Jerry Cotton Sonder-Edition 125 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 125 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Wir wussten, dass Mr. Milo verdammt krumme Geschäfte machte, aber beweisen konnten wir ihm nichts.
Dann kam die Party. Ströme von Champagner flossen, und Dollars schienen keine Rolle mehr zu spielen. Uns vom FBI hätte brennend interessiert, warum, denn Mr. Milo war kein Millionär.
Einige neugierige Girls entdeckten zufällig des Rätsels Lösung. Die tödliche Gefahr, in der sie schwebten, begriffen sie nicht. Später fanden wir die Mädchen: tot, für immer zum Schweigen gebracht. Da begann für Phil und mich die große Jagd!

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Mister Milos Todesparty

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Dragon Images/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9262-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Mister Milos Todesparty

Ritchie Milo war nach einer gescheiterten Filmkarriere als Showmaster neu durchgestartet. Inzwischen war sein Gesicht aus dem US-Fernsehen nicht mehr wegzudenken. Bekannt war er aber auch für seine ausschweifenden Partys, die er auf seinem New Yorker Anwesen gab und auf denen Hunderte von Gästen Champagner schlürften.

Doch die letzte Feier von Mr. Milo war offenbar zur Todesparty geworden. Zwei Frauen, die dort aufgetaucht waren, wurden anschließend brutal ermordet, und zwei weitere befanden sich in Lebensgefahr.

Für Phil und mich begann ein Wettrennen gegen den Tod, um die Frauen noch zu retten. Dabei kannten wir weder ihre Namen noch den Grund, warum skrupellose Killer Jagd auf sie machten …

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer exklusiven Heftromanausgabe. Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen Sechziger bis in das neue Jahrtausend.

Liza Marelli sah den Mann an diesem Morgen zum zweiten Mal, als sie das Parfümgeschäft am Washington Square verließ.

Liza lächelte. Der Mann starrte sie bewundernd an, und Liza hatte nicht das Geringste dagegen, von Männern bewundernd zu werden, besonders wenn sie so gut aussahen wie dieser, so gut angezogen waren und vermutlich eine Menge Dollars hatten. Sie schwenkte das kleine Paket mit dem teuren französischen Parfüm am Goldfaden, blieb noch einmal vor dem Schaufenster stehen und ging dann mit ihrem geübten, schwingenden Mannequingang in Richtung 8th Street, wo sie vor ihrem Einkaufsbummel eine Parklücke für ihren Rambler gefunden hatte.

Der Mann folgte ihr.

Die Straße war voll Passanten. Die Blicke vieler Männer streiften Liza. Sie kannte die Wirkung ihrer Figur. Sie betonte den Sex, den sie ausstrahlte, durch die Kleidung und ihre Art zu gehen.

Dieser Sommertag in New York City war ungewöhnlich schön, warm, aber nicht zu heiß. Die Brise vom Atlantik blies ihren frischen Atem bis tief in die Häuserschluchten. Das Wochenende stand bevor, und Liza dachte, dass der Mann, der ihr folgte, einen idealen Partner für dieses Wochenende abgeben könnte. Was würde er ihr vorschlagen? Ausflug nach Long Island? Besuch einer Broadway-Show? Ein Dinner in einem Luxus-Restaurant auf Rockaway Beach?

Der Mann schloss zu ihr auf. »Hallo!«, sagte er.

Liza sah über die Schulter, zog die Augenbrauen hoch, um den Mann hochmütig zu mustern, ließ aber den Hauch eines vielversprechenden Lächelns auf ihren Lippen stehen.

Der Mann war groß, breitschultrig, mit einem kantigen, gebräunten Gesicht und hellen Augen. Er fasste Lizas Arm mit der linken Hand. Mit der rechten drückte er einen harten Gegenstand gegen Lizas Rippen.

»Bleib ganz ruhig, Herzchen!«, flüsterte er. »Was du fühlst, ist die Mündung meines Revolvers!«

***

Das Päckchen, das Liza am Goldfaden der Verschnürung um ihren Zeigefinger hatte kreisen lassen, fiel herab. Sie blieb stehen.

»Geh weiter!«

Der Mann drängte sie vorwärts. Lizas Schritt schwang nicht mehr; sie stolperte ungeschickt auf ihren zollhohen Blockschuhen.

»Lächle, Süße!«, forderte der Mann drohend und lächelte selbst. »Wenn wir auffallen und irgendwer mischt sich ein, bist du erledigt!«

»Was wollen Sie von mir?«, stammelte Liza. Links und rechts von ihr gingen Menschen in großer Anzahl. Die Situation kam Liza so unwirklich vor, dass sie keine Angst empfand. Noch nicht.

