Jerry Cotton Sammelband 7 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sammelband 7 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sammelband 7: Fünf actiongeladene Fälle und über 300 Seiten Spannung zum Sparpreis!

G-Man Jerry Cotton hat dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt! Von New York aus jagt der sympathische FBI-Agent Gangster und das organisierte Verbrechen, und schreckt dabei vor nichts zurück!

Damit ist er überaus erfolgreich: Mit über 3000 gelösten Fällen und einer Gesamtauflage von über 850 Millionen Exemplaren zählt er unbestritten zu den erfolgreichsten und bekanntesten internationalen Krimihelden überhaupt! Und er hat noch längst nicht vor, in Rente zu gehen!

In diesem Sammelband sind 5 Krimis um den "besten Mann beim FBI" enthalten:

2810: Bist du der Nächste?

2811: Auf eigene Rechnung

2812: Unerwünschte Einmischung

2813: Bilder töten nicht

2814: Wenn Haie lächeln

Jerry Cotton ist Kult - und das nicht nur wegen seines roten Jaguars E-Type.

Jetzt herunterladen und garantiert nicht langweilen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 658

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotive von © shutterstock: Flik47 | lfH ISBN 978-3-7325-7017-1

Jerry Cotton

Jerry Cotton Sammelband 7 - Krimi-Serie

Inhalt

Jerry CottonJerry Cotton - Folge 2810Brandon Forester war ein aussichtsreicher Kandidat für das Amt des Bürgermeisters von New York - bis er vor laufender Kamera aus nächster Nähe erschossen wurde. Sein Leibwächter tötete den Attentäter. Eine klare Sache - so sah es auf den ersten Blick aus, doch im Leben des Täters gab es keinerlei Hinweise, warum er die Tat begangen hatte. In seinem Blut fand man allerdings Spuren einer völlig neuen Droge, die Phil und mich in die Vergangenheit und zu unmenschlichen Experimenten führte...Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2811Eigentlich wollten Phil und ich Urlaub in Las Vegas machen, doch Mr High bat uns um einen kleinen Gefallen. Wir sollten einen Abstecher in das eine Fahrtstunde von Las Vegas gelegene Sandy Valley machen und uns dort einmal umschauen. Der Bürgermeister, ein alter Freund von Mr High, hatte in einem Telefonat so vage Andeutungen gemacht. Für Phil und mich wurde der Abstecher ein Trip in die Hölle ...Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2812Die Terry Wapping Stiftung kümmerte sich um die Resozialisierung entlassener Straftäter - und das sehr erfolgreich. Doch irgendjemand schien das gar nicht zu gefallen. Ein Festbankett der Gesellschaft wurde von Gangstern gestürmt und zurück blieb ein Toter. Zwei weitere hochrangige Mitglieder des Stiftungsrats waren entführt worden. Schnell stellte sich bei unseren Nachforschungen heraus, dass bei der Stiftung nicht alles so war wie es sein sollte...Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2813Ein anonymer Anrufer versprach uns sensationelle Enthüllungen über ein Millionending, das am Laufen wäre. Phil und ich hielten nicht viel davon, waren aber doch bereit, uns mit dem Mann nachts um 10 Uhr an einer einsamen Ecke auf der Lower East Side zu treffen. Wir waren pünktlich, der Informant auch und die Killer ebenfalls, die ihn, bevor wir mit ihm reden konnten, aus einem fahrenden Auto heraus erschossen ...Jetzt lesen
Jerry Cotton - Folge 2814Ein Gerücht ging um in New York: Der "Pate" sei zurückgekehrt. Der "Pate" war ein geheimnisvoller Unterweltboss, der sich vor drei Jahren unserem Zugriff durch Flucht entzogen hatte. Wir glaubten nicht so recht daran, doch dann brach ein erbitterter Kampf zwischen den Gangsterbanden aus und alles deutete daraufhin, dass ein neuer Machtfaktor das Gleichgewicht der Kräfte störte ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Bist du der Nächste?

Vorschau

Bist du der Nächste?

Brandon Forester, einer der aussichtsreichsten Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters, hatte gerade seine Rede beendet. Die Menschenmasse, die auf dem Platz nahe Ground Zero zusammengekommen war, um ihn zu hören, jubelte. Tausende von Menschen, die seine Wahl unterstützen würden. Bei den Umfragen war er der klare Favorit. Ein Selfmademan von Ende fünfzig, jemand, der den amerikanischen Traum gelebt hatte und der konservative Werte wie Familie und Ehre als Wahlslogans nutzte.

Er strahlte der begeisterten Masse entgegen und wollte gerade von der Bühne gehen, als ihm ein junger Mann entgegenkam. Foresters Leibwächter warf ihm einen fragenden Blick entgegen. Doch Forester winkte ab. Er wollte den Kontakt zu seinen Wählern, den Bürgern der großartigsten Stadt der Welt.

Der junge Mann stellte sich vor ihn und schaute ihn an. Forester wollte ihm gerade die Hand geben, da sah er etwas in den Augen des jungen Mannes, das ihm Angst einflößte. Und im nächsten Augenblick schaute er in die Mündung einer Pistole. Aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie sein Leibwächter die Waffe zog, doch es war zu spät. Der junge Mann drückte ab und beendete Foresters Leben. Die Verkörperung des amerikanischen Traumes hatte ein jähes Ende gefunden.

Und während Foresters Frau auf die Bühne rannte, dem leblosen Körper ihres Mannes entgegen, durchlöcherte sein Leibwächter den Attentäter. Innerhalb weniger Sekunden waren zwei Menschen gestorben. Und halb New York hatte das Geschehen live oder im Fernsehen verfolgt.

***

»Das gibt es doch nicht!«, rief Phil geschockt und starrte auf den Fernseher. »Das ist unglaublich! Der hat ihn einfach erschossen – vor laufenden Kameras!«

Wir hatten gerade in einem Coffeeshop etwas gegessen, als sich der Mord ereignete. Nach Phils Worten herrschte unter den Gästen und Angestellten des Lokals Totenstille. An ihren Gesichtern konnte ich erkennen, dass sie genauso schockiert waren wie Phil und ich. Einer jungen schwarzen Frau liefen Tränen die Wangen herunter. Der Mann an der Theke verschüttete die Milch, die er gerade in eine Tasse goss. Es war eine gespenstische Szene.

»Es ist unfassbar«, sagte ich und spürte den inneren Impuls, sofort aufzuspringen und den Täter zur Strecke zu bringen. Doch der war bereits tot. Erschossen vor den Augen der Bürger New Yorks.

Dutzende von Fragen hämmerten in meinem Kopf. Wer war der Täter? Warum hatte er das getan? Wie würde die Bevölkerung reagieren? Brandon Forester war ein beliebter Mann gewesen, der aussichtsreichste Kandidat für den Posten des neuen Bürgermeisters. Die Wahl stand kurz bevor – in drei Tagen war es so weit. Das, was gerade geschehen war, veränderte alles. Ein rechtschaffener Mann wie er, erschossen vor den Augen seiner Frau und seiner Wähler. Ich wagte kaum, mir auszumalen, was das für die Stimmung in der Stadt bedeuten würde. Die Konsequenzen waren unabsehbar.

Als mein Handy klingelte, ging ich dran, während ich gleichzeitig gebannt auf den Fernseher starrte.

»Ja?«, meldete ich mich.

Mr High war am Apparat. Seine Stimme klang erschüttert. »Jerry, haben Sie mitbekommen, was gerade geschehen ist?«

»Ja, Sir, das habe ich«, antwortete ich.

»Fahren Sie bitte sofort zum Tatort«, sagte Mr High. »Je schneller wir handeln, desto besser.«

Er legte auf. Ich schaute noch einige Sekunden auf den Fernseher, legte dann fünf Dollar auf dem Tisch und gab Phil einen Stoß. »Wir müssen los!«

Er nickte stumm. Dann machten wir uns auf den Weg zum Ground Zero.

***

Kurz bevor wir den Tatort erreicht hatten, meldete sich Mr High noch mal. Ich stellte die Freisprechanlage im Jaguar an.

»Jerry, Phil, ich habe inzwischen weitere Informationen eingeholt und geklärt, dass Sie den Fall untersuchen. Wir müssen herausfinden, was genau vorgefallen ist und was die Hintergründe der Tat waren. Und bitte – gehen Sie mit Fingerspitzengefühl vor!«

»Geht klar, Sir«, antwortete ich. »Wir sind in fünf Minuten vor Ort und kümmern uns darum.«

Mr High beendete das Gespräch.

Phil schaute mich an. »Da wir den Täter bereits gefasst haben, sieht das nach einem recht einfachen Fall aus. Im Fernsehen hatten sie gesagt, dass der Mann angeschossen worden sei. Es schien mir nicht klar zu sein, ob er seinen Verletzungen erlegen ist. Wenn er noch lebt, hat er auf jeden Fall eine Menge zu erklären.«

»Fälle mit einer derartigen politischen Brisanz haben die Tendenz, nicht so einfach zu sein, wie es scheint«, antwortete ich nachdenklich. »Die Bevölkerung will wissen, warum der Täter das getan hat. Und wir müssen bei den Ermittlungen aufpassen, dass wir nicht ins Fettnäpfchen treten. Eine falsch formulierte Frage und irgendein hohes Tier ruft beim Bürgermeister an, der sich bei Mister High beschweren wird.«

»Der wird uns schon den Rücken freihalten«, meinte Phil. »Gehen wir einfach gemäß dem Lehrbuch vor und machen unseren Job.«

Ich parkte den Jaguar in der Nähe des Ground Zero und ging dann mit Phil zur Rednertribüne. Das NYPD hatte den Tatort bereits gesichert und weiträumig abgesperrt. Menschen liefen wie in einem Ameisenhaufen durcheinander. In ihren Gesichtern war der Schock über das, was geschehen war, noch zu erkennen.

