Jerry Cotton Sonder-Edition 126 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 126 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Als wir ihn fanden, lief es uns eiskalt den Rücken herunter. Der Mann hatte kein Gesicht mehr, war grausam verstümmelt. Wie die Ermittlungen ergaben, hieß er James Patton und war ein stadtbekannter Millionär. Jetzt war tot, ermordet.
Doch dann traute ich meinen Augen nicht: Einen Tag vor seiner Beerdigung stand Patton plötzlich vor mir. Lebend! Er grinste mich höhnisch an.
"Na, was sagst du nun, Cotton?", fragte er.
Schlagartig ging mir ein Licht auf. Ich ließ mich nicht aus der Fassung bringen, sondern lud ihn zu seiner eigenen Totenfeier ein ...

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EPUB
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Seitenzahl: 169

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Der blutige Kreis

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: breakermaximus/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9263-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der blutige Kreis

Ich war hinter dem Schwerverbrecher Slim Moorhead her, dem die Flucht aus dem Zuchthaus Dannemora in den Adirondack Mountains geglückt war, und die Spur brachte mich zu einer Prostituierten in New York. Doch noch bevor ich mir Moorhead schnappen konnte, stolperte ich in den nächsten Fall, einen äußerst brutalen Mord, der sich im Apartment der käuflichen Lady ereignete!

Die Täter entkamen, die Leiche verschwand! Später tauchte sie wieder auf – mit völlig zertrümmertem Gesicht. Angeblich handelte es sich bei dem Toten um den Millionär James Patton, aber als ich der Sache nachging, regten sich in mir mehr und mehr Zweifel daran, wer der Tote wirklich war. Und dann, auf Pattons Beerdigung, schloss sich der blutige Kreis …

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer exklusiven Heftromanausgabe. Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen Sechziger bis in das neue Jahrtausend.

Das Stöhnen hörte sich so grausig an, dass es mir eiskalt über den Rücken lief und ich für einen Moment wie gelähmt war.

Moorhead!, schoss es mir durch den Kopf. Er bringt sie um!

Ich hämmerte mit der Faust gegen die Tür des Apartments. »Aufmachen! FBI!«

Stille.

Ein hässliches Klatschen.

Noch einmal das furchtbare Stöhnen.

Ich zog meinen 38er, nahm Anlauf, wollte mit der Schulter gegen die Tür rammen, um sie aufzubrechen.

Im selben Augenblick wurde sie von innen aufgerissen.

Ich konnte meinen Schwung nicht mehr abbremsen, stolperte über die Schwelle und stürzte über ein ausgestrecktes Bein, schlug hart auf, und dabei löste sich ein Schuss aus meinem Revolver.

Der ohrenbetäubende Knall fiel zusammen mit dem Schlag, der mich mit ungeheurer Wucht traf.

***

Dröhnende Schläge.

Sie bereiteten mir Schmerzen, als würden sie auf meinen Kopf geführt. Ich öffnete die Augen.

Mühsam rappelte ich mich hoch, ging zur Tür, die jemand wieder geschlossen hatte, und öffnete sie.

Draußen standen drei Männer und zwei Frauen. Hausbewohner. Misstrauisch starrten sie mich an.

Einer der Männer fragte: »Was ist hier passiert?«

»Das weiß ich so genau selbst noch nicht.«

»Na, hören Sie mal!«, erboste sich der Mann. »Sie waren doch wohl beteiligt?«

»Stimmt, Mister. Leider nur passiv.«

»Behaupten Sie. Aber Sie können uns nicht für dumm verkaufen. Es ist geschossen worden. Mit Ihrem Revolver. Sie sitzen in der Patsche, Mister. Sie kommen hier nicht weg, ehe die Polizei da ist!« Er wandte sich an eine der Frauen: »Ruf an, Martha!«

Die Frau wollte losrennen.

