gebracht. Durch die aktuelle Serie von Banküberfällen hat sich der Zwist verstärkt und ist auf einem wirklich kontraproduktiven Niveau angelangt. Die beiden Field Offices kommen sich bei der Suche nach den Tätern teilweise sogar in die Quere. Ein unhaltbarer Zustand. Langer Rede kurzer Sinn: Ich schicke Sie nach Ohio, um die Banküberfälle zu untersuchen und herauszufinden, was da genau los ist.«
Phil meinte mit einem leichten Unterton von Ironie: »Ich kann es kaum erwarten.«
»Vielleicht wäre es in diesem Fall sinnvoll, das SRT direkt mitzunehmen«, sagte ich. »Dann haben wir unser eigenes Team vor Ort und müssen uns nicht entscheiden, ob wir mit den Leuten aus Cincinnati oder Cleveland arbeiten wollen.«
Mr High nickte. »Kein Problem, das ist Ihre Entscheidung. Es sollte nur schnell gehen, da gerade erst heute Morgen wieder ein Überfall stattgefunden hat, in Powell, nördlich von Columbus. Im Moment sind Teams beider Field Offices vor Ort. Ich habe Ihnen einen Hubschrauber reserviert, der Sie schnell nach Ohio bringen kann. Das SRT kann nachkommen. Oder Sie machen einen kleinen Umweg über Quantico.«
»Es wäre gut, wenn Dr. Willson und Dr. Fortesque sofort mitkommen könnten«, sagte ich. »Die können sich in Powell vor Ort um die Spurensicherung kümmern.«
»Gut, informieren Sie sie entsprechend«, sagte Mr High. »Der Helikopter ist groß genug, um auch die anderen Mitglieder des Scientific Research Team mitzunehmen.«
»Dann werden wir Dr. Cha und Conchita Mendez auch gleich mitnehmen«, sagte ich.
Mr High reichte mir eine Akte. »Hier, ein paar Informationen, die Sie haben sollten.«
Ich nickte. »Ein bisschen Lektüre für unterwegs kann nicht schaden.«
Wir verabschiedeten uns, gingen zu unseren Büros und bereiteten alles vor. Ich kontaktierte Willson, um ihn über den bevorstehenden Einsatz zu informieren.
»Howdy«, grüßte er uns nach texanischer Manier. »Gibt es wieder Arbeit?«
»In der Tat«, antwortete ich. »In Ohio gibt es einen interessanten Fall.«
Ich erklärte ihm mit wenigen Worten, worum es ging.
»Hört sich interessant an«, sagte er. »Wann soll es losgehen?«
»Wir starten gleich mit dem Hubschrauber von hier und holen Sie und das gesamte Team in Quantico ab«, sagte ich.
»Oh, dann müssen wir uns beeilen«, sagte er und klang auf einmal gehetzt. »Gut, ich informiere die anderen und bereite alles so weit vor.«
***
Gut eine halbe Stunde später erreichten wir Quantico. Das Scientific Research Team erwartete uns bereits – das heißt alle, außer Fortesque.
»FGF müsste auch gleich kommen«, sagte Willson. »Nachdem ich ihm mitgeteilt hatte, dass wir schnell losmüssen, hat er sich darangemacht, alles Nötige zusammenzupacken.«
»Und? Ist er noch nicht fertig damit?«, fragte Phil.
»Sollte er eigentlich«, sagte Dr. Willson. »Ich habe ihm Bescheid gesagt, als wir losgegangen sind. Er wollte sofort nachkommen.«
»Das Wort sofort bedeutet eben für jeden etwas anderes«, sagte Conchita Mendez, der Phil half, ihren Koffer im Hubschrauber zu verstauen.
»Wir können auf die Labore in den beiden Field Offices zugreifen, er muss nicht sein gesamtes Equipment einpacken«, scherzte Phil.
»Nicht alles, aber einiges schon«, sagte Fortesque, der plötzlich hinter ihm stand.
Phil drehte sich um. »Ah, da sind Sie ja. Dann können wir los.«
Er nickte. »Ja, sofort. Ich musste noch ein paar Pilzkulturen füttern. Jetzt sollten sie ein paar Tage ohne mich auskommen.«
»Pilzkulturen? Das sind Haustiere, die zu Ihnen passen«, bemerkte Willson mit bissigem Unterton.
»Ich bin mir sicher, dass auch Texaner eine Menge Schimmelpilze in ihren Häusern züchten«, konterte er. »Aber wahrscheinlich, ohne es zu wissen.«
»Eigentlich bevorzugen wir Pferde«, sagte Willson. »Oder Hunde. Die sind beweglicher als Pilze und …«
»Jungs, wir müssen langsam«, sagte Conchita Mendez, um die beiden davon abzuhalten, ein ausgedehntes Streitgespräch anzustimmen. »Ihr könnt euch gerne in Ohio weiter darüber unterhalten.«
Die beiden Männer verstummten und stiegen in den Helikopter. Dann flogen wir in Richtung Westen, nach Ohio.
***
Unser erstes Ziel war weder das Field Office Cleveland noch das Field Office Cincinnati. Stattdessen flogen wir nach Powell, nördlich von Columbus, wo die Bankräuber zuletzt zugeschlagen hatten.
Der Hubschrauber landete unweit der Bank auf einer Rasenfläche. Noch bevor die Rotoren zum Stillstand gekommen waren, öffnete Phil die Tür und sprang heraus. Wir folgten ihm.
»Warten Sie bitte hier«, sagte ich zum Piloten. »Wir werden Sie wahrscheinlich noch brauchen.«
Er nickte. »Geht klar. Ich überprüfe derweil die Maschine und gehe was essen.«
Das SRT und ich folgten Phil, der bereits auf dem Weg war.
Vor dem Eingang der Bank standen mehrere Streifenwagen und zwei Geländewagen vom Typ Chevrolet Tahoe LS, die ich dem FBI zuordnete.
Als unsere Gruppe dem Tatort näher kam, wurde ein Officer der lokalen Polizei auf uns aufmerksam. Er stellte sich uns in den Weg und musterte uns skeptisch. »Einen Moment, das hier ist ein Tatort. Was wollen Sie?«
»Genau diesen Tatort untersuchen«, antwortete Phil, zog seinen Dienstausweis heraus und hielt ihn dem Officer vor die Nase.
Der musterte das Dokument sorgfältig, verzog das Gesicht und sagte: »Noch mehr FBI. Ihr Jungs überschlagt euch ja für uns. Aber gut, wenn wir die Bankräuber auf diese Weise schnappen, soll es mir recht sein. Mit welchem Ihrer Kollegen wollen Sie reden? Es gibt nämlich zwei, von zwei Field Offices.«
»Am besten mit beiden«, sagte Phil.
Der Officer zeigte auf einen Diner, der ein paar hundert Yards entfernt war. »Die sind gerade beim Essen.«
»Danke, dann gehen wir mal zu ihnen«, sagte Phil.
»Wir kümmern uns indes um den Tatort«, sagte Willson.
Phil nickte. »In Ordnung. Bis später.«
Während sich das Scientific Research Team in Richtung Bank bewegte, gingen Phil und ich zu dem Diner. Dort saßen an einem Tisch am Fenster drei Männer und eine Frau, die eindeutig als FBI-Agents zu erkennen waren.
»Guten Tag«, sagte Phil, als wir sie erreicht hatten. »FBI-Inspektoren Cotton und Decker aus Washington. Wir sind hier, um die Bankraubserie zu untersuchen.«
»Ah, die Aufpasser aus der Zentrale«, bemerkte einer der Männer, ein drahtiger Blonder. »Special Agent Tim Bones, Cleveland. Das ist meine Partnerin Sally Dean. Wir waren zuerst am Tatort.«
Die Frau neben ihm, die ebenso blonde, aber längere Haare als er hatte, nickte. Abgesehen von einer etwas groß geratenen Nase sah sie ziemlich gut aus.
»Die paar Minuten machen den Kohl auch nicht fett«, sagte der dunkelhaarige Agent mit leicht angegrauten Schläfen, der etwas von einem italienischen Gigolo hatte. »Special Agent Lino Jesus Santiago Carreras. Mein Partner Freddy Stone und ich kommen aus Cincinnati. Und das ist eigentlich unser Einsatzgebiet.«
Der ein wenig korpulente Mann neben ihm nickte.
Agent Bones wollte gerade protestieren, doch ergriff Phil vor ihm das Wort. »Wir sind nicht hier, um über Zuständigkeiten zu streiten, sondern um eine Serie von Banküberfällen aufzuklären. Wenn Sie sich mit jemandem über die Zuständigkeit streiten wollen, dann mit den lokalen Cops. Als Bundesbehörde sind wir ein Team und sollten uns auch so verhalten. Ist das klar?«
Phils eindringliche Ansprache zeigte Wirkung. Niemand protestierte, zumindest nicht offen. Ich konnte den Agents Bones und Carreras ansehen, dass sie nicht Phils Meinung waren. Aber so lange sie sich fügten, war mir das egal. Zumindest im Moment.
»Gehen wir irgendwo hin, wo wir ungestört reden können«, sagte ich. »Wir hätten gern eine Zusammenfassung dessen, was Sie bis jetzt herausgefunden haben.«
Da sich im Diner noch andere Gäste befanden, wollte ich den Fall nicht hier besprechen. Wir hatten durch den Zwist der beiden Field Offices schon genug Probleme. Ich wollte nicht riskieren, dass hier ein Reporter saß und uns belauschte oder sonst jemand interne Informationen weitergab.