Direkt neben dem Rednerpult lag die Leiche von Brandon Forester. Man hatte seinen leblosen Körper mit einer weißen Plane abgedeckt. Ein kurzer Blick unter die Plane zeigte mir, dass er zweimal getroffen worden war, direkt in die Brust.

Ein paar Meter weiter lag der Schütze, ebenfalls unter einer Plane.

»Der wird uns wohl nicht mehr viel erzählen können«, sagte Phil.

»Was es uns nicht einfacher macht«, bemerkte ich und zog die Plane zur Seite.

Das blasse Gesicht des jungen Mannes wirkte unschuldig. Er sah aus wie jemand, der keiner Fliege etwas zuleide tun könnte. Und trotzdem hatte er gerade einen Menschen erschossen. Kaltblütig und in aller Öffentlichkeit. Ich schätzte sein Alter auf etwa zwanzig. Ein junger Kerl also, der sein Leben eigentlich noch vor sich gehabt hatte.

Phil hatte von einem der anwesenden Cops erfahren, dass bisher noch niemand die Leiche des Attentäters angefasst hatte. Ich zog meine Gummihandschuhe an und durchsuchte seine Taschen. Neben einer Packung Taschentücher und Patronen, die wahrscheinlich zu seiner Waffe passten, hatte er seine Brieftasche dabei. Ich stand auf und sah sie durch.

»Marc Manigan, zwanzig Jahre alt, wohnhaft in Queens«, sagte ich zu Phil und zeigte ihm den Führerschein.

»Fast noch ein Kind«, bemerkte Phil.

»Ein Kind mit einer Waffe«, fügte ich hinzu. »Ich bin gespannt darauf, was für ein Motiv er hatte. Was ihn dazu gebracht hat, sein Leben zu opfern, um Forester zu ermorden.«

»Vielleicht wollte er berühmt werden, wie der Mörder von John Lennon. Oder er gehörte einer militanten Studentenvereinigung an«, mutmaßte Phil. »Ich kann mir vorstellen, dass es eine Menge Gründe geben könnte.«

»Das werden wir herausfinden«, sagte ich.

***

Inzwischen war die Crime Scene Unit angerückt. Dr. Gassettes schaute sich kurz um und kam dann auf uns zu. Sie hatte, genau wie die anderen Mitarbeiter ihres Teams, einen weißen Spezialanzug an, um den Tatort nicht zu kontaminieren.

»Jerry, Phil, guten Morgen«, begrüßte sie uns mit einem unruhigen Ausdruck in ihrem Gesicht. »Ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich einen Mord live miterlebt habe.«

»Kann einen ganz schön mitnehmen«, erwiderte ich. Ich konnte ihr ansehen, wie sie sich fühlte.

»Die Todesursache von Forester ist ja wohl klar«, sagte Phil.

Ich nickte. »Trotzdem benötigen wir detaillierte Untersuchungen, sowohl des Opfers als auch des Täters. Unsere Ermittlungen finden diesmal sozusagen unter den Augen der Öffentlichkeit statt. Man wird alles, was wir tun, unter dem Mikroskop betrachten. Und wie die Menschen so sind, wird man dabei vor allem auf die Fehler achten.«

Dr. Gassettes blickte kurz zu mir und dann zur Leiche von Forester. »Ich werde mein Bestes tun – auch wenn ich keine besonderen Überraschungen erwarte. Mein Team sichert alle Spuren und dann werde ich sowohl bei Forester als auch bei seinem Mörder eine Autopsie vornehmen. Weiß man schon, warum der junge Mann geschossen hat? Hatte er einen Brief oder so etwas dabei?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, keine Ahnung.«

»Aber das werden wir schon herausfinden«, fügte Phil hinzu.

Dr. Gassettes ging ihrer Arbeit nach und ich folgte Phil zum Leibwächter von Forester, dem Mann, der auf Marc Manigan geschossen hatte. Einer der NYPD-Officers hatte Phil informiert, dass man ihn aufgefordert hätte, sich für ein Gespräch mit uns zur Verfügung zu halten. Sein Name war Kato Reuser.

»Sie waren der Leibwächter von Mister Forester?«, fragte Phil den mittelgroßen, muskulösen Mann. Er hatte einen kräftigen Hals und kurze, dunkle Haare. Sein Aussehen hatte etwas von einem US-Marine.

»Ja, war ich«, sagte er niedergeschlagen. »Und wenn ich meinen Job besser gemacht hätte, wäre ich es immer noch.«

»Als Bodyguard hat man keine leichte Aufgabe«, sagte ich. »Wir sind die Agents Decker und Cotton, FBI. Die Ermittlung der vorliegenden Angelegenheit wurde uns übertragen. Um uns ein Bild machen zu können, würden wir gerne von Ihnen hören, wie sich der Anschlag zugetragen hat.«

Er schaute mich an und drückte seine Hände, die ein wenig zitterten, zusammen. Nachdem er Phil ebenfalls gemustert hatte, legte er los. »Die ganze Rede lief wie besprochen, ohne irgendwelche unerwarteten Vorkommnisse. Ich hatte die Bühne und die Zuschauer gut im Blickfeld. Dann, kurz vor Ende, kam auf einmal dieser Typ auf die Bühne. Ich wollte mich gerade um ihn kümmern, da gab mir Mister Forester ein Zeichen. Er wollte, dass ich ihn durchlasse. Mir behagte das gar nicht. Aber er ist nun mal der Chef. Badete gern in der Masse und hatte gern Menschen um sich. Gut für einen Politiker, aber ein Alptraum für einen Bodyguard. Na ja, jedenfalls habe ich den jungen Mann unbehelligt auf Forester zugehen lassen. Und dann passierte es. Ohne Vorwarnung, ohne mit der Wimper zu zucken, zog er eine Waffe heraus und schoss. Ich war zu langsam. Bis ich ihn erwischt hatte, war Forester schon getroffen zusammengebrochen. Er war sofort tot.«

»Und der Schütze?«, fragte Phil. »Konnte er noch etwas sagen?«

Reuser schüttelte den Kopf. »Nein, er blieb am Boden liegen, keuchte noch schwach und war dann tot. Kein Wort kam über seine Lippen. Ich hatte sogar den Eindruck, dass er lächelte. Aber vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet.«

»Möglicherweise hat er sich gefreut, sein Ziel erreicht zu haben«, überlegte Phil laut.

»Kann sein«, antwortete Reuser. »Aber wie gesagt, ich kann mich diesbezüglich auch täuschen. Das ging alles so verflucht schnell. Gerade noch war alles in Ordnung, und dann brach die Hölle los. Forester war getroffen und ich habe einen Menschen getötet. Alles innerhalb weniger Sekunden.«

Die Angelegenheit hatte ihn offensichtlich ziemlich mitgenommen. Aber darauf konnten wir jetzt keine Rücksicht nehmen. Er würde in ein paar Tagen, wenn sich der Rummel gelegt haben würde, noch genug Zeit haben, alles zu verarbeiten.

»Hatten Sie den Eindruck, dass der Attentäter allein gehandelt hat? Oder haben Sie gesehen, dass er mit jemand anderem Kontakt hatte oder ihn jemand unterstützt hat?«, fragte ich.

Reuser hob den Kopf und schaute mich an. »Bevor er auf die Bühne gekommen ist, war er mir überhaupt nicht aufgefallen. Ich kann also nicht sagen, ob er allein war. Daran habe ich bislang auch noch nicht gedacht.«

»Wir wollen nur alle möglichen Szenarios überprüfen und sicherstellen, dass uns nichts entgeht«, sagte ich und reichte ihm meine Visitenkarte. »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an. Jemand wird Sie gleich zum FBI-Gebäude fahren, damit Sie dort Ihre Aussage zu Protokoll geben können.«

»Natürlich«, antwortete Reuser und setzte sich auf einen Stuhl.

Phil nahm mich zur Seite. »Das nimmt den armen Kerl ja ganz schön mit.«

»Kein Wunder«, erwiderte ich. »Es ist niemals leicht, einen Menschen zu töten. Und diesmal war er damit sogar zu langsam. Ich will mir auf jeden Fall seine Akte anschauen. Es sieht nicht so aus, als hätte er was mit der Sache zu tun, aber ich will sichergehen, dass wir nichts übersehen. Das können wir später im Büro erledigen.«

Phil nickte zur Bestätigung.

Ich schaute mich am Tatort um. Dort, wo vorhin noch Hunderte von Menschen gestanden hatten, lagen jetzt nur noch ein paar Wahlplakate herum. Die Menge hatte die Szene panikartig verlassen, nachdem die Schüsse gefallen waren. Auf der Tribüne war außer den beiden Leichen, den Mitarbeitern der Crime Scene Unit, ein paar Cops, Kato Reuser, Phil und mir niemand mehr.

»Wo sind die Mitarbeiter von Forester? Und seine Frau?«, fragte ich Phil.

»Der NYPD-Officer, mit dem ich gesprochen hatte, meinte, dass sie den Bereich relativ schnell verlassen hatten. Angeblich aus Sicherheitsgründen«, antwortete Phil.

»Ich hoffe, dass wenigstens ihre Personalien aufgenommen wurden«, erwiderte ich.