»Stopp!«, sagte ich. »Sparen Sie sich die Mühe, Ma’am! Ich bin selbst von der Polizei. Vom FBI. Bitte, überzeugen Sie sich!«

Ich zeigte ihnen meine ID-Card.

»Special Agent Cotton«, stellte ich mich vor.

»Okay«, sagte der Mann, der sich zum Wortführer der kleinen Gruppe gemacht hatte. »Sie sind also ein G-man. Aber was hat dieser Schuss zu bedeuten? Und was ist mit Miss Nabott? Warum zeigt sie sich nicht? Haben Sie sie etwa erschossen?«

»Nein, ich habe überhaupt niemanden erschossen. Aber es ist möglich, dass hier ein Verbrechen verübt wurde. Ich muss Sie deshalb bitten, das Apartment nicht zu betreten, damit nicht etwa Spuren zerstört werden. Nach Miss Nabott werde ich sehen. Warten Sie!«

Ich machte die Tür zu, wandte mich um und passierte nach ein paar Schritten durch die Diele eine andere halb offen stehende Tür.

Im Zimmer dahinter fand ich Phillis Nabott. Lebend. Zu meiner Erleichterung. Aber – sie lag auf dem Bett, nur spärlich bekleidet, am Bettgestell festgebunden, ihr Mund mit einem breiten Streifen Heftpflaster verklebt.

Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie mich an. Und aus diesen Augen schrie eine fast irre Angst.

Ich löste ihre Fesseln.

»Haben Sie keine Angst, ich bin sofort wieder bei Ihnen«, sagte ich und kehrte zur Wohnungstür zurück.

Gespannt sahen mich die fünf Hausbewohner an.

»Miss Nabott ist okay«, informierte ich sie, »aber in einer Verfassung, die ausschließt, dass Sie sie jetzt sehen dürfen. Bitte, gehen Sie in Ihre Wohnungen.«

Die drei Männer und die beiden Frauen gingen. Zögernd nur.

Ich schloss die Wohnungstür und beeilte mich, ins Schlafzimmer zurückzukehren.

»Es wird ein bisschen weh tun«, sagte ich. »Bitte, bleiben Sie ganz ruhig. Schreien Sie nicht.«

Sie nickte.

Ich riss ihr das Heftpflaster vom Mund, das ich vorhin in der Eile noch hatte kleben lassen müssen.

Sie verzog das Gesicht. Dann begann sie zu weinen. Hemmungslos.

Phillis Nabott war im Adressbuch als »Foto-Modell und Covergirl« verzeichnet. Ich wusste, dass sie ihre Brötchen in der Hauptsache aber in einem ganz anderen Gewerbe verdiente. Und dass zu ihren Kunden seit Kurzem der Gewaltverbrecher Slim Moorhead gehörte, dem die Flucht aus dem Zuchthaus Dannemora in den Adirondack Mountains gelungen war, das als »ausbruchssicher« galt.

Er war in New York untergetaucht. Den Tipp, ihn bei Phillis Nabott anzutreffen, hatten wir von einem V-Mann aus der New Yorker Unterwelt erhalten.

»Was ist geschehen? Erzählen Sie, Miss Nabott!«, sagte ich und setzte mich zu ihr, nachdem sie sich beruhigt und angekleidet hatte.

Stockend begann sie zu berichten.

***

Phillis Nabott hatte eingekauft. Ein paar Delikatessen, diverse alkoholische Getränke und ein bisschen Modeschmuck. Alles bei »Mills & Jones«, dem großen Einkaufs-Center am Herald Square.

Es war November, trotz der relativ frühen Stunde schon dunkel – und sehr kalt. Schneeluft, dachte Phillis. Sie fröstelte. Die Heizung ihres Wagens brachte noch keine spürbare Leistung.

Angenehm mollige Wärme umfing sie etwa eine halbe Stunde später, als sie ihr Apartment im Haus Nummer 38 an der Madison Avenue betrat.