***
Wenig später saßen wir in einem Konferenzraum der Bank, die überfallen worden war. Neben den vier Agents, Phil und mir waren auch sämtliche Mitglieder des Scientific Research Team anwesend.
»Also«, sagte ich, als alle Platz genommen hatten und sich vorgestellt worden waren, und wandte mich an die Agents. »Was ist hier passiert, wie sind die Täter vorgegangen?«
Die Agents Bones und Carreras setzten gleichzeitig zum Reden an und schauten sich dann missmutig an.
»Okay, Agent Bones, Sie fangen an«, entschied ich, um einen Streit zu verhindern.
Der Agent räusperte sich und legte los. »Also, nachdem wir als erste Agents den Tatort erreicht hatten, haben wir sofort die Ermittlungen aufgenommen. Die lokale Polizei war natürlich schon vor Ort und hatte angefangen, die Zeugen zu vernehmen. Wir haben das mit den Kollegen weitergeführt. Folgendes ist demnach geschehen: Um 10:22 Uhr haben drei maskierte Männer die Bank betreten und den Wachmann entwaffnet. Einer hat Wache gehalten, Nummer zwei das Bargeld an den Schaltern einsammeln lassen und Nummer drei wollte den Filialleiter zwingen, den Tresorraum zu öffnen. Da der aber mit einem Zeitschloss versehen war, konnte der Filialleiter das nicht. Er wurde mehrfach geschlagen, hat aber den Tresor, da er ihn wirklich nicht öffnen konnte, nicht aufgemacht. Die Täter sind mit einer Beute von rund zwanzigtausend Dollar entkommen. Ein Fahrer hat in einem schwarzen Pontiac Firebird auf sie gewartet. Sie sind in Richtung Norden geflüchtet. Die Fahndung nach dem Wagen läuft bereits, bis jetzt ohne Ergebnis.«
Ich nickte. »Hört sich nicht an, als wäre ein Insider am Raub beteiligt, sonst wäre die Panne mit dem Tresor nicht passiert.«
Agent Carreras ergriff das Wort. »Agent Stone und ich haben die Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras überprüft. Die bestätigen die Ausführungen von Agent Bones. Insgesamt haben die Täter für den Überfall sieben Minuten benötigt. Dann waren sie wieder weg.«
Ich schaute erst die Agents aus Cleveland und dann die aus Cincinnati an. »Sind Sie diejenigen, die auch die anderen Überfälle untersucht haben?«
Alle vier nickten.
»Das ist gut«, sagte ich. »Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, alle Informationen zu lesen. Soweit ich weiß, haben die Täter bisher dreimal zugeschlagen, mit dem heutigen Überfall vier Mal, ist das korrekt?«
Agent Bones nickte. »Ja, das ist richtig. Die Vorgehensweise war immer mehr oder weniger gleich. Auch die Beschreibungen der Täter waren identisch, was durch die Videoüberwachung bestätigt wurde.«
»Gut, wir ermitteln also gegen eine Bande mit mindestens vier Mitgliedern«, sagte ich. »Haben wir abgesehen von Körpergröße und Geschlecht weitere Informationen über die Täter? Ethnische Herkunft? Sprache? Alter? DNA? Irgendetwas?«
Agent Bones schüttelte den Kopf. »Nein, nichts. Leider. Sie tragen Handschuhe. Benutzen jedes Mal andere Fahrzeuge, die gewöhnlich gestohlen sind und nach dem Überfall verbrannt werden, um sicherzugehen, dass wir keinerlei DNA finden. Was das angeht, sind sie gründlich. Möglicherweise stecken die Bloodhounds hinter den Überfällen«, sagte Agent Carreras. »Wir haben ein paar Gerüchte gehört, dass die Gang so ihre Kapitaldecke stärken will.«
»Die Bloodhounds ?«, sagte Phil fragend.
»Nein, nein, es sind eher die Shiraha «, wandte Agent Bones ein. »Unsere Leute ermitteln bereits in diese Richtung. Auch wenn wir noch keine klaren Beweis haben, gibt es ein paar Hinweise, die vielversprechend aussehen.«
Einen Augenblick lang schien es, als würde der Zwist der beiden Field Offices wieder an die Oberfläche gelangen. Ich ignorierte das und ließ mir weiter Informationen geben.
»Was sind das für Gangs?«
»Die Bloodhounds sind eine Gang weißer Krimineller, die in mehreren Gebieten Ohios aktiv ist. Eher im Süden und im Bereich Cincinnati, wo auch deren mutmaßlicher Boss sein Hauptquartier hat«, erklärte Agent Carreras. »Denen geht es vor allem um Geld. Sie sind ziemlich hart drauf und machen manchmal auch gewagte Aktionen, ermorden aber selten jemanden. Tatsächlich haben wir ihnen bis jetzt noch nie einen Mord nachweisen können, wenn auch vermutet wird, dass zwei Mordfälle auf ihr Konto gehen.«
Phil nickte. »Lassen Sie mich raten: Die Shiraha sind eher im Norden Ohios und auch im Raum Cleveland aktiv.«
»So ist es«, bestätigte Agent Bones. »Die meisten Mitglieder der Gang sind Asiaten, es gibt ein paar Weiße. Denen geht es natürlich auch um Geld. Sie handeln mit Drogen, sind im Bereich Prostitution aktiv und als Kuriere für illegale Substanzen tätig. Fahren meist schnelle, getunte Autos. Banküberfälle sind neu für sie. Allerdings weist die schnelle Flucht und die Tatsache, dass die Täter bisher nicht gefasst worden sind, darauf hin, dass sie gute Fahrer und einen guten Plan zum Untertauchen haben. Das wiederum würde zu den Shiraha passen.«
»Also haben wir zwei verdächtige Gruppen«, fasste ich zusammen. »Das ist schon etwas. Allerdings benötigen wir mehr als ein paar Hinweise und Tipps von Informanten, um diesen Fall zu lösen. Solange wir die Täter nicht auf frischer Tat ertappen oder bei ihnen Gelder finden, die wir eindeutig einem Überfall zuordnen können, haben wir eigentlich nichts. Es gibt also noch eine Menge zu tun. Bei der Arbeit erwarte ich gute Zusammenarbeit aller Ermittlungsteams. Das schließt die Field Offices Cincinnati und Cleveland ein. Und natürlich die Spurensicherung.«
»Darum werden wir uns kümmern«, sagte Willson und warf einen kurzen Blick zu Fortesque.
»So ist es«, stimmte der zu.
»Ich schaue mir die Videoaufzeichnungen der Überfälle an«, sagte Mai-Lin. »Mit etwas Glück finde ich einen verwertbaren Hinweis.«
»Über die finanziellen Transaktionen der beiden Organisationen Bescheid zu wissen ist auch nicht verkehrt«, bemerkte Conchita Mendez. »Mein Gebiet.«
Ich nickte. »Gut, damit wären die Aufgaben des Scientific Research Team verteilt. Sie, Agents, werden Inspektor Decker und mich unterstützen und uns helfen, die Fahndung zu koordinieren.«
»Geht klar, Sir«, sagte Agent Bones.
Agent Carreras zeigte sich weniger kooperativ. »Ich werde das mit meiner Dienststelle besprechen, damit sicher ist, dass wir alle am selben Strang ziehen.«
»Reden Sie, mit wem Sie wollen, solange es schnell geht«, sagte Phil und war sichtlich nicht erfreut über die Aussage des Agent. Er ging aber nicht weiter darauf ein.
Wir verließen das Zimmer und machten uns an die Arbeit. Es gab einiges zu tun.
***
Um ein Gefühl für den Fall zu bekommen, befragten Phil und ich einige der Zeugen persönlich. So Miss Dana Ward, eine Bankangestellte, die am Schalter gearbeitet und direkten Kontakt mit einem der Bankräuber gehabt hatte.
»Ich weiß, Sie sind bereits befragt worden, aber mein Partner und ich führen gerne auch persönlich Befragungen durch. Das hilft manchmal, mehr Informationen zutage zu fördern«, erklärte ich, nachdem wir uns vorgestellt hatten.
Sie nickte. »Ja, ich verstehe.«
Man merkte ihr an, dass sie den Schock, mit einer Waffe bedroht zu werden, noch nicht ganz überwunden hatte. Wahrscheinlich hätte sie es vorgezogen, sich in ihrer Wohnung einzuschließen und mit niemandem zu reden. Aber noch brauchten wir sie.
»Erzählen Sie uns bitte, wie der Bankräuber auf Sie zugegangen ist und was er getan und gesagt hat«, forderte Phil sie auf.
Sie räusperte sich. »Einer der Männer hat gesagt: Hände hoch, das ist ein Banküberfall! Das war der Moment, als ich auf die Männer aufmerksam wurde. Ich schaute auf, sah die Masken und hatte Angst. Einer von ihnen kam in meine Richtung. Erst dachte ich, er würde zu meiner Kollegin Mary gehen, dann änderte er seine Richtung und kam auf mich zu. Er reichte mir eine Tüte und zwang mich, alles an Banknoten dort hineinzutun. Das machte ich. Als ich fertig war, schnappte er sich die Tüte und gab mir die Anweisung, mich auf den Boden zu legen. Kurz darauf hörte ich, wie die Eingangstür geöffnet wurde. Dann waren sie weg.«
»Haben Sie Details des Manns erkannt? Die Augen? Zähne?«, fragte ich.