»Davon gehe ich aus«, sagte Phil. »Sollen wir die Ermittlungen im Umkreis von Forester fortsetzen? Oder uns erst den Attentäter vornehmen?«

»Erst den Attentäter«, entgegnete ich. »Falls er Komplizen hatte, werden die versuchen unterzutauchen. Je schneller wir sind, desto besser.«

»Wobei es im Moment danach aussieht, als hätte er allein gehandelt«, meinte Phil.

»Das ist wahr«, sagte ich. »Aber wer weiß, was wir finden, wenn wir sein Umfeld genauer unter die Lupe nehmen. Wir sollten bei seiner Familie und der Mordwaffe ansetzen. Hat die Crime Scene Unit sie schon sichergestellt?«

»Ich prüfe das gleich mal nach«, sagte Phil und ging zu Dr. Gassettes, die ein paar Meter weiter ihrer Arbeit nachging.

»Ja, ist sichergestellt. Eine Pistole. Älteres Modell. Wird gleich im Labor nach Fingerabdrücken untersucht. Vielleicht gibt es ja neben denen von Marc Manigan noch andere«, sagte Phil, als er zu mir zurückgekommen war.

»Gut, dann werden wir als Nächstes die Wohnung von Manigan in Augenschein nehmen«, sagte ich.

***

Marc Manigans Wohnung befand sich in Queens, in der Ashby Avenue, die im Osten direkt an den Flushing Cemetery angrenzte. Eine nette Wohngegend mit vielen schönen Häusern, die zumeist nur zwei oder drei Stockwerke hatten. Im Moment war hier alles ruhig. Aber das würde sich ändern, sobald die Presse den Namen des Attentäters erfuhr. Dann würde es hier von Reportern und Übertragungswagen der Fernsehsender wimmeln.

Neben Manigan wohnten – was man anhand der Klingelschilder erkennen konnte – noch drei andere Parteien in dem Haus. Wir klingelten zuerst bei Manigan. Vielleicht hatte er einen Mitbewohner. Doch es erfolgte keine Reaktion. Auch in der nächsten Wohnung reagierte niemand. Erst bei der übernächsten schepperte die Stimme einer alten Frau aus der Gegensprechanlage.

»Wer ist da?«, fragte sie.

»Agents Cotton und Decker vom FBI«, antwortete Phil.

»Ich habe nichts bestellt«, kam die unerwartete Antwort.

»Würden Sie uns bitte die Tür öffnen, wir wollen zur Wohnung von Mister Manigan«, sagte Phil ruhig.

Zuerst geschah nichts. Dann öffnete sich die Haustür und vor uns stand eine gebeugte alte Dame von schätzungsweise achtzig Jahren. Sie trug ein Kleid, das vor dreißig Jahren bestimmt modern gewesen war, und hatte sich eine Decke mit Tigermuster darübergeworfen.

»Ich habe wirklich nichts bestellt«, versuchte sie uns klarzumachen.

»Das glaube ich Ihnen«, erwiderte Phil und hob seine Dienstmarke hoch, sodass die alte Dame sie sehen konnte. »Wir sind Agents vom FBI und wollen zur Wohnung von Marc Manigan.«

Sie setzte ihre Brille auf, hinter der ihre Augen riesig aussahen, und musterte Phils Marke genau.

»Die sieht sehr schön aus. Aber ich habe schon genug Schmuck«, antwortete sie.

Phil zog die Marke zurück. »Wir wollen Ihnen nichts verkaufen.«

Er schien langsam die Geduld zu verlieren, als die alte Dame plötzlich sagte: »Mister Manigan ist nicht da.«

»Das wissen wir«, sagte ich.

»Wollen Sie in seiner Wohnung auf ihn warten?«, fragte die Dame.

»Gerne«, antwortete ich.

»Dann kommen Sie mal mit«, sagte sie und ging voraus, Richtung Treppe. Schneller als man es von ihr erwartet hätte, stieg sie die Treppenstufen zur ersten Etage hinauf und holte einen großen Schlüsselbund heraus. Dann öffnete sie die Tür zur rechten Wohnung.

»Mister Manigan wird bestimmt gleich kommen«, sagte sie. »Nehmen Sie doch so lange Platz!«

Sie ließ uns eintreten und ging wieder die Treppe hinunter.

»Und ich dachte, ich müsste die Tür wieder mit meinem Werkzeug öffnen«, sagte Phil.

»So ist es doch viel eleganter«, kommentierte ich und zog meine Waffe. Phil tat es mir gleich.

Wir gingen in die Wohnung. Es war nicht wahrscheinlich, dass sich hier jemand befand, aber wir waren vorsichtig. Bei jemandem, der ein kaltblütiges Attentat auf einen hochrangigen Politiker durchführte, war alles möglich.

Die Wohnung war nicht sehr groß, vielleicht vierzig Quadratmeter. Neben einem kleinen Bad und einem Wohnzimmer gab es noch einen kleinen Schlafraum. Es sah nicht besonders ordentlich aus. Auf den Schränken und Regalen war eine deutlich zu erkennende Staubschicht. Überall lagen CDs und DVDs herum, im Badezimmer befanden sich ein paar Erotik-Magazine. Allein die Bücher, die sich im Wohnzimmer auf einem Wandregal befanden, waren nach der Größe sortiert. Nach der auch auf ihnen befindlichen Staubschicht zu urteilen, waren sie schon länger nicht mehr gelesen worden.

Frei von Staub war das Notebook, das auf einem Schreibtisch im Wohnzimmer stand. Dort, wo die Handballen auflagen, war die Kunststoffoberfläche verfärbt. Das Gerät hatte Manigan wohl intensiv genutzt.

Ansonsten fanden wir nichts Interessantes. Keine Drogen, keine Medikamente, kein Hinweis auf Brandon Forester.

»Vielleicht ergeben sich bei der Durchsuchung seiner Computerdateien oder E-Mails verwertbare Hinweise«, meinte Phil.

Ich nickte. »Wäre möglich. Die Crime Scene Unit soll die Wohnung untersuchen und vom Notebook eine Sicherheitskopie erstellen. Dann können wir damit arbeiten.«

Ich nahm mein Handy heraus und forderte die Kollegen von der Scientific Research Division an, um die angesprochenen Untersuchungen durchzuführen. Dann informierte ich Mr High über den aktuellen Stand der Ermittlungen.

»Kein Hinweis auf Forester?«, fragte Mr High.

»Nein, nichts«, antwortete ich. »Mit etwas Glück finden wir über seinen Computer und seine Internet-Kontakte mehr heraus. Ich habe bereits mit der Crime Scene Unit koordiniert, dass sie ein Team hierherschicken.«

»Gut, dann kümmern Sie sich jetzt erst mal um die Familie von Forester. Ich lasse Ihnen die Adresse der Foresters zukommen. Wie mir mitgeteilt wurde, ist Fleur Forester, die Frau des Opfers, nach Hause gebracht worden. Vielleicht hat sie sachdienliche Informationen. Um die Wohnung von Manigan zu sichern, habe ich bereits Unterstützung vom NYPD angefordert. Die Kollegen sollten bald bei Ihnen sein.«

»Geht klar«, antwortete ich und beendete das Gespräch.

»Und, was hat er gesagt?«, fragte Phil.

»Wir sollen der Witwe einen Besuch abstatten«, antwortete ich.

»Bin gespannt, was uns da erwartet«, sagte Phil.

»Tränen«, erwiderte ich. »Viele Tränen!«

***

Die Foresters besaßen ein kleines Anwesen in schöner Lage auf Staten Island, auf der Meeker Street. Als wir dort ankamen, sahen wir, dass das Haus direkt an den Wald grenzte. Eine ruhige Wohngegend für Leute, die es sich leisten konnten. Forester war kein armer Mann gewesen. Gemäß den Recherchen, die Phil während der Fahrt angestellt hatte, stammte Forester aus einer wohlhabenden Familie und hatte sein Vermögen durch ein von ihm aufgebautes Softwarehaus enorm vergrößert. Er zählte zu den 500 reichsten Einwohnern New Yorks. Wir hatten noch nicht herausgefunden, wer das Vermögen erben würde, aber falls es kein Testament gab, war die Ehefrau beziehungsweise Witwe in der Erbfolge die erste Person. Wäre Brandon Forester unter anderen Umständen ums Leben gekommen, wäre sie die Hauptverdächtige. Aber beim vorliegenden Fall war es nicht sehr wahrscheinlich, dass sie etwas mit dem Attentat zu tun hatte. Es sei denn, sie hätte Kontakt zu Marc Manigan gehabt – worauf bisher nichts hindeutete.

Vor dem Haus der Foresters standen bereits viele Autos, vor einer provisorischen Absperrung drängten sich die Übertragungswagen der Rundfunksender. Entsprechend parkte ich den Jaguar ein paar hundert Meter entfernt.

»Ruhige Fälle, bei denen die Presse keinen Wirbel veranstaltet, sind mir lieber«, sagte Phil, als wir auf das Anwesen zugingen.

»Mir auch«, stimmte ich zu.

Als wir die Absperrung um das Anwesen erreicht hatten, zeigte ich einem Cop meine Marke.

»Alles klar, Sie können durch«, sagte er und ließ uns passieren.

Auf dem Weg zur Haustür warf ich einen Blick auf die Autos, die in der Einfahrt standen. Alles teure Edelkarossen, meist europäische Fabrikate.

»Geld scheint für die Familie und deren Bekannte kein Problem zu sein«, sagte Phil, der meinen Blicken gefolgt war.

»Nein, sieht nicht so aus«, erwiderte ich. »Aber manchmal trügt der Schein.«

An der Haustür angekommen wollte ich gerade klingeln, als uns ein Butler die Tür öffnete. Er war, abgesehen von seiner schwarzweiß gestreiften Weste, völlig in Schwarz gekleidet, wobei ich mir nicht sicher war, ob das seine normale Kleidung war oder er sich entsprechend dem Trauerfall so gekleidet hatte.

