Jerry Cotton Sonder-Edition 108 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 108 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Von Manhattan nach Berlin

Wir kannten ihn alle - diesen Umberto Gelati oder Mister Icecream, wie ihn die Unterwelt nannte. Wir wussten, wie gefährlich dieser Gangster war, auf welche Weise er seine Millionen scheffelte. Trotz seiner nach außen hin immer noch blütenweißen Weste.
Aber wir ahnten nicht, wie dreist er war. Er benutzte uns, das FBI New York, dazu, seiner heißen Ware sicheres Geleit nach Berlin zu geben. Als ich das merkte, ließ ich die Hölle los. Mitten in Berlin ...

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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Von Manhattan nach Berlin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: PeopleImages/iStockphoto; Nik Merkulov; SAHACHATZ/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8302-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Von Manhattan nach Berlin

Wir kannten ihn alle – Umberto Gelati oder Mr. Icecream, wie ihn die Unterwelt nannte. Wir wussten, wie gefährlich dieser Gangster war, auf welche Weise er seine Moneten scheffelte. Trotz seiner nach außen hin immer noch blütenweißen Weste.

Aber wir ahnten nicht, wie dreist er war. Er benutzte uns, das FBI New York, um seiner heißen Ware sicheres Geleit nach Berlin zu verschaffen.

Als ich seinen teuflischen Plan durchschaute, war es fast zu spät. Da befand ich mich bereits unfreiwillig auf dem Weg nach Ost-Berlin, in die damalige DDR – ich, der US-Bundesagent Jerry Cotton. Die Genossen »drüben« würden nicht erfreut sein …

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer exklusiven Heftromanausgabe. Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen Sechziger bis in das neue Jahrtausend.

Wir gingen langsam aufeinander zu.

Zehn Schritte trennten uns noch voneinander.

Es war Abend. Zehn Minuten nach halb neun. Sommerabend. Etwas verregnet, ziemlich kühl. Ein stiller Sommerabend. Die Menschen saßen in ihren eigenen vier Wänden. Offensichtlich hatte niemand Lust, an diesem unschönen Sommerabend im Riverside Park spazieren zu gehen. Oder sonst etwas zu unternehmen.

Nicht einmal die Liebespaare waren zu sehen.

Im ganzen Park schien es nur zwei Männer zu geben.

Uns zwei.

Acht Schritte trennten uns noch.

Mein Gegenüber blieb stehen. Ganz plötzlich. Die Distanz betrug sechs Schritte.

»FBI?«, fragte der Mann.

»Ja, FBI. Kam der Anruf von Ihnen?«

Jemand hatte in unserer Zentrale angerufen. Ein Mann. Ein gehetzt erscheinender Mann, wie der Kollege vermerkt hatte. Ein Mann, der einen FBI-Agenten im Riverside Park treffen wollte, um von ihm festgenommen zu werden.

Dieser Mann also.

»Ja«, sagte er. »Ich habe angerufen.«

»Sie wollen festgenommen werden«, stellte ich fest und betrachtete ihn dabei. Irgendwie kam er mir bekannt vor. In welche Schublade er gehörte, wusste ich nicht.

Aber er kam mir bekannt vor.

»Ja«, sagte er wieder.

Des Menschen Wille ist sein Himmelreich, dachte ich.

»Warum sind Sie nicht gleich zu uns gekommen? Oder zur City Police?«, fragte ich. »Immerhin ist es hier im Park ziemlich ungemütlich. Und …«

Ich zögerte.

»Was – und?«, fragte er ziemlich unfreundlich.

»Sie wollen festgenommen werden«, erklärte ich ihm und betrachtete ihn weiter. Er musste mir kürzlich erst begegnet sein, stellte ich im Stillen fest. »Dafür brauchen wir einen Grund. Ich kann Sie nicht einfach so festnehmen und …«

»Sie haben einen Grund, G-man«, sagte er aus sechs Schritten Distanz zu mir. »Ich habe Nat Ferrer umgebracht.«

Er sagte es ganz ruhig.

In diesem Moment peitschte ein Schuss durch den Park. Ein einziger Schuss.

