Jerry Cotton Sonder-Edition 114 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 114 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Mord-Karriere

Ich rannte durch das niedrige, fensterlose Kellerlokal. In meinen Händen tickte die Bombe. Kreischende Frauen und brüllende Männer suchten verzweifelt irgendeine Deckung. Ich lief um mein Leben und um das Leben der anderen Menschen. Hinaus auf die Straße. Warf die Tasche über eine Mauer und mich selbst zu Boden. Gleich darauf riss die Detonation die Nacht buchstäblich in Stücke.
Die Explosion der Bombe war der Auftakt zu einer Kette scheußlicher Verbrechen. Auftakt zum Wahlkampf in New York, in dem diesmal die Unterwelt ihren Kandidaten an die Spitze katapultieren wollte ...

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Seitenzahl: 191

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Mord-Karriere

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Nomad_Soul/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8706-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Mord-Karriere

Ich raste durch das niedrige, fensterlose Kellerlokal. In meinen Händen tickte die Bombe. Kreischende Frauen und brüllende Männer suchten verzweifelt irgendeine Deckung. Ich rannte um mein Leben und um das der anderen Menschen. Hinaus auf die Straße. Warf die Tasche über eine Mauer und mich selbst zu Boden. Gleich darauf riss die Detonation die Nacht buchstäblich in Stücke.

Die Explosion der Bombe war der Auftakt zu einer Kette scheußlicher Verbrechen. Auftakt zum Wahlkampf in New York, in dem diesmal die Unterwelt ihren Kandidaten an die Spitze katapultieren wollte.

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer exklusiven Heftromanausgabe. Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen Sechziger bis in das neue Jahrtausend.

Der Rummel begann, als die mit Perlen bestickte Abendtasche der aufregenden Blonden zu Boden fiel.

Sie hatte eine Figur, an der man die olympische Flamme entzünden konnte, und einen Kleiderausschnitt, der es schwer machte, sich für andere Dinge zu interessieren. Sie fegte die Handtasche bei einer Körperwendung mit dem Ellenbogen vom Bartresen, ganz unbewusst.

In diesem Augenblick sprangen zwei Männer von ihren gepolsterten Hockern, die die Blonde bisher keine Sekunde aus den Augen gelassen hatten. Sie rannten quer über die Tanzfläche zum Ausgang. Es störte sie nicht, dass sie dabei zwei Tanzpaare und einige Stühle umstießen.

Ein empörter Bursche mit Boxernase, der offenbar glaubte, die beiden wollten mit einer Diebesbeute flüchten, stellte sich einem der Männer in den Weg und zog seine Linke hoch.

Er traf hart, aber nicht hart genug. Noch ehe er ein zweites Mal zuschlagen konnte, praktizierte der gestoppte Mann einen lupenreinen Judogriff. Der Mann mit der Boxernase stieß einen Schrei aus und landete unsanft auf dem Parkett. Der Sieger der Auseinandersetzung stürmte aus dem Lokal.

Ich hatte das Geschehen beobachtet, ohne mich entscheiden zu können, ob es mich amüsieren oder ärgern sollte. Ich schaute die Blonde an und begriff, dass weder die eine noch die andere Reaktion der Lage gerecht wurde.

Die junge Frau wirkte wie paralysiert.

Sie starrte mit weit aufgerissenen, entsetzten Augen auf die am Boden liegende Tasche und war unfähig, sich zu rühren. Kein Zweifel, sie stand unter Schock.

Niemand kümmerte sich in diesem Moment um das Mädchen. Die meisten Gäste wollten sehen, was auf der Tanzfläche passierte, wo sich der Bursche mit der Boxernase gerade fluchend anschickte, wieder auf die Beine zu kommen.

Ich war mit wenigen Schritten bei der Blonden. Ich riss die Handtasche vom Boden hoch und hielt sie an mein Ohr. Das Jagen meines Pulses war nicht laut genug, um das Ticken zu übertönen, das aus der ziemlich gewichtigen Tasche an mein Ohr drang.

