1,99 €
Wer den Hass sät ...
Tokira Soto war kein reicher Mann - aber er war Japaner.
Diese Tatsache allein genügte, um ihn zum Todeskandidaten zu machen. Ihn, seine Frau, seine Tochter und seinen Assistenten.
Beim FBI New York war der Teufel los, denn der unheimliche Mörder hatte einen Wahlspruch: Wer den Hass sät, wird den Tod ernten.
Was zum Teufel meinte er damit? Wie hing dieser Wahlspruch mit der grausamen, blutigen Art und Weise zusammen, auf die er seine Opfer tötete?
Phil und ich sollten es erfahren. Am eigenen Leib ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Wer den Hass sät
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: cyano66/iStockphoto
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8474-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Wer den Hass sät
Tokira Soto war Amerikaner mit japanischen Vorfahren und hatte in New York City studiert. Jetzt brachten ihn wichtige Geschäfte zurück in unsere Stadt – wo er dann entführt wurde.
Und nicht nur er wurde das Opfer gewissenloser Verbrecher, auch seine Frau und seine junge Tochter wurden nach New York gelockt, wo man sie kidnappen wollte. Offenbar hatte es jemand auf die Familie Soto abgesehen! Jemand, der sie auslöschen, sie vernichten wollte!
Zu spät erkannte ich das wahre Motiv des Wahnsinnigen, der hinter all diesen Taten steckte …
Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer exklusiven Heftromanausgabe. Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen Sechziger bis in das neue Jahrtausend.
Der Nachtportier des Hotels Governor Jackson rieb sich verschlafen die Augen, als es um vier Uhr morgens an der Eingangstür läutete. Er schaltete die Hallenbeleuchtung ein und schlurfte gähnend zur Tür. Als er öffnete, war er jedoch höflich und zuvorkommend wie immer und ließ sich nichts von seiner Müdigkeit anmerken.
Die beiden kleinen Männer, die vor der Tür standen, waren Asiaten. Sie ähnelten sich mit ihrem blauschwarzen Haar, gelblichen Teint und den dunklen mandelförmigen Augen.
»Ich bin Tokira Soto, dies ist mein Sekretär Amo Kato. Entschuldigen Sie bitte, dass wir so spät – oder früh – kommen, aber unsere Maschine aus Kalifornien hatte Verspätung.« Der ältere der beiden nickte leicht nach jedem Satz und lächelte.
Der Portier griff nach den beiden Reisetaschen und folgte den Gästen in die Halle. »Aber ich bitte Sie, mein Job ist doch, Sie zu empfangen.«
Er holte die Schlüssel vom Brett, ging voraus zum Lift und hielt den beiden die Tür auf. Im dritten Stock führte er sie zu den reservierten Zimmern, schloss auf und stellte die Taschen ab.
Das Trinkgeld war ausreichend, und so erkundigte sich der Portier noch, ob die Gäste Sandwiches oder Getränke wünschten.
»Nein, danke, wir haben im Flugzeug gegessen.«
So verabschiedete sich der Portier mit einem höflichen: »Gute Nacht!«
Die beiden hatten schon auf dem Flug besprochen, was sie bis zu der geplanten Besprechung unternehmen wollten, und jetzt sah der Geschäftsführer nur noch auf die Uhr und sagte: »Wir werden um halb neun frühstücken.«
Amo Kato lächelte und nickte, wünschte seinem Chef angenehme Ruhe und riet ihm: »Ich möchte Sie bitten, vorsichtig zu sein.«
»Ja, natürlich.« Tokira Soto schloss hinter Kato ab und ließ den Schlüssel stecken. Dann zog er sich aus und verschwand in der Dusche, in der noch Licht brannte.
Als das Wasser zu rauschen begann, drehte sich der Schlüssel langsam und geräuschlos. Lautlos schwang die Tür auf, und ein großer Mann mit dunklem Haar trat ein. Er drückte die Tür zu, schlich am Bett vorbei und ließ sich zwischen Bett und Fensterwand zu Boden gleiten.