»Wen darf ich melden?«, fragte er mit leicht nasaler Stimme.

»Agents Cotton und Decker, FBI«, antwortete Phil und zeigte seine Marke. »Wir möchten zu Fleur Forester.«

»Ich werde Sie anmelden. Wenn Sie einen Augenblick Platz nehmen würden!«, sagte der Butler und deutete auf ein breites, dunkelbraunes Ledersofa im Eingangsbereich.

»Gerne«, antwortete Phil und setzte sich. Ich blieb stehen.

»Schönes, weiches Leder«, bemerkte Phil, als er sich gesetzt hatte und mit einer Hand über das Sofa strich.

»Kostet wahrscheinlich mehr, als du in einem Monat verdienst«, erwiderte ich und schaute mich um. Der Eingangsbereich des Hauses war – mit Ausnahme des Sofas – in hellen Farben gehalten. Der Boden war mit weißen Marmorplatten ausgelegt, die Wände in Weiß verputzt. Der Butler war durch eine breite, hellbeige Tür verschwunden. Eine weitere Tür im gleichen Farbton, die etwas schmaler war, befand sich vom Eingang aus gesehen rechts. Sie war geschlossen. Ich vermutete, dass man von dort in den Keller gelangte. Links von der Eingangstür waren Schränke in die Wand eingelassen, die man ohne näher hinzusehen nicht leicht erkennen konnte. Wahrscheinlich für die Garderobe.

»Die Dame des Hauses ist bereit, Sie zu empfangen«, sagte der Butler, als er wenige Augenblicke später wieder auftauchte. Dann machte er ein besorgtes Gesicht. »Ich möchte Sie innigst bitten, der Situation entsprechend umsichtig vorzugehen.«

»Wir sind uns der Situation bewusst«, sagte ich.

Der Butler nickte, bedeutete uns, ihm zu folgen, und ging voran.

Unser Weg führte durch einen breiten Flur, der mit verschiedenen Ölgemälden gesäumt war.

Am Ende des Flurs, der etwa fünfzehn Meter lang war, befand sich ein großer Raum, der Einrichtung nach das Wohnzimmer. Dort saß, in einem großen Ledersessel, eine recht zierliche, schwarz gekleidete Frau. Neben ihr stand ein hochgewachsener, gut aussehender Mann, dessen Aussehen dem von Brandon Forester ähnelte.

»Die Herren Cotton und Decker vom Federal Bureau of Investigations«, stellte uns der Butler vor, verbeugte und entfernte sich.

»Meine Herren«, begrüßte uns die Dame.

»Mistress Forester«, entgegnete ich und trat zu ihr. Sie stand auf und reichte mir die Hand zur Begrüßung. Offenbar war sie nicht so versnobt wie der Butler und erwartete keinen Handkuss.

Nachdem auch Phil ihr die Hand geschüttelt und wir unser Beileid bekundet hatten, begrüßte uns auch der Mann, der neben ihr stand.

»Samuel Forester«, stellte er sich vor. »Ich bin – war der Bruder von Brandon.«

Mrs Forester deutete uns an, Platz zu nehmen, und setzte sich dann selbst wieder hin.

»Gut, dass Sie da sind, meine Herren«, begann Mrs Forester das Gespräch. »Ich nehme an, Sie wollen uns über den aktuellen Stand der Ermittlungen informieren.«

Ich nickte bestätigend. »Das, und wir müssen ein paar Routinefragen mit Ihnen durchgehen. Wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen.«

»Ja, ja, es geht schon«, erwiderte sie. Man konnte sehen, dass sie geweint hatte. Ihr Make-up sah entsprechend aus. Aber wenn sie gegen eine Befragung nichts einzuwenden hatte, war das kein Hinderungsgrund.

»Zuerst würden wir gerne wissen, ob es in letzter Zeit irgendwelche Drohungen gegen Ihren Mann gegeben hat. Drohbriefe, Anrufe etc.«, sagte ich.

Mrs Forester schüttelte den Kopf. »Nein, nicht dass ich wüsste. Aber Brandon hat mir solche Dinge nicht immer erzählt. Er war der Ansicht, dass mich so etwas emotional zu sehr angreifen würde, und hat es selbst gehandhabt. Wobei er in den letzten Tagen guter Dinge war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er von irgendjemandem bedroht wurde.«

»Wenn ich etwas zur Antwort beisteuern könnte«, ergriff Samuel Forester das Wort. »Ich war der Wahlkampfmanager meines Bruders. Und es gab tatsächlich ein paar unangenehme Briefe. Die stellen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Aber es war nichts dabei, das auf eine solche Tat hingedeutet hätte. Das kam für uns alle völlig überraschend. Wenn wir irgendwie geahnt hätten, dass so etwas passieren könnte, hätten wir entsprechende Maßnahmen ergriffen.«

»Das glaube ich Ihnen«, sagte ich zu ihm. »Sie können die Briefe zum New Yorker FBI senden. Wir werden dem dann nachgehen.«

»Wobei der Täter ja feststeht«, kommentierte Mister Forester.

»Das ist korrekt«, bestätigte ich. »Sein Name war Marc Manigan, er war zwanzig Jahre alt, unverheiratet und wohnte in Queens. Bisher sieht es so aus, als wäre er ein Einzeltäter gewesen. Aber wir befinden uns mit den Ermittlungen noch am Anfang. Es wäre möglich, dass noch jemand anders hinter dem Mord steckt. Daher auch meine nächste Frage: Hatte Mister Forester irgendwelche Feinde? Irgendjemanden, der von seinem Tod profitiert?«

Mrs Forester wurde etwas bleicher im Gesicht. »Meinen Sie, jemand hätte den Mord an meinem Mann in Auftrag gegeben? Und dass dieser Manigan dafür bezahlt wurde?« Sie wurde sichtlich unruhiger.

»Mistress Forester«, versuchte ich sie zu beruhigen, »das ist nur eine Möglichkeit, die wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ausschließen können. Bisher sieht es wie die Tat eines einzelnen Mannes aus. Wir wollen nur gründlich arbeiten und nichts übersehen. Daher die Frage.«

Sie überlegte eine Weile. »Aktuell wüsste ich niemanden, mit dem mein Mann Schwierigkeiten hatte. Es gab mal, vor etwa drei Jahren, eine ziemliche Auseinandersetzung mit einem Geschäftspartner, Edward Blake. Da flogen richtig die Fetzen. Mein Mann und Edward hatten zusammen eine Firma aufgebaut, und als es dann richtig gut lief, haben sie sich gestritten. Ich habe alles versucht, um zu schlichten, vor allem, weil ich mit der damaligen Frau von Edward gut befreundet war, aber es war sinnlos. Brandon und Edward redeten nicht mehr miteinander und haben alles über Anwälte geregelt. Das dauerte bis vor etwa zwei Jahren. Danach habe ich von Edward nichts mehr gehört.«

»Oh ja, die Geschichte – ich erinnere mich«, kommentierte Samuel Forester. »Das war ziemlich heftig. Aber ich glaube nicht, dass Blake der Typ Mann ist, der jemanden aus Rache töten lassen würde. Soweit ich mich erinnern kann, waren die damals getroffenen Vereinbarungen zu seinem Vorteil. Außer verletztem Stolz hätte er keinen Grund, meinem Bruder so übel mitzuspielen.«

»Wir werden der Sache auf jeden Fall nachgehen«, versprach ich. »Hatte Ihr Mann sonst irgendwelche Feinde? Oder frühere Rivalen? Irgendjemand, dem Sie einen Mord zutrauen würden?«

Diesmal schüttelte sie den Kopf. »Nein, wirklich nicht. Natürlich gibt es Konkurrenten, ich meine, er befand sich seit Wochen im Wahlkampf, und da geht man nicht gerade zimperlich miteinander um. Aber dabei handelt es sich nur um verbale Schlachten. Wenn die Kameras nicht liefen, haben wir uns mit den anderen Kandidaten sogar mal zum Essen getroffen. Einen Kenny Fields kennen wir auch vom Country Club. Da gab es schon Debatten darüber, was in New York besser laufen könnte. Aber diese Gespräche bewegten sich auf einer ziemlich sachlichen Ebene. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer dieser Männer etwas mit der Sache zu tun hat.«

»Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen«, fügte Samuel Forester hinzu. »In unseren Kreisen gibt es niemanden, dem ich zutrauen würde, an der Planung eines Mordes beteiligt zu sein, absolut niemanden.«

»Darüber hinaus«, sprach Mrs Forester weiter, »würde ich es begrüßen, meinen Mann kurzfristig mit den ihm gebührenden Ehren zu Grabe tragen zu können. Ich kann verstehen, dass Sie Ihren Job machen müssen, und Ihr Pflichtgefühl ehrt sie. Aber ich will in Ruhe trauern. Es mag für Sie den Anschein erwecken, als hätte ich mich gut im Griff. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es mich enorme Überwindung kostet, über dieses Thema zu reden.«

Ihre Hände zitterten, als sie das sagte.

»Das respektieren wir«, versicherte ich ihr. »Und wir wollen Ihre Zeit auch nicht länger in Anspruch nehmen. Falls Ihnen noch etwas einfällt, lassen Sie es uns bitte wissen.«

Wir standen auf, verabschiedeten uns und Samuel Forester begleitete uns zum Ausgang.