»Deckung!«, hörte ich mich gegen die Musiklautsprecher anschreien. »Eine Bombe!«

Dann raste ich los und sah, wie links und rechts von mir Menschen schreiend Deckung suchten. Ich hatte das fast schmerzhafte Bedürfnis, die Tasche mit ihrem mutmaßlichen Bombeninhalt wegzuwerfen, sie einfach in eine Ecke zu schleudern, aber ich wusste, dass das nicht ging. Wenn meine Befürchtungen stimmten und die Bombe in diesem niedrigen, menschengefüllten Lokal explodierte, wo es nicht einmal ein Fenster gab, um den Explosionsdruck abzuschwächen, war ein Blutbad die unausbleibliche Konsequenz.

Ich stieß eine Schwingtür zurück, hastete durch einen rot gepolsterten Vorraum und über eine steile Treppe nach oben ins Freie. Das Lokal lag an der 52nd Street. Es war kurz vor dreiundzwanzig Uhr. Die Bürgersteige waren randvoll mit flanierenden Passanten, und auf der Fahrbahn schoben sich die Autos fast Stoßstange an Stoßstange in beide Richtungen.

Ich merkte, dass mir die Klamotten am Leibe klebten, und sprintete in eine schmale, dunkle Gasse. Ich warf die Handtasche über eine Ziegelmauer, rannte noch zwanzig Yards weiter und blieb dann schwer atmend stehen.

Mir kam zum Bewusstsein, dass ich mich möglicherweise wie ein Narr benommen hatte. Was war, wenn das Ticken von einem billigen Reisewecker stammte, den die Lady irgendwo erstanden und in ihre Handtasche gepackt hatte?

Aber da blieb die Frage nach der Reaktion der beiden Männer und dem Entsetzen der Blonden. Weshalb waren sie, je nach Temperament, in Panik oder Schock verfallen?

Die Antwort erfolgte in der nächsten Sekunde.

Die heftige Detonation riss die Nacht buchstäblich in Stücke. Sie überschüttete meine Umgebung mit einem klirrenden Glashagel geborstener Fensterscheiben und einer grauen, bis weit in die schmale Gasse drängenden dunklen, ätzenden Explosionswolke.

***

Als sich der Qualm langsam verzog, sah ich, dass die Ziegelmauer von der Wucht der Bombenexplosion an zwei Stellen niedergerissen worden war. Hinter glaslosen Fenstern tauchten blasse, verschreckte Gesichter auf. In der Nähe begannen einige Hunde zu jaulen und zu bellen. Ich kletterte über den Ziegelhaufen, gelangte zur Straße und eilte zurück in das Lokal.

Es hieß übrigens Blue Room und war erst vor wenigen Wochen eröffnet worden. Hier unten, im Keller, war die Detonation vom Lautsprecherstampfen der Beatmusik praktisch verschluckt worden. Die Gäste wussten noch nicht, was oben geschehen war.

Mein Blick huschte zum Tresen. Die Blonde war verschwunden.

Ich hielt mich nicht damit auf, die Polizei zu alarmieren. Das taten im Augenblick gewiss mindestens fünfzig von der Explosion aufgeschreckte Bürger. Ich trat an den Tresen und winkte den Barkeeper heran.

»Wo ist die blonde Lady?«, fragte ich ihn.