Nach einigen Minuten wurde der Wasserstrahl abgedreht, und Tokira Soto kam in ein Tuch gewickelt ins Zimmer, frottierte sich, hängte das Tuch ordentlich auf, zog einen hellgrauen Schlafanzug an und setzte sich aufs Bett.
Aus der Reisetasche hatte er mit dem Schlafanzug sein Notizbuch geholt.
In diesem Augenblick geschah zweierlei. Er hörte ein Rascheln hinter sich, und er nahm einen Geruch wahr, der sofort die Assoziation »Krankenhaus« heraufbeschwor.
Er wollte sich vom Bett fallen lassen, aber da umschlang ihn schon ein kräftiger Arm, und ein Wattebausch wurde ihm auf Mund und Nase gedrückt.
Das Betäubungsmittel wirkte zu schnell. Der breitschultrige Eindringling hielt den schmächtigen Japaner wie in einem Schraubstock fest, bis die Zuckungen schwächer wurden und der Körper endlich erschlaffte.
Sekundenlang drückte der Angreifer Soto noch den Wattebausch aufs Gesicht, dann stand er vom Bett auf, suchte nach dem Notizbuch, das unter die Bettvorlage gerutscht war, und steckte es ein. Hastig durchsuchte er die Reisetasche und nahm sämtliche Papiere an sich, die er fand.
Er zerrte Soto vom Bett und legte ihn vor dem Fenster auf den Boden. Sorgfältig strich er die Bettdecke glatt und schaltete dann das Licht in der Dusche aus. Danach zog er Soto wieder an, faltete seinen Schlafanzug und legte ihn aufs Bett.
Nach einem Blick ringsum war er zufrieden und zog die Jalousie vorsichtig halb hoch. Er öffnete das Fenster und spähte hinaus. Es wurde schon hell. Die Verspätung des Flugzeuges hatte ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber mit all den Lichtreklamen wurde es hier ohnehin nie richtig dunkel.
Mit der leichten Last stieg er aus dem Fenster und kletterte auf der Feuertreppe zum nächsten Stockwerk hinunter. Dort legte er den Bewusstlosen auf den Absatz und stieg wieder in das Zimmer hinauf, aus dem er ihn geholt hatte. Er schloss das Fenster, ließ die Jalousie herunter, löschte das Licht und drehte den Schlüssel vom Flur her einmal um. Dann eilte er zu der Eisentür, von der aus man auf eine zweite Feuertreppe gelangte. Der Schlüssel steckte von innen, und der Entführer verließ auf diesem Weg das Hotel – diesmal endgültig.
Jetzt kam der schwierigste Teil seines Plans. Über ein Sims musste er zu der Feuertreppe kommen, auf der er Soto abgelegt hatte. Denn die letzten Stufen der Treppen waren vom Boden aus nicht zu erreichen. Wenn sie belastet wurden, sanken sie an starken Spiralfedern hinab, bis zu einer Höhe, aus der man hinunterspringen konnte, ohne sich die Knochen zu brechen. Diese Einrichtung sollte Dieben den Zugang erschweren.
Der Entführer trug Segeltuchschuhe mit griffigen Profilsohlen, und er arbeitete nicht zum ersten Mal als Fassadenkletterer.
Es gab keine kritische Situation, kein Ausgleiten, trotzdem atmete er auf, als er mit beiden Füßen auf der anderen Metalltreppe stand. Er lief zu dem Bewusstlosen, lud ihn sich auf eine Schulter und stieg hinunter.
Ab und zu spähte er in die Tiefe und wartete, wenn sich die Scheinwerfer von Fahrzeugen näherten. Sobald die gleißenden Lichtkegel vorüber waren, hastete er weiter.
Jetzt stand er auf der vorletzten Stufe, nahe an der Wand, nach allen Seiten hin sichernd.