»Nichts, was sich nicht friedlich regeln ließe. Vorausgesetzt, du spielst mit und zwingst mich nicht, ernst zu machen.«

Er dirigierte Liza schräg über den Bürgersteig auf ihren Rambler zu. Neben dem Wagen auf der Straßenseite stand ein zweiter Mann.

»Den Wagenschlüssel«, verlangte Lizas Begleiter.

»Ist das Ihre Masche, Bekanntschaften zu schließen?«, fragte Liza.

Eine Sekunde lang zeigte das Gesicht des Mannes Überraschung. Er lachte kurz, ließ Lizas Arm los, öffnete den Verschluss ihrer Handtasche, die sie am linken Arm trug, griff hinein und nahm den Wagenschlüssel heraus.

»Sie, was erlauben Sie sich?«, empörte sich Liza.

Der Druck der Revolvermündung verstärkte sich.

»Mach keinen Ärger, Engelchen!«, warnte der Mann und warf den Schlüssel über das Dach des Autos dem anderen zu, der sofort den Wagenschlag aufschloss, einstieg und die Innenverriegelung der anderen Tür löste.

»Einsteigen!«, befahl der Helläugige.

Die Angst sprang Liza an. »Ich will nicht …!«

Die harte Hand presste ihren Arm so heftig, dass der Schmerz ihr den Atem nahm. Der Mann stieß sie gegen den offenen Schlag. Er rammte sein Knie in Lizas Kniekehlen, sodass sie einknickte. Von innen griff sein Partner zu und zog sie in den Wagen. Der Entführer drängte nach, ließ sich auf den Sitz fallen, zog den Schlag ins Schloss.

»Fahr los, Zac!«, drängte er.

Der Motor lief schon. Bevor Liza irgendetwas tun konnte, hatte der Mann hinter dem Steuer den Rambler schon aus der Lücke bugsiert und in den Strom der Autos auf der 8th Street eingefädelt. Er kicherte vor sich hin. »Hätte nicht geglaubt, dass es klappen würde, Mitchell!«

Lizas Entführer, der dichtes blondes Haar hatte, schob den Revolver in die Tasche, eine kurzläufige Waffe mit vernickeltem Griff.

Liza, die zwischen den Männern auf der Vorderbank saß, blickte von einem zum anderen. Der Fahrer, der mit Zac angesprochen wurde, war ein untersetzter Dreißigjähriger mit einem dicklichen, stumpfnäsigen Gesicht, schlecht angezogen und ungepflegt. Die Nägel seiner wurstfingrigen Hände hatten massive schwarze Ränder. Er roch nach dem Schweiß zu lange getragener Hemden. Liza rückte von ihm ab, noch dichter an den anderen heran, der sauber war, einen teuren Anzug trug, vor dem sie immer noch keine wirkliche Furcht empfand.

»Halten Sie sofort an!«, sagte sie laut.

Der Blonde legte seinen Arm um ihre Schulter. Aus der Nähe blickte er ihr in die Augen.

»Halt den Mund, Schätzchen!«, befahl er sanft. »Du hast überhaupt nichts mehr zu melden.«

»Sie bluffen! Warum sollten Sie mich kidnappen? Von meiner Familie dürfen Sie keinen Cent für mich erwarten.«

»Ich weiß, Täubchen! Papa Marelli hat nicht einmal eine Ahnung, wo sich sein Töchterchen herumtreibt.«

»Sie wissen, wie ich heiße?«

»Was hast du erwartet? Dass ich irgendein Flittchen grundlos von der Straße angele? Du bist ein Auftrag, Darling.«

»Wieso bin ich ein Auftrag?«

»Jemand glaubt, du hättest zu viel gesehen.«

»Wann? Wo?«

»Du treibst dich viel rum, bist ’n Klassegirl, langbeinig, schmalhüftig, keine Spielverderberin und sicherlich auch gut im Bett.« Er wies mit dem Kinn auf den Fahrer. »Zac freut sich schon.«

Der Schmuddlige zeigte ein geschmeicheltes Idiotengrinsen.

Liza schauderte zusammen. »Lassen Sie mich raus!«, rief sie. Sie warf sich nach vorn und wollte den Zündschlüssel aus dem Schloss ziehen. Der Blonde fing ihre Hand ab. Sie wehrte sich. »Loslassen!«

Er presste sie in die Polster und drückte den Ellbogen so gegen Lizas Kehle, dass ihr die Luft wegblieb.