»Gegangen«, meinte er. »Unmittelbar nach Ihnen.«

»Kennen Sie sie?«

Er schüttelte den Kopf. »Sie war das erste Mal hier«, erwiderte er. »Wir sind noch zu neu, um schon viele Stammgäste zu haben.«

»Kam sie allein?«

»Ja, Eine tolle Frau, nicht wahr?« Er grinste breit. »Die hätte gern länger bleiben dürfen!«

»Was ist mit den beiden Männern, die plötzlich den Raketenstart hingelegt und für den Aufruhr gesorgt haben?«

Das Grinsen des Barkeepers fiel in sich zusammen. »Die haben nicht bezahlt«, knurrte er. »Das waren verdammte Zechpreller …«

Jemand klopfte mir auf die Schulter. »He, wollten Sie uns auf den Arm nehmen? Sie haben uns mit Ihrem Bombenalarm einen schönen Schrecken eingejagt.«

»Gehen Sie mal nach oben«, sagte ich, »da können Sie sich davon überzeugen, wie berechtigt er war.«

Ich zahlte und ging.

In der schmalen Gasse drängten sich viele Neugierige. Die Polizei war noch nicht eingetroffen. Ich mischte mich unter die Menge, um festzustellen, ob es Verletzte gegeben hatte. Das war zum Glück nicht der Fall. Die Bombe hatte lediglich für beträchtlichen Sachschaden gesorgt.

Ich bückte mich nach einem Papierfetzen, dessen versengte Ränder meine Aufmerksamkeit weckten. Es war eine auf Büttenpapier gedruckte Einladung, ein vorgedrucktes Formular, wie man es in jedem Papierwarengeschäft erstehen konnte. Die Felder für Zeit und Ort der Veranstaltung waren mit grünem Filzschreiber ausgefüllt.

Die Einladung galt für diesen Abend, einundzwanzig Uhr. Sie war unterschrieben mit einem schwungvollen »Raoul Corczensky«.

Ich beschnupperte die versengten Papierränder. Hatte das Kärtchen in der Handtasche der Bombenlady gesteckt? Es war von der Explosion möglicherweise nicht zerrissen, sondern einfach weggefegt worden.

Raoul Corczensky. Das war ein ungewöhnlicher Name. Ich entdeckte ihn Minuten später im Telefonbuch des Blue Room, den ich zu diesem Zweck nochmals aufsuchte. Corczenskys Wohnung befand sich ganz in der Nähe, nur wenige Häuserblocks von hier entfernt.

Ich wartete das Eintreffen der Polizei ab, gab zu Protokoll, was ich wusste, und bat um eine Untersuchung durch Sprengstoffexperten. Die Einladung ließ ich unerwähnt. Noch stand keineswegs fest, dass sie mit der Bombenexplosion zusammenhing.

Ich, FBI-Agent Jerry Cotton, war nur durch einen Zufall in das Geschehen verstrickt worden und hatte keinen Auftrag, mich um den Fall zu kümmern. Aber ich wäre nicht ich gewesen, wenn ich nach dem Unterzeichnen des Protokolls so getan hätte, als ginge mich das Ganze nichts mehr an. Die Bombe hätte leicht im Lokal explodieren und Dutzende von Menschen töten können. Mich inbegriffen. Möglicherweise bot sich mithilfe der Einladung die Chance, rasch zu klären, wer die blonde Lady war und was es mit ihrem explosiven Handtascheninhalt für eine Bewandtnis hatte.

***

Raoul Corczensky wohnte im Hause 83 der 11th Avenue. Es war ein moderner, fünfzehnstöckiger Kasten von erschreckender Sachlichkeit. Einen krassen Gegensatz dazu bildete der Nachtportier in seiner romantischen, operettenhaft anmutenden Uniform. Ich zeigte ihm die Einladung, um passieren zu können.

»Pech für Sie, Mister«, sagte er bedauernd. »Aber Sie kommen zu spät.«

»Wieso?«

»Die Party ist gelaufen«, informierte er mich. »Die Gäste sind gegangen.«

Ich blickte verdutzt auf meine Uhr. »Es ist noch nicht einmal Mitternacht«, stellte ich fest. »Die Chose hat um neun begonnen. Keine Party geht so schnell zu Ende. Ist sie geplatzt?«

»Ich weiß nur, dass die Gäste schon kurz nach zweiundzwanzig Uhr wieder gegangen sind.«

»Wie viele waren es denn?«, fragte ich und schob eine Dollarnote in seinen mit Goldlitzen verzierten Ärmelaufschlag.