Wo bleibt dieser verdammte Lorne!, wetterte er in Gedanken und biss die Zähne zusammen, dass sie knirschten.
Eine schwankende Gestalt näherte sich dem Hotel, und der Entführer presste die Lider zusammen. Sollte sich der Bursche in der kurzen Zeit sinnlos betrunken haben? Ausgeschlossen!, ging es ihm durch den Kopf. Lorne vertrug eine Menge.
Der Nachtschwärmer blieb etwa zwei Meter von der Feuerleiter entfernt stehen, lehnte sich an die Wand, zog eine Flasche aus der Jackentasche und setzte sie an die Lippen.
Im selben Augenblick schoss der Wagen heran, hielt unter der Treppe, und Lorne stieß den Schlag des Beifahrersitzes auf.
Jetzt musste gehandelt werden.
Der Entführer trat auf die letzte Stufe. Quietschend dehnten sich die Spiralen, und er senkte sich mit seiner Last dem Boden zu.
Das Geräusch ließ den Betrunkenen herumfahren. Er torkelte auf den Mann zu, der mit seiner Last auf die Straße sprang. Lorne sollte im Wagen bleiben, damit sie sofort losfahren konnten, und so war von ihm keine Hilfe zu erwarten.
»He, brennt’s da oben?«, fragte der Betrunkene. Breitbeinig stand er jetzt zwischen dem Wagen und dem Entführer.
»Wieso denn das?«, fragte der Fassadenkletterer ärgerlich, lief um den Betrunkenen herum und ließ den Japaner auf den Beifahrersitz gleiten. Lorne half, und der Breitschultrige warf den Wagenschlag zu.
Als er die hintere Tür öffnete, klopfte ihm der Alte auf den Rücken. »Hören Sie mal, wenn’s da brennt, müssen wir das melden! Kommen Sie, gleich um die Ecke ist ein Feuermelder!«
»Mensch, Nat, lad den Kerl ein!«, rief Lorne unterdrückt. »Der ist noch nicht blau genug, um die Sache zu vergessen. Und wenn er auspackt, haben wir ein Problem!«
Nat drehte sich um und starrte in ein faltiges Gesicht mit grauen Bartstoppeln. »Komm mit, Alter! Wir fahren zu ’ner Party, wo’s alles umsonst gibt. Los, steig ein!«
»Na, das lässt sich hören!« Der Alte schwankte an Nat vorbei und fiel auf den Rücksitz. Nat schob ihn zur anderen Seite, stieg ein und schloss den Schlag.
»Abfahren!«, befahl er knapp.
Der Gestank billigsten Fusels stieg ihm in die Nase. Er ging von dem Stoppelbärtigen aus. Mit zitternder Hand hielt der Alte ihm die Flasche hin. »Ich bin Morry. Trinken wir Bruderschaft! Wenn ihr mich zu ’ner Quelle mitnehmt, können wir ja meine Marschverpflegung unterwegs aufzehren.«
Nat spürte Übelkeit in sich aufsteigen. »Die schluck nur selbst! Wir warten auf was Besseres.«
Grinsend gurgelte der Alte den Rest aus der Flasche ohne Etikett hinunter und stellte sie zwischen seine Füße. Dann ließ er sich zurückfallen.
Kurz darauf schnarchte er.
»Was machen wir nun mit ihm?«, fragte Lorne.
»Kannst du garantieren, dass er den Zwischenfall vergessen wird?«
»Kann ich nicht.«
»Beschreiben kann er mich nicht. Aber ich habe in dem Hotel ein Zimmer gemietet. Wenn die Bullen draufkommen, dass Soto aus dem Hotel geholt wurde, werden sie das Personal ausquetschen. Und bei den heutigen Methoden könnte jemand mich so gut beschreiben, dass der Computer meine Akte ausspuckt!«
Lorne hatte den Lincoln Tunnel erreicht und hielt sich strikt an die Geschwindigkeitsbegrenzungen. »Es gibt nur einen Ausweg«, sagte er hart, und Nat verstand ihn sofort.