Phillis Nabott zog ihren Mantel aus und tauschte dann ihr Kleid gegen den bequemeren Hausanzug aus purpurroter Honanseide. Das Oberteil war mit Goldstickereien verziert.

Phillis warf einen prüfenden Blick in den übermannshohen Wandspiegel in der Diele, bürstete ihr schulterlanges schwarzes Haar.

Dann ging sie ins kleine, behaglich eingerichtete Wohnzimmer, streckte sich lang auf der Couch aus und rief den Anrufbeantworter ab. Es waren nur zwei Anrufe in ihrer Abwesenheit erfolgt. Ein Foto-Atelier bat um ihren Rückruf, ein Mann, der keinen Namen nannte, kündigte seinen Besuch an.

Sie wählte gerade die Nummer des Foto-Ateliers, da läutete es in der Diele. Sie schob den Anruf auf, ging hinaus und fragte über die Sprechanlage: »Ja, wer ist da, bitte?«

»Jemand, der dir ein bisschen Zaster bringt, Sweety«, klang es zurück. »Bin übrigens nicht kleinlich.«

Lust hatte sie im Augenblick gar nicht. Aber sie schluckte den Köder.

»Okay, komm rauf!«

Sie blieb an der Tür stehen.

Hörte ihn kommen.

Öffnete.

Und zuckte in jäher Angst zurück.

Es waren zwei. Sie hatten ihre Mantelkragen hochgeschlagen – und sie trugen Strumpfmasken!

Phillis Nabott wollte die Tür zuschlagen. Aber dazu war es zu spät. Die Zwei drängten sie einfach zurück. Einer packte sie am Hals, drückte brutal zu und hinderte sie damit am Schreien.

Der andere schloss die Tür.

»Ich rate dir, Schwester, sei still, oder ich dreh dir die Luftzufuhr für immer ab!«, drohte ihr der Maskierte, der ihren Hals umklammerte.

Sie gab ihre verzweifelte Gegenwehr auf und nickte mit schon schwindenden Sinnen und einem ungeheuren Brausen in den Ohren.

Er ließ sie los, und sie fiel zu Boden.

Krampfhaft rang sie nach Atem.

Die zwei Gangster starrten auf sie hinab. Ihre durch die Strumpfmasken entstellten Gesichter flößten Phillis Nabott eine Furcht ein, wie sie sie noch nie zuvor in ihrem Leben empfunden hatte.

»Was … wollt ihr … von mir?«, würgte sie mühsam hervor.

»Erst mal alles Moos, das du hier hast, Puppe! Mach nicht so ’n blödes Gesicht. Weißt du nicht, was Moos ist? Kies, Zaster, Money. Also, hoch mit dir, und her mit den Fleppen!«

Zitternd stand Phillis auf. Sie ging ins Wohnzimmer, die zwei Gangster blieben ihr dicht auf den Fersen. Ihre Handtasche lag auf dem Sideboard. Phillis öffnete sie, nahm ihre Geldbörse heraus und gab sie einem der beiden Ganoven.

Der zählte.

»Siebenhundert und ein paar Gequetschte«, sagte er. »Nicht gerade umwerfend. Hätte mehr erwartet. Wo du doch bekannt bist für deine inflationären Preise. Aber wer leicht verdient, gibt wohl auch leicht wieder aus, he?«

Phillis Nabott antwortete ihm nicht. Ihre Kehle war wie zugeschnürt vor Angst.

Der Gangster leerte die Geldbörse, warf sie aufs Sideboard, steckte die Scheine und Münzen ein. Dann trat er auf sie zu, packte sie und hatte ihr im Nu die Kleider vom Leibe gerissen.

Er grinste sie böse und gierig an. »So, Schätzchen, und jetzt wollen wir erst mal das andere erledigen.«

Phillis Nabott versuchte gar nicht erst, sich zu wehren. Sie wusste, dass sie gegen diese Kerle nicht die geringste Chance hatte. Sie wollte nur eins: überleben.