»Ein rundes Dutzend, würde ich sagen.«

»War eine aufregende Blonde mit provozierendem Dekolleté dabei?«, erkundigte ich mich und beschrieb ihm das Aussehen meiner Bombenlady.

»Hm«, machte er. »Ja, ich glaube schon. Da waren zwei Blondinen. Eine von ihnen entsprach Ihrer Schilderung.«

Der Lift brachte mich in die achte Etage. Ich klingelte an einer grüngelackten Apartmenttür, die Raoul Corczenskys auf Hochglanz poliertes Namensschild aus Messing trug. Der Mann, der mir öffnete, hatte wirres, zerzaustes Blondhaar und trug ein weißes Dinnerjacket. Seine Schleife war geöffnet. Er machte ein verkniffen-mürrisches Gesicht.

»Mister Corczensky?«, fragte ich ihn.

»In leicht getrübter Schönheit«, nickte er. »Was kann ich für Sie tun?«

»Vieles«, sagte ich und präsentierte ihm die Einladungskarte. »Aber anfangen könnten Sie mit einem mittelschweren Whisky. Er wird hoffentlich noch greifbar sein – oder sind Ihre Gäste getürmt, weil keine Getränke mehr im Hause waren?«

Er starrte mich aus blanken, blassblauen Augen an. »Wer sind Sie?«, erkundigte er sich murmelnd.

»Cotton, FBI«, antwortete ich ihm. »

Er machte schweigend kehrt. Ich betrat die Diele, zog die Tür hinter mir ins Schloss und folgte Corczensky in das große Wohnzimmer. Es sah ziemlich wüst darin aus. Überall standen Flaschen und Gläser. Zwei geöffnete Fenster sorgten für Frischluftzufuhr, aber trotzdem roch es penetrant nach kaltem Rauch. Wir setzten uns einander gegenüber.

Ich fand, dass Corczensky müde aussah, abgeschafft. Seine Augenränder waren leicht gerötet. Ich schätzte den Mann auf dreißig. Er hatte ein markantes, nicht unintelligentes Gesicht mit einem schmalen, in den Winkeln stark abfallenden Mund, der ihn etwas verbiestert und zynisch wirken ließ.

»FBI«, sagte er. »Das ist wirklich komisch. Woher haben Sie die Einladung?«

»Gefunden«, sagte ich. »In einer schmalen Gasse. Dort sieht es jetzt ziemlich wüst aus. Sie wissen ja, was so eine Bombe anzurichten vermag.«

»Eine was?«, fragte er und hob die Augenbrauen.

»Eine Bombe. Sie hatte einen Zeitzünder, der durch einen Fall eingeschaltet wurde und schätzungsweise dreißig oder vierzig Sekunden lang tickte, ehe er seine Funktionstüchtigkeit unter Beweis stellte.«

»Sie sprechen in Rätseln. Was habe ich mit dieser verdammten Bombe zu tun?«, fragte er.

»Nichts, wie ich in Ihrem Interesse hoffen will – aber gerade das gilt es zu klären. Wer war die blonde Lady, die das Bömbchen in ihrer mit Perlen bestickten Handtasche hatte – und wer waren die Männer, die sich in ihrer Nähe gehalten und sie beschattet haben?«

Er sah so aus, als ob er kein Wort begriff. Ich nahm mir also die Mühe, ihn mit einer detaillierten Schilderung des Geschehens zu versorgen.

»Ja, sie war hier«, sagte er. »Die Blonde, meine ich. Sie nannte sich Liza.«

»Liza und wie noch?«

»Keine Ahnung. Ich nehme an, dass irgendjemand sie mitgebracht hat, aber ich könnte nicht sagen, wer.«

»Sie hatte eine Einladung«, erinnerte ich ihn.