»Okay, hab ich auch schon gedacht. Aber wie und wo?«
***
Am Dienstagmorgen gegen zehn Uhr wurden mein Kollege Phil und ich zu unserem Chef, Mr. High, gerufen.
»Morgen, Jerry, Morgen, Phil«, begrüßte er uns, doch sein ernster Gesichtsausdruck verriet, dass es kein guter Morgen werden würde.
Seinem Schreibtisch gegenüber saß ein Japaner, der sich höflich erhob und ein paar Mal nickte.
»Dies ist Mister Amo Kato«, stellte der Chef vor. »Meine Mitarbeiter Jerry Cotton und Phil Decker.«
Die Bezeichnung »Mitarbeiter« aus John Highs Mund war keine leere Floskel, denn tatsächlich kehrte er nie den Vorgesetzten heraus.
Dass das Ungute dieses Morgens von Mr. Kato ausging, sahen wir ihm am Gesicht an. Nicht zum ersten Mal hatten wir einen Japaner vor uns, und wenn ein solcher Mann bei einer Vorstellung kein bisschen lächelte, musste ihn Schwerwiegendes bedrücken.
»Bitte, Mister Kato, wiederholen Sie, was Sie mir erzählten!«
Amo Kato schilderte knapp, aber genau, wie er und sein Chef, Tokira Soto, im Hotel Governor Jackson in der West 42nd Street angekommen waren, was sie noch ausgemacht hatten, und dann kam er auf den Morgen zu sprechen.
»Ich ging zum Nebenzimmer, um meinen Chef zu wecken, aber der Zimmerschlüssel steckte von außen, und das war merkwürdig, denn Mister Soto erwartet mich immer, wenn wir auf Geschäftsreisen sind. Ich klopfte mehrmals. Als niemand antwortete, ging ich in den Frühstücksraum hinunter. Auf meine Frage sagte mir der Ober, er habe Mister Soto noch nicht bedient. Also fuhr ich wieder zum Stockwerk hinauf, in dem wir wohnten, klopfte noch einige Male, nahm dann mein Taschentuch, legte es um den Schlüssel und schloss auf.«
Ein solches Verhalten kam mir merkwürdig vor. »Wieso benutzten Sie Ihr Taschentuch?«
Unser Chef hob beschwichtigend die Rechte. »Sie werden’s erfahren, Jerry. Lassen Sie Mister Kato bitte auf seine Weise erzählen.«
»Das Zimmer und die Dusche waren leer, Jalousie und Fenster fest geschlossen. Ich berührte nichts, verließ den Raum sofort, schloss wieder ab, steckte den Schlüssel ein und erkundigte mich in der Halle nach dem nächsten Polizeirevier. Als ich dem Beamten dort von meinem Verdacht berichtete, ließ er mich in einem Streifenwagen herbringen.«
Ich fragte mich, wieso ein Sekretär gleich zur Polizei lief, wenn er seinen Chef nicht verabredungsgemäß zur Frühstückszeit in dessen Zimmer fand.
Ein Seitenblick auf Phil zeigte mir, dass mein Kollege auch misstrauisch dreinblickte. Das sollte sich jedoch gleich ändern.