Hinterher lümmelten sich die beiden Kerle in die Sessel und warteten. Verzweifelt fragte sich Phillis Nabott, worauf.

Mehr als eine Stunde später klingelte es. Einer der beiden Gangster befahl ihr: »Los, melden!«

Zitternd gehorchte Phillis.

»Wer ist unten?«, fragte Phillis ein paar Sekunden später.

»Einer, der was von dir möchte, Baby.«

»Wie heißt du?«

»Ist doch völlig egal.«

Unsicher wandte sie den Kopf.

»Sag ihm«, flüsterte der Gangster, »dass du ihn dir erst mal ansehen willst!«

Phillis gehorchte.

Der Mann vorm Haus lachte leise. Es klang selbstsicher.

»Okay, von mir aus.«

Er schien überzeugt, dass er die »Prüfung« bestehen würde.

Die zwei Gangster kehrten mit Phillis Nabott ins Wohnzimmer zurück. Sie trat ans Fenster. Die beiden Gangster postierten sich links und rechts daneben und blickten wie Phillis auf die Straße hinab. Ein Mann winkte herauf. Er war groß, schlank und dunkelhaarig.

Die beiden Ganoven verständigten sich mit einem Blick. Dann sagte der rechts neben Phillis stehende Gangster zu ihr: »Er soll raufkommen!«

Sie zögerte. »Was habt ihr mit ihm vor?«

»Das geht dich einen Dreck an!«, raunzte der Gangster. »Tu, was ich dir befohlen hab!«

Phillis öffnete das Fenster und winkte dem Mann. Dann machte sie das Fenster wieder zu.

»Los, ins Schlafzimmer!«

Der Wortführer der zwei Verbrecher packte Phillis am Arm und zog sie mit sich.

Sekunden später brach Phillis Nabott von einem Hieb mit dem Revolver getroffen bewusstlos zusammen.

Als sie wieder zu sich kam, war sie auf das Bett gefesselt, ihr Mund verklebt. Sie konnte sich kaum bewegen und keinen Ton von sich geben.

Die Tür des Schlafzimmers stand offen. Ebenso die Tür des Wohnzimmers, die genau gegenüber lag.

Was sie sah, jagte ihr Schauer des Entsetzens über den Rücken. Der Mann, auf den die beiden Gangster offenbar gewartet hatten, lag auf dem Teppich. Tot, von mehreren Messerstichen niedergestreckt. Die beiden Gangster knieten neben ihm.

***

Phillis legte erschöpft eine Pause ein, ehe sie weitersprach.

»Und dann kamen Sie reingestürmt, stolperten, stürzten, schossen und wurden wie ich über den Kopf geschlagen.«

Ich nickte.

»Was ist während meiner Bewusstlosigkeit geschehen, Miss Nabott?«, fragte ich.

»Die zwei Killer haben sich Regenhäute übergezogen, dann ihr Opfer in zwei andere Regenhäute eingewickelt und mitgenommen.«

»Welchen Fluchtweg haben sie benutzt?«

»Den durch das Küchenfenster. Es liegt nach hinten hinaus. Und dort ist auch die Feuertreppe.«

»Das Fenster war geschlossen, als wir hereinkamen.«

»Stimmt, Mister Cotton. Aber nicht verriegelt. Das ist es jetzt noch nicht. Einer der beiden Mörder muss es von draußen zugezogen haben.«

»Trugen sie Handschuhe?«

»Ja. Und die haben sie nicht mal ausgezogen, als sie mich vergewaltigt haben.«

Ich entnahm meiner Brieftasche ein Bild und gab es Phillis »War dies der Mann, den die zwei Killer getötet haben?«

Phillis Nabott schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Aber er war schon mal bei Ihnen?«