»Ich habe ihr keine geschickt«, behauptete Corczensky. »Ich habe sie heute zum ersten Mal gesehen! Ich hab sie sogar gefragt, mit wem sie gekommen ist, aber eine richtige Antwort war von ihr nicht zu erhalten.«

Ich blickte Corczensky an und fragte mich, ob er mir ein Märchen auftischte. Es war schwer, seinem verkniffenen Gesicht zu entnehmen, ob er log oder die Wahrheit sagte.

»Wie viele Einladungen haben Sie verschickt?«, fragte ich ihn.

»Elf«, sagte er. »Sieben davon waren an Pärchen adressiert.«

»Das würde eine Gästeliste von achtzehn Personen bedeuten«, erklärte ich. »Wie viele sind gekommen?«

»Zehn«, antwortete er.

»Was war mit den anderen?«

»Verhindert, Verreist. Erkrankt«, sagte er.

»Kann ich die Namen Ihrer eingeladenen Freunde haben – auch diejenigen, die nicht kommen konnten?«

»Sicher, aber ich fürchte, das wird Sie nicht auf die Spur der blonden Schönheit bringen. Es sei denn, einer meiner Freunde kennt diese Liza. Was ich allerdings bezweifle. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie mit einem meiner Gäste sonderlich vertraut war.«

»Was wollte sie dann hier – mit einer Bombe in ihrer Handtasche?«, fragte ich ihn.

»Keine Ahnung.«

»Welchen Beruf üben Sie aus, Mister Corczensky.«

»Ich bin Spion.«

»Wie bitte?«

Er grinste unlustig. »Industriespion«, sagte er. »Ich lebe davon, im Auftrag meiner Klienten bestimmte Produktionsgeheimnisse zu erforschen. Patente, wissen Sie.«

»Das ist ungesetzlich und strafbar!«

»Nicht das Erforschen«, sagte er. »Ungesetzlich wäre es, wenn meine Auftraggeber widerrechtlich die Patente benutzten. Aber damit habe ich nichts zu schaffen. Ich bescheide mich damit, meine Auftraggeber mit der Arbeit der Konkurrenz vertraut zu machen. Das ist eine durchaus legale Tätigkeit – denn Sie können nicht erwarten, dass ein großer Betrieb durch mangelnde Informationen plötzlich in Schwierigkeiten gerät oder markttechnisch überholt wird. Das würde Tausende von Arbeitsplätzen gefährden.«

»Trotzdem bleibt das, was Sie tun, ungesetzlich und strafbar! Wie tarnen Sie Ihre Industriespionage?« Ich schüttelte den Kopf, denn dieser Corczensky war, weiß der Himmel, ein äußerst zwielichtiger und merkwürdiger Vogel!

»Ich bin selbstständig und nenne meine Firma ‚Institut für Entwicklungsforschung und Marktgeschehen’.« Er grinste dünn. »Sie müssen zugeben, dass ich mich damit an die Tatsachen halte.«

»Beschäftigen Sie viele Mitarbeiter?«

»Nur zwei. Ein Mädchen im Büro und einen Assistenten«, antwortete er.

»Ich könnte mir vorstellen, dass Sie sehr gefährlich leben«, sagte ich.

»Wieso? Bis jetzt hatte ich keine ernst zu nehmenden Schwierigkeiten, von einigen Zivilprozessen abgesehen. Ich knacke keine Safes, um an geheime Konstruktionspläne heranzukommen. Ich bin technisch vorgebildet und unterhalte mich lieber mit den Leuten, die in den Labors und Entwicklungsabteilungen der Großbetriebe tätig sind. Ich füge dann die Ergebnisse und Erkenntnisse meiner Unterlagen im Mosaiksystem zusammen und bediene damit meine Klienten. Die Privatwirtschaft führt zwar einen beständigen Handelskrieg, aber das bedeutet nicht, dass sie Störenfriede meines Kalibers mit kriminellen Konteraktionen bedenkt.«

»Kommen wir auf die Party zurück. Warum sind Ihre Gäste so früh gegangen?«

»Es gab Streit«, sagte er.