»Das ging alles so verdammt schnell. Ich glaube, sie hat noch nicht ganz erfasst, was heute geschehen ist.«

»Das verstehen wir«, sagte ich. »Daher wollen wir sie auch aktuell nicht mit weiteren Fragen strapazieren. Abhängig vom Verlauf der Ermittlungen kommen wir später noch mal auf Sie zu.«

»Dafür stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung«, erwiderte er und gab mir seine Karte.

Wir verließen das Haus, gingen durch die Absperrung und zurück zum Wagen.

»Was meinst du?«, fragte Phil.

»Wir sollten uns nach Absprache mit Mister High diesen ehemaligen Geschäftspartner von Forester vornehmen, Edward Blake. Ansonsten hat uns das Gespräch nicht viel gebracht«, antwortete ich.

»Stimmt«, sagte Phil. »Die einzige Theorie, die ich noch hätte, wäre, dass Mistress Forester ihren Mann loswerden wollte, weil er eine Affäre hatte. Aber das ist recht weit hergeholt. Oder sie hat einen Neuen, wollte sich aber aus finanziellen Gründen nicht scheiden lassen.«

Ich zog die Augenbrauen nach oben. »Dann müssten wir zum einen herausfinden, wer mit wem eine Affäre hatte, und eine Verbindung zu Marc Manigan finden. Wir sollten das Umfeld der Foresters diesbezüglich unter die Lupe nehmen. Wobei ich diese Möglichkeit nicht für wahrscheinlich halte. Wollte Mistress Forester ihren Mann umbringen, hätte sie es dann nicht wie einen Unfall aussehen lassen? Und außerdem machte sie auf mich wirklich den Eindruck einer Witwe, die gerade ihren Mann verloren hat. Davon abgesehen – im Fall einer Scheidung wäre es ihr finanziell bestimmt nicht schlecht gegangen.«

»Was schlägst du also vor?«, fragte Phil, als er in den Wagen einstieg.

»Wir ermitteln zunächst im Umfeld von Marc Manigan weiter«, antwortete ich. »Wenn sich dort entsprechende Anhaltspunkte ergeben, kommen wir wieder auf die Foresters zurück. Bis dahin betrachten wir sie als Opfer, nicht als potenzielle Täter.«

Phil nickte und schaltete den Bordcomputer ein. »Dann wollen wir mal sehen, welche Verwandten Manigan in New York hatte.«

Er tippte auf der Tastatur herum. »Louise und Tom Manigan, seine Eltern – wohnen auch in Queens. Denen sollten wir einen Besuch abstatten. Wobei ich vorher gern etwas essen würde. Das viele Gerede hat mich hungrig gemacht.«

»Dann finde uns mal ein gutes Restaurant, das auf dem Weg liegt«, sagte ich. »Währenddessen werde ich Mister High über den aktuellen Stand der Ermittlungen informieren.«

***

Auf dem Weg nach Queens hielten wir bei der Trattoria Romana, 1476 Hylan Boulevard.

Als wir das Lokal betraten, kam uns ein junger Kellner entgegen, der offensichtlich italienischer Abstammung war. »Guten Tag, meine Herren, würden Sie mir bitte folgen?«

Er ging voran, führte uns zu einem freien Tisch und reichte uns, nachdem wir uns gesetzt hatten, die Speisekarte.

Nachdem wir gegessen und bezahlt hatten, ging es über die Interstate 278 nach Brooklyn und dann weiter nach Queens.

Mr High hatte inzwischen eine Streife des NYPD zu den Manigans schicken lassen, die zum einen darauf achteten, dass die Eltern des Attentäters zu Hause blieben, und zum anderen darauf, dass ihnen nichts zustieß. Zwar war der Name des Schützen bisher nicht an die Presse weitergegeben worden, doch verfügten vor allem Reporter über gute Verbindungen, um solche Informationen herauszufinden. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis es vor dem Haus der Manigans einen Auflauf geben würde. Und da Forester bei den New Yorkern recht beliebt war, konnten auch gewalttätige Übergriffe nicht ausgeschlossen werden.

Die Manigans wohnten auf der Steinway Street, im Nordwesten von Queens. Es handelte sich um eine recht belebte Straße mit meist dreistöckigen Häusern und vielen Geschäften. Im Haus der Manigans befand sich unten ein Restaurant mit Namen Carthago.

»Mit was für hochtrabenden Namen manche kleinen Restaurants bezeichnet werden«, bemerkte Phil, als wir vor dem Haus standen.

Wir informierten die beiden Cops, die neben einem Streifenwagen vor dem Haus warteten, über unsere Anwesenheit und klingelten dann bei den Manigans. Ich war auf das, was uns erwarten würde, gespannt.

Ein Summer ertönte und ich öffnete die Haustür. Zusammen mit Phil ging ich durch den schmalen Flur zur Treppe, die nach oben führte. Alles war sauber und aufgeräumt, wirkte aber recht alt.

In der ersten Etage wartete ein Mann von etwa fünfzig Jahren auf uns.

»Ja, bitte?«, fragte er mit einer Mischung aus Neugier und Unsicherheit.

»Agents Decker und Cotton vom FBI«, stellte ich uns kurz vor.

»Ich hatte schon jemanden vom FBI erwartet«, antwortete der Mann und deutete uns mit einer langsamen Bewegung an, die Wohnung zu betreten.

Nachdem wir eingetreten waren, schloss er die Wohnungstür und ging voran in Richtung Wohnzimmer. Es stand voll mit Schränken, Tischen und Polstermöbeln. An den Wänden hingen zahlreiche Fotos, zumeist wohl von Bekannten oder Verwandten. Und auf einem Sessel saß eine Frau, die etwa im gleichen Alter war wie Mr Manigan.

»Wer ist das, Tom?«, fragte die Frau, als wir Platz genommen hatten.

»Keine Sorge, Louise, das sind zwei Mitarbeiter des FBI«, erklärte er ihr.

Sie sah ziemlich mitgenommen aus. Das Gesicht war blass, die Augen aufgequollen. Neben ihr lagen mengenweise benutzte Taschentücher auf dem Tisch.

»Mistress Manigan, Mister Manigan«, ergriff ich das Wort, »ich nehme an, dass Sie wissen, was heute Morgen geschehen ist.«

Tom Manigan nickte. Sein Gesichtsausdruck war wie versteinert. »Ja, wir haben es im Fernsehen mit ansehen müssen – was unser Sohn getan hat und wie er dann erschossen wurde. Es war schrecklich.«

Ich hielt einen Moment lang inne. Es musste für die beiden ein Schock gewesen sein, das mit ansehen zu müssen. Zu sehen, wie der eigene Sohn einen Menschen tötet und dann selbst erschossen wird.

»Mein Kollege und ich ermitteln in dem Fall und haben einige Fragen an Sie«, sagte ich.

»Ja«, erwiderte Mr Manigan und nickte dabei mit dem Kopf, »das verstehen wir sehr gut.«

Ich überlegte mir meine erste Frage sehr gut. Vor mir saßen zwei Menschen, die gerade ihren Sohn verloren hatten. Andererseits hatte dieser Sohn ein Attentat auf einen hochrangigen Politiker verübt. Ich entschied mich dafür, nicht zu aggressiv vorzugehen, um die Kooperation der Manigans zu gewinnen.

»Hat sich Ihr Sohn Ihnen gegenüber jemals negativ über Brandon Forester oder seine Politik geäußert?«

Mr Manigan schüttelte den Kopf. »Nein, nie. Er hatte überhaupt nichts mit Politik am Hut. Immer wenn ich die Entscheidungen irgendeines dieser hohen Tiere kritisiert habe, hat Marc nur gesagt: ›Ach, lass die nur machen. Wir kümmern uns besser um unsere eigenen Angelegenheiten.‹ Wobei wir uns nie über Forester unterhalten haben, höchstens mal über den Präsidenten. Ich finde, dass er viele Leute mit der Umstrukturierung des sozialen Systems in den Ruin treibt. Aber Marc, der hat sich nie dafür interessiert. War eher ein zurückhaltender und in sich gekehrter Junge.«

Ich schaute Mr Manigan ungläubig an. »Und Ihr Sohn hat Brandon Forester nie erwähnt?«

»Nein, niemals«, antwortete er. »Wenn er etwas gesagt hätte, wir nur gewusst hätten, dass er eine solche Wut in sich spürt, hätten wir etwas unternehmen können. Aber nein, er hat uns nie Grund zu der Annahme gegeben, dass er so etwas plant.«

»Hatte er vielleicht Kontakt zu irgendwelchen Leuten, die ihn zu dieser Tat motiviert haben könnten? Irgendeine militante Gruppe vielleicht?«, fragte Phil.

»Davon ist mir nichts bekannt«, antwortete Mr Manigan. »Marc war eher ein Einzelgänger, hatte nur wenige Freunde, auch keine Freundin. Er konnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Deshalb ist es für mich völlig unverständlich, wie er so eine schreckliche Tat begehen konnte.«

»Da kann ich Sie gut verstehen«, sagte ich. »Auch wir wollen natürlich herausfinden, wie es dazu kommen konnte und was ihn motiviert hat. Hatte er vielleicht finanzielle Probleme?«

»Wir haben immer gut für unseren Sohn gesorgt«, schluchzte Mrs Manigan. »Wenn er mal Geld brauchte, haben wir ihn gerne unterstützt. Aber er hat seit drei Jahren gearbeitet, und seitdem war er nicht mehr so oft auf unsere Unterstützung angewiesen.«

Phil schaute mich an. Ich schwieg einen Moment und überlegte. All das brachte uns nicht weiter. Nach dem, was seine Eltern sagten, hatte Marc Manigan kein Motiv, Brandon Forester zu töten. Aber es musste eines geben. Warum sonst hätte er es getan?