Sie nickte. »Ja, er hatte eine kleine Zahnlücke, zwischen den oberen Schneidezähnen. Und die Augen, ich bin nicht ganz sicher, aber sie waren eher hell – blau, grau oder so.«
»Nicht braun?«, hakte Phil nach.
»Nein«, antwortete sie und schüttelte den Kopf.
»Könnte es sich um einen Asiaten gehandelt haben?«, fragte Phil weiter.
»Nein, er war Weißer, da bin ich mir ziemlich sicher«, antwortete sie.
»Und die Sprache? Schien er aus der Gegend zu kommen? Oder klang er wie ein Ausländer? Oder jemand aus einer anderen Gegend?«
»Da ist mir nichts aufgefallen«, sagte sie.
Weitere Informationen konnte sie uns nicht geben. Entsprechend beendeten wir die Befragung und bedankten uns bei ihr.
»Kein eindeutiger Hinweis auf einen Asiaten, was auf die Shiraha hindeuten würde«, meinte Phil, als wir allein waren.
»So ist es«, sagte ich. »Auch die anderen Zeugen haben nichts dergleichen ausgesagt. Das würde somit eher auf die Bloodhounds hinweisen. Wobei die beiden Organisationen bisher nur unter Verdacht stehen. Es könnte auch jemand anders hinter den Überfällen stecken.«
Phil nickte. »Ja, bisher haben wir nicht viel. Vielleicht finden Gerold und FGF etwas.«
Als wir das Zimmer verließen, kam Agent Bones auf uns zu und sprach uns an. »Die Presse hat inzwischen Wind von dem Überfall bekommen und draußen stehen mehrere Übertragungswagen. Wollen Sie sie in die Fahndung mit einbeziehen oder eine Erklärung abgeben?«
»Weder noch«, antwortete ich. »Versuchen Sie, sie vom Tatort und den Zeugen fernzuhalten. Nett natürlich.«
Der Agent nickte und entfernte sich.
Phil verzog das Gesicht. »Presse, klasse, die hat uns noch gefehlt. War ja klar, dass die auftauchen.«
»Wir sollten sie vorerst ignorieren, ich denke, damit fahren wir im Moment am besten«, sagte ich.
Kurz darauf sahen wir, wie sich die Agents Bones und Carreras unterhielten. Es war aber kein konstruktives Gespräch, sondern sehr geladen. Die beiden wirkten emotional.
»Nein, das sehe ich nicht so, absolut nicht!«, hörten wir Agent Carreras sagen.
Er war vor Aufregung rot im Gesicht.
»Dann sollten Sie vielleicht mal Ihre Augen öffnen und richtig hinschauen«, entgegnete Agent Bones, nicht weniger aufgeregt.
»Was ist hier los?«, sagte Phil und baute sich neben den beiden auf.
»Dieser Typ aus Cleveland hat eine Schraube locker«, antwortete Agent Carreras.
»Unverschämt!«, verteidigte sich Agent Bones. »Es ist kein Wunder, wenn Cincinnati nichts gebacken kriegt.«
»Es reicht!«, stieß Phil ernst aus. »Ihr Umgang ist weder professionell noch konstruktiv. Reißen Sie sich zusammen, sofort!«
Die beiden zuckten zusammen. Phil konnte ganz schön heftig werden, wenn er wollte. Und zwei FBI-Agents, die miteinander stritten, waren für ihn Grund genug, es zu wollen.
Wir nahmen die beiden beiseite, ich Agent Bones und Phil Agent Carreras, und redeten ein ernstes Wort mit ihnen. Danach machten sich die beiden wieder an die Arbeit.
»Nach unserem letzten Gespräch hätte ich so etwas nicht erwartet«, sagte Phil.
»Die Streitigkeiten zwischen den beiden Field Offices scheinen tief zu sitzen«, sagte ich. »Vielleicht tiefer, als wir dachten. Wir sollten uns der Sache annehmen, damit sie die laufenden Ermittlungen nicht behindert.«
»Und? Was schlägst du vor?«
»Wir schauen, dass die Untersuchungen hier abgeschlossen werden, und fliegen dann nach Cincinnati, um herauszufinden, wie dort die Stimmung ist, und der Ursache für die Streitigkeiten auf den Grund zu gehen. Dann wenden wir uns Cleveland zu.«
»Hört sich nach einem Plan an«, meinte Phil.
***
Gut eine Stunde später brachte der Hubschrauber uns und das SRT nach Cincinnati. Anschließend flog der Pilot die Maschine zurück nach Washington.
Wir gingen allesamt zum Büro von Percy Dogget. Während das SRT wartete, unterhielten sich Phil und ich mit dem Leiter des Field Office.
»Schön, Sie wiederzusehen«, begrüßte er uns. »Mister High hat mich bereits darüber informiert, dass Sie sich der Serie von Banküberfällen annehmen. Das ist angesichts der aktuellen Situation sicher hilfreich.«
»Sie meinen den Zwist mit Cleveland«, sagte Phil.
Dogget nickte. »Sicher, ist ja kein Geheimnis. Das Ganze ist wie ein Schwelbrand, immer latent vorhanden und nimmt dann irgendwann wieder an Heftigkeit zu. Wie im Moment in Bezug auf die Ermittlungen bezüglich der Banküberfälle. Mich nervt die Sache enorm, wir haben auch schon einiges unternommen, um das in Ordnung zu bringen, bisher leider ohne Erfolg.«
Ich nickte. »Ja, das hat Mister High auch gesagt. Wir haben in Powell unsere eigenen Erfahrungen mit der Situation gemacht. Ist kein schöner Anblick, wenn Agents miteinander streiten. Sie haben keine Ahnung, woher dieser Streit rührt? Handelt es sich vielleicht um eine ausgeartete Form von Konkurrenzdenken?«
»Die Situation existierte schon vor meiner Zeit, als Joe Denver noch Leiter dieses Field Office war«, sagte Dogget. »Es kursiert sogar das Gerücht, dass er wegen der unlösbaren Differenzen seinen Rücktritt beantragt haben soll. Eine andere Geschichte besagt, dass er bei einer gemeinsamen Aktion einen Fehler gemacht haben soll, aufgrund dessen ein Agent aus Cleveland verletzt wurde. Das denken zumindest einige in Cleveland. Hier ist man eher der Meinung, dass Cleveland schuld an seinem Rücktritt ist. Ich habe mit Denver gesprochen, nichts davon ist wahr. Er ist aus persönlichen Gründen gegangen. Aber Sie wissen ja, wie es mit Gerüchten ist: Keiner weiß, wer sie in die Welt gesetzt hat, und sie verbreiten sich wie ein Lauffeuer.«
»Ja, es ist nicht leicht, die Quelle aufzuspüren. Aber irgendjemand muss die Gerüchte verbreitet haben«, sagte ich. »Sie haben keine Ahnung, wer dahinterstecken könnte?«
Dogget schüttelte den Kopf. »Nein. Wir haben es schon mit gemeinsamen Aktionen im Sportbereich versucht, das ging leider gewaltig in die Hose. Ich bin, das muss ich zugeben, mit meinem Latein am Ende.«
»Können wir uns mit ein paar Agents unterhalten, um mehr Informationen zu bekommen?«, fragte Phil. »Vorzugsweise mit solchen, die schon länger hier arbeiten und vielleicht wissen könnten, wie das Ganze angefangen hat.«
»Kein Problem, in dieser Hinsicht können Sie auf meine absolute Kooperation zählen«, antwortete Dogget. »Ich erstelle Ihnen eine Liste, damit Sie loslegen können.«
»Das ist gut«, sagte ich. »Darüber hinaus brauchen unsere Leute auch Ihre Unterstützung bei der Auswertung der Spuren vom letzten Tatort.«
»Das ist natürlich auch kein Problem«, sicherte Dogget uns zu.
Wir besprachen noch ein paar Details mit ihm, verließen dann das Büro und sorgten dafür, dass das SRT mit Arbeit versorgt war. Dann legten wir damit los, die Namen der Liste, die Dogget uns gegeben hatte, zu bearbeiten.
***
Ganz oben auf der Liste von Dogget stand Terence Trent, ein Agent, der schon seit fünfzehn Jahren im Field Office Cincinnati arbeitete. Ein alter Haudegen, der im Laufe seiner Karriere sicher schon einiges erlebt hatte. Er war Ende vierzig, seine Haare waren schon etwas gelichtet und angegraut, aber er machte einen sportlichen Eindruck.