Der Mann riss beide Arme hoch, drehte sich mit einer eigenartigen Bewegung um seine eigene Achse und brach zusammen.

Sein ganzer Schädel war plötzlich eine einzige Wunde.

Eine tödliche.

***

Zwanzig Sekunden später war mein Freund und Kollege Phil bei mir. Er hatte im Wagen auf mich gewartet.

»Hast du etwas abbekommen?«, fragte er.

Ich schüttelte den Kopf. »Der Schuss galt allein ihm. Hast du einen hellen Wagen mit einem schokoladenfarbenen Dach gesehen?«

»Nein, ich …«

»Er stand auf dem Riverside Drive, und wenn …«

Mit zwei Sehtitten war ich bei dem Toten. Ich kniete mich neben ihn und durchsuchte seine Kleidung. Innerhalb weniger Sekunden fand ich, was ich vermutet hatte. Einen Kleinsender, den man ihm untergejubelt hatte. Er sah aus wie ein Kugelschreiber und steckte in der Brusttasche des Mannes.

»Ich habe nur ein paar Worte mit ihm gewechselt«, erzählte ich Phil. »Diese wenigen Worte sind mitgehört worden. Und nach dem entscheidenden Satz hat man den Mann erschossen.«

»Nach welchem entscheidenden Satz?«

»Nach einem Mordgeständnis«, berichtete ich nachdenklich. »Der Mann sagte in den letzten Sekunden, bevor er ermordet wurde: ›Ich habe Nat Ferrer umgebracht.‹«

»Ach …« Phil sah mich an.

Wir kennen uns seit einer kleinen Ewigkeit. Und ich kenne Phils Reaktionen. In diesem Fall war er sehr überrascht.

»Kennst du einen Fall Nat Ferrer?«, fragte ich deshalb.

»Du nicht? Liest du keine Zeitung? Das heißt …«

»Skandalgeschichte?«, vermutete ich.

Phil nickte. »Nat Ferrer war ein etwas geheimnisvoller Playboy. Eine männliche Skandalnudel. Er starb im Bett.«

»Also kein Mord?«

»Nun«, erwiderte Phil, »er starb zwar im Bett, aber nicht in seinem, sondern in dem einer stadtbekannten Lady. Aber nicht an dem, was du jetzt denkst, sondern an einem Schuss durch ein Fenster im zweiundvierzigsten Stockwerk des gegenüberliegenden Hauses.«

Ich pfiff durch die Zähne.

»Und wann war das?«, wollte ich wissen.

»In der Nacht zum Mittwoch, etwa um halb fünf.«

Ich blickte wieder auf den Toten. Plötzlich wusste ich Bescheid. Wusste, wann und wo ich diesen Mann schon mal gesehen hatte. Es war derjenige, der stinkbesoffen in der »Ranchers Bar« vom Stuhl gefallen war. In der Nacht zum Mittwoch, gegen halb fünf.

Zu diesem Zeitpunkt war ich nämlich in diesem Lokal gewesen. Weil es dort zu jeder Tages- und Nachtzeit texanische Bohnensuppe gibt. Scharf, gut und belebend. Gerade das richtige für Leute, die keine Zeit mehr haben, noch schlafen zu gehen.

»Wo ist Nat Ferrer erschossen worden?«, fragte ich Phil.

»Frawley Circle«, sagte er.

Von der Ranchers Bar in der Christopher Street, Greenwich Village, bis zum Frawley Circle an der Nordostecke des Central Park braucht man auch in den ersten Morgenstunden gut und gern zehn Minuten. Per Fahrzeug. Und bis zu einem Fenster im zweiundvierzigsten Stockwerk – ganz gleich, ob man als Fassadenkletterer hinaufsteigt, sich vom Dach abseilt oder mit dem Fensterputzeraufzug den Weg antritt – mindestens noch einmal zehn Minuten.

Der Mann, der nun tot vor uns lag, war gegen halb fünf an jenem Mittwochmorgen total betrunken gewesen, als man ihn an die frische Luft befördert hatte. Selbst in nüchternem Zustand hätte er zur Tatzeit nicht am Frawley Circle durch ein Fenster im 42. Stockwerk schießen können.

