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Durch puren Zufall wurde ich, Special Agent Jerry Cotton, Zeuge eines unfassbar dreisten Diebstahls. Eine Unbekannte stahl auf dem La Guardia Airport eine uralte B-25, einen Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg. Phil und ich übernahmen die Ermittlungen, denn sehr wahrscheinlich sollte der Bomber für ein Verbrechen eingesetzt werden, vielleicht für einen Terroranschlag auf amerikanischem Boden.
Die Spur führte mich von New York nach Arizona und sogar bis nach Schottland ‒ und dort sorgte das Mordkommando B-25 für eine wahrhaft schaurige Bestattung des G-man Jerry Cotton ...
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Seitenzahl: 187
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Mordkommando B-25
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: DanteVisual/shutterstock
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-9656-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Mordkommando B-25
Durch puren Zufall wurde ich, Special Agent Jerry Cotton, Zeuge eines unfassbar dreisten Diebstahls. Eine Unbekannte stahl auf dem La Guardia Airport eine uralte B-25, einen Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg. Phil und ich übernahmen die Ermittlungen, denn sehr wahrscheinlich sollte der Bomber für ein Verbrechen eingesetzt werden, vielleicht für einen Terroranschlag auf amerikanischem Boden.
Die Spur führte mich von New York nach Arizona und sogar bis nach Schottland – und dort sorgte das Mordkommando B-25 für eine wahrhaft schaurige Bestattung des G-man Jerry Cotton …
Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer exklusiven Heftromanausgabe. Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen Sechziger bis in das neue Jahrtausend.
Eng aneinandergepfercht hockten die dreiundzwanzig Männer in dem dunklen Flugzeugrumpf. Durch lange Fugen im unverkleideten Bodenblech drang scharfer Wind. Draußen lärmten die beiden großen Sternmotoren und spien ihre weißbläulichen Auspuffflammen in die Nacht.
Einer der Männer blickte nach vorn. Durch die offene Tür konnte er im Cockpit die Umrisse zweier Köpfe über den Sessellehnen erkennen. Mehr zeigte der schwache Schein der Instrumentenbeleuchtung nicht. Beim Abflug, drüben in Mexiko, auf der abgelegenen Sandpiste, hatte er gesehen, dass ein Mann und eine Frau an den Kontrollen saßen.
Während der Mann noch hinsah, wurden die beiden Piloten sichtlich unruhig. Die rechts sitzende Frau beugte sich zu dem Mann. Rede und Gegenrede, im Wortlaut durch den Motorenlärm unverständlich, gingen hin und her. Irgendetwas stimmte nicht.
Die Frau, die die Kopfhörer des Funkgeräts trug, deutete durch die Cockpitverglasung seitlich in die Dunkelheit, in der die Maschine schwamm.
Der Mann griff nach einem Hebel, zögerte. Nochmals rief die Frau etwas in drängendem Ton. Da zog er den Hebel zurück.
Mit einem Ruck teilte sich hinten der Boden, auf dem die Männer saßen. Brausend wirbelte Fahrtwind herein, fühlte sich an wie dicker, aggressiver Brei.
Die Männer rutschten von beiden Seiten her zur Mitte. Dort stürzten bereits die Ersten in das schwarze Nichts. Einige andere griffen in wilder Verzweiflung um sich, aber es gab keinen Halt, nirgends. Dann standen die beiden Klappen senkrecht, und die Letzten wurden von der nun orkanartig durch den Rumpf fegenden Luft hinausgerissen.
Tausend Fuß tiefer wartete in der Nacht ein rascher Tod. Schreiend stürzten ihm die dreiundzwanzig Männer entgegen.
»Sind sie raus?«, schrie oben die Frau dem Mann in die Ohren.
»Ja.« Seine Stimme klang gepresst. »Sie sind raus.«
***
»Eh, Pepe, der fliegt aber verdammt niedrig. Positionslichter hat er auch keine gesetzt. Entweder kennt er sich hier genau aus, oder er kratzt gleich die Hügel an.«
Rod Linton, Cowboy auf der Ashland-Ranch an der Grenze Arizonas zu Mexiko, hielt in der Dunkelheit seinen Gaul an. Gemeinsam mit seinem Kollegen Pepe Arojo blickte er in der sternklaren Nacht nach Südosten. Von dort näherte sich rasch das dumpfe Brummen eines Flugzeugs. Linton, der selber den Privatpilotenschein hatte, unterschied das Geräusch von zwei starken Kolbenmotoren. Alte Kiste, dachte er, wahrscheinlich ’ne DC-3.