»Sie wollten mich sprechen?«, sagte er, als er in unser zeitweiliges Büro kam. »Worum geht es? Habe ich etwas falsch gemacht?«
»Nicht, dass wir wüssten«, sagte Phil. »Aber bevor Sie einen falschen Eindruck von uns bekommen: Wir sind nicht von der Dienstaufsicht und auch nicht hier, um das Fehlverhalten irgendwelcher Agents zu untersuchen. Nein, wir ermitteln im Fall der Bankraubserie. Und darüber hinaus auch bezüglich der angespannten Situation zwischen den Field Offices Cincinnati und Cleveland.«
Trent grinste. »Ach, darum geht es. Schön, dass Washington mal jemanden vorbeischickt. Aber gut, was kann ich für Sie tun?«
»Sie sind schon länger hier und kennen sicher einige interessante Geschichten«, sagte ich. »Vielleicht können Sie uns sagen, wie die Streitigkeiten angefangen haben.«
Agent Trent seufzte. »Keine Ahnung, ob ich Ihnen helfen kann.«
Phil beugte sich nach vorne. »Wie stehen Sie zu der Situation? Ich meine, haben Sie auch etwas gegen die Kollegen aus Cleveland?«
Agent Trent holte tief Luft. »Nun, dazu kann ich zunächst mal sagen, dass mir ziemlich egal ist, was die Jungs dort im Nordosten machen, solange wir hier dadurch keine Problem haben. Tatsächlich hatte ich persönlich relativ selten mit Agents aus Cleveland zu tun und normalerweise auch keine Probleme mit ihnen. Sie wissen ja, es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ich gebe nicht viel auf Gerüchte und schätze Leute lieber nach ihren Taten ein.«
»Das bedeutet, dass Sie die Gerüchte kennen?«, fragte ich.
Der Agent lächelte und nickte. »Klar. Es gibt eine Menge davon. Die meisten halte ich allerdings für Blödsinn. Die Jungs in Cleveland machen auch ihren Job, genau wie wir. Allerdings kommt es, das lässt sich nicht leugnen, immer mal wieder zu Zwischenfällen. Wie jetzt bei dieser Serie von Banküberfällen. Da heißt es, die Clevelander würden unsere Ermittlungen behindern.«
»Tatsächlich?«, fragte Phil. »Haben Sie das von den Agents Carreras und Stone?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, mit denen habe ich gar nicht über den Fall gesprochen. Das habe ich nur aufgeschnappt, mehrmals. Wenn man anderen Agents zuhört, erfährt man eine ganze Menge. Aber oft eben nicht nur Fakten, sondern auch Gerüchte.«
»Sie können uns also keine konkrete Quelle für die Gerüchte nennen?«, wollte Phil wissen.
Er lachte. »Nein, sorry, da kann ich Ihnen leider nicht helfen.«
»Erinnern Sie sich, wann diese Gerüchte losgingen? Ich meine, die Situation existiert sicher nicht ewig, muss also irgendwann einmal angefangen haben, nicht wahr?«, fragte ich.
Er wurde nachdenklich. »Stimmt, nachdem ich meine Ausbildung in Quantico abgeschlossen hatte und mir hier meine ersten Sporen verdiente, war davon noch nichts zu merken. Danach auch nicht. Ich erinnere mich noch an einen FBI-internen nationalen Sportwettkampf, bei dem wir fast schon als Team zusammengearbeitet haben, weil beide Teams aus Ohio stammten. Das war, mal überlegen, ja, das war vor etwa sieben Jahren. Damals gab es weder Streitigkeiten noch irgendwelche negativen Gerüchte über Cleveland.«
»Das ist schon mal ein Hinweis«, sagte ich. »Wobei sieben Jahren eine lange Zeit sind. Können Sie es weiter eingrenzen?«
Wieder ging er in sich. »Nein, nicht wirklich. Ich glaube schon, dass es kurz danach losging. Ganz genau kann ich es aber nicht sagen. Vielleicht fing es auch erst vor sechs oder sechseinhalb Jahren an. Es gab immer wieder Phasen, da war der Zwist nicht so präsent, zumindest habe ich das subjektiv so empfunden. In der letzten Zeit wurde es aber immer schlimmer. Teilweise kursierten Geschichten, die echt an den Haaren herbeigezogen waren. Hinzu kam dann noch die Presse, die das irgendwann mal spitzgekriegt und darüber berichtet hat. Das hat nicht gerade dazu beigetragen, die Wogen zu glätten.«
Phil verzog das Gesicht. »Kann ich mir denken.«
»Fällt Ihnen sonst noch etwas ein, das uns helfen könnte, die Situation zu deeskalieren?«, fragte ich.
Der Agent schüttelte den Kopf. »Nein, im Moment nicht. Ich melde mich gerne, wenn mir noch etwas in den Sinn kommt.«
Phil gab ihm seine Visitenkarte. »Das wäre nett.«
Wir bedankten uns bei ihm. Er verließ das Büro.
»Dann müssen wir, wenn er recht hat, nicht weiter als sieben Jahre zurückgehen«, sagte ich.
»Ist aber schon eine ganz schöne Zeitspanne«, wandte Phil ein.
»Vielleicht können wir sie weiter eingrenzen«, sagte ich. »Nehmen wir uns den Nächsten auf der Liste vor.«
Wir arbeiteten den Rest des Tages daran, weitere Agents zu befragen. Konkrete Quellen für die Gerüchte konnte uns niemand nennen. Die Angaben bezüglich des Beginns der Streitigkeiten zwischen den beiden Field Offices schwankten zwischen fünf und sieben Jahren.
Nicht alle Agents waren bezüglich Cleveland so neutral eingestellt, wie wir bei den Befragungen feststellen mussten.
Es war bereits spät in der Nacht, als wir Feierabend machten.
Viel hatten wir noch nicht erreicht. Ich hoffte, dass der nächste Tag mehr Fortschritte mit sich bringen würde.
***
Am nächsten Morgen hielten wir ein Meeting ab, bei dem neben Phil und mir das Scientific Research Team und Dogget anwesend waren. Phil und ich teilten den Anwesenden mit, was wir herausgefunden hatten. Dann waren die anderen an der Reihe.
»Was Spuren der Täter angeht, sieht es mau aus«, teilte uns Willson mit. »Sie waren offenbar gut vorbereitet, haben Handschuhe getragen und nichts zurückgelassen, von dem wir Rückschlüsse auf ihre Identitäten ziehen könnten.«
Fortesque nickte zustimmend. »So ist es, leider.«
Ich wandte mich an unsere Computerspezialistin. »Mai-Lin, hat die Überprüfung der Videoaufzeichnungen etwas ergeben?«
»Nein«, antwortete sie. »Wobei ich bisher nur die Aufzeichnungen des gestrigen Überfalls überprüft habe. Die der vorherigen Überfälle stehen noch aus. Ich habe geplant, sie mir im Laufe des Tages anzusehen. Da ich sie bereits vorliegen habe, sollte das kein Problem sein.«
»So weit, so gut«, sagte ich. »Und wie steht es mit den beiden Organisationen, Shiraha und Bloodhounds ?«
»Daran habe ich bisher noch nicht gearbeitet«, antwortete Mai-Lin.
»Ich schon«, sagte Conchita. »Bin aber noch dabei, die Geldflüsse zu sondieren. Wie es scheint, wickeln sie viele Transaktionen in bar ab, denn es gibt wenig Überweisungen, leider. Ich habe bisher zwei Firmen gefunden, über die sie wahrscheinlich Geld waschen lassen, mehr noch nicht.«
»Die Fahndung nach den Tätern hat noch nichts ergeben«, informierte uns Dogget. »Bis jetzt haben wir nicht einmal das Fluchtfahrzeug gefunden. Entweder haben sie es noch nicht, wie nach den vorangegangenen Überfällen, in Brand gesetzt, oder an einer derart abgelegenen Stelle, dass es bisher niemand bemerkt hat.«
»Gut, arbeiten Sie weiter«, sagte ich. »Phil und ich werden heute früh nach Cleveland fliegen und uns dort umhören. Wahrscheinlich werden wir den ganzen Tag dort verbringen. Wenn es Neuigkeiten gibt, wollen wir sofort informiert werden.«
Damit wir die rund zweihundertfünfzig Meilen bis nach Cleveland nicht mit dem Auto zurücklegen mussten, stellte uns Dogget einen Hubschrauber zur Verfügung.
In Cleveland angelangt, ließen wir uns zuerst zu Bruce Anthony bringen. Auf dem Weg zu seinem Büro wurden wir von einigen Personen argwöhnisch gemustert. Es hatte sich wohl herumgesprochen, dass wir die Leitung der Ermittlungen der Banküberfälle übernommen hatten. Oder es hing mit dem Zwist zwischen den Field Offices zusammen. Auf jeden Fall kamen wir uns nicht willkommen vor.
Anthonys Sekretärin hingegen empfing uns freundlich und ließ uns sofort zu ihrem Chef durch. Wir hatten uns angekündigt, unser Besuch war nicht als Überraschung gedacht.
Anthony schien auch erfreut zu sein, dass wir den Zwist mit Cincinnati angehen wollten.