»Tatzeit steht fest?«, wollte ich sicherheitshalber noch einmal wissen.

»Zeugenaussage jener Lady«, sagte Phil. »So stand es in der Zeitung.«

Ich blickte auf den Mann, der angeblich den anderen Mann erschossen hatte. Und der nun tot war. Gestorben an einer Lüge.

Er musste gelogen haben, wenn das andere stimmte.

Er konnte am Mittwochmorgen gegen halb fünf keinen Mann am Frawley Circle erschossen haben.

Ich stand vor ihm und starrte ihn an, als könnte ich ihn dadurch bewegen, noch einmal für einen Moment wieder lebendig zu werden, um diesen Widerspruch klären zu können.

»Was machen wir?«, fragte Phil.

»Ruf die Mordkommission. Und verständige unsere Zentrale. Auftrag nicht erledigt.«

***

Das Apartmenthaus am Frawley Circle ragte wie ein Symbol unserer Zeit in den Abendhimmel. Bienenkorb. Wohnmaschine. Hunderte von Fenstern waren erleuchtet. Manche hell. Manche nur vom Widerschein des fahlblauen Lichts vom TV-Geräten. Manche geradezu schummerig.

»Hoffentlich funktionieren die Lifts«, meinte Phil, der bekanntlich vielen unserer technischen Errungenschaften, insbesondere aber Klimaanlagen und Lifts, grundsätzlich misstraut.

Seine Sorge war unbegründet. Die Lifts funktionierten. Sehr gut sogar.

Auf der Fahrt nach oben kam ich mir vor wie ein Raumschiff-Kapitän während der ersten Startphase.

Oben war alles gediegen. Apartmenttüren aus rötlichem Edelholz. Flure mit Teppichen ausgelegt. Geschmackvolle Leuchtkörper verbreiteten angenehmes, diskretes Licht.

»Genug, um zu sehen«, meinte Phil, »zu wenig, um gesehen zu werden. Die Lady hat eine sehr zweckdienliche Wohnung.«

Wir erreichten die Tür.

Phil drückte auf den Klingelknopf. Durch die Tür hörten wir ein unaufdringliches Schnarren. Die Lady schien es nicht zu hören, denn es blieb still.

Phil blickte auf die Uhr. »Wenn du auch Skandal- und ähnliche Geschichten lesen würdest, wüsstest du, dass du diese Lady zu dieser Tageszeit vorwiegend im Kreise der New Yorker High Snobiety antreffen kannst.«

»Dort suchen wir sie, wenn wir sie hier tatsächlich nicht antreffen«, versprach ich ihm.

»Eben«, sagte er. »Hier treffen wir sie nicht an!«

Ich drückte noch einmal auf den Klingelknopf.

Erneut hörten wir das dezente Schnarren.

Wieder ergebnislos.

»Also suchen wir sie«, meinte Phil.

»Nicht allein«, sagte ich. »In einer halben Stunde haben wir sie, wenn sie sich in der Öffentlichkeit aufhält.«

»Großeinsatz?«, fragte er verwundert.

»Beinahe. Auf jeden Fall werde ich genügend Leute anfordern, um alle einschlägigen Lokale fast gleichzeitig unter die Lupe nehmen zu lassen.«

»Du riechst wohl eine dicke Sache, was?«

»Ja«, sagte ich.

Zwei Minuten später waren wir wieder in der riesigen Halle des Hauses.

Der Hausmeister blickte uns gespannt entgegen.

Oder auch etwas enttäuscht. Vielleicht vermisste er unser Opfer.

Ich blickte mich noch einmal um.

New York City war nach Ansicht vieler Experten und sonstiger Leute zwar unrettbar verloren, weil veraltet, aber das stimmte nicht überall. In manchen Neubauten gab es schon – ein Novum für New York – zentrale Briefkastenanlagen. So auch hier. Hunderte von Briefkästen an einer Wand.