»Fahr schneller, Zac!«, sagte er mit kalter Gelassenheit.

***

Im Westen stand eine Wolkenwand am Nachthimmel, aus der Wetterleuchten von Zeit zu Zeit das Lichtermeer der Neonreklamen über New Yorks Dächern verblassen ließ. Die Schwüle machte das Atmen schwer. Seit gestern war das Wetter umgeschlagen. Die Menschen, die an diesem Wochenende nicht aus der Stadt an die Strände oder ins Hinterland geflohen waren, blieben in ihren klimatisierten Wohnungen oder flüchteten in Restaurants und Kinos mit Klimaanlagen.

In Danny Spongs Bezirk gab es kaum Wohnungen mit Klimaanlagen. Danny hauste in der Bronx im Gebiet zwischen der 3th Avenue und den Verladeanlagen. Er war achtzehn Jahre alt. Zweimal hatte er Strafen abgesessen, zu denen er von einem Jugendgericht verurteilt worden war. Wenn sie ihn noch mal erwischten, würden sie ihn wie einen Erwachsenen verknacken, zu fünf oder zehn Jahren oder noch mehr. Trotzdem war er unterwegs auf der Suche nach einem Wagen, den er stehlen konnte.

In den Straßen, in denen Danny zu Hause war, flackerten keine Lichtreklamen. Die Leute, die hier wohnten, besaßen zu wenig Geld. Als Verbraucher waren sie nicht interessant. Es lohnte nicht, um sie zu werben.

Danny fasste einen älteren Chevrolet ins Auge, der günstig im Schatten eines stillgelegten Fabrikgebäudes stand. Er machte sich daran, das Schloss zu knacken.

Aus einer gegenüberliegenden Kneipe kamen vier Männer. Spong zog sich vorsichtig einige Schritte vom Wagen zurück. Laut redend blieben die Männer vor der Kneipe stehen. Sie sprachen Spanisch. Portos, dachte Spong voller Verachtung. Er selbst war weiß.

Nach zehn Minuten kamen zwei der Männer über die Straße auf den Chevrolet zu. Danny zog sich noch weiter in das Gemäuer der alten Fabrik zurück. Die Männer schlossen den Wagen auf, stiegen ein und fuhren ab.

Spong pfiff leise durch die Zähne. Da hatte er noch einmal Glück gehabt. Wenn die Portos ihn am oder gar im Wagen erwischt hätten, hätten sie ihn gelyncht.

Abergläubisch wechselte er das Jagdrevier. Er schlenderte durch die 160th Street, umrundete die Melrose Station und drückte sich vor einer motorisierten Cop-Streife hinter den brüchigen Holzzaun einer längst pleite gegangenen Baustoffhandlung.

Dort stieß er auf einen Wagen.

Soweit er erkennen konnte, befand sich niemand darin. Er probierte die Schlösser. Die Tür ließ sich öffnen, und die Innenbeleuchtung schaltete sich ein.

Er glitt hinters Steuer. Es war ein Rambler. Spong glaubte seinem Tastgefühl nicht trauen zu können, als seine Finger den Zündschlüssel im Schloss berührten. Er drehte ihn. Der Anlasser schnarrte, und der Motor sprang an.

Danny schaltete das Fahrlicht ein. Er lachte laut. Noch nie in seinem Leben hatte er so viel Glück gehabt. Er steuerte den Wagen auf die Straße und gab Gas. Zum Teufel, er hatte ein Auto erwischt, das eine Märchenfee für ihn hingestellt haben musste. Francis würde ihm die Geschichte nicht glauben.

In Wirklichkeit war die Geschichte nicht sehr unwahrscheinlich. Spong war überzeugt, dass er einen gestohlenen Wagen gestohlen hatte. Es gehörte zu den alltäglichen Ereignissen in New York, dass Diebe gestohlene Autos irgendwo stehen ließen; selten allerdings, bevor sie den letzten Tropfen Benzin verfahren hatten, und normalerweise warfen sie den Schlüssel weg und beschädigten die Wagen.

Danny Spong steuerte seine Eroberung zur 157th Street. Er parkte den Rambler ohne Beleuchtung in einer schmalen Seitengasse, verschloss ihn sorgfältig und ging zum Haus Nummer 270, in dessen Erdgeschoss sich die Diskothek »Highlife« befand.