»Ja, das ist richtig.«

»Auch heute?«

»Nein.«

»Wann das letzte Mal?«

»Vorgestern.«

»Und wann wollte er wiederkommen?«

»Darauf hat er sich nicht festgelegt. Hat nur gesagt, dass er wiederkommen würde.«

»Wie hat er sich genannt?«

»Silvester. Aber wahrscheinlich heißt er nicht wirklich so.«

»Sie sagen es, Miss Nabott.«

»Wie lautet sein richtiger Name? Darf ich das wissen, Sir?«

»Ja. Er heißt Slim Moorhead und ist ein aus dem Zuchthaus entflohener Sträfling.«

»So sah er eigentlich gar nicht aus. Und er hat auch recht kultiviert gesprochen.«

»Kein Wunder. Seine Eltern waren angesehene und reiche Leute. Er selbst war Leitender Ingenieur bei einer großen Brückenbaufirma, bevor er auf die schiefe Bahn geriet.«

»Das passiert einem leicht«, sagte Phillis Nabott leise und mit einem Anflug von trauriger Resignation.

Ich konnte mir denken, was in ihr vorging. Sie selbst war auch irgendwann durch irgendetwas auf die schiefe Bahn geraten.

Ich ging zur Tür.

Phillis erhob sich sofort.

»Bleiben Sie sitzen«, bat ich. »Ich möchte nur mal einen Blick ins Wohnzimmer werfen.«

Sie ließ sich wieder auf den gepolsterten Hocker sinken.

Ich verließ das Schlafzimmer.

Im Mordzimmer sah es grauenhaft aus.

Ich schloss die Tür wieder, ging ans Telefon, das in der Diele auf einem kleinen Tisch stand, und rief die Mordabteilung Manhattan East an.

Ich erfuhr, dass Lieutenant Easton nicht im Hause sei, und wurde mit seinem Stellvertreter Sergeant Schulz verbunden. Knapp schilderte ich ihm, was geschehen war.

»Wir kommen sofort«, versicherte er. »Bis gleich, Cotton.«

***

Knapp zwanzig Minuten später stand mir der sympathische Mann mit dem Gardemaß in der Diele von Phillis Nabotts Apartment gegenüber.

»Na, dann wollen wir mal«, sagte er.

Und die Homicide Squad begann mit ihrer Routinearbeit.

Während ich mich von Ed Schulz verabschiedete, fragte er mich: »Warum sie ihr Opfer bloß mitgenommen haben? Scheint doch einfach verrückt!«

Ich hob die Schultern. »Ich werde versuchen, das rauszukriegen, Ed!«

Ich winkte ihm zu und ging.

Vor dem Haus stand mein roter Jaguar.

»Hallo, Sir!«

Die Hand schon am Türgriff drehte ich mich um – nicht sicher, ob der Anruf mir gegolten hatte.

Ein Mann kam auf mich zu. Er war groß, breit in den Schultern und schmal in den Hüften. Bekleidet war er mit einer Cordhose und einer Lederweste. Auf dem Kopf trug er eine Wollmütze. Ein schwarzer Vollbart machte sein Gesicht so gut wie völlig unkenntlich.

Dicht vor mir blieb er stehen.

Und dann ging alles verdammt schnell.

Seine Linke fuhr mir an die Brust, seine Rechte schwang hoch. Ich sah die blitzende Messerklinge, die das Licht einer nahen Straßenlaterne reflektierte.

Mit meiner Rechten fegte ich seine Linke nach oben, die er mir ins Jackett gekrallt hatte. Die Linke hieb ich ihm gegen die Innenseite seines niederfahrenden Unterarms. Die Messerhand flog zur Seite.

Ich packte gedankenschnell sein linkes Handgelenk, riss ihn an mich heran und machte dann eine ruckartige Drehung in der Hüfte. Gleichzeitig löste ich meinen harten Griff um sein Handgelenk.

