Jerry Cotton Sonder-Edition 131 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 131 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Eigentlich hatten wir nichts mit dem Killer Caimano im Sinn. Wir konnten gar nichts von ihm wollen, denn in Mexiko zählte ein G-man nicht.
Aber dann ließ dieser verdammte Mörder vor unseren Augen Ampura, ein siebzehnjähriges Mädchen, ermorden. Auf unvorstellbar brutale Art.
Von diesem Moment an saßen Phil und ich ihm unerbittlich im Nacken. Mexiko hin, Federales her. Und als wir Caimano fanden, verwandelten sich sein ganzes Ganoven-Paradies und seine riesige Farm in die Gangsterhölle von Mexiko ...

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Seitenzahl: 185

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Gangsterhölle Mexiko

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rostyslav Stetsko / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9659-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Gangsterhölle Mexiko

Drei Tage Urlaub hatte ich gemacht, mehr war für mich als FBI-Agent in New York nicht drin ‒ und als ich in meine Stadt zurückkehrte, erwartete mich die Schreckensbotschaft: Mein Partner Phil Decker hatte einen Auftrag in Mexiko gehabt, reine Routine, nichts Gefährliches ‒ und war spurlos verschwunden!

Mr. High und ich befürchteten das Schlimmste. Der Chef schickte mich nach Mexiko, um das Schicksal meines Kollegen und besten Freundes aufzuklären. Als ich dort in Alemnar ankam, traf ich auf eine heißblütige Frau, die ein gefährliches Spiel trieb ‒ und auf eine Killer-Organisation, für die ein Menschenleben keinen rostigen Cent wert war …

Die junge Frau im Türrahmen war bildschön.

G-man Phil Decker vom FBI New York starrte sie an wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt.

Sie erwiderte Phils Blicke aus tiefen, fast schwarzen Augen. Ihre Nase war leicht gebogen, die Augen standen eng zusammen. Der ungeschminkte Mund war voll und rot, das sanft gebräunte Gesicht schmal, umrahmt von langem, glattem blauschwarzem Haar.

Sie lächelte nicht. Ihr ernstes Gesicht wirkte ungemein würdevoll.

Sie war gerade mal Anfang zwanzig, und sie war eine Hure.

Das wusste Phil nicht, als er sie mit einer stummen Handbewegung aufforderte einzutreten.

Sie schritt an ihm vorbei, wobei der Rock ihres weißen Musselinkleides leise knisterte. Phil drückte die Tür ins Schloss.

Das Mädchen streifte die schäbige Einrichtung des kleinen Hotelzimmers mit einem schnellen, uninteressierten Blick und richtete die dunklen Augen dann wieder auf Phil.

Es war sieben Uhr an einem heißen Abend in Mexiko am Rande einer namenlosen Wüste. Wenn man aus dem einzigen Fenster sah, über die staubige Straße mit den streunenden Hunden hinweg, konnte man in der Ferne die hohen Berge sehen, hinter denen die Vereinigten Staaten lagen. New Mexico, USA. Dreißig Meilen entfernt. Auf einem anderen Planeten.

»Hallo«, sagte Phil. Es war das erste Wort, seit die junge Frau an die Tür zu Phils Zimmer geklopft hatte. Das Wort tropfte unnatürlich laut in die stickige Luft.

»Sie sind wegen Mark hier.« Sie sprach Englisch, mit einem harten spanischen Akzent.

Phil nickte. Mark David Young. Schwerverbrecher aus New York, der hier in Alemnar, Mexiko, vor dem Schwurgericht stand. Wegen Mordes.

»Was ist mit Young?«, fragte er.

»Mark ist unschuldig.«

Phil hob die Schultern. »Melden Sie sich bei seinem Verteidiger. Wer sind Sie überhaupt?«

»Ich heiße Ampura. Ich will nicht vor das Gericht …«

»Warum nicht?«

»Ich habe Angst. Die Polizei, die Federales, Marks Freunde …«

»Young hat Freunde hier?«, fragte Phil erstaunt.

Ampura nickte. »Zwei Americanos. Sie leben in einem Haus an der Straße nach Ascencion. Es heißt Casa Blanca und gehört meinem Onkel Nino.«

»Wohnen Sie auch dort?«

Ampura nickte.