Einer der Briefkastenschlitze zog meinen Blick magisch an. Ein Schlitz, der weit offen stand. Zeitungen schauten heraus.

Ich ging hinüber.

Blickte auf die Nummern der beiden Nachbarkästen, weil die des übervollen Kastens nicht zu lesen war.

Links war 4208, rechts 4210.

Der übervolle Kasten musste demnach zum Apartment 4209 gehören.

Und in 4209 wohnte, wie ich wusste, unsere Lady.

Barbara Flagstad.

Ich zog die Zeitungen aus dem Briefkastenschlitz. Miss Flagstad hatte augenscheinlich die New York Times abonniert.

Drei Exemplare hielt ich in der Hand. Je eine Ausgabe der drei letzten Tage.

In einer der Zeitungen steckte ein Brief. War mit der Post gekommen. Dem Poststempel nach bereits vor zwei Tagen.

Der Hausmeister kam herangeschlurft.

»He!«, sagte er. »Was machen Sie denn da?«

»Warum haben Sie uns nicht gesagt, dass Miss Flagstad verreist ist?«, fragte ich.

»Verreist?«, knurrte er.

»Ja, Sie hat seit mindestens drei Tagen ihren Briefkasten nicht geleert!«

Er zuckte mit den Schultern. »Geht mich nichts an. Außerdem ist sie nett zu mir.«

»Und?«

Er machte eine heftige Handbewegung. »Wenn sie verreist ist, will ich es nicht wissen.«

»Warum nicht?«, fragte Phil.

»Weil sie dann Schwierigkeiten bekommt. Nach der Hausordnung sind die Mieter verpflichtet, es aus feuerpolizeilichen Gründen zu melden, wenn sie verreisen. Wegen der Schlüssel zu den Wohnungen, wissen Sie? Es ist vorgeschrieben …«

Ich zog meinen Dienstausweis. »FBI«, sagte ich. »Ich muss darauf bestehen, dass Sie sofort in Miss Flagstads Wohnung nachschauen …«

»Haben Sie einen Durchsuchungsbeschluss?«, fragte er schnell.

»… nachschauen«, fuhr ich fort, »ob die feuerpolizeilichen Vorschriften …«

»Das ist ein Trick von Ihnen, Mister!«, unterbrach er mich. »Wenn Sie etwas wollen, müssen Sie sich einen Durchsuchungsbeschluss oder so was holen.«

»Okay«, sagte ich. »Mein Kollege wird ihn besorgen. Ich bleibe hier. Unterrichten Sie bitte die Hausverwaltung!«

»Die Hausver…« Er wurde etwas blass. »Dann wird ja bekannt, dass …«

»… Miss Flagstad verreist ist, ohne dass Sie etwas davon wissen!«, stellte ich fest.

»Nein, nein, das …«

»Von uns aus geht es auch inoffiziell«, meinte ich.

Eine Minute kämpfte er noch mit sich.

Dann schlurfte er vor uns her zum Lift. Während wir nach oben fuhren, holte er einen Schlüssel aus der Tasche – seinen Generalschlüssel.

Vor der Tür zu 4209 holte er noch einmal tief Luft. Aber gerade, als er den Schlüssel in den Schlitz stecken wollte, kam ihm noch eine andere Idee.

Er betätigte den Klingelknopf.

Ergebnislos.

»Wir tragen die Verantwortung«, sagte ich.

Er überwand sich und schloss endlich auf. »Sie bleiben aber hier!«

»Ja«, sagte ich.

Er ging in die Wohnung, betätigte einen Lichtschalter.

Dann hörten wir ein ganz merkwürdiges Geräusch.

»Los!«, sagte ich.

Vom Flur aus sah ich den alten Mann in einer Zimmertür stehen. Er hielt sich mit beiden Händen den Kopf, als müsse er ihn vor dem Zerspringen bewahren. Aber es war offensichtlich Verzweiflung, was ihn zu dieser Geste gebracht hatte.

Ich sah, warum er der Verzweiflung nahe war. Die nach Phils Kenntnis stadtbekannte Lady lag auf dem dicken, blutroten Teppich.

Tot.