»Als ich Mister Soto im Frühstücksraum nicht angetroffen hatte, fiel mir sofort die Drohung ein, die er kurz vor unserem Abflug in Los Angeles bekommen hatte. Ich hatte den Umschlag selbst geöffnet und den Brief als Erster gelesen. Es war ein Blatt ohne Briefkopf und Unterschrift. Nur wenige Zeilen standen darauf, und der Ton war äußerst unfreundlich. ›Wenn Sie nach New York fliegen, werden Sie es bereuen. Bleiben Sie, wo Sie sind, Soto. Wir scherzen nicht, wir fackeln nicht lange. Wenn Sie diese Warnung missachten, ist der Trip Ihr letzter.‹ Ich sagte Mister High schon, dass ich den Drohbrief mehrmals gelesen habe und mich genau an den Inhalt erinnere. Selbstverständlich zeigte ich ihn meinem Chef, aber er war keineswegs beunruhigt. Er kümmerte sich überhaupt nicht um die Warnung, und so flogen wir doch. Jetzt werden Sie verstehen, warum ich es vermied, irgendwelche Spuren zu verwischen, als ich sein Hotelzimmer betrat.«
»Ich habe grade im Governor Jackson angerufen«, sagte Mr. High. »Der Vermisste ist noch immer nicht aufgetaucht. Sie, Jerry und Phil, werden das Hotelzimmer durchsuchen. Vielleicht findet sich doch ein Anhaltspunkt, ob Mister Soto tatsächlich entführt wurde. Noch Fragen?«
Das galt uns.
»Den Drohbrief haben Sie wohl nicht mitgebracht?«, wandte ich mich an Kato, und er schüttelte bedauernd den Kopf.
»Da Mister Soto die Sache nicht ernst nahm, sah ich keine Veranlassung. Leider warf ich das Schreiben sogar in den Papierkorb.«
»Wir brauchen ein Foto Ihres Chefs.«
Kato sah Phil an, der nach dem Bild verlangt hatte. »Wir brachten nur das Nötigste mit, denn wir wollten nicht lange bleiben. Aber in Mister Sotos Tasche ist sein Pass mit Bild. Kein hervorragendes Porträt, aber er ist zu erkennen.« Jetzt lächelte Kato zum ersten Mal, seit wir ihn kannten. »Ich fürchte nur, für Menschen wie Sie sehen wir Japaner alle gleich aus, von sehr stark abweichenden Merkmalen einmal abgesehen.«
Ich nickte. »Sie haben leider recht. Aber lassen wir uns nicht von vornherein entmutigen. Hat Mister Soto Feinde?«
Die Frage schien ihn etwas aus dem Gleichgewicht zu bringen, denn er zögerte so lange mit seiner Antwort, dass ich schon meinte, er wolle sich nicht darüber äußern. Dann aber schüttelte er den Kopf. »Nein, keine Feinde. Aber wie jeder hat auch Mister Soto Neider, Menschen, die geschäftlich mit ihm konkurrieren, und frühere Freunde, die sich aus irgendwelchen Gründen von ihm abgewandt haben. Er wurde in New York geboren und studierte auf der Columbia Universität. Schon aus dieser Zeit hat er wohl Rivalen, denn er war vielen seiner Altersgenossen geistig überlegen. Aber Feinde sind das nicht.«
Ich nickte. »Okay, dann wollen wir mal ins Hotel fahren! Begleiten Sie uns?«
»Selbstverständlich gern. Ich möchte helfen, wenn ich kann.«
Als wir in meinen roten Jaguar stiegen, hob Amo Kato anerkennend die Augenbrauen. Da ich inzwischen gemerkt hatte, wie selten sich seine Gesichtszüge veränderten, war mir das Anerkennung genug. Es war die kürzeste und lautloseste Lobeshymne, mit der je einer meinen Wagen gepriesen hatte.
***
Nat Eastman und Lorne Bailey hatten bereits vor zwei Tagen in den Ramapo Mountains von New Jersey einen Bungalow gemietet und bezogen. Es war schon hell, als sie das Ende der Serpentinenstraße erreichten. Sie war für den Steinbruch angelegt worden, in dem seit Jahren niemand mehr arbeitete. Selten verirrten sich Ausflügler hier herauf.
Ein schmaler Weg führte am Waldrand entlang zu dem schäbigen Bungalow, der meist leer stand. Auf ihrer Suche nach einem entlegenen Ort waren die beiden Gangster auch hier heraufgekommen und hatten sofort erkannt, dass die Lage des Gebäudes für ihre Zwecke ideal war.