Das Flugzeug, in der Nacht unsichtbar, flog seinem Geräusch nach direkt über die beiden Männer hinweg. Linton schätzte die Höhe auf höchstens 1000 Fuß. Die Pferde scharrten unruhig.
»Madonna«, stieß Arojo plötzlich hervor. »Was ist das?« Er richtete sich in den Bügeln auf und lauschte.
In der Luft war plötzlich ein eigenartiges Winseln, das rasch auf die beiden Männer niederkam.
»Verdammt …!« Linton lief es eiskalt über den Rücken.
Was er da hörte, war das grässliche Schreien von Menschen in Todesnot. Und ob möglich oder nicht, es kam aus der Luft auf sie zu.
Linton gab seinem Pferd die Sporen, denn sein Instinkt befahl ihm zu fliehen, und er tat es.
Nahezu gleichzeitig – so gab er jedenfalls später zu Protokoll – erfolgten in seiner unmittelbaren Nähe dumpfe Aufschläge auf dem Boden.
Die beiden Cowboys hatten in Trinares, einer kleinen Ortschaft im Gebiet der Ranch, ihren freien Abend verbracht und im Desert Inn ein wenig in die Whiskyflasche geschaut. Als sie das zunächst unerklärliche Phänomen überraschte, waren sie auf dem Ritt nach Hause gewesen.
Linton, ein altgedienter Mann im Sattel, parierte mit Mühe seinen Gaul. Zitternd und schnaubend stand das Tier endlich still unter den Sternen. Der Cowboy klopfte ihm beruhigend den Hals. Er horchte in die Nacht, hörte in der weiteren Umgebung das charakteristische Sausen eines Düsenflugzeugs und sah das rote Aufblitzen von dessen Rotating Beacon eilig durch die Dunkelheit ziehen. Linton vermutete ein Jagdflugzeug, das wahrscheinlich Patrouille flog. Die F-102-Deltajäger von der Air Force Base in Phoenix waren ihm ein gewohntes Bild an der Grenze.
»Verdammt will ich sein, wenn ich weiß, was die alte Kiste da abgeworfen hat«, sagte er laut, als er anritt, um zu seinem Kollegen zurückzukehren. »Pepe!«, rief er. Es kam keine Antwort. Nur ein Schlagen und das dumpfe Schnauben eines Pferdes hörte er vor sich. »Pepe, melde dich!«, schrie er.
Wieder hörte er nur das dumpfe Geräusch vor sich. Es klang, als schlage ein Pferd im Sand um sich. Sonst war es hier, am Südostrand der Gila-Wüste, völlig still.
Linton saß ab und entsann sich der Stablampe in der Satteltasche. Er holte sie heraus.
Etwa zwanzig Yard entfernt erkannte er am Boden Pepes Gaul. Das Tier war ersichtlich schwer verwundet und vermochte sich nicht zu erheben, lebte aber noch. Es musste von einem der Gegenstände getroffen worden sein, die aus der Luft gekommen waren.
Linton trat langsam näher, den Lichtstrahl auf das Pferd gerichtet. Neben dem Tier gewahrte er zwei menschliche Körper. In dem einen erkannte er Pepe Arojo. Der andere war eine zur Unkenntlichkeit verstümmelte Leiche.
Rod Linton erstarrte. Seine Gedanken jagten. Er glaubte an eine Halluzination, aber das grässliche Bild blieb. Dann brachte ihn ein schmerzliches Wiehern des verletzten Tieres wieder voll zu sich.
Er kniete nieder und untersuchte Arojo. Sein Kollege war tot. Der Kopf stand in einem unmöglichen Winkel vom Körper ab, das Genick war also gebrochen. Beide, Mann und Pferd, mussten von der Leiche erschlagen worden sein.
Linton zog mechanisch seinen Revolver, den er bei nächtlichen Ritten wegen der Coyoten umschnallte, und gab dem Pferd den Gnadenschuss. Dann untersuchte er den zweiten Toten.
Es handelte sich um einen jüngeren Mann mexikanischen Typs in städtischer Kleidung.