»Worum ging es dabei?«

»Bedaure«, meinte er. »Darüber möchte ich mich nicht auslassen. Sie werden dafür Verständnis haben.«

»Nein«, sagte ich. »Es geht um die Aufklärung eines geplanten Bombenattentats – denn es ist wohl kaum anzunehmen, dass die junge Frau die Bombe zum Vergnügen mit sich herumschleppte.«

»Liza hatte mit dem Streit nichts zu tun.«

»Sie wollen damit sagen, dass sie sich nicht daran beteiligt hat?«

»Genau.«

»Damit kann ich mich nicht zufriedengeben«, erklärte ich.

»Sie können doch nicht erwarten, dass ich meine Freunde bloßstelle«, sagte er. »Noch ist keineswegs bewiesen, dass es eine Bombe war. Fest steht nur, dass es sich um hochbrisanten Sprengstoff handelte. Ihrer Schilderung zufolge wurde der damit verbundene Zünder durch einen Fall eingeschaltet. Die Reaktion der jungen Dame scheint zu beweisen, dass sie mit einer sofortigen Explosion gerechnet hat. Mehr wissen wir nicht darüber. Eine Bombe? Möglich. Aber vielleicht war der Sprengstoff auch für eine kommerzielle Aufgabe bestimmt, für eine ganz legale Sprengung.«

»Für derlei Zwecke verwendet man kaum Zeitzünder«, widersprach ich. »Außerdem werden Sie zugeben, dass man Sprengstoff dieser Art selten zu Partys mitnimmt.«

»Wer weiß, vielleicht wollte oder sollte die Frau ihn am frühen Morgen irgendwo abliefern …«

»Diese Hypothesen bringen uns nicht weiter«, sagte ich. »Ich muss die Frau finden.«

Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin gern bereit, Ihnen die Gästeliste auszuhändigen. Mit Adressen und Telefonnummern. Mehr kann ich nicht für Sie tun.«

In diesem Augenblick öffnete sich schräg hinter mir eine Tür. Ich blickte über die Schulter, dann schaute ich rasch in Raoul Corczenskys Gesicht. Es fiel buchstäblich auseinander. Seine Zunge strich nervös über die Lippen.

Ich stand auf und wandte mich um. Die junge Frau, die den Raum betrat, sah aus, als befände es sich in Trance. Der starre Blick ging ins Leere. Sie torkelte nach vorn. Ich sprang auf sie zu, aber sie brach zusammen, noch ehe ich sie erreichte.

Ich sah, dass sie Schaum vor dem Mund hatte …

***

Ich beugte mich zu ihr hinab. Ihr Puls schlug sehr rasch. »Wer ist das?«, fragte ich und schaute Corczensky an.

»Lassen Sie sie in Ruhe. Der fehlt nichts.«

»Sie befindet sich in einem Rauschzustand«, stellte ich fest. »Drogen?«

Er kam heran, nahm die Frau – sie war fast noch ein Mädchen – auf seine Arme und trug sie in das angrenzende Schlafzimmer. Das zerdrückte Bett machte mir klar, dass sie schon vorher hier gelegen hatte.

Ich beobachtete, wie der Mann sie behutsam ablegte und stirnrunzelnd ihr blasses, ungewöhnlich hübsches Gesicht musterte. Sie hielt ihre Augen geschlossen und atmete röchelnd, mit halb offenem Mund.

»Sie braucht ärztliche Hilfe, sofort«, sagte ich.

»Unsinn. Ich kenne das doch schon …«

Ich machte kehrt, durchquerte das Wohnzimmer und trat an das Telefon. »Wohnt ein Arzt in der Nähe, den Sie empfehlen können?«, fragte ich Corczensky, der am Türrahmen lehnte.