Er segelte durch die Luft und landete etwa zweieinhalb, drei Meter vor mir hart auf dem Asphalt. Dabei verlor er sein Messer.

Augenblicklich war er aber wieder auf den Beinen und rannte wie von Furien gehetzt davon. Hinter einer der nächsten Straßenecken verschwand er.

Ich rannte hinterher. Aber schon nach kurzer Zeit wusste ich, dass es sinnlos war. Der Kerl war verschwunden.

Ärgerlich ging ich zu meinem Jaguar hinüber. Ich hatte eine Stinkwut. Besonders auf einen unserer V-Männer.

Ich beschloss, mir den Knaben vorzunehmen. Und zwar sofort.

***

»He, Masterson!«

Ich tippte ihm von hinten auf die Schulter.

Er stand an der Theke der verräucherten Kellerkneipe an der Bowery. Langsam drehte er sich um. Sein Kopf wackelte etwas dabei. Er hatte offensichtlich schon eine ganze Menge intus. Von billigem Fusel, dessen Gestank mir in die Nase stieg.

Als Masterson mich sah, gab es ihm einen Ruck.

Seine glasigen Augen, seine ganze Haltung drückten unvermittelt Angst aus. Und da wusste ich, dass er schuldig war.

»Komm mit nach draußen!«, sagte ich.

Er versuchte ein Grinsen. Es misslang ihm kläglich.

»Möcht ich besser nicht, Sir«, antwortete er mir. »Die frische Luft haut mich garantiert glatt um.«

Auch seine Weigerung verriet tiefe Angst.

Ich war nicht gewillt, sie hinzunehmen. »Los jetzt, raus! Oder ich nehm dich fest. Wegen Anstiftung zum Mord. Entscheide dich!«

Masterson entschied sich für das, was er für das kleinere Übel hielt. »Okay«, sagte er resigniert, zahlte und ging vor mir her. Zur Tür der Kneipe, dann die Treppe hinauf.

»Vorwärts! Zu meinem Wagen. Er steht vor der Kneipe.«

Masterson gehorchte.

Ich schloss die linke Wagentür auf.

»Los, rein mit dir! Und dann rutsch nach rechts rüber.«

Hinter ihm stieg ich ein.

Ich fuhr ein Stück die Bowery hinauf.

Masterson hockte auf dem Beifahrersitz wie ein Häufchen Elend.

»Ich hab’s wirklich nicht bös gemeint, Sir«, murmelte er.

»Ja, mit dir«, erwiderte ich grimmig. »Wie viel hat Moorhead dir dafür gezahlt, dass du mich ihm ans Messer lieferst?«

»Noch gar …«

Masterson erschrak und verstummte jäh.

»Danke!«, sagte ich. »Das genügt.« Ich stoppte und schaltete die Scheinwerfer aus. »Also gezahlt hat er dir noch nichts. Aber wie viel hat er dir für deinen Verrat versprochen?«

Masterson schwieg.

Ich schoss die nächste Frage ab.

»Wo ist Moorhead untergeschlüpft?«

»Bei einer Frau in Harlem. Deren Alter und Moorhead waren Zellengenossen im Knast.«

»Wie heißt sie?«

»Sarah Atalanta.«

»Und die Adresse?«

»98 Lenox Avenue.«

Harlem ist ein heißes, ein gefährliches Pflaster. Mein Freund und Kollege Phil Decker musste her! Und ich durfte keine Zeit verlieren, musste Masterson so schnell wie möglich loswerden.

»Raus!«, herrschte ich ihn daher an. »Für den FBI bist du bereits gestorben. Wenn mich nicht alles täuscht, werden jetzt harte Zeiten für dich anbrechen!«

Masterson stieg aus und ging mit schnellen Schritten davon.

Ich nahm das Mikro des Funkgeräts, ließ mich von der Zentrale zu Phil durchschalten.