Ob Linton es glauben wollte oder nicht, aus dem Flugzeug eben waren mehrere Menschen geworfen worden.
Der Cowboy nahm sich noch Zeit, einige Minuten das Gelände in der Richtung abzusuchen, in der die Maschine abgeflogen war. Er fand weitere vier Leichen, alles jüngere Männer in sportlicher, moderner Kleidung.
Linton stieg nach der letzten Untersuchung zitternd wieder auf und wendete seinen Gaul. So schnell es die Nacht und das Terrain zuließen, ritt er nach Trinares zurück. Esteban Montejo, der Sheriff des Ortes, musste schnellstens von dem ebenso scheußlichen wie unerklärlichen Verbrechen erfahren.
Rod Linton konnte unmöglich wissen, dass dies ein entscheidender Fehler war, der ihn noch in derselben Nacht das Leben kosten sollte …
***
Etwa um die Zeit, da Rod Linton sein Pferd den steinigen Weg entlangtrieb, den er vor Kurzem mit Pepe gekommen war, läutete in Trinares im Office von Sheriff Montejo das Telefon.
»Sheriff’s Office, Trinares«, meldete sich Deputy Audry, ein mittelgroßer, jüngerer Mann mit rötlichem Bürstenhaarschnitt und engstehenden Augen.
»Ich bin’s, Buck«, hörte er eine bekannte Stimme in verhaltener Hast sagen. »’s hat ’ne Panne gegeben. Hol mir Montejo ran.«
»Der schläft schon. Was’n los?« Audry nahm unwillkürlich die Füße vom Schreibtisch. Er wusste, wenn Buck eine Panne meldete, dann war es bis zu verdammt dicker Luft nur noch ein Schritt.
»Los, hol schon Montejo«, drängte der andere.
»Okay, okay«, sagte Audry verärgert. Immer musste er nur der Handlanger sein.
Der Deputy verließ das Office und ging in dem einfachen Holzhaus eine knarrende Treppe hinauf. Oben klopfte er kräftig an eine Zimmertür.
»Eh, Chef, Telefon«, rief er.
Es kam keine Antwort. Audry öffnete die Tür einen Spalt. Lautes Schnarchen drang an seine Ohren. Er trat ein, machte Licht und schüttelte seinen Chef, der halb angekleidet auf einem ungemachten Bett lag und mit halbgeöffnetem Mund schlief.
»Los, Chef, hoch mit Ihnen!« Audry schüttelte den Sheriff derb. »Buck ist an der Strippe. ’s hat ’ne Panne gegeben, sagt er.«
»Verdammt, was …?« Montejo, ein schwammiger Mann von etwa fünfzig Jahren, kam zu sich und starrte seinen Deputy einen Moment verwirrt an. Dann kapierte er, wuchtete sich hoch und eilte in Socken die Holztreppe hinunter. Er riss den Hörer von der Tischplatte. »Ja, Buck …«
»Bist du’s, Montejo. Hör zu, wir mussten abwerfen. Es war ’n Patrouillenjäger hinter uns her. Ich hab ihn später abhängen können.«
»Abgeworfen, sagst du?« Auf Montejos Stirn erschienen kleine Schweißtropfen. »Wie viele? Wo?«
»Zehn Meilen westlich von Trinares, geschätzt«, sagte der andere drängend. »Ich hatte die Lichter ziemlich genau rechts und war nicht hoch. Hör zu, ihr müsst sie finden und wegschaffen.«
»Dürfte verdammt schwer sein«, sagte Montejo rau und warf seinem Deputy einen kurzen Blick zu. »Wir sind nur zwei Mann.«
»Dann nimm Plessey mit«, sagte der, den Audry mit Buck angeredet hatte, im Ton eines Mannes, der Anweisungen zu geben hat. »Sie müssen unbedingt vor Tagesanbruch weg. Carlato verlässt sich auf euch.«
»Wir tun, was wir können«, versicherte Montejo. »Wie viele sind es?«
»Dreiundzwanzig.«
»Guter Gott …« Der Sheriff machte eine winzige Pause. »Wir holen Plessey und fahren gleich los. Hoffentlich finden wir sie alle, bevor es hell wird.«
Montejo legte langsam den Hörer auf. Er wandte sich dem Deputy zu. Sein gebräuntes Gesicht wirkte wie ausgebleichtes Pergament. »Dreiundzwanzig hat er runtergeschmissen«, sagte er mit heiserer Stimme, »dreiundzwanzig Vögel. ’n Abfangjäger war hinter ihm her.«
»Und die Ware?« Audry schien völlig unbeeindruckt.