»Hatte Marc einen guten Freund, jemanden, mit dem er sich ausgetauscht hat?«, fragte ich.

Diesmal antwortete wieder Mr Manigan. »Sein bester Freund war Michael, Michael Shoeman. Die beiden kannten sich seit dem Kindergarten. Und sie standen immer mehr oder weniger in Verbindung. Außer vielleicht, als Michael mal längere Zeit in Europa war. Er interessiert sich sehr für Geschichte.«

»Können Sie uns sagen, wo wir Mister Shoeman finden?«, fragte Phil.

»Ich schau mal nach, wo ich seine Adresse habe«, antwortete Mr Manigan und ging zu einem Schrank hinüber. Er schaute in einem kleinen Buch nach und notierte etwas.

»Hier sind seine Adresse und Telefonnummer.«

»Eine letzte Frage noch«, sagte ich. »Haben Sie eine Idee, woher Marc die Waffe hatte? Besaß er einen Waffenschein?«

»Nein, Waffen interessierten ihn nicht«, antwortete Mr Manigan. »Aber ich habe eine Waffensammlung im Keller. Verdammt! Ob er die Pistole von dort hat? Er hat einen Schlüssel vom Keller.«

Jetzt sah der Mann noch verzweifelter aus als zuvor.

»Haben Sie Ihre Sammlung überprüft? Fehlt etwas?«, fragte Phil.

»Ich weiß nicht. Da müsste ich nachschauen«, antwortete Manigan.

»Am besten erledigen Sie das sofort«, drängte Phil.

Mr Manigan stand auf. »Gut, ich werde sofort nachschauen. Wollen Sie mitkommen?«

Phil nickte. Mr Manigan ging los, wir folgten ihm.

Im Keller sah es ziemlich aufgeräumt aus. Einige Pappkisten standen auf der einen Seite, eine Angelausrüstung und Werkzeug auf der anderen. Und im hinteren Bereich befand sich eine massive hölzerne Truhe mit einem Schloss. Der Schlüssel steckte.

»Der sollte normalerweise unter einer der Kisten versteckt sein«, sagte Manigan und ahnte schon, dass die Kiste nicht mehr abgeschlossen war. Als er sie öffnete, war darin alles durcheinander. Ich konnte mehrere kleine Kartons mit Abbildungen von Pistolen erkennen. Und Munition. Mr Manigan zählte und biss sich auf die Lippen.

»Es sollten fünf sein, sind aber nur vier. Eine fehlt. Verdammt!«

»Und Sie haben für alle fünf einen Waffenschein?«, fragte Phil.

»Ja, ja, habe ich. Aber ich konnte doch nicht ahnen, dass Marc …«

Er sprach nicht weiter. Wir alle wussten, was er meinte.

Schweigend brachten wir ihn zur Wohnung zurück. Als seine Frau sein schuldbewusstes Gesicht sah, fing sie an zu weinen.

Wir hinterließen unsere Visitenkarte und verabschiedeten uns. Als wir die Wohnung verlassen hatten und im Hausflur standen, nahm uns Mr Manigan zur Seite und flüsterte: »Bitte, finden Sie heraus, was mit unserem Sohn geschehen ist. Er war unser einziges Kind und ich kann nicht glauben, dass er das ohne Grund getan hat. Es gibt für das alles bestimmt eine Erklärung.«

Er konnte seine Gefühle nicht länger zurückhalten. Tränen schossen aus seinen Augen und sein Gesicht verzog sich zu einer traurigen Maske.

»Wir werden tun, was in unserer Macht steht«, antwortete ich und folgte Phil die Treppe hinunter.

»Die können einem richtig leidtun«, meinte Phil, als wir das Haus verlassen hatten.

»Und dabei hat es für sie gerade erst angefangen. Die Medien werden sie bestimmt nicht so einfach davonkommen lassen«, sagte ich. »Letztlich sind auch sie Opfer dessen, was heute geschehen ist.«

Phil schaute nachdenklich drein. »Nur hilft uns das wenig. Wir haben immer noch keine Idee, warum Marc Manigan auf Forester geschossen hat. Ich hätte mir bei den Eltern wenigstens ein paar Hinweise erhofft.«

»Vielleicht kann uns dieser Shoeman weiterhelfen«, sagte ich.

»Das hoffe ich sehr. Bisher ist der Fall nämlich alles andere als erfreulich«, erwiderte Phil.

***

Shoeman wohnte in Brooklyn, am südlichen Ende der McDonald Avenue, rund zehn Meilen von der Wohnung der Manigans entfernt. Nachdem wir ihn telefonisch nicht erreicht hatten, machten wir uns auf den Weg zu seiner Wohnung.

Sie lag in einer der weniger guten Gegenden von Brooklyn. An vielen Häuserwänden hatten Gangs ihre Markenzeichen hinterlassen – Graffiti. Und über der McDonald Avenue selbst führte ein häufig befahrener Schienenstrang entlang, was zahlungskräftige Mieter von der Gegend fernhielt.

Als wir bei Shoeman klingelten, meldete sich niemand. Also versuchten wir es bei seinen Nachbarn.

Schließlich meldete sich eine junge weibliche Stimme an der Gegensprechanlage. »Wer ist da?«

»FBI, öffnen Sie bitte die Tür«, sagte Phil.

Wir wurden hereingelassen und gingen die Treppe nach oben. Im ersten Stock erwartete uns eine junge Frau, schätzungsweise zwanzig. Sie hatte einen Bademantel übergezogen und stand halb in der Tür zu ihrer Wohnung.

»Können Sie sich ausweisen?«, fragte sie in leicht überheblichem Tonfall.

»Klar können wir«, antwortete Phil und zeigte ihr seine Marke. »Sehen Sie, wir sind echte FBI-Agents.«

»Und was wollen Sie von mir?«, fragte sie weiter.

»Von Ihnen eigentlich gar nichts«, antwortete ich. »Wir sind auf der Suche nach Michael Shoeman. Kennen Sie ihn? Und wissen Sie, wo wir ihn finden können?«

»Ja und nein«, kam die kurze Antwort. »Hat das was mit dem Attentat auf den Bürgermeisterkandidaten zu tun?«

»Könnte sein«, sagte ich. »Wissen Sie etwas darüber?«

Sie schaute sich im Treppenhaus um. »Kommen Sie doch lieber zu mir rein.«

Wir folgten ihrer Aufforderung. In ihrer Wohnung roch es merkwürdig, so als hätte sie Räucherstäbchen angezündet. Und alles war mit verschiedenartigstem Krimskrams vollgestellt. Die Wände waren weniger tapeziert als mit irgendwelchen Postern von Elfen, Engeln und Feen beklebt. Wahrscheinlich war sie ein New-Age-Typ.

In dem Zimmer, das man wohl am besten als Wohnzimmer beschreiben konnte, bat sie uns, auf einer Matte auf dem Boden Platz zu nehmen.

»Und Sie sind?«, fragte Phil.

»Shella Garret«, antwortete sie und lächelte dabei.

»Miss Garret, Sie wissen also nicht, wo sich Mister Shoeman derzeit aufhält?«, fragte ich noch mal nach.

»Nein, keine Ahnung«, sagte sie. »Schließlich meldet er sich nicht bei mir ab. Wir kennen uns zwar gut, hatten auch mal was, aber unser Karma passte einfach nicht zusammen. Abends zieht er oft durch die Kneipen oder Cafés. Kann ziemlich spät werden. Am besten warten Sie, bis er wiederkommt, oder hinterlassen eine Nachricht.«

Ich schaute sie an. »Da sie ja über das heutige Attentat Bescheid wissen: Können Sie uns etwas über den Täter erzählen?«

Sie lächelte mich an. »Über Marc? Da weiß ich nicht viel. Habe ihn aber sofort erkannt. Mann, das war echt kaltblütig. Hätte ich ihm absolut nicht zugetraut.«

Offenbar kannte sie Manigan. Und vielleicht wusste sie etwas, das uns weiterhelfen konnte. »Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«

Sie verdrehte die Augen. »Das weiß ich ehrlich gesagt nicht genau. Muss aber schon ein paar Monate her sein. Er hat Michael ab und zu besucht. Die beiden waren gute Freunde, kannten sich schon seit ihrer Jugend.«

»Und was für ein Mensch war Manigan?«, fragte ich weiter.

»Eher der schüchterne Typ«, antwortete sie. »Aber ziemlich integer. Als ich mit Michael vor einem halben Jahr Schluss gemacht hatte, fühlte ich mich, als sei ich in ein tiefes Loch gefallen. Ich war total einsam. Da habe ich Marc angerufen, ob er nicht mal vorbeikommen wollte. Na ja, als er dann da war, hatte ich Lust und hätte gern, na, Sie wissen schon, mit ihm gebumst. Aber er wollte nicht. Meinte, das könnte er nicht machen, weil Michael sein Freund sei. So ein Typ halt.«

»Hat er Ihres Wissens zu Gewalt geneigt?«, fragte Phil.

»Nein, eigentlich nicht. Er machte Aikido, aber nur zur Selbstverteidigung, glaube ich. Ist ja wohl auch keine sehr aggressive Kampfkunst. Mehr weiß ich über ihn auch nicht. Wir haben uns nur ein paar Mal getroffen«, antwortete sie.