»Moorhead hab ich nicht gefasst«, meldete er. »Der Tipp war ein Windei. Schöner Reinfall!«

»Ich hatte mehr Glück. In doppelter Hinsicht.«

»Wieso, Jerry?«

»Nun, ich bin Moorhead nicht nur begegnet, ich hab auch den Mordversuch überlebt, den er gegen mich unternommen hat. Aber das ist noch nicht alles. Ich weiß sogar, wo er untergekrochen ist.«

***

Nicht ganz eine Viertelstunde später las ich Phil auf. Unterwegs unterrichtete ich ihn über die Geschehnisse dieses ereignisreichen Novemberabends.

»Na, gelangweilt hast du dich jedenfalls nicht«, kommentierte er meine Worte. »Was Masterson betrifft – sollten wir den Kerl nicht doch einsperren? Eines Tages haut er einen von uns mit besserem Erfolg in die Pfanne.«

»Vielleicht hast du recht, Phil. Aber im Moment gibt es für uns nichts Wichtigeres als diesen miesen Typen.«

»Stimmt!«

Wir fuhren ins Zentrum von Harlem hinein.

Die Straßen waren nur schlecht beleuchtet und voller Unrat, die Häuser zum großen Teil verkommen und verfallen. Finstere Gestalten streunten umher.

Ich fühlte mich recht unbehaglich. Phil ging es nicht besser.

Wir bogen in die Lenox Avenue ein. Dann verringerte ich das Tempo.

»Das müsste es sein«, sagte ich nach ein paar Minuten.

Das Haus, vor dem ich anhielt, sah vergleichsweise ordentlich und gut erhalten aus. Auf dem Kunststoff-Rollo vor einem der zwei zur Straße heraus liegenden Fenster sahen wir die Schatten und Konturen zweier Menschen. Eines Mannes und einer Frau. Sie schienen sich an einem Tisch gegenüberzusitzen und miteinander zu sprechen.

Wir sprachen uns ab. Danach ging Phil hinter das Haus. Denn wir rechneten mit der Möglichkeit, dass Moorhead nach hinten aus dem Haus zu fliehen versuchen würde, wenn ich vorn anklopfte. Und diese Möglichkeit sollte mein Freund ihm verbauen.

Ich wartete noch zwei Minuten im Wagen, dann stieg ich aus und ging auf die Haustür zu. Phil musste inzwischen hinter dem Haus sein.

Vorm Fenster blieb ich stehen und klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die Scheibe. Sofort wurde es dunkel hinter dem Fenster.

Jetzt beraten sie sich, dachte ich und war gespannt auf die weitere Entwicklung der Dinge.

Ein nicht gerade lautes, aber doch unüberhörbares Knarren drang an meine Ohren. Es ging von der Haustür aus. Mit zwei schnellen Schritten stand ich davor.

Durch einen schmalen Spalt sah ich das Gesicht einer dicklichen Frau. Sie starrte mich an.

»Wer sind Sie? Was wollen Sie?«, fragte sie mich mit einer Stimme, die einen tiefen, fast männlichen Klang hatte.

»Bin ich hier richtig bei Atalanta?«, erkundigte ich mich, ohne ihr zunächst auf ihre Fragen zu antworten.

»Ja«, erwiderte sie. »Und nun sagen Sie endlich, warum Sie einen mitten in der Nacht stören, Mann!«

»Ich suche Slim Moorhead. Er ist doch hier, nicht wahr?«

Sarah Atalanta gab mir keine Antwort. Sie wollte mir die Haustür vor der Nase zuschlagen.

Ich vereitelte ihr Vorhaben, indem ich rasch den rechten Fuß zwischen Tür und Rahmen schob. Dann warf ich mich gegen die Tür.

Sie schrie. Weniger erschrocken als zornig.

Sie blockierte die Tür. Ich hatte Mühe, mich hindurchzuzwängen.

Mit dem linken Fuß warf ich sie hinter mir zu.