»Nicht unsere Sache.« Montejo zuckte mit den Schultern. »Das ist Carlatos Geschäft. Los, ruf schon Plessey an. Er muss …« Er stutzte. Draußen ertönte eiliger Hufschlag. Gleich danach kam ein Mann in Cowboykleidung sichtlich aufgeregt ins Office gestürzt.
»Sheriff, Sie müssen sofort mitkommen«, keuchte Linton. »Jemand hat Menschen abgeworfen. Lebende Menschen, aus ’nem Flugzeug. Es war ’ne alte Kiste mit zwei Motoren, ich schätze, ’ne DC-3. Einer von ihnen hat Pepe getroffen. Er ist tot, sein Gaul auch. Ich kann’s überhaupt nicht fassen, dass so was …«
Montejo und Audry wechselten einen kurzen Blick.
»Okay, Rod«, sagte Montejo dann so laut und überzeugend, dass es einem weniger erregten Menschen wie Linton aufgefallen wäre, »setz dich erst mal hin und trink ’n Whisky. Dann nimmt Audry ’n Protokoll auf. Du bist ’n Bürger dieses Staates, und natürlich nehmen wir deine Anzeige auf. Also ruhig Blut, alter Junge.«
Auf einen Wink seines Chefs nahm der Deputy den Cowboy mit in einen anderen Raum. Sofort danach rief Montejo den Bestatter Plessey an. Nachdem dieser sein sofortiges Kommen zugesagt hatte, ging der Sheriff hinüber ins Nebenzimmer.
Er blieb hinter Linton stehen. Deputy Audry saß dem Cowboy gegenüber an der Schreibmaschine und tippte mit zwei Fingern.
Montejo zog langsam den schweren Colt mit dem Sechs-Zoll-Lauf aus dem Holster. Er hob die Waffe und ließ den Lauf mit voller Wucht auf Lintons Kopf niedersausen. Der Cowboy fiel wie ein Klotz zu Boden und rührte sich nicht mehr.
Audry hörte zu tippen auf, zog den Bogen aus der Maschine, knüllte ihn zusammen und warf ihn in den Papierkorb.
»Pech für den da«, sagte er und deutete mit dem Kinn auf Lintons Leiche. »Sie konnten nichts anderes machen, Chef. Er hätte niemals geschwiegen.«
***
Diese Ereignisse spielten sich, wie wir im Verlauf dieser hochbrisanten Angelegenheit später ermittelten, einige Wochen nach einem zunächst rätselhaften Flugzeugraub auf dem New Yorker La Guardia Airport ab. Wir vom FBI vermochten uns damals keinen Vers auf die Geschichte zu machen, bei der mein Freund und Kollege Phil Decker gemeinsam mit mir unfreiwilliger Augenzeuge wurde.
Es war ein diesiger Donnerstagnachmittag Ende August. Phil und ich standen in der wattig warmen Luft, die nach verbranntem Kerosin roch, am Ausgang des Flugsteiges 37 und warteten auf eine Lady namens Janine Bertaud.
Bei der »Lady« handelte es sich um ein Callgirl aus dem internationalen Jetset, wie man es nur in aufwendigster Umgebung antrifft und das für einen Abend mit anschließendem Ringelpiez glatt tausend Dollar kassiert. Spesen nicht inbegriffen.
Natürlich interessierten wir uns nicht für Mademoiselle Bertauds eigentlichen Job, sondern für das Heroin, das sie einem Tipp zufolge in ihrem Gepäck einschmuggeln würde. Die französische Sûreté hatte uns einen Hinweis zukommen lassen.
Ich wurde durch eine wie neu aussehende B-25 abgelenkt, die schräg gegenüber von einem Trecker aus dem Hangar für Privatmaschinen gerollt wurde. Das Flugzeug, ein mittlerer Bomber des Zweiten Weltkriegs, war inzwischen eine absolute Seltenheit und musste einem wohlhabenden Fan für so genannte Warbirds, wie man die alten Kriegsmaschinen nannte, gehören.