»Eine letzte Frage«, sagte ich. »Hat er Ihnen gegenüber jemals etwas verlauten lassen, das auf eine solche Tat wie heute hindeutete? Irgendetwas?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, absolut nicht. Aber vielleicht hat er seinen ganzen Frust über all die Jahre in sich hineingefressen und ihn dann heute mit einem Mal entladen. Sonst habe ich für das, was geschehen ist, auch keine Erklärung.«

Wir bedankten uns für das Gespräch und machten uns daran, ihre Wohnung zu verlassen.

»Sie wollen wirklich schon gehen?«, fragte sie mit einem verführerischen Ton in der Stimme. »Ich dachte, Sie bleiben noch ein bisschen. Zumindest einer von Ihnen.«

Beim letzten Satz lächelte sie Phil an, der das Lächeln erwiderte.

»Bei anderer Gelegenheit gerne«, sagte er. »Nur im Moment ist es ein wenig unpassend.«

»Sie wissen ja, wo ich wohne«, sagte sie. »Wer weiß, vielleicht hat uns ja das Schicksal zusammengeführt.«

»Wer weiß«, sagte Phil.

Nachdem sie ihre Wohnungstür geschlossen hatte, klingelten wir noch mal bei Shoeman. Er schien aber immer noch nicht zu Hause zu sein.

Im Wagen angekommen, rief ich noch mal bei Michael Shoeman an und hinterließ eine Nachricht auf seiner Mailbox. Dann fuhren wir nach Manhattan, zum FBI-Gebäude. Wir mussten Mr High noch Bericht erstatten und die weitere Vorgehensweise für unsere Ermittlungen abstimmen.

***

»Einen Augenblick noch, Mister High führt ein wichtiges Telefongespräch«, sagte Helen, als wir Mr Highs Büro erreicht hatten. »Wie wäre es mit einer Tasse Kaffee?«

»Dagegen ist absolut nichts einzuwenden«, erwiderte Phil sofort.

Helen schenkte uns beiden ein.

»Ging wohl heute ziemlich heiß her?«, fragte ich sie.

»Und ob«, antwortete sie. »Die Sache mit Brandon Forester hat alle möglichen Amtsträger auf den Plan gerufen. Und da wir die ermittelnde Behörde sind, kriegen wir natürlich das meiste ab.«

»Das ist typisch. Wenn irgendein unbescholtener Bürger, den niemand kennt, ermordet wird, kümmert das keinen. Aber trifft es mal ein hohes Tier, dann bricht gleich die Hölle los«, sagte Phil.

»Wir sind halt alle mit gleichen Rechten geboren, besitzen aber nicht unbedingt den gleichen Bekanntheitsgrad«, kommentierte ich. »Wenn jemand vor den Augen der Öffentlichkeit erschossen wird, trifft das natürlich viel mehr Menschen. So läuft das doch auch bei den Stars. Wenn Britney Spears ein Baby bekommt, ist das eine Sensation, bei jeder anderen Mutter ist es normal.«

»Und was heißt das für uns?«, fragte Phil.

Ich grinste trocken. »Für uns ist ein Mord einfach nur ein Mord, egal, wen es getroffen hat. Wir machen unsere Arbeit und finden den Täter. Für uns gibt es dabei keine Unterschiede.«

»So viel zum Thema Demokratie«, sagte Helen und nahm den Hörer ihres klingelnden Telefons ab. »Er ist jetzt frei.«

Als wir eintraten, stand Mr High vor dem Fenster und schaute nach draußen.

»New York, die großartigste Stadt der Welt«, sagte er, drehte sich um, deutete uns an Platz zu nehmen und setzte sich dann selbst. »Jerry, Phil, wie gehen die Ermittlungen voran?«

»Leider nicht so gut«, antwortete ich. »Bisher konnten wir kein Motiv für den Mord an Forester finden. Marc Manigan war laut Aussage seiner Eltern und einer Bekannten ein netter junger Mann, der angeblich keiner Fliege was zuleide tun konnte.«

Mr High schüttelte den Kopf. »Und dennoch hat er heute Morgen jemanden erschossen. Und nicht irgendjemanden, sondern einen der Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters. Vor laufenden Kameras. Was glauben Sie, wie der amtierende Bürgermeister darauf reagiert hat! Er hat Angst, dass er vielleicht der Nächste ist.«

»Darauf weist aktuell nichts hin«, sagte Phil.

»Gibt es Anhaltspunkte, die darüber Auskunft geben, ob Manigan allein gehandelt hat oder als Teil einer Gruppe?«, fragte Mr High.

Ich schaute erst zu Phil, dann zu Mr High. »Bislang müssen wir ihn als Einzeltäter einstufen. Wobei wir beim jetzigen Stand der Ermittlungen nicht ausschließen können, dass jemand im Hintergrund die Fäden gezogen hat. Aber dazu müssten wir eine Verbindung von Marc Manigan zu jemandem in Foresters Umfeld oder irgendwelchen anderen Personen finden – was wir bisher nicht konnten. Laut Aussage von Fleur Forester gibt es einen ehemaligen Geschäftspartner von Forester, Edward Blake, mit dem es vor ein paar Jahren ziemlichen Ärger gegeben hat. Den sollten wir unter die Lupe nehmen. Und dann gibt es da noch Michael Shoeman, einen Freund von Manigan, der uns vielleicht weiterhelfen könnte. Wir waren heute bei seiner Wohnung, haben ihn aber nicht angetroffen.«

»Nun gut, das sollten Sie morgen prüfen«, sagte Mr High. »Haben Sie schon etwas von der Crime Scene Unit gehört? Irgendetwas Ungewöhnliches?«

»Nein, bisher haben wir nichts gehört – wir werden aber gleich bei Dr. Gassettes anrufen«, antwortete Phil.

Mr High nickte zustimmend. »Gut, gehen Sie weiterhin routinemäßig und sorgfältig vor. Der Fall hat einen ziemlichen Pressewirbel verursacht und morgen, wenn die Zeitungen erscheinen, wird es bestimmt noch schlimmer werden. Lassen Sie sich dadurch nicht beeinflussen, darum kümmere ich mich. Ihre Aufgabe ist es, die Hintergründe des Attentats aufzudecken.«

»Wird gemacht«, bestätigte ich. »Noch eine Sache, Sir. Wäre es nicht sinnvoll, die Eltern von Manigan unter Schutz zu stellen? Vielleicht sind sie in Gefahr, wenn Manigans Name publik wird.«

»Ich werde das überdenken«, antwortete Mr High.

Danach verabschiedeten wir uns und erstellten in unserem Büro einen vorläufigen Bericht.

»Ich werde mal bei der Crime Scene Unit anrufen«, sagte ich zu Phil, während er noch am Computer tippte.

Dr. Gassettes war schnell am Telefon. »Hallo, Jerry, gutes Timing.«

»Sind die Obduktionen abgeschlossen?«, fragte ich.

»Ja, mit Ausnahme der Blutuntersuchung. Die diesbezüglichen Ergebnisse bekomme ich erst morgen.«

»Und wie sieht es aus?«, fragte ich.

»Zunächst mal zur Mordwaffe«, antwortete sie. »Auf ihr befinden sich nur Fingerabdrücke von Marc Manigan. Gemäß der Datenbank gehört die Pistole Tom Manigan, dem Vater des Attentäters.«

»Das haben wir schon vermutet«, antwortete ich.

Dr. Gassettes fuhr fort. »Bei der Obduktion von Forester kam nichts Besonderes raus. Die Schussverletzungen sind definitiv die Todesursache. Ansonsten war keine Abnormalität für einen Mann seines Alters zu entdecken. Was Marc Manigan angeht – die Kugeln, die ihn getroffen haben, passen zur Waffe des Bodyguards. Diesbezüglich also auch nichts Unerwartetes. Auffällig war nur, dass Manigan ein paar blaue Flecken und am linken Arm Einstichstellen von Nadeln hatte. Sahen recht frisch aus. Vielleicht stand er unter Drogen. Dazu kann ich nach Abschluss der Blutanalyse mehr sagen.«

»Das ist doch schon mal was«, sagte ich und beendete das Gespräch.

»Wäre möglich, dass Marc Manigan unter Drogen stand«, informierte ich Phil.

Er schaute vom Bildschirm auf und richtete seine Aufmerksamkeit auf mich. »Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass ein lammfrommer Typ wie er so ausgerastet ist.«

»Vielleicht ist die Antwort der Frage nach dem Motiv wirklich so einfach«, sagte ich. »Die Ergebnisse der Blutuntersuchung werden nicht vor morgen erwartet. Darum können wir uns dann kümmern.«

Phil machte noch ein paar Bewegungen mit der Maus. »So, das wär’s für den Bericht. Dann können wir Feierabend machen.«

»Fast pünktlich, nur eine Stunde zu spät«, erwiderte ich und schnappte mir mein Sakko.

Wir gingen zum Fahrstuhl und fuhren in die Tiefgarage. Dann setzte ich Phil an der üblichen Ecke ab.

***

Phil war am nächsten Morgen gut gelaunt.

»Was ist denn mit dir passiert? Hast du im Lotto gewonnen?«, fragte ich ihn, nachdem er in den Wagen gestiegen war.

»Nein, ich habe einfach nur hervorragend geschlafen«, antwortete er. »Der letzte Fall hatte mein Schlafpensum enorm reduziert und ich hatte einiges nachzuholen. Aber jetzt bin ich wieder topfit!«

»Genau der Partner, den ich brauche«, sagte ich.

Phil strahlte förmlich vor Energie. »Und wo setzen wir heute an? Bei Edward Blake oder Michael Shoeman?«

»Shoeman, würde ich sagen. Mal sehen, ob er jetzt zu Hause ist«, antwortete ich und wollte gerade zu meinem Handy greifen, als es klingelte.

»Cotton«, meldete ich mich.