»Es ist gut, dass Mister High Sie geschickt hat«, sagte er nach der formellen Begrüßung. »Dieses ganze Hickhack ist inzwischen mehr als störend geworden. Ich würde es lieber sehen, wenn wir mit unseren Kollegen aus Cincinnati genauso reibungslos zusammenarbeiten könnten wie mit denen anderer Field Offices. Theoretisch besteht meiner Meinung nach kein Grund für diese Konkurrenzsituation. Ich habe schon einigen meiner Leute die Leviten lesen müssen, was manchmal zu kurzfristiger Verbesserung geführt, die Situation aber nicht bereinigt hat.«
»Im Cincinnati haben wir mit einigen Agents gesprochen«, sagte ich. »Nach deren Aussage war die Beziehung zwischen den beiden Field Offices bis vor etwa sieben Jahren einwandfrei. Dann fingen die Probleme an und zeigten sich mal mehr, mal weniger.«
»Und?«, fragte Anthony interessiert. »Irgendein Hinweis auf die Ursache? Etwas, wo wir ansetzen können, um die Situation aus der Welt zu schaffen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, so weit sind wir leider noch nicht.«
»Wir würden gern auch hier mit einigen Mitarbeitern reden, um die Informationen aus Cincinnati bestätigen zu lassen und weitere Hinweise zu erhalten«, sagte Phil. »Könnten Sie uns eine Liste geben, mit der wir arbeiten können?«
»Kein Problem«, sagte Anthony. »Ich stelle gerne eine für Sie zusammen. Meine Sekretärin kann Ihnen einen Raum zur Verfügung stellen und die Agents zu Ihnen bringen. Egal, was Sie brauchen, Sie können sich an sie und natürlich auch an mich wenden.«
»Das hören wir gerne«, sagte ich. »Doch bevor wir loslegen, noch eine Frage: Haben Sie eine Idee, was hinter den Streitigkeiten stecken könnte?«
Anthony lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück und seufzte. »Natürlich habe ich mir schon einige Male Gedanken darüber gemacht. Und natürlich hatte ich auch ein paar Ideen dazu. Aber keine davon hat einen Weg zur Handhabung der Situation geebnet. Beispielsweise hatte ich vermutet, dass die Gerüchte von Agents ausgingen, die zwischen den beiden Field Offices gewechselt hatten. Das kam nicht oft vor. Und als ich die beiden Agents, auf die das zutraf, befragte, kam dabei nichts heraus. Ich kann die beiden gerne auf die Liste setzen, damit Sie sie sich vornehmen können.«
»Kann nicht schaden«, meinte Phil.
»Sonst noch eine Idee?«, hakte ich nach.
»Es könnte sein, dass die Presse mit zu der Situation beigetragen hat«, antwortete er. »Für die Reporter ist das ein gefundenes Fressen: eine Bundesbehörde, die interne Probleme hat. Es gab einige ziemlich unangenehme Artikel. Ein paar habe ich gesammelt. Die kann ich Ihnen gerne zur Verfügung stellen.«
Er stand auf, ging zu einem der Schränke und holte eine Akte heraus, die er uns gab.
Weitere Anhaltspunkte konnte er uns nicht liefern. Daher machten wir uns daran, die Mitarbeiter zu befragen, die er für uns auf die Liste gesetzt hatte.
Das nahm den ganzen Tag in Anspruch. Es zeigte sich, dass die Streitigkeiten gemäß den Aussagen der dortigen Mitarbeiter ebenfalls vor sechs bis sieben Jahren angefangen hatten, was mit den Aussagen der Befragten aus Cincinnati übereinstimmte. Viel mehr konnten wir leider nicht in Erfahrung bringen.
Die Fahndung nach den Bankräubern brachte indes weiterhin keine Resultate.
»Viel haben wir nicht erreicht«, sagte Phil. »Ich weiß nicht, irgendwie kommen wir so nicht wirklich weiter.«
»Stimmt«, sagte ich nachdenklich. »Wir müssen uns etwas ausdenken, um die Sache voranzutreiben. Mal sehen, vielleicht kommt mir heute Nacht eine Idee.«
»Wenn es dir nicht vollends den Schlaf raubt, habe ich nichts dagegen«, meinte Phil.
***
Als wir am nächsten Morgen das Field Office Cleveland erreicht hatten und uns mit Bruce Anthony trafen, klingelte sein Handy.
»… Ja, verstehe … Wo? … Gut, kümmern Sie sich darum … Okay«, sagte er und beendete das Gespräch, woraufhin er uns anschaute. »Es gab wieder einen Überfall, genau im Grenzgebiet der Zuständigkeitsbereiche von uns und Cincinnati. Diesmal war das Ziel der Gangster keine Bank, sondern ein Geldtransporter. Die Beschreibung der Täter weist auf die Bankräuber hin. Unsere Agents sind bereits unterwegs. Wollen Sie auch hinfahren und sich vor Ort ein Bild machen?«
Phil nickte. »Sicher. Das lassen wir uns nicht entgehen. Ein Geldtransporter, das hört sich interessant an. Kümmern Sie sich um die Straßensperren?«
Er nickte. »Natürlich. Wird gleich in Angriff genommen. Leider kann ich Ihnen gerade keinen Hubschrauber zur Verfügung stellen, die sind alle im Einsatz.«
»Dann nehmen wir den Wagen. Wie viel Zeit ist seit dem Überfall vergangen?«
»Nicht viel, vielleicht eine halbe Stunde.«
Phil lächelte. »Gut, dann haben wir diesmal eine realistische Chance, die Täter zu schnappen. Schicken Sie mir die Daten auf mein Handy.«
Während sich Anthony den Telefonhörer schnappte, verließen Phil und ich sein Büro und liefen zu unserem Wagen.
Der Überfall hatte in der Nähe der Interstate 75 stattgefunden, zwischen Botkins, Shelby County, das in den Zuständigkeitsbereich von Cincinnati fiel, und Wapakoneta, Auglaize County, wofür Cleveland verantwortlich war.
Mit Sirene und Rot-Blau-Licht kamen wir gut voran, brauchten aber trotzdem fast zwei Stunden bis zum Ziel.
Während ich mich aufs Fahren konzentrierte, koordinierte Phil den Einsatz, holte Informationen zur Fahndung ein und koordinierte die Aktion zusammen mit Dogget und Anthony, so gut er konnte.
Als wir das Ziel erreicht hatten, waren der Fahrer des Wagens und der Begleiter bereits zum Krankenhaus gebracht worden. Sie waren k.o. geschlagen worden und hatten leichte bis mittelschwere Verletzungen davongetragen.
Anwesend waren Willson und Fortesque, die sich um die Spurensicherung kümmerten, sowie die vier Agents aus Cleveland und Cincinnati, mit denen wir bereits in Powell Bekanntschaft gemacht hatten.
Auch die Presse war bereits mit einem Sendewagen und mindestens einem Reporter und Fotografen vor Ort, was mir gar nicht behagte.
Ich hatte gerade den Wagen geparkt und war zusammen mit Phil ausgestiegen, als sich uns eine höchst unprofessionelle Szene darbot. Die Agents Bones und Carreras diskutierten lautstark miteinander und waren höchst emotional. Es war zu befürchten, dass sie jeden Augenblick handgreiflich werden würden.
Zu allem Übel wurde ihr Verhalten von einer Kamera erfasst.
»Verdammt, das gefällt mir gar nicht«, stieß Phil aus. »Ich kümmere mich um die Presse.«
»Gut, dann werde ich die beiden Streithähne besänftigen«, sagte ich.
Während Phil auf den Kameramann zuging, bewegte ich mich mit schnellen Schritten zu den beiden Agents. Ich wartete einen Augenblick, bis Phil den Kameramann dazu gebracht hatte, das Aufnahmegerät auszuschalten, baute mich dann neben den beiden Agents auf und fragte lautstark und eindringlich: »Was ist hier los?«
Die beiden, die mich angesichts ihrer Streiterei wohl nicht bemerkt hatten, zuckten zusammen, drehten ihre Köpfe und schauten mich an. Ich blickte grimmig zurück.
»Ah, Sir, hallo«, sagte Agent Bones und schluckte. »Sie sind also hier, gut, dann können Sie sicher klären, dass hier Cleveland zuständig ist.«
Agent Carreras warf ihm einen bösen Blick zu und wollte gerade etwas sagen, als ich ihn mit einer Geste davon abhielt. Ich sprach leise, um der Presse nicht noch mehr Nahrung zu liefern, aber bitterernst. »Ich kann nicht glauben, dass sich zwei gestandene FBI-Agents, die über Jahre einen guten Job gemacht haben, zu so etwas hinreißen lassen. Das ist absolut inakzeptabel. Noch dazu in der Öffentlichkeit, im Beisein der Presse. Was glauben Sie, wie sich das auf das Image des FBI auswirkt? Haben Sie überhaupt eine Ahnung, was das für Konsequenzen nach sich ziehen kann?«
Die beiden schauten mich erschrocken an und hatten mit einem Mal nichts mehr zu sagen.
»Das dachte ich mir«, sagte ich. »Kommen Sie mit, ich möchte mich mit Ihnen unterhalten, aber nicht hier. Wo sind Ihre Partner, die Agents Dean und Stone?«
Ich wies sie an, die beiden zu holen. Dann trafen wir uns an einem Ort, wo wir vor den Kameras der Presse sicher waren. Auch Phil nahm an dem kurzen Meeting teil.
»Zunächst einmal möchte ich hören, was die bisherigen Ermittlungen ergeben haben«, sagte ich.
Agent Bones ergriff das Wort und wurde dabei von Agent Carreras unterbrochen.
»Es reicht!«, sagte ich. »Sie beide sind bis auf Weiteres suspendiert. Gehen Sie zu Ihren Fahrzeugen und warten Sie dort auf weitere Instruktionen!«
»Wie bitte? Das können Sie nicht machen!«, protestierte Agent Carreras.