***

Die drei Männer betraten kurz nach elf Uhr die Ranchers Bar. Sie setzten sich in die entlegenste Ecke des Lokals.

Lilly, eines der Cowgirls – in solchen Kostümen trat das Bedienungspersonal der Ranchers Bar auf –, ging zum Tisch der Neuankömmlinge.

»Ihre Wünsche, Gentlemen?«

Ein kleiner Glatzkopf mit stechendem Blick machte sich zum Wortführer der neuen Gäste. »Keine Oben-ohne-Bedienung in diesem müden Laden?«, fragte er.

»Nein, Sir«, sagte Lilly.

»Dann mach mal deine Bluse auf«, forderte der Glatzkopf.

»Später«, sagte Lilly, wobei sie an die Zeit nach Feierabend und den Augenblick dachte, an dem sie endlich in ihr Bett gehen würde.

»Jetzt!«, forderte der Glatzkopf.

Sein Tonfall ließ erkennen, dass er seine Forderung ernst meinte.

»Sorry, Gentlemen – ich glaube, Sie haben sich im Lokal geirrt, und Sie …«

»Hol mal deinen Chef«, sagte ein anderer, ein Sechseinhalb-Fuß-Mann mit einem kantigen Gesicht.

»Selbstverständlich«, sagte Lilly und verließ den Tisch.

Die drei Männer schauten sich vielsagend an.

Eine Minute später kam Jim Trawler an den Tisch.

»Gentlemen?«

»Sind Sie der Boss in diesem Laden?«, fragte der Große.

»Ich bin der Geschäftsführer und …«

»Hau ab«, sagte der dritte Mann aus der unangenehmen Runde. »Wir wollen nicht irgendeinen kleinen Wurm, sondern den Chef sprechen!«

»Sorry, Gentlemen – Mister Blei, der Besitzer, ist zurzeit nicht im Hause. Er wird erst später kommen.«

»Wo ist er jetzt?«

Der Geschäftsführer lächelte höflich. »Nicht im Hause. Aber als Geschäftsführer bin ich …«

In diesem Augenblick sah er die Mündung der Schusswaffe, die der kleine Glatzkopf auf ihn gerichtet hatte.

»Schalldämpfer«, sagte der Viereckige. »Wir pusten dir das Hirn aus dem Kopf, ohne dass deine Gäste etwas davon mitkriegen. Und wenn einer etwas merkt, spielen wir hier ein bisschen Wildwest. Mit einem halben Dutzend Leichen. Klar?«

»Wir sind nämlich Gangster«, versicherte der dritte Mann seelenruhig, »und wir wollen deinen Chef sprechen. Unbedingt. Also?«

Der Geschäftsführer schluckte. Kalter Schweiß perlte ihm auf der Stirn.

»Ich weiß nicht, wo …«, sagte er stockend.

»Wo wohnt Blei?«, fragte der Glatzkopf.

»Gentlemen, Sie können jetzt nicht …«

Wie auf ein geheimes Kommando standen die drei Männer auf, nahmen den Geschäftsführer in die Mitte.

Jim Trawler spürte die harte Mündung der Schusswaffe zwischen den Rippen. Er merkte, was die unangenehmen Gäste mit ihm vorhatten. Er wollte schreien, aber ein gemeiner Tritt gegen sein Schienbein belehrte ihn, dass seine Gegner rücksichtslos zu handeln beabsichtigten.

Und er sah, dass sie nichts dem Zufall überließen.

Der Glatzkopf marschierte zielstrebig in die Ecke einer Lokalnische, in der sich – hinter einem Vorhang verborgen – ein Notausgang befand, ein Ausgang, den nur wenige Eingeweihte kannten.

»Lass dir nur schnell genug die Adresse deines Chefs einfallen!«, zischte der Mann, der dem Geschäftsführer die Pistole gegen die Rippen drückte.

***

»Warum musste sie sterben?«, fragte Phil. Und er gab auch gleich die Antwort: »Sicher wusste sie mehr über den Mord an diesem Nat Ferrer, als es gewissen Leuten recht sein kann. Oder siehst du ein anderes Motiv?«

»Nein«, sagte ich.