Es war nicht einfach gewesen, den Besitzer des Bungalows ausfindig zu machen. Nach längerem Herumfragen in den nächstgelegenen Orten wurden sie endlich an einen Makler in New Brunswick verwiesen, der nur allzu froh war, das baufällige Häuschen für einige Wochen vermieten zu können. Sie zahlten im Voraus, und er stellte keine Fragen.
Jetzt rumpelten sie mit ihrem Wagen über den Waldweg, über den sich armdicke Wurzeln nach rechts zum steinigen Hang hinzogen. Sie bogen um eine letzte Kurve, und das Häuschen lag im Schein der ersten Sonnenstrahlen vor ihnen.
Unterwegs hatten sie verabredet, wie sie Morry beseitigen würden. Aber sie wollten nicht riskieren, noch länger mit dem Entführten herumzukutschieren. Falls doch etwas schiefgelaufen war – und das mussten sie einkalkulieren –, konnte schon nach ihm gefahndet werden.
Lorne Bailey zog die Handbremse an, sprang aus dem Wagen und lief zum Bungalow. Er war so nah herangefahren wie möglich. Sie hatten in den letzten Tagen stundenlang Ausschau gehalten, aber weit und breit keine Spaziergänger entdeckt. Nicht einmal am Sonntag.
Trotzdem sah sich Nat, der ebenfalls ausgestiegen war, auch jetzt erst nach allen Seiten um, während Lorne die Tür zum Bungalow so weit öffnete, dass sie an den Wagenschlag stieß.
»Okay«, brummte Nat, dann zerrten sie Soto aus dem Wagen und schleppten ihn ins Haus.
Er war unterwegs aus der Betäubung aufgewacht, aber Nat hatte ihn mit einem Faustschlag gegen die Schläfe wieder schlafen geschickt.
Die gleiche Behandlung hatte Morry über sich ergehen lassen müssen, als er mit den Worten zu sich gekommen war: »Wo, zum Teufel, ist die Quelle? Ihr könnt doch euren alten Freund Morry nicht verdursten lassen!«
Sie legten Tokira Soto auf den staubigen Boden, fesselten und knebelten ihn und verließen den Bungalow. Lorne schloss sorgfältig ab und steckte den Schlüssel ein. »Da drin sind fünftausend Dollar oder ein Ticket für lebenslänglich!«
Nat warf ihm einen finsteren Blick zu. Er schob seinen Unterkiefer vor und stieg neben Morry ein.
Während der ganzen Fahrt zum Hudson River sprach er kein Wort.
Lorne konnte sich denken, was in Nat vorging. So hart er gegen andere sein konnte – wenn ihm Gefahr drohte, wurde er stumm und kam ins Grübeln. Lorne verwünschte sich wegen seiner Anspielung auf die Strafe, die Entführern drohte. Niemand wusste, wie lange sie mit dem Japaner ausharren mussten. Und er kannte Nat. Wenn der jetzt richtig einschnappte, konnten die nächsten Stunden und Tage ekelhaft werden.
Zum Glück fand er sofort die zwei Bootsschuppen, von denen er Nat auf der Herfahrt berichtet hatte. Sie lagen am Westufer des Hudson Rivers so dicht beieinander, dass man mit dem Wagen eben noch zwischen ihnen hindurch zum Ufer fahren konnte. Zum Land hin boten sie gute Deckung.
Lorne stoppte hart am steinigen Ufer, stieg aus und sah sich um. Rechts von ihm schaukelte ein morscher Kahn, dessen Kette er greifen konnte, ohne sich die Füße nass zu machen.
Er lief zum Wagen zurück, und gemeinsam luden sie Morry aus.
Sie nahmen ihn in die Mitte, trugen ihn bis zum Wasser, und Lorne zog den Kahn heran.