Phil folgte meiner Blickrichtung und gewahrte nun auch den ausgezeichnet erhaltenen Bomber. Er nickte anerkennend »So ’n Hobby lasse ich mir gefallen. Letztes Jahr war ich für ’nen Sprung drüben in Wisconsin beim Treffen der Amateurflugzeugbauer. In der Klasse der Warbirds haben sie da auch eine B-25 vorgeflogen. Es soll nur noch zwei oder drei davon in den Staaten geben, die flugbereit sind. Ein paar P-51-Mustang-Jagdflugzeuge und eine Lockheed Lightning waren ebenfalls dabei.«
»Du hast mir davon erzählt.« Ich sah nach wie vor zu der etwa hundert Yard entfernten Maschine hinüber. Sie stand nun auf dem betonierten Vorfeld des Hangars. Der Trecker wurde abgekuppelt und fuhr weg. Vor dem Vogel standen vier Personen, die allem Anschein nach dazugehörten. Ich unterschied eine hellhaarige Frau und drei Männer. Einer von ihnen trug einen grauen Overall.
Wieder ertönte der Gong aus den Vorfeldlautsprechern, mit dem die Flugleitung auf neue Ankündigungen auf der Leuchttafel aufmerksam machte. Dann kam die helle Stimme der Sprecherin.
»Ladies and Gentlemen, PanAmerican Airways gibt bekannt, dass ihr Flug 327 aus Paris mit etwa sechzig Minuten Verspätung eintreffen wird.«
»Auch das noch«, seufzte Phil. »Ich hatte gehofft, wir könnten die hübsche Brünette bald in Empfang nehmen und abliefern. Stattdessen müssen wir nun noch mindestens eine Stunde hier rumstehen.«
»Okay, dann kannst du ja inzwischen im Restaurant einen zur Brust nehmen«, meinte ich. »Bestenfalls Bier, du weißt …«
»Keinen Alkohol im Dienst.« Er grinste schwach. »Aber danke für die Erlaubnis, großer Bruder. Was wirst du solange tun?«
»Ich sehe mir an, was sie mit dem tollen Flugzeugveteranen da drüben machen«, versetzte ich mit einem Blick zu der B-25. »Hoffentlich startet er. Ich möchte ihn fliegen sehen. Du triffst mich hier, wenn du zurückkommst.«
»Nett, dass du nicht an meinem Dursttod schuld sein willst, Jerry. Ich bin gleich wieder hier.« Mein Kollege ging, und ich wusste, dass er mehrere Gläser Coke mit Zitrone trinken würde, ein Gemisch, für das ich mich auch bei größter Hitze nicht erwärmen konnte.
Erneut wandte ich meine Aufmerksamkeit dem zweimotorigen Bomber zu. Ich kannte den Typ, der mit voller Bezeichnung North American B-25 Mitchell hieß, nur von Bildern und alten Dokumentarfilmen aus der Kriegszeit. Es handelte sich dabei um einen zweimotorigen Tiefdecker mit doppeltem Seitenleitwerk und über die Flächenhinterkante hinausgezogenen Motorengondeln, in die das Fahrwerk eingezogen wurde. Die Maschine konnte mehrere Tonnen Nutzlast tragen, die im Krieg natürlich im Wesentlichen aus Bomben bestanden hatte.
Die vier Menschen bei der B-25 bildeten zwei Gruppen. Die eine bestand aus der Frau im Hosenanzug und dem einen Mann. Unterbewusst registrierte ich ihn als dunkelhaarig mit kurz gehaltener Frisur und von kräftiger Statur. Er mochte in mittlerem Alter sein.
Die beiden anderen Männer – der im Overall und einer, der schon durch sein weißes Haar deutlich als wesentlich älter zu erkennen war – schienen die Maschine zu erklären.
Besichtigung aus Interesse oder vor einem Verkauf, dachte ich. Ein im wahrsten Sinn des Wortes so seltener Vogel musste sehr teuer sein.
Jetzt sonderte sich die Frau von den drei Männern ab, die beisammenstanden und angeregt miteinander sprachen. Ohne dem besondere Bedeutung beizumessen, registrierte ich, wie sie über die an der Rumpfunterseite ausgefahrene Leiter in die Maschine stieg.