»Und ob ich das kann«, sagte ich ernst. »Und glauben Sie mir, ich kann noch viel mehr. Wenn Sie also nicht wollen, dass Sie irgendwo in Alaska Moskitos zählen, sollten Sie meiner Anweisung sofort und ohne weiteren Kommentar nachkommen!«
Die beiden fügten sich und verließen die kleine Gruppe.
Ich schaute Agent Dean an. »Ich nehme an, Sie wissen über den Fall genauso viel wie Agent Bones, nicht wahr?«
Er nickte. »Klar, wir sind Partner.«
»Und Sie sind ebenfalls im Bilde?«, fragte ich Agent Stone.
Sie nickte. »Natürlich, Sir.«
»Gut, dann werden Sie beide von jetzt an als Ermittler an diesem Fall arbeiten, zusammen arbeiten, und in Kürze neue Partner zugewiesen bekommen«, sagte ich und ignorierte ihre überraschten Gesichter. »Ich weiß, dass Sie von verschiedenen Field Offices kommen, aber Sie beide gehören dem FBI an und haben einen Eid geleistet. Zudem sind Sie beide daran interessiert, diejenigen zu fassen, die für die Überfälle verantwortlich sind. Entsprechend sollten Sie miteinander klarkommen. Oder irre ich mich?«
»Äh, nein, Sir, keineswegs«, antwortete Agent Stone und war dabei etwas blass im Gesicht.
»Nein, natürlich nicht, Sir«, sagte Agent Dean.
»Gut, dann kommen wir zurück zu meiner ursprünglichen Frage: Was haben die bisherigen Ermittlungen hier vor Ort ergeben?«
Agent Stone schaute kurz zu ihrem neuen Partner hinüber. Der nickte.
Dann ergriff sie das Wort. »Der Geldtransporter wurde von einem Auto überholt und dann ausgebremst. Der Fahrer versuchte erst, die Situation zu retten, bis die Täter einen Haufen selbst zusammengeschweißter Nägel auf die Straße kippten. Ein paar davon haben sich in die Reifen des Transporters gebohrt, woraufhin der Fahrer ihn stoppen musste.
Der Fahrer und der Begleiter sind daraufhin im Transporter geblieben und haben den Überfall gemeldet. Als die Täter einen Sprengsatz auf die Windschutzscheibe geklebt und mit der Zündung gedroht haben, sind die beiden Begleiter ausgestiegen. Sie wurden entwaffnet und k.o. geschlagen. Die Täter haben das Geld genommen, wie viel, wissen wir aktuell noch nicht genau, und sind dann wohl geflohen. Sie waren maskiert und sind schnell und koordiniert vorgegangen.«
Ich nickte. »Gut. Und es waren inklusive Fahrer vier, wie bei den anderen, das wissen wir bereits, ebenso welches Fahrzeug sie benutzt haben. Gibt es sonst verwertbare Spuren?«
»Nicht wirklich«, antwortete sie.
»Was ist mit diesen Nägeln?«, fragte Phil. »Irgendeine Chance, darauf Fingerabdrücke zu finden?«
»Wie es scheint, haben sie die selbst zusammengeschweißt, sodass sie wie Stahldornen wirken, die sich in die Reifen eines Fahrzeugs bohren«, antwortete Agent Dean. »Zumindest habe ich so etwas noch nie gesehen. Das könnte ein Hinweis sein. Aber da müssen Sie die Kollegen von der Spurensicherung fragen. Die haben die Dinger eingesammelt und müssen sie noch untersuchen.«
»Also keine weiteren Spuren, zumindest im Moment noch nicht«, sagte Phil.
»Die Fahndung ist unsere beste Chance, sie zu fassen«, sagte Agent Stone und strich sich mit ihrer rechten Hand durch die Haare.
»Das sehe ich auch so«, stimmte ich ihr zu. »Wobei die Chancen, sie jetzt noch zu erwischen, recht gering stehen. Es sind über zwei Stunden vergangen. Sie werden diese Zeit zu nutzen gewusst haben. Sicherlich haben sie bereits das Fahrzeug gewechselt. Wenn sie schlau sind, sind sie inzwischen getrennt unterwegs.«
»Was ist mit weiteren Zeugen?«, fragte Phil. »Sind keine anderen Fahrzeuge vorbeigefahren und haben beobachtet, was passiert ist?«
»Auf diesem Teil der Straße war nicht viel los, hat uns der Fahrer gesagt, als er wieder bei Bewusstsein war«, antwortete Agent Dean. »Es wird sicher jemand vorbeigefahren sein, aber wir haben keine diesbezüglichen Meldungen erhalten. Zumindest noch nicht.«
»Das spricht nicht gerade für die Hilfsbereitschaft der Autofahrer in diesem Landstrich«, bemerkte Phil. »Was ist mit Kameras in der Gegend?«
»Das überprüfen wir noch«, sagte Agent Stone. »Direkt hier im Umfeld des Tatort gibt es keine, aber vielleicht irgendwo weiter weg an der Straße.«
Ich nickte. »Ja, kümmern Sie sich darum. Und berichten Sie alles, was Sie herausfinden, direkt an uns.«
»Geht klar, Sir«, bestätigte Agent Stone.
Ihr neuer Partner nickte zustimmend. Die beiden entfernten sich.
»Gut, dass du den beiden Agents einen Dämpfer verpasst hast«, sagte Phil.
»Ja, das war absolut nötig«, stimmte ich ihm zu. »Manchmal muss man ein Machtwort sprechen, um die Disziplin aufrechtzuerhalten.«
Phil grinste. »Solange du nicht anfängst, die Agents zu dezimieren.«
***
Wir gingen zu den Agents Bones und Carreras und sorgten dafür, dass sie den Tatort verließen. Sie waren ziemlich schweigsam. Sicher hatten sie nicht damit gerechnet, suspendiert zu werden.
Anschließend fragten wir bei Willson und Fortesque nach, was sie gefunden hatten. Leider gab es noch keine konkreten Ergebnisse.
Wir fuhren zum Krankenhaus, in dem der Fahrer und der Begleiter des Geldtransporters behandelt worden waren. Ihre Aussagen halfen uns auch nicht wirklich weiter. Ihre Angaben der Täter waren weniger detailliert als die von den Leuten in der Bank, mit denen wir zwei Tage zuvor gesprochen hatten.
Schließlich fuhren wir nach Cincinnati, um die Ermittlungen von dort fortzuführen.
Als wir uns in Doggets Büro eingefunden hatten, sprach er die Suspendierung von Agent Carreras an.
»War das wirklich notwendig?«, fragte er nachdenklich.
»Ja, war es«, antwortete ich. »Wenn unsere Agents es nicht durch gutes Zureden und vernünftige Argumente schaffen, professionell miteinander umzugehen, müssen wir durchgreifen. Zumindest so lange, bis wir herausfinden, was es mit den Streitigkeiten zwischen den beiden Field Offices auf sich hat.«
Er nickte. »Nun, das ist Ihre Entscheidung. Gut, dass Sie nicht nur Carreras, sondern auch einen Agent aus Cleveland suspendiert haben. Sonst hätte es wieder böses Blut gegeben.«
»Das ist mir klar«, sagte ich. »Und ich verzichte nur ungern auf die beiden, aber das ist eben das geringere Übel.«
Dogget stimmte mir zu. Es war ihm aber anzusehen, dass er über meine Entscheidung nicht glücklich war.
Es war nicht meine Art, meine Autorität als FBI-Inspektor auf derartige Weise einzusetzen, aber wenn es sein musste, hatte ich auch keine Skrupel, das zu tun.
»Noch etwas, das Sie wissen sollten«, sagte Dogget. »Die Presse ist gerade dabei, sich auf die Bankraubstory einzuschießen. Und mit jedem neuen Überfall ist die Berichterstattung bissiger geworden. Sie haben sogar über den Streit zwischen Carreras und Bones berichtet. Ich weiß, das ist auch meine Angelegenheit. Ich wollte Sie nur informieren, dass da etwas im Gang ist.«
Er zeigte auf seinen Computermonitor, wo ein Artikel zu lesen war, der auch den Zwist zwischen den beiden Field Offices erwähnte.
»Das ging ja schnell«, sagte ich nachdenklich.
»Sie schreiben, dass das FBI in Ohio so viele Probleme hätte, miteinander klarzukommen, dass an Verbrechensbekämpfung gar nicht mehr zu denken wäre«, sagte Phil und verzog das Gesicht. »Typische Übertreibung der Presse. Du hast recht, woher wissen die davon? Ist das mal bei einer Pressekonferenz erwähnt worden?«
»Nicht, dass ich wüsste«, sagte Dogget. »Die haben offensichtlich einen guten Draht zu jemandem, der Bescheid weiß. Leider habe ich keine Ahnung, um wen es sich handeln könnte.«
»Geben Sie bitte eine Anweisung heraus, dass keine internen Informationen ohne Ihre vorherige Genehmigung an Außenstehende weitergegeben werden dürfen«, sagte ich. »Anthony werden wir informieren, dass er das ebenso macht. Das sollte zwar selbstverständlich sein, aber es noch einmal ins Gedächtnis zu rufen kann nicht schaden. Darüber hinaus hätten wir gern alle Artikel und alles Material, das bezüglich des Streits veröffentlicht wurde. Können Sie das für uns zusammenstellen lassen?«
»Betrachten Sie es als erledigt«, sagte Dogget.