»Greene«, sagte er. »Doc Greene. Sein Name steht auf der zweiten Seite meines Merkblockes.«

Ich suchte die Nummer heraus und hatte den Arzt eine Minute später an der Strippe. Er versprach, sofort zu kommen.

Corczensky schloss die Tür hinter sich und nahm wieder auf der Couch Platz. »Jetzt wissen Sie Bescheid«, grollte er.

»Der Streit, der die Party hat platzen lassen, hat sich um diese Frau gedreht?«, fragte ich.

»Ja.«

»Ist sie Ihre Freundin?« Dafür erschien sie mir ein wenig zu jung, aber ich fragte es trotzdem.

»Ich bemühe mich um sie«, gestand Corczensky ohne jede Scheu, »aber so richtig hat es noch nicht geklappt.«

»Immerhin hat sie Ihrer Einladung Folge geleistet.«

»Ja.«

»Warum so wortkarg? Ich möchte mehr darüber wissen.«

»Mehr über Liza, wenn ich Sie richtig verstehe. Aber mit Liza hat das nichts zu tun.«

»Sind Sie dessen völlig sicher?«

»Absolut«, sagte er.

»Was wollte Liza dann hier?«

»Ich weiß es nicht.«

»Kann Sie Ihretwegen gekommen sein? Halten Sie es für möglich, dass sie den Auftrag hatte, Sie zu töten?«

»Mit einer Bombe? Lächerlich!«

»Fest steht, dass sie nicht dazu kam, die Bombe zu zünden. Der frühe Abbruch der Party hat ihr offenbar einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wie heißt die junge Lady in Ihrem Schlafzimmer?«

»Cordelia.«

»Wie noch?«

»Das ist unwichtig.«

»Ich finde das schnell heraus.«

»Was wollen Sie von ihr? Sie nimmt Drogen. Na und? Dagegen können Sie nichts machen.«

»Ich nicht«, gab ich zu, »aber das Rauschgiftdezernat wird sich für die Leute interessieren, die die junge Dame beliefern.«

Das Telefon klingelte. Corczensky trat an den Apparat und meldete sich. »Okay«, sagte er nervös und nickte einige Male mit dem Kopf. »Ich habe verstanden, Sir. Ja, ich komme.«

Er legte auf, schaute mich an und meinte: »Ich muss gehen. Eine wichtige geschäftliche Sache.«

»Ich bleibe, bis der Arzt eintrifft«, sagte ich.

Er runzelte die Stirn. »Sie können doch nicht erwarten, dass ich Sie allein in meiner Wohnung zurücklasse …«

»O doch, das können Sie.«

»Sie ticken wohl nicht richtig! Cordelia können Sie nicht helfen. Nicht im Augenblick. Ihr fehlen nur ein paar Stunden Ruhe, das ist alles.«

»Das muss mir der Arzt bestätigen.«

»Okay, bleiben Sie meinetwegen hier«, knurrte er wütend. »Aber wundern Sie sich nicht, dass Sie in Tatverdacht geraten, wenn hier etwas fehlen sollte.«

Er machte kehrt und ging ins Schlafzimmer. Die Tür ließ er hinter sich offen. Ich beobachtete, wie er sein Dinnerjacket mit einem Blazer und die Schleife mit einer Krawatte vertauschte. Er warf noch einen besorgten Blick auf die junge Frau, dann verließ er den Raum und schloss die Tür hinter sich.

»Wo kann ich Sie erreichen?«, fragte ich ihn.

»Nirgendwo. Warum?«

»Es könnte doch passieren, dass ein Anrufer oder Besucher mit Ihnen Kontakt aufzunehmen wünscht.«

»Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten«, knurrte er und verließ die Wohnung.

Ich öffnete die Schlafzimmertür und setzte mich im Wohnzimmer in einen Sessel, sodass ich die junge Frau im Blick hatte.