Das »Highlife« war eine schäbige Kaschemme mit dünnem Bier, gepanschten Schnäpsen und Hasch- und Heroindealern in den schmutzigen Waschräumen.

Spong fand seine Freundin Francis Wallec an einem Ecktisch im Kreis anderer junger Leute aus dem Bezirk. Francis war ein mageres, frühreifes Mädchen mit rotem Haar, auf dessen Farbton sie stolz war. Spong setzte sich zu ihr, trank von ihrer Cola. Später tanzte er mit ihr.

»Machst du ’ne Spritztour mit?«, fragte er, gegen die Musik schreiend. »Ich habe ’nen Schlitten draußen.«

»Glaub ich nicht!«, schrie Francis zurück.

Spong zog den Schlüssel aus der Tasche und ließ ihn vor Francis’ Augen tanzen.

»Geklaut?«, fragte sie.

»Na klar. Was sonst?«

Francis holte ihre Tasche, verschwand noch einmal in den Waschräumen und verließ dann mit Danny das ›Highlife‹.

Der Rambler stand unangetastet in der Nebengasse. Spong schloss die Türen auf. Francis ließ sich auf den Beifahrersitz fallen. »Wo hast du ihn erwischt, Danny?«

»Irgendwo! Was geht’s dich an?« Er startete, wendete den Wagen.

Francis sog die Luft ein. »Der Schlitten riecht nach Parfüm wie ein Nuttenbett!« Sie lachte. »Danny, du hast den Wagen von einem Strichmädchen geklaut.«

»Ganz egal! Hauptsache, er läuft!«

Francis hängte sich bei ihm ein. »Wie viel Benzin ist im Tank?«

»Genug für zweihundert Meilen!«

»Prächtig, Danny! Fahr auf ’nen Highway, damit wir ihn abzischen lassen können!«

»Geht in Ordnung, Francis! Hör zu! Wenn es irgendeinen Ärger mit Bullen gibt, ich tret nicht auf die Bremse«, sagte er großspurig. »Ich häng sie ab, ganz gleich, was daraus wird. Du weißt also Bescheid. Wenn du lieber aussteigen willst, sage es jetzt!«

»Unsinn, Danny!« Sie drehte das Seitenfenster nach unten. »Ich mach alles mit!«

»Hoffentlich, Baby, hoffentlich!«

Sie lachte und küsste ihn.

***

Spong steuerte den Wagen zum Pelham Highway. Als sie die vielspurige Straße erreicht hatten, trat er das Gaspedal durch.

Von See her hatten sich die Gewitterwolken weit über die Stadt geschoben. Erstes Donnergrollen rollte über die Riesentürme von Manhattan und das Häusermeer von Queens, Brooklyn, Bronx.

Danny und Francis genossen die Geschwindigkeit. Die ersten Blitze zuckten nieder. Mit aufgeblendeten Scheinwerfern raste der Rambler über den Hutchinson River Parkway, bog in die Shore Road und das Gelände des Pelham Bay Park ein. Dannys Ziel war einer der Parkplätze längs der Pelham-Lagune.

Nur eine Handvoll dicker Tropfen klatschte gegen die Windschutzscheibe. Dann stürzte ohne Übergang der Regen dicht nieder wie eine Wasserwand.

Francis schrie auf und kurbelte das Seitenfenster hoch. Spong schaltete die Scheibenwischer ein und ging mit der Geschwindigkeit runter.

»Lass uns das Gewitter abwarten!«, schlug das Mädchen vor.

Danny fuhr in die nächste Parkplatzeinfahrt, stellte den Motor und damit den Scheibenwischer ab. Der Regen hüllte den Wagen ein. In kurzen Abständen überschütteten Blitze das Gelände mit Explosionen fahlen Lichts.

Spong zog das Mädchen an sich. Willig überließ sie ihm ihre Lippen, setzte seinen Händen keinen Widerstand entgegen, wurde selbst aktiv.

Danny wollte mehr. »Lass uns nach hinten gehen!«, flüsterte er. »Es ist bequemer!«

Der Rambler hatte nur zwei Türen. Der Regen prasselte mit kaum verminderter Wucht. Francis weigerte sich, auszusteigen und die Rücklehne zurückzuklappen.

»Kletter nach hinten!«, schlug Danny vor.

Sie turnte über die Rücklehne. Die Schuhe und die Jeans, die sie ausgezogen hatte, ließ sie zurück. Sie stellte die Füße auf die hintere Sitzbank. »Angekommen!«, rief sie, ließ sich auf die Polster fallen und setzte die Füße auf den Boden, aber die Füße berührten nicht den Boden, sondern etwas Weiches, Nachgebendes.