Ich beobachtete für einige Minuten den dichten Flugverkehr auf dem La Guardia Airport. Obwohl er der kleinere der beiden New Yorker Verkehrsflughäfen ist, gab es etwa jede Minute einen Start oder eine Landung von Airlinern der verschiedensten Gesellschaften.
Das dumpfe Aufblubbern eines anspringenden großen Kolbenmotors machte mich wieder auf die B-25 aufmerksam. Das Triebwerk auf der mir zugewandten linken Seite war angelassen worden. Offenbar wollte man mit dem alten Vogel aus dem letzten Weltkrieg fliegen.
Ich fragte mich, ob es die Frau war, die jetzt im Cockpit saß.
Was taten die drei Männer?
Sie benahmen sich, aus der Entfernung betrachtet, eigenartig. Der Weißhaarige und der im Overall standen mit dem Rücken zur Maschine in merkwürdig steifer Haltung. Sie drehten mir die Gesichter zu, wurden aber teilweise durch den anderen Mann verdeckt, der zu der Frau zu gehören schien und mir den Rücken zukehrte.
Jetzt sprang auch der Steuerbordmotor an, ich erkannte es an der Rauchwolke, die nach hinten getrieben wurde.
Die drei Männer standen immer noch so seltsam. Irgendwie starr, wie mir schien. Alle Gelöstheit war von der Gruppe gewichen. Ich strengte meine Augen an und glaubte, tatsächlich die Frau im Cockpit zu sehen.
Die drei Männer standen noch immer wie die Zinnsoldaten.
Ich war inzwischen bereit zu wetten, dass da drüben etwas nicht stimmte.
Ein Zug der Flughafenfeuerwehr, der mit Sirenengeheul und blitzenden Rotlichtern auf das Landefeld gefahren kam und den Runway Nummer 7 entlangraste, lenkte mich ab. Nur für wenige Minuten, aber diese kleine Zeitspanne brachte mich endgültig ins Hintertreffen. Ich sah der Feuerwehr zu, wie sie einen Schaumteppich auf Nummer 7 zu legen begann, und wusste, eine Maschine mit Havarie hatte sich zur Landung angemeldet. Der Teppich wurde gelegt, um Funkenbildung bei einer möglichen Bruchlandung zu vermeiden und damit einen Brand des möglicherweise auslaufenden Kerosins zu verhindern.
Dann fielen mir die drei seltsamen Figuren wieder ein, und ich wandte mich um. Eben rechtzeitig, um zu sehen, wie der zu der Frau gehörende Mann den rechten Arm hob und damit eine schnelle Bewegung nach unten machte. Gleich darauf wiederholte er dies. Die zwei vor ihm stehenden Gestalten, der Weißhaarige und der im Overall, fielen schlaff zu Boden. Er hatte sie niedergeschlagen.
Ich flankte über die hüfthohe Barriere und spurtete los.
An der B-25 eilte der Mann jetzt unter den Rumpf und stieg in die Maschine. Die Leiter und die Einstiegklappe fuhren hoch. Dann kam von rechts ein Wagen der Flughafenpolizei und schnitt mir den Weg ab. Ich musste stehen bleiben.
»Stopp, Mister, können Sie nicht lesen?«, fragte mich einen der beiden Uniformierten. »Betreten des Vorfeldes verboten!«
Ich fuhr mit der Hand in die Rocktasche nach dem Dienstausweis, aber der Mann deutete es anders. Er riss seine Kanone heraus.
»Hände hoch und ganz ruhig, Freundchen!« Und zu seinem Fahrer gewandt: »Halt ihn in Schach, Mike. Den Vogel werde ich mir mal genauer ansehen.«
»FBI, ich bin Special Agent Cotton«, schrie ich. »Da drüben wird ein Flugzeug geraubt.« Mit dem Kopf deutete ich zu dem Hangar hinüber, wo eben die B-25 mit brausenden Motoren wendete und zu rollen begann.