»Ja, hallo«, hörte ich eine Stimme, »hier ist Shoeman. Sie hatten versucht mich zu erreichen?«

»Mister Shoeman, gut, dass Sie anrufen. Wir hätten ein paar Fragen zu Ihrem Freund, Marc Manigan. Sind Sie gerade zu Hause? Wir könnten in etwa einer Stunde da sein.«

»Ja, gerne, ich kann hier bleiben«, antwortete er.

»Dann bis gleich«, sagte ich und beendete das Gespräch. »Gutes Timing«, bemerkte ich zu Phil.

»Dann mal nichts wie los!«, sagte Phil.

Ich bog auf die Abbiegerspur und steuerte den Wagen in Richtung Osten. Mit einer Stunde hatte ich die voraussichtliche Fahrzeit wohl etwas knapp bemessen. Aber mit ein bisschen Glück konnten wir es schaffen. Ich hoffte, dass das Gespräch mit Shoeman endlich verwertbare Hinweise zutage bringen würde.

***

Kaum mehr als eine Stunde später hatten wir die Wohnung von Michael Shoeman auf der McDonald Avenue erreicht. Als ich den Jaguar geparkt hatte und wir ausgestiegen waren, donnerte gerade ein Zug über die Gleise, die sich ein paar Meter über der Straße befanden.

»Ganz schöner Lärm«, schrie Phil mir zu. Ich nickte nur.

Phil klingelte bei Shoeman und ein paar Sekunden später ertönte der Türöffner. Wahrscheinlich hatte Shoeman uns schon kommen sehen.

Als wir seine Wohnung erreicht hatten, stand er vor uns. Ein recht kleiner Typ, vielleicht 1,60 Meter groß, mit einem schmutzigen T-Shirt und einer ausgewaschenen Jeans.

»Sie sind Agent Cotton?«, fragte Shoeman, als er Phil, der zuerst die Treppen hochging, sah.

»Nein«, erwiderte Phil, »ich bin Agent Decker. Das ist Agent Cotton.« Er deutete auf mich.

»Schön, dass wir Sie heute antreffen«, sagte ich.

Er nickte. »Ja, Shella hat mir erzählt, dass Sie gestern schon da waren. Ich war mit ein paar Freunden im Kino und hatte mein Handy danach nicht sofort wieder angestellt. Sonst hätte ich Sie gestern Abend noch zurückgerufen. Kommen Sie doch rein.«

Er deutete auf die offene Tür zu seiner Wohnung.

Sie war völlig anders als die seiner Ex-Freundin Shella Garret eingerichtet, eher spartanisch. Die Wände waren weiß gestrichen und es gab kaum Bilder. Auch Möbel waren nur wenige vorhanden.

Shoeman schien meinen Blick bemerkt zu haben.

»Ich stehe nicht so auf Möbel. Es ist mir lieber, wenn ich viel Platz habe, um mich zu bewegen.«

»Ja, sieht so aus«, antwortete ich.

Er setzte sich auf eine Art Sack, der wohl einen Sessel darstellen sollte. Phil und ich blieben stehen.

»Die Manigans haben uns erzählt, dass Sie Marc gut gekannt haben«, begann ich das Gespräch.

»Ja, ja, das ist richtig«, antwortete Shoeman. »Schon seit wir Kinder waren. Ein paar Mal haben wir uns aus den Augen verloren, aber in den letzten Jahren haben wir wieder oft was zusammen unternommen. Marc war ein cooler Typ. Etwas ruhig, aber cool.«

»Das haben wir auch schon von seinen Eltern und Miss Garret gehört«, sagte Phil. »Das passt nur nicht dazu, dass er sich eine Waffe schnappt und einen Mann vor laufenden Kameras erschießt.«

Shoeman wurde unruhig. »Ja, das habe ich mir auch schon überlegt. Ich weiß nicht, was mit ihm geschehen ist. Vielleicht ist irgendeine Sicherung bei ihm durchgebrannt oder so. Mit solchen Sachen kenne ich mich nicht so aus. Was glauben Sie, was ich seit gestern durchgemacht habe! Ich habe gesehen, wie auf Forester geschossen wurde, und dann Marc als den Täter erkannt. Mir lief ein Schauer den Rücken hinunter. Ich hatte gehofft, dass er es nicht war, mich aber nicht getraut, ihn anzurufen. Als ich dann Ihren Anruf auf der Mailbox hatte, war mir klar, dass er es gewesen sein musste. Und ich habe mir seit gestern Abend das Gehirn zermartert und mich gefragt, warum er das getan haben könnte. Aber mir ist keine plausible Erklärung eingefallen.«

Ich schaute ihn ungläubig an. »Sie haben keine Ahnung? Hat er denn nie etwas erwähnt? Über Forester? Oder Politiker im Allgemeinen?«

Shoeman schüttelte verzweifelt den Kopf. »Nein, nie. Er sagte immer, dass das nicht seine Angelegenheit wäre. Hat sich mehr um seinen Kram gekümmert.«

»Hatte er vielleicht Pech in der Liebe? Irgendetwas, das ihn aus der Bahn geworfen haben könnte?«

Shoeman überlegte nicht lange. »Marc war kein Frauentyp und er hat oft einen Korb bekommen. Das hat ihm schon schwer zugesetzt. Ich meine, was kann einen Mann mehr verletzen, als von einer Frau, in die er verknallt ist, zurückgewiesen zu werden? Aber ich wüsste nicht, dass Marc irgendjemandem kürzlich den Hof gemacht hätte. Davon hat er mir normalerweise erzählt.«

»Auch davon, dass Miss Garret ihn angemacht hat?«, fragte Phil.

Shoeman lächelte. »Nein, das hat er nicht. Das hat mir Shella irgendwann mal erzählt. Aber Marc war sicher nicht in sie verknallt. Wahrscheinlich hat er mir ihretwegen nichts davon erzählt. Aber sonst waren wir in diesen Dingen recht offen.«

»Sie haben also wirklich keine Ahnung, warum Mister Manigan gestern auf Forester losgegangen ist?«, fragte Phil nach.

»Nein, wirklich nicht«, antwortete Shoeman.

»Und wie sieht es mit Drogen aus? Hat er mal welche genommen? Auch kürzlich?«, fragte ich.

»Nein, absolut nicht. Marc hat nicht mal Alkohol getrunken. War einfach nicht sein Ding. Genauso wenig wie Drogen. Er hat nicht mal Medikamente genommen, wenn es nicht unbedingt sein musste. Wieso fragen Sie?«, kam Shoemans Antwort.

»Ein paar Hinweise deuten darauf hin, dass er Drogen konsumiert hat«, antwortete ich. »Hatte er vielleicht Freunde oder Bekannte in der Szene?«

Diesmal sah Shoeman überrascht aus. »Davon ist mir nichts bekannt. Würde auch nicht zu seinem Charakter passen. Das Einzige, was an seinem Verhalten merkwürdig war – also, wir hatten vereinbart, uns vor vier Tagen zu treffen. Bei mir. Und er ist einfach nicht aufgetaucht. Ich habe angerufen, konnte ihn aber nicht erreichen. Habe mir erst nichts dabei gedacht. Kann ja mal was dazwischenkommen. Auch wenn er sich normalerweise abmeldet.«

Phil horchte auf. »Wann haben Sie Manigan das letzte Mal gesehen?«

»Vor genau einer Woche«, antwortete Shoeman.

»Und zu diesem Zeitpunkt machte er noch einen normalen Eindruck?«, fragte Phil weiter.

»Ja, absolut«, kam die Antwort.

Wir stellten Shoeman noch ein paar Fragen, die allerdings auch keine nennenswerten Antworten ergaben, und verließen ihn dann.

Zurück im Wagen rief ich die Eltern von Marc Manigan an. Mr Manigan ging ans Telefon.

»Mister Manigan, Agent Cotton am Apparat. Ich habe noch eine Frage. Wann genau haben Sie Ihren Sohn zuletzt gesehen oder von ihm gehört?«

Einen Moment lang war es still.

»Er war vor sechs Tagen zum Essen bei uns«, kam dann die Antwort.

»Und danach hatten Sie keinen Kontakt mehr zu ihm?«, fragte ich nach. »Auch nicht telefonisch?«

»Nein, danach haben wir nichts mehr von ihm gehört«, sagte Tom Manigan.

Ich bedankte mich und beendete das Gespräch.

Dann schaute ich Phil an. »In den fünf Tagen vor dem Attentat muss etwas mit Marc Manigan geschehen sein. Wenn wir herausfinden, was das war, kennen wir auch das Motiv!«

»Ja, wenn«, antwortete Phil leicht pessimistisch.

***

Tatsächlich bestätigte sich Phils Pessimismus. In den kommenden drei Tagen versuchten wir herauszufinden, was Marc Manigan in der Zeit vor dem Attentat getrieben hatte. Ohne Erfolg! Es schien, als wäre er in dieser Zeit völlig untergetaucht. Er hatte weder Telefongespräche über sein Handy geführt noch war er irgendwo auffällig geworden. Keiner seiner Nachbarn hatte ihn gesehen. Der einzige Hinweis, den wir erhielten, kam von Dr. Gassettes. Bei der Blutuntersuchung konnten tatsächlich Rückstände von Drogen nachgewiesen werden. Allerdings war das Labor nicht in der Lage, die genaue Droge zu ermitteln, die Manigan zu sich genommen hatte. Wahrscheinlich handelte es sich um einen neuen Mix, irgendeine Designerdroge, die dafür verantwortlich war, dass Manigan durchgedreht und auf Brandon Forester losgegangen war.

***