Francis schrie kreischend auf: »Hier liegt was, Danny!« Sie zog die Beine hoch, stellte sich auf die Polster, stieß mit dem Kopf gegen die Wagendecke. »Hol mich raus, Danny!« Sie streckte die Arme aus.

Spong stieß den Schlag auf, sprang hinaus in den Regen, klappte die Rückenlehne des Fahrersitzes nach vorn. Francis wollte mit einem weiten Schritt über das, was zwischen den Sitzen lag, wegkommen, rutschte ab und fiel mit dem Oberkörper aus dem Auto.

Und jetzt berührten nicht nur ihre Füße, sondern auch ihre Beine das Weiche, Nachgebende.

Sie schrie, besinnungslos vor Entsetzen.

Spong fasste sie unter den Armen und zog sie hoch und gleichzeitig raus aus dem Wagen. Sie riss sich los und rannte weg. Nach vier Schritten holte er sie ein und hielt sie am Arm fest. »Bist du übergeschnappt?!«

Sie schüttelte den Kopf. »Da liegt wer, Danny! Da liegt ein Mensch!«

»Quatsch!«, grollte er.

Der Regen überschüttete sie wie aus Wassereimern. Francis’ dünne Bluse klebte auf ihrer Haut.

»Bleib hier! Ich sehe nach!«, sagte Spong. Er ging zum Rambler zurück, überwand sich und beugte sich hinein.

Auf dem Boden längs der Sitzbank über die ganze Wagenbreite lag etwas, das zugedeckt war mit einer Bahn aus steifem Plastikstoff. Spong schluckte, griff in den Stoff, zog daran, und als er Widerstand spürte, riss er ihn mit voller Kraft hoch.

Der Stoff löste sich, gab etwas Weißes frei, dessen Umrisse den Jungen erschauern ließen. Sekunden später zeigte das Schlaglicht eines Blitzes Kopf, Körper und Arme einer Frau.

***

Danny Spong ließ die Plastikhülle los, warf sich herum, packte Francis’ Arm, zog sie mit sich. »Bloß weg!«, keuchte er. »’ne Tote liegt im Auto.«

Sie rannten über den Parkplatz bis an die Sträucher, die den Platz von der Fahrbahn trennten.

Francis stolperte und stürzte. »Warte, Danny!«, schrie sie voll Verzweiflung.

Widerwillig kam der Junge zurück. »Komm, oder ich lass dich zurück!«

Francis erlitt einen hysterischen Wutanfall. »Ich zeig dich an, du Mörder!«

»Was sagst du?«, fragte Spong versteinert. »Glaubst du, ich hätte sie …?«

Francis antwortete nicht, geschüttelt von hemmungslosem Schluchzen.

Der Junge wollte sie hochziehen. »Lass uns verschwinden und alles vergessen!«

»Wie willst du hier wegkommen?«, schrie sie ihn an.

»Wir können einen Wagen stoppen.«

»So wie wir aussehen, nimmt uns keiner mit! Ohne Schuhe! Ohne Jeans! Sieh dich an!« Sie senkte die Stimme. »Und wenn uns einer mitnimmt, Danny, dann erinnert er sich auch an uns, wenn sie gefunden wird.«

»Was sollen wir tun?«

»Mit dem Auto nach Hause fahren!«

»Hast du den Verstand verloren? Willst du wieder einsteigen?«

»Nein!« Francis kreischte die Silbe. »Du musst … sie … rausholen. Lass sie auf dem Parkplatz zurück!«

»Ich soll … sie rausziehen?«

»Was sonst? Wir kommen anders von hier nicht weg!«

Alles in Spong sträubte sich, aber er sah ein, dass Francis recht hatte. Sie gingen zum Wagen. Auf halbem Weg blieb das Mädchen zurück.

Das Gewitter und der Regen ließen nach. Nur noch hin und wieder flackerten Blitze über die Pelham Bay.

Für Spong war es eine schreckliche Aufgabe, die er mit zusammengebissenen Zähnen und geschlossenen Augen zu erfüllen versuchte. Er hatte Angst vor einer unmittelbaren Berührung, bemühte sich, die Tote durch den Plastikstoff anzufassen, war ungeschickt und überhastet. In fast grotesker Weise schienen sich Arme und Beine der Toten im engen Innern des Wagens festzukeilen.