»Mann, und ich bin der Scheich von Oman.« Der Flugplatzpolizist griff unter mein Jackett und fand natürlich zuerst die Dienstwaffe. Er präsentierte sie grinsend dem Fahrer, der mich aus dem geöffneten Wagenfenster heraus mit seinem Revolver in Schach hielt. »Na, was hab ich gesagt. ’n ganz ausgekochter Junge.«
»Wenn Sie weitersuchen, finden Sie sicher in der nächsten halben Stunde auch meinen Ausweis«, sagte ich, nun wieder ganz ruhig. Es war sowieso zu spät, um noch etwas zu unternehmen. Die B-25 rollte bereits eilig zum Ende von Runway 6. Vielleicht hätte man sie noch mit dem Polizeiwagen stoppen können …
»Verzeihung, Sir.« Der Polizist hatte meinen Dienstausweis gefunden. »Steck die Knarre weg, Mike, er ist echt. Wissen Sie, wir dachten … Ich meine, weil Sie so über das Vorfeld gerannt sind …«
»Geschenkt.« Ich schwang mich neben den Fahrer. »Los, wir müssen den Vogel stoppen. Ihr Kollege soll sich um die beiden Männer dort kümmern.«
»Um welche Männer, Sir?« Der erste Flughafenpolizist machte einen langen Hals.
»Na, um die, die dort auf der Abstellfläche liegen.«
Der Polizist setzte sich in Trab, und mein Fahrer trat das Gaspedal durch. Mit quietschenden Hinterrädern setzte sich der schwere Station Wagon in Bewegung. Ich schaltete die Sirene auf dem Dach und die Blinklichter wieder ein und griff mir das Mikro der Funkanlage.
»Hallo, Tower«, sagte ich hastig, »die B-25 ist wahrscheinlich geraubt worden. Wir versuchen sie am Start zu hindern. Können Sie …« Mir blieb das Wort in der Kehle stecken. Der Wagen hatte einen Satz über eine Bodenwelle gemacht, und ich war mit dem Kopf gegen das Dach geschleudert worden.
Aus dem Funksprechgerät ertönte eine aufgeregte Männerstimme.
»Wagen neunzehn, Wagen neunzehn, fahren Sie sofort raus auf den Taxistrip. Wir haben ’ne Notlandung, es kommt einer mit verklemmtem Fahrwerk rein. Wagen neunzehn, fahren Sie sofort …«
Die Aufforderung fruchtete nichts. Mein Fahrer schien sich als Angehöriger der Hell-Drivers zu fühlen. Um der B-25 den Start abzuschneiden, raste er direkt auf den Schaumteppich von Runway 7 los. Wir mussten diese Piste passieren, um Nummer 6 zu erreichen, an deren einem Ende das verfolgte Flugzeug eben einschwenkte.
Der Schaum kam wie eine Wand auf uns zu. Die Sicht war weg. Ich fühlte, wie sich der Wagen auf der glitschigen Piste wie ein Kreisel drehte. Krampfhaft hielt ich mich fest. Mit der einen Hand schlug ich auf den Wischerschalter. Es gab einen dumpfen Krach, der Wagen krängte beängstigend.
Die Scheibe wurde wieder klar, wir waren durch.
»Sie hätten unbedingt Flieger werden sollen«, keuchte ich.
Der Fahrer grinste. Die irrsinnige Fahrt schien ihm Spaß zu machen.
Wir rasten hüpfend und springend über die zwischen den einzelnen Pisten befindliche Rasenfläche auf Nummer 6 zu. Auf ihrem grauen Betonband kam uns die Zweimotorige in vollem Start entgegen. Das Schwanzende war schon hoch, gleich würde sie abheben.
Mein Fahrer schien das auf alle Fälle verhindern zu wollen. Er lenkte den Wagen auf die Piste und ging auf Kollisionskurs.
»Sind Sie wahnsinnig?«, brüllte ich und fiel ihm ins Lenkrad.
Die B-25 raste uns genau entgegen. Ihre Räder waren jedes gut anderthalb Yard hoch und wogen mehrere Zentner. Sie hätten den Wagen in eine Ziehharmonika mit doppelter Fleischfüllung verwandelt. Durch den wilden Lenkeinschlag kam er jetzt links hoch und fuhr auf den rechten Rädern allein. Ich duckte mich instinktiv, als die Zweimotorige ganz knapp über mich wegdonnerte, und musste mich festhalten. Wieder sprang der Wagen wie wild über den Rasen. Der Fahrer hielt immer noch seine Bleisohle auf dem Gas. Es gelang mir, sein Bein zurückzureißen.
Wie im Traum sah ich eine Boeing 727 auf den Schaumteppich von Nummer 7 zu schweben, sah blitzende Rotlichter, gestikulierende Männer und dann nur noch weiße Watte.