Eine Minute später klingelte es. Der Arzt, dachte ich und ging in die Diele. Ich öffnete die Tür.

Im nächsten Moment musste ich einen hart geschlagenen linken Haken verdauen.

***

Er kam von einem bulligen Mittdreißiger, der eine Sportkombination trug und offenbar entschlossen war, mich im Schnellgang von den Beinen zu holen.

Ich kassierte zwei weitere Haken, ehe ich es schaffte, ihn mit einem Konterschlag zu warnen. Er blinzelte überrascht, marschierte aber sofort wieder nach vorn, um mich mit seinen Schlagkünsten zu beglücken.

Ich zeigte ihm, was ich davon hielt, und erreichte es mit ein paar präzise geschlagenen Dubletten, dass seine Aggressivität beträchtlich gemildert wurde.

Er fightete jetzt behutsamer, mit geschlossener Deckung, sichtlich darauf bedacht, sich nicht durch weitere Treffer den Schneid abkaufen zu lassen. Ich kam trotzdem mit meiner Rechten voll durch und erwischte ihn klar auf dem Punkt.

Er fiel um, wälzte sich auf die Seite, versuchte nochmals hochzukommen und klappte dann endgültig zusammen.

Ich klopfte ihn nach Waffen ab. Er hatte keine bei sich.

Er erholte sich binnen einer Minute, stemmte sich mühsam hoch und torkelte in das Wohnzimmer. Dort ließ er sich aufatmend in einen Sessel fallen und griff nach dem erstbesten Glas in seiner Reichweite. Es war mit Whisky gefüllt.

Er leerte es mit einem Zug, starrte mir feindselig in die Augen und fragte: »Wo, zum Teufel, haben Sie das Boxen gelernt? Ich dachte, Techniker hätten davon keine Ahnung.«

Mir dämmerte, dass er mich mit Corczensky verwechselte, und hielt es für einen guten Gedanken, den Irrtum nicht sofort aufzuklären.

Ich setzte mich ihm gegenüber auf die Lehne eines Sessels und fragte: »Wer sind Sie?«

»Einer, der wiederkommen wird«, versicherte er. »Nehmen Sie das nicht zu leicht, Corczensky. Wenn es sein muss, bringe ich Verstärkung mit.«

Der Mann hatte dunkle, weit auseinanderstehende Augen und ein glattrasiertes Gesicht mit wulstigen Lippen. Ich schätzte sein Alter auf fünfunddreißig.

»Wer sind Sie?«, fragte ich ihn.

»Jemand, dem es nicht passt, was Sie mit Cordelia machen.«

»Und was mache ich mit ihr?«

Der Mann stand auf. »Das wissen Sie besser als ich. Aber damit legen Sie uns nicht aufs Kreuz. Uns nicht! Mein Besuch wird Sie hoffentlich warnen. Wenn nicht, werden Sie sich eines Tages in einer hässlichen Kiste wieder finden.«

»Das«, sagte ich ruhig, »ist eine Morddrohung.«

Der Mann stand auf. »Ich habe nichts dagegen, wenn Sie es so auffassen.«

Ich trat ihm in den Weg. »Ehe Sie verschwinden, hätte ich gern noch Ihren Namen. Meiner lautet übrigens Cotton. Jerry Cotton.«

Er blinzelte verdutzt. »Cotton? Sie sind nicht Corczensky?«

Ich zeigte ihm meinen Ausweis. »Was halten Sie davon?«

Er drehte ihn hin und her, als müsste er die Echtheit bezweifeln. Dann gab er ihn mir zurück. Er sah nicht gerade glücklich aus.

»Das tut mir leid, Mister. Ich wollte das nicht. Sie angreifen, meine ich. Ich dachte, Sie wären Corczensky …«

»Wollen wir uns nicht wieder setzen?«

»Von mir erfahren Sie nichts«, schnappte er.