Schließlich trieb die Panik Spong zum brutalen Einsatz seiner Kräfte. Mit Gewalt zerrte er den Körper ins Freie, schleifte ihn drei Schritte weit und ließ los. Er lief zur Seite und übergab sich. Der Wind fasste die Plastikhülle, trug sie weg und enthüllte die bleichen Glieder der nackten Toten.

Spong stürzte sich in den Wagen, startete ihn, fuhr geradeaus, nur fort aus der Nähe der toten Frau. Schreiend lief Francis ihm nach. Er wendete in einer engen Kurve. In panischer Angst, zurückgelassen zu werden, sprang Francis mit ausgebreiteten Armen vor das Auto.

Danny bremste und ließ sie einsteigen. Als wenig später die Reifen des Ramblers über den nassen Asphalt der Shore Road rauschten, wurde er ruhiger. Er sah zu Francis hinüber, die zitternd und leise wimmernd versuchte, die Jeans über ihre nassen Beine zu streifen.

»Du wirst zu niemandem auch nur ein Wort sagen, Francis!«

»Nein, ich sage nichts. Lieber Himmel, mich friert erbärmlich.«

»Wenn du nicht schweigst, Francis, dann …« Er brach ab.

Er wusste selbst nicht, was dann sein würde, aber das Mädchen duckte sich unter dem drohenden Klang seiner Stimme.

***

»Ihr Vortrag wird sicherlich sehr, sehr spannend sein, Mister Cotton«, sagte sie. »Alle Damen unserer Vereinigung freuen sich unbändig darauf, einen berühmten FBI-Agenten zu hören und zu sehen. Für die Veranstaltung mit Ihnen habe ich die zweithöchste Platzvorbestellung unserer Vereinsgeschichte. Mehr Plätze wurden von den Damen nur für den Vortrag von Professor Pintwood bestellt. Er sprach über ›Sex in und außerhalb der Ehe‹. Sehr instruktiv und von allgemeiner menschlicher Bedeutung.«

Ihre Zunge, Lippen, ihr Kehlkopf arbeiteten so gleichmäßig und zuverlässig wie Kolben und Kurbelwelle ihres Autos. Sie produzierten eine ebenso lange, ununterbrochene Folge von Worten und Sätzen, wie der Wagen an Meilen hinter sich brachte. Sie redete, seit sie mich vom Hauptquartier abgeholt hatte, und jetzt befuhren wir längst die Palisades Road auf der New-Jersey-Seite des Hudsons.

Genau betrachtet sah Mrs. Sophie Leniger nicht übel aus. Sie war sechs- oder siebenundzwanzig Jahre, mit Erfolg geschieden, was bedeutete, dass sie eine saftige Abfindung von ihrem Ex-Ehemann erhalten hatte, und so gepflegt wie das bekannte Mädchen der berühmten Seifenreklame im TV. Für meinen Geschmack zog sie sich zu solide an. Die durchaus vorhandenen Vorzüge ihrer Figur hätte sie ruhig in ihrer Kleidung mehr betonen können. Vermutlich verzichtete sie darauf, weil sie unter ihren Vereinsschwestern keinen Neid erregen wollte. Sie wäre sonst als Präsidentin nicht wiedergewählt worden.

Wissen Sie, es gibt zahlreiche Plagen in den USA, angefangen vom Verkehrschaos über die Umweltverschmutzung bis zu den Steuergesetzen, aber unsere Frauenvereine dürfen wir auch nicht vergessen. Amerikanische Frauen haben einen unwiderstehlichen Drang, sich zu Clubs, Vereinigungen und Komitees zusammenzuschließen. Das berechtigt sie, ihre Nasen in anderer Leute Angelegenheiten zu stecken, und es gibt nichts auf der Welt, was sie lieber tun.

Mrs. Sophie Leniger präsidierte dem »Women’s Club« von New Milford, einem Vorort von New York im Hudson-Distrikt von New Jersey. Wahrscheinlich bewirkte die Aktivität von Mrs. Leniger und ihren Clubschwestern eine Menge guter Sachen: Weihnachtsfeiern für Waisenkinder, Tombola zum Besten der Arbeitslosen, Sammlungen für ein Säuferheim und so weiter. Aber außerdem waren sie wild auf Weiterbildung und Information und zwangen Politiker, Professoren und Behördenchefs, sich für Vorträge zur Verfügung zu stellen. Selten wagte jemand, sich ihren Wünschen nicht zu fügen. Dieses Mal hatte es mich erwischt.