Wir wechselten das Thema und konzentrierten uns auf die laufenden Ermittlungen.
***
Phils Handy klingelte. Mai-Lin rief an.
»Ich habe etwas gefunden, das uns weiterhelfen könnte«, hörte ich ihre Stimme über die Freisprecheinrichtung.
»Das höre ich gern«, sagte Phil.
Sie räusperte sich. »Bei einer der Videoaufnahmen ist mir aufgefallen, dass sich einer der Bankräuber verletzt hat. Wie es scheint, hat er sich an einer Absperrung geschnitten. Das war beim vorletzten Banküberfall. Mit etwas Glück hat er geblutet und …«
»… und DNA-Spuren hinterlassen«, beendete Phil ihren Satz und lächelte. »Das ist eine hervorragende Nachricht. Geben Sie Gerold Bescheid, damit er sich darum kümmert. Bleibt zu hoffen, dass die Spuren, wenn es welche gibt, nicht durch einen übereifrigen Saubermann beseitigt wurden.«
»Das wird Gerold sehen, wenn er vor Ort ist«, sagte sie emotionslos.
»Natürlich«, bestätigte Phil. »Gute Arbeit!«
»Danke«, sagte sie und beendete das Gespräch.
Phil steckte sein Handy ein und schaute erst mich und dann Dogget an. »Mit etwas Glück werden wir bald einen der Täter identifizieren können. Das kann aber noch ein paar Stunden dauern.«
»Die Zeit sollten wir nutzen«, sagte ich. »Wir statten erst den Bloodhounds und anschließend den Shiraha einen Besuch ab.«
Dogget schaute mich ungläubig an. »Wollen Sie das wirklich? Mit den Gangstern reden?«
»Warum nicht«, erwiderte ich. »Immerhin handelt es sich bei ihnen um unsere beiden Hauptverdächtigen. Oder besser gesagt die Gruppen, aus denen die Täter wahrscheinlich stammen. Die Bloodhounds haben ihre Zentrale doch hier in Cincinnati, nicht wahr?«
Dogget nickte. »So ist es. Wir wissen auch, wo. Wenn Sie wollen, kann ich herausfinden, ob der Boss der Gang dort ist.«
»Tun Sie das«, sagte ich.
Eine gute Stunde später standen Phil und ich vor dem Hauptquartier der Bloodhounds . Es handelte sich um eine alte Fabrikhalle, die umgebaut worden war. Ein recht großes Areal, das die Gang wohl günstig erworben hatte, wie uns Dogget mitgeteilt hatte. Das gesamte Grundstück war von Mauern umgeben, die ungebetene Gäste fernhalten sollten. Dogget meinte, dass es auf dem Areal schon mehrere Razzien gegeben hatte, dort aber kein Diebesgut etc. gefunden worden war.
Die Gang achtete wohl darauf, ihr Hauptquartier clean zu halten und Diebesgut sowie illegale Substanzen woanders zu lagern. Da es uns nicht darum ging, eine Hausdurchsuchung durchzuführen, war mir das egal. Wir wollten mit dem Boss der Gang reden, um herauszufinden, ob er beziehungsweise seine Männer etwas mit den Überfällen zu tun hatten.
Phil und ich gingen allein zum Haupttor. Ein Team von vier Agents hatte drei Straßen weiter Stellung bezogen. Sie sollten Hilfe anfordern, wenn wir nach einer Stunde nicht wieder auftauchen sollten. Eine Rückversicherung konnte nicht schaden, wenn man nicht genau wusste, mit wem man es zu tun hatte.
Phil hämmerte mit der Faust auf das eiserne Tor. Es vibrierte laut. Als sich zehn Sekunden danach niemand gezeigt hatte, schlug Phil erneut zu, diesmal noch fester.
»Vielleicht schlafen die Jungs, weil sie sich von ihrem letzten Raubzug erholen müssen«, bemerkte er.
»Wenn es jemand von den Bloodhounds war, dann glaube ich nicht, dass sie hier sind«, sagte ich. »Wahrscheinlich hocken sie in irgendeinem Motelzimmer oder einer ihrer Außenstellen, wenn man das so nennen will.«
»Unterschlupf, ich glaube, das ist das Wort, das es besser trifft«, sagte Phil und wollte gerade wieder zum Schlag ausholen, als jemand eine Klappe öffnete und wir ein Augenpaar erblickten, das uns musterte.
»Was wollen Sie? Das ist Privatgelände!«, sagte jemand mit einer basslastigen Stimme.
Ich hielt ihm meine Marke so nah vors Gesicht, wie es möglich war. »Decker und Cotton, FBI. Wir würden gerne Ihren Boss sprechen.«
»Boss? Welchen Boss?«, erwiderte der Mann.
»Mister Jerome Ottalawa«, antwortete ich. »Egal, wie Sie ihn nennen, das ist der Mann, mit dem wir uns unterhalten wollen.«
»Ich weiß nicht, ob er da ist«, sagte der Mann.
»Na, dann schauen Sie besser nach, bevor ich ein Spezialkommando anfordere, um das Grundstück zu stürmen und nach ihm suchen zu lassen.«
»Hey, Mann, machen Sie keinen Scheiß!«, sagte unser Gesprächspartner.
»Nette Ausdrucksweise«, meinte Phil. »Mann, jetzt sagen Sie Ihrem Boss schon, dass zwei FBI-Inspektoren aus Washington hier sind, um sich mit ihm zu unterhalten!«
»Einen Moment«, hörten wir noch, dann wurde es still.
»Hoffentlich dauert es nicht so lange, ich habe keine Lust zu warten«, meinte Phil ungeduldig.
»Nein, ich glaube, der beeilt sich«, sagte ich.
***
Ein paar Minuten später wurde das Tor geöffnet. Wir sahen vier Männer, die uns argwöhnisch musterten. Ich sah zwar keine Waffen, war mir aber sicher, dass sie welche trugen.
»Los, hier lang!«, sagte einer von ihnen und ging los, ohne eine Reaktion unsererseits abzuwarten.
»Lauter nette Leute hier«, bemerkte Phil. »Merkt man gleich.«
Die Miene der Männer verfinsterte sich. Sie waren augenscheinlich nicht zu Scherzen aufgelegt.
Wir folgten dem Mann, der vorausging. Von den drei anderen folgten uns zwei.
Über einen Vorplatz gelangten wir zum Eingang der ehemaligen Fabrikhalle. Durch eine etwa drei Yards breite Tür betraten wir das Gebäude. Während die Halle von außen eher heruntergekommen und schäbig aussah, zeigte sich drinnen ein anderes Bild. Die Wände waren ordentlich verputzt, die Böden sauber. An den Wänden hingen ein paar Bilder von spärlich bekleideten Frauen, bei denen man darüber streiten konnte, ob es sich um Kunst oder Pornographie handelte.
Wir erreichten eine Treppe. Nachdem man uns in den ersten Stock geführt hatte, ging es einen Gang entlang und dann erreichten wir einen größeren Raum, eigentlich eine Halle. Eine Art Steg führte zum Mittelteil der Halle, auf dem sich eine Lounge befand. Zwei breitschultrige Bodyguards, beide mit Glatze, musterten uns argwöhnisch, als wir näher kamen.
»Wir müssen Sie filzen«, sagte einer von ihnen.
»Das wird nicht nötig sein«, sagte Phil. »Wir haben keine Wanzen dabei. Nur unsere Dienstwaffen.«
»Eben«, sagte der Mann. »Geben Sie uns die Waffen.«
»Nein«, erwiderte Phil. »Die behalten wir. Sie können mir glauben, wenn wir vorhätten, hier herumzuballern, dann wären wir nicht allein gekommen. Wir sind Staatsbeamte und keine Desperados.«
»Lass sie durch!«, hörten wir eine Stimme, die irgendwo aus der Lounge kam. Von wem, konnten wir nicht sehen.
Die finstere Miene des Bodyguard verfinsterte sich noch mehr. Es war offensichtlich, dass er nicht begeistert darüber war, uns zu seinem Boss zu bringen. Aber wie es bei bezahlten Befehlsempfängern üblich ist, folgte er der Anweisung.
»Kommen Sie mit!«, sagte er barsch und führte uns weiter.
Gut zehn Yards weiter sahen wir eine große, U-förmige Couch, auf der ein Mann mit einer Frau im Arm saß. Er war Mitte vierzig, hatte blondierte Haare und trug einen teuren Anzug. Ihr Alter schätzte ich auf Mitte zwanzig. Neben ihrem makellosen Gesicht fielen mir vor allem ihre langen, schlanken Beine auf, die aus einem der kürzesten Röcke hervorschauten, den ich je gesehen hatte.
Er blieb gelassen, während er uns genau musterte. Man sah ihm an, dass er ein erfahrener Mann war, dem der Besuch durch hochrangige FBI-Vertreter keine Angst machte. Ich hatte nichts anderes erwartet.
Er gab der Frau ein Zeichen, woraufhin sie ihm einen Kuss gab, aufstand und mit einem Lächeln verschwand.
»Netter Zeitvertreib«, bemerkte Phil lässig.
»Sind Sie hier, um mit mir über meine Lebensweise zu philosophieren?«, fragte Ottalawa.