»Ich mach den Rest allein«, sagte er und hoffte, Nat damit zu versöhnen.
Schweigend half ihm der Komplice noch, den Alten einzuladen, dann rannte er zum Wagen und fuhr ihn rückwärts auf die Straße.
Der Alte fühlte sich merkwürdig kalt an, als ihn Lorne auf den Boden des Kahns zerrte. Seine Lider waren halb geöffnet.
Bald bist du noch kälter, dachte er und wartete über den Kahn gebeugt, bis einige Motorboote und Schlepper etwa auf gleicher Höhe waren und mit ihren Motoren eine ohrenbetäubende Geräuschkulisse lieferten. Dann schoss er mehrmals in den Boden des morschen Bootes.
Wieder wartete er geduldig, bis etwas weniger Betrieb auf dem Fluss war. Dann hakte er den Kahn von der Kette und schob ihn ins Wasser. Ohne auf seine beige Hose zu achten, wagte er sich bis zu der Stelle vor, wo die dicken Stützbohlen der beiden Landestege endeten. Das Wasser reichte ihm jetzt bis zum Gürtel, und von den Schiffen aus konnte ihn niemand hinter dem Kahn ausmachen.
Er gab dem Boot noch einen kräftigen Stoß. Es musste schon eine Menge Wasser eingedrungen sein, denn der Kahn schien schwer wie ein Bleisarg.
Rasch wandte sich Lorne um und watete dicht an einem der Landestege entlang zurück zum Ufer.
Kein Wort von Bleisarg, ging es ihm durch den Kopf. Nat und er waren jetzt aufeinander angewiesen. Und der Schwierigere war Nat mit seinen Launen, Depressionen und plötzlichen Ausbrüchen ungezügelter Brutalität.
Hoffentlich ist er nicht vor Wut abgehauen, dachte Lorne, als er den Wagen nicht gleich sah. Doch dann entdeckte er ihn.
Nat hatte gewendet und stand in Fahrtrichtung.
Obgleich er lieber gerannt wäre, ging Lorne ruhig, aber mit großen Schritten zwischen den Bootshäusern hindurch zurück auf die Straße.
Der Motor lief, und er hatte den Schlag noch nicht wieder geschlossen, da startete Nat auch schon.
»Leider versaue ich jetzt die Polster«, brummte Lorne und spähte zum Fluss zurück. Aber er konnte den Kahn nicht ausmachen. Sicher würde das Boot rasch absacken, und mit ihm der gefährliche Augenzeuge.
Sollten die Bullen mal beweisen, dass der Alte nicht besoffen in den Fluss gefallen war.
***
Ich parkte meinen Jaguar in einer Tiefgarage, und wir gingen zwei Blocks bis zum Governor Jackson. Phil und ich zeigten dem Empfangschef unsere Dienstmarken und baten ihn, uns das Zimmer aufzuschließen, in dem Tokira Soto einquartiert worden war. Ob er dort auch übernachtet hatte, wollten wir feststellen.
Den Schlüssel, den der Sekretär des Verschwundenen zum FBI mitgebracht hatte, untersuchten im Augenblick unsere Kollegen im Labor.
Als uns der Empfangschef die Tür des Hotelzimmers aufschloss, waren wir jedoch noch gar nicht sicher, ob Mr. Soto tatsächlich entführt worden war.
Trotzdem streiften wir durchsichtige Plastikhandschuhe über, um keine Spuren zu verwischen.
Es war ein sauberes, gemütliches Zimmer mit breitem Bett, Wandschrank, zwei Sesseln und einem Klapptisch in der Nähe des Fensters. Obgleich es längst hell war, mussten wir Licht einschalten, denn die heruntergelassene Jalousie schloss dicht.
Phil schnüffelte hörbar, und jetzt nahm ich auch den leichten Äthergeruch wahr. Wir durchsuchten das Zimmer systematisch.