Plötzlich stieg Unruhe in mir auf.

Die Gangster hatten uns einen Mann geliefert, der mir auf einem stillen Parkweg einen Mord gestanden hatte. Einen Mord, den er nicht begangen haben konnte. Aber der Mann hatte den Mord gestanden. War vermutlich zu diesem Geständnis gezwungen worden. Und als er gestanden hatte, war er ermordet worden.

Warum?

Wer war dieser Nat Ferrer, dieser klatschspaltenbekannte Playboy, gewesen? Warum war er ermordet worden? Von wem?

Es musste ein wichtiges Geheimnis um ihn geben.

Ein so wichtiges Geheimnis, dass Zeugen ermordet wurden, um zu verhindern, dass das Geheimnis gelüftet wurde.

Zeugen …

Das Wort, der Begriff – das quälte mich plötzlich.

Hier war irgendetwas passiert, was nicht passieren sollte. Irgendetwas mit dem Mann, der bei uns angerufen hatte, der sich uns als Mörder gestellt hatte.

Uns, dem FBI.

Uns? Oder mir, dem G-man Jerry Cotton?

Das musste es sein – ich war plötzlich zu einer Schlüsselfigur dieses Falles geworden. Es gab eine Erklärung dafür.

»Was hast du?«, fragte Phil.

»Später«, sagte ich. »Phil, du musst hierbleiben, auf die Mordkommission warten.«

»Und du?«

»Ich muss versuchen, einen weiteren Mord zu verhindern. Wenn es nicht schon zu spät ist …«

»Jerry, du …«

Ich nickte ihm noch einmal zu, dann rannte ich aus der Wohnung, zur Liftkabine.

Die Fahrt nach unten dauerte für meine Begriffe eine Ewigkeit. Als ich endlich unten war, rannte ich den Hausmeister fast über den Haufen, und ich hatte nicht einmal Zeit, mich zu entschuldigen.

Mein roter Flitzer stand direkt vor dem Hauseingang. Ich sprang hinein, startete und schaltete im gleichen Moment Rotlicht und Sirene ein, machte mir die ohnehin nicht sehr belebten Straßen frei. Vor rotleuchtenden Ampeln tippte ich kurz aufs Bremspedal, schaute mich blitzschnell um.

Mein Feuerwerk und die Musik wirkten. Andere Verkehrsteilnehmer ließen mich unangefochten passieren. Ich schaffte die rund zehn Meilen vom Frawley Circle bis zur Christopher Street in sechs Minuten.

Aber dann stockte mir der Atem.

Vor der Ranchers Bar standen zwei Streifenwagen der City Police. Eine Menschenansammlung hatte sich gebildet.

Die Gesichter wandten sich mir zu, als ich scharf abbremste und die Sirene meines Wagens einen letzten klagenden Laut von sich gab.

»Muss ein dickes Ding sein, wenn die Cops schon im Jaguar angerauscht kommen«, stellte einer der Neugierigen fest, als ich an ihm vorbei ins Lokal stürmte.

Vor der Theke standen drei Kollegen in Uniform.

Ein paar Leute vom Personal redeten eifrig auf die Uniformierten ein.

»Das will doch nichts heißen«, sagte gerade ein älterer Sergeant, offenbar der Streifenführer.

»Was ist los?«, fragte ich hastig. »Was ist hier passiert?«

Der Sergeant drehte sich um, musterte mich mit einem kritischen Blick.

»FBI!«, sagte ich schnell.

»Unser Geschäftsführer ist entführt worden!«, sprudelte es aus einer als Westerngirl verkleideten Kellnerin hervor. »Von drei Gangstern, die …«

»He, Miss!«, versuchte der Sergeant sie zu bremsen.

»Erzählen Sie – schnell!«, bat ich.

»Drei Männer kamen herein«, berichtete die Kellnerin und schilderte den Hergang der Ereignisse.

»Hatten Sie den Eindruck, dass ein Zwischenfall provoziert wurde, um Ihren Chef ins Spiel zu bringen?«, fragte ich.