»In gewisser Weise schon«, antwortete ich. »Wobei es dabei sicher nicht um Frauen geht.«
Wir stellten uns kurz vor.
Er deutete auf die Couch. »Nehmen Sie doch Platz. Davon haben wir hier genug. Auch für FBI-Inspektoren. Wobei Ihre Leute uns relativ selten mit ihrem Besuch beehren. Mag daran liegen, dass sie hier nie das finden, was sie zu finden beabsichtigen.«
Wir setzten uns.
»Ja, manch eine Razzia bringt nicht die gewünschten Resultate«, sagte ich. »Damit muss man als Staatsbeamter leider leben. Ein widriger Umstand.«
»Wollen Sie mit mir über Ihren Job reden?«, fragte Ottalawa und zeigte sich belustigt. »Oder über Ihr verschwindend geringes Gehalt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich eher über den Ihren. Als Freiberufler, oder sollte ich besser sagen Gangsterboss, sind Sie wohl der richtige Ansprechpartner für uns.«
»Die Berufsbezeichnung Freiberufler gefällt mir irgendwie besser«, sagte er. »Bleiben wir doch dabei. Aber gut, reden wir nicht länger um den heißen Brei herum: Was genau wollen Sie hier?«
»Antworten«, sagte ich. »Antworten bezüglich einer Serie von Raubüberfällen, die in den letzten Tagen und Wochen in Ohio stattgefunden haben.«
Er zuckte die Schultern. »Raubüberfälle? Als ob ich ein Experte bezüglich dieses Themas wäre. Aber gut, ich muss zugeben, ich habe davon gehört. Was nicht bedeuten soll, dass ich etwas damit zu tun habe oder etwas darüber wissen würde.«
»Tatsächlich? Wir dachten, dass Sie und Ihre Bloodhounds dahinterstecken«, sagte Phil. »Zumindest gehen unsere Kollegen hier in Cincinnati davon aus.«
»Dann ist es ja gut, dass im amerikanischen Rechtssystem die Unschuldsvermutung gilt«, sagte Ottalawa und lächelte.
Ein erfahrener Gangster, ganz klar. Vom Boss einer kriminellen Organisation hatten wir nichts anderes erwartet. Wir mussten geschickt vorgehen und das Gespräch weiterführen, nur dann hatten wir eine Chance, etwas aus ihm herauszubekommen.
»Und was genau soll das bedeuten?«, fragte Phil. »Stecken Sie hinter den Überfällen?«
»Nein«, antwortete Ottalawa ohne Umschweife. »Damit habe ich nichts zu tun. Und auch keiner meiner Männer. Wenn Sie hier sind, um deswegen bei uns zu ermitteln, sind Sie umsonst gekommen.«
»Haben Sie eine Idee, wer dahintersteckt?«, wollte ich wissen.
Er lächelte. »Das herauszufinden ist doch eigentlich Ihre Aufgabe, dafür werden Sie ja bezahlt. Aber wenn Sie schon mal hier sind und fragen: Sie sollten mit den Shiraha reden. Die werden sicher nicht sofort gestehen, aber ich denke, dass Sie dort richtig sind.«
»An den Überfällen waren, soweit wir das herausfinden konnten, keine Asiaten beteiligt«, sagte ich.
Er überlegte einen Augenblick, bevor er etwas erwiderte. »Mag sein, die haben ja nicht nur Schlitzaugen in ihrer Gang. Vielleicht ist das ein Trick, um von sich abzulenken, was weiß ich.«
»Was sagen Sie denn dazu, dass die Shiraha in Ihrem Bereich wildern?«, fragte Phil.
Das Lächeln verschwand kurz aus seinem Gesicht, dann war es wieder da. »Was meinen Sie mit unserem Bereich?«
»Wir sind doch erwachsen und müssen nicht um den heißen Brei herumreden, wie Sie es bereits treffend formuliert haben«, sagte Phil. »Unsere Kollegen sagten uns, dass die Überfälle teilweise im Bloodhound -Territorium stattfanden. Stört Sie das nicht?«
Es war zu erkennen, dass ihm das überhaupt nicht gefiel. Auch wenn er das zu verbergen suchte, war das ganz klar.
»Gut, reden wir Klartext«, sagte er ernst. »Wenn jemand in unserem Gebiet aktiv wird, muss er mit Konsequenzen rechnen. Und darauf wird es wahrscheinlich hinauslaufen, wenn die Shirahas nicht langsam damit aufhören. Ich bin ein geduldiger Mann, aber ich bin der Kopf einer Gruppe. Und wenn sich unter den Gruppenmitgliedern Unmut breitmacht, dann bin ich gezwungen, etwas zu unternehmen. Wenn Sie also Mister Huan, den Boss der Shiraha , treffen, bestellen Sie ihm schöne Grüße von mir. Wenn das FBI seine Leute nicht bald schnappt, wird er mehr Ärger bekommen, als er sich vorstellen kann.«
»Das ist doch mal eine konkrete Aussage«, meinte Phil. »Es tut gut, so offen mit jemandem reden zu können. Vielen Dank.«
»Kein Problem«, erwiderte Ottalawa. »Wenn Sie die Sache regeln, muss ich mich nicht darum kümmern. Und wenn nicht … nun, das werden Sie dann sehen.«
Wir hatten gehört, was wir hören wollten. Ottalawa hatte seine Position deutlich gemacht. Entsprechend verabschiedeten wir uns und wurden aus dem Gebäude geführt.
»Wenn wir nichts unternehmen, werden die das Problem wohl unter sich ausmachen«, sagte Phil, als wir wieder im Auto saßen.
Ich nickte. »Ja, wenn Ottalawa die Wahrheit gesagt hat. Da bin ich mir nicht so sicher. Klar ist nur, dass er die Shiraha nicht leiden kann. Vielleicht ist das alles nur ein geschicktes Manöver, damit wir das Problem mit der Konkurrenz für ihn aus der Welt schaffen.«
»Möglich«, meinte Phil nachdenklich. »Ich bin mir bei ihm auch nicht sicher – wobei ich eher dazu tendiere, ihm zu glauben, dass die Bloodhounds nichts mit den Überfällen zu tun haben.«
»Wir werden sehen«, sagte ich.
Wir fuhren zurück zum Field Office und erstatteten Dogget und Mr High Bericht. Anschließend machten wir uns auf den Weg nach Cleveland, um das Hauptquartier der Shiraha aufzusuchen. Ich war gespannt, was deren Boss zu der Angelegenheit zu sagen hatte.
***
Willson und Fortesque hatten die Bank in Pickerton, südöstlich von Columbus, erreicht und suchten die Stelle, an der sich einer der Bankräuber verletzt hatte.
»Hoffentlich finden wir die Stelle, die Mai-Lin uns auf der Videoaufnahme gezeigt hat, schnell«, bemerkte Fortesque. »Und hoffentlich hat der Kerl wirklich geblutet und etwas für uns hinterlassen.«
»Das werden wir in wenigen Augenblicken wissen«, erwiderte Willson.
Ein Mitarbeiter der Bank half ihnen bei der Suche. Da er sich auskannte, dauerte es nicht lange.
»Hier muss es sein«, sagte er.
Willson nickte und holte die Schwarzlichtlampe heraus, um nach Blut zu suchen. Und tatsächlich, an der Stelle, wo sich der Mann verletzt hatte, wurde er fündig.
»Ist nicht viel«, sagte Fortesque. »Hoffentlich reicht es, um die DNA vernünftig nachweisen zu können.«
»Ja, das könnte knapp werden«, sagte Willson und machte sich an die Arbeit.
Anschließend suchte er noch die unmittelbare Umgebung ab, konnte aber keine weiteren Blutspuren finden.
»Das war es dann also«, sagte er. »Bin gespannt, was wir herausfinden.«
***
Dogget hatte uns einen Hubschrauber zur Verfügung gestellt, um schnell nach Cleveland zu kommen. Vom dortigen Field Office fuhren wir mit ein paar Agents zum Hauptquartier der Shiraha .
Statt in einer alten Fabrikhalle hatten sie sich in einem angesagten Nachtclub eingenistet. Da wir am Nachmittag bei ihnen ankamen, war dieser aber noch nicht geöffnet.
Als wir die Location betreten hatten und zum Boss der Shiraha geführt wurden, kamen wir an einer Bühne vorbei, auf der einige Damen einen Dance Act einprobten.
»Sehr gelenkig«, flüsterte Phil mir zu, der den jungen Frauen ebenfalls einen Blick zugeworfen hatte.
Ich lächelte. »Ja, kann man sagen, keine Frage.«
Auf der Bühne entdeckte ich keine einzige Asiatin. Die Männer allerdings, die uns zu ihrem Boss führten, und auch diejenigen, die wir sonst im Club gesehen hatten, konnten ihre asiatische Herkunft nicht leugnen. Das galt auch für den Boss, Joe Huan, der von allen nur Mister Huan genannt wurde.
Er hatte nur einen Leibwächter, einen stämmigen Mann, der sicher zweihundertfünfzig Pfund auf die Waage brachte, ein absolutes Muskelpaket. Neben dem Boss saß ein schmächtiger Typ, der uns als Chen Miller vorgestellt wurde und wohl eine beratende Funktion innehatte.