Phil kaute auf seiner Unterlippe. Zwei weitere Amerikaner, Unbekannte. Zeugen? Komplizen? »Was wissen diese beiden Männer?«

»Dass Mark unschuldig ist. Sie wissen es.«

»Okay«, seufzte Phil. Er nahm seine Jacke vom Stuhl. »Fahren wir mal hin.«

Ampura schüttelte hastig den Kopf. »Ich kann nicht mitgehen. Sie dürfen nicht wissen, dass ich bei Ihnen war.«

Phil seufzte wieder. Er sah nach draußen. Die Sonne stand über den scharf gezackten Kämmen der Berge im Westen. Geduldig ließ er sich den Weg zur Casa Blanca beschreiben. Es war nicht weit, und es war noch hell. Phil beschloss, sich diese Männer anzusehen, bevor er die mexikanische Polizei einschaltete.

Ampura folgte ihm die Treppe hinunter und huschte dann an Phil vorbei auf die Straße hinaus. Ohne sich noch einmal umzudrehen, lief sie davon.

Phils Wagen stand auf dem Hof des Hotels. Es war ein neuerer Olds, den ihm das FBI-Büro in Tucson, Arizona, zur Verfügung gestellt hatte. Phil schloss den Wagen auf und setzte sich hinter das Steuer.

Er ließ das Fenster geöffnet, bis die Klimaanlage zu arbeiten begann. Dann kurbelte er die Scheibe in die Höhe und rollte auf die Straße hinaus.

Das Haus lag knapp drei Meilen außerhalb der Stadt. Es war ein flaches Gebäude aus weiß gestrichenen Ziegelsteinen mit einem roten Dach. An der Giebelwand trug es in schwarzer Schrift seinen Namen – Casa Blanca Club.

Phil ließ den Olds am Straßenrand ausrollen. Die Fenster des Hauses waren mit massiven grünen Holzläden verschlossen, das Gebäude machte einen unbewohnten Eindruck. Phil stellte den Motor ab und stieg aus. Die Hitze traf ihn wie ein nasses heißes Tuch. Er rüttelte an der Tür, und als nicht geöffnet wurde, ging er langsam um das weiße Haus herum.

Hinten standen ein Wagen ohne Räder, ein leerer Hundezwinger und Kisten voll von leeren Flaschen. Über allem lag eine dicke Schicht aus weißem Staub. Es gab eine Tür nach hinten hinaus. Auch sie war verschlossen.

Phil wandte sich um. Er wollte zurückgehen. Sein Blick fiel auf eine Stelle der weißen Mauer, die den Hof umfasste. Zwei Eidechsen lagen in der Sonne, regungslos bisher, doch plötzlich huschten sie davon, verschwanden in einer Spalte. Dann fiel ein langer Schatten über die Stelle, an der die beiden Tiere eben noch gelegen hatten.

Phils Kopf ruckte in die Höhe. Zwei Gesichter erschienen über dem Mauerrand. Sie lagen im Schatten breitrandiger Hüte, aber Phil erkannte sie sofort. Bob Spraker, genannt The Knife, und Larry Benson, der Fisch.

Phil fröstelte plötzlich. Er war allein mit zwei Bestien in Menschengestalt, und als die Verbrecher mit den schweren Waffen in ihren Händen wedelten, hob Phil die Arme.

»So ist es fein, G-man«, sagte Spraker leise.

Larry Benson nickte. Seine kalten Fischaugen bohrten sich in Phils Gesicht.

Phil schloss mit dem Leben ab. Er wusste, was ihn erwartete. Vor einem halben Jahr hatte er die beiden verhaftet und einen ihrer Komplizen in Notwehr erschossen. Benson und Spraker hatten Rache geschworen – und dann waren sie ausgebrochen und spurlos verschwunden.

Diese Männer würden ihn töten und seine Leiche in der Wüste verscharren …

»Phil ist verschwunden«, sagte John D. High zu mir. Seine Stimme klang ruhig und beinahe unbewegt, so wie immer. »In Mexiko«, fügte er hinzu.

»Was um alles in der Welt macht Phil in Mexiko?«, fragte ich.

Ich hatte ein paar Tage Urlaub genommen und war deshalb nicht auf dem Laufenden. Drei Tage Cape Cod, und schon war der Teufel los.

»Ich will es Ihnen kurz erklären. Mark David Young steht in einem Ort namens Alemnar, das liegt ein paar Meilen südlich der Staatsgrenze von Arizona und New Mexico, vor Gericht. Mord. Er soll einen mexikanischen Landarbeiter erschossen haben …«

»Er wird doch auch hier wegen Mordes gesucht?«, warf ich ein.

»Richtig, und wir haben ein formelles Auslieferungsersuchen gestellt. Das Gesuch wird natürlich abgelehnt, solange er in Mexiko vor Gericht steht und wenn er dort für schuldig befunden wird.«

»Was hat Phil mit der Sache zu tun? Warum ist er in – wie heißt das Kaff?«

»Alemnar, Provinz Sonora. Er ist als Beobachter dort, mit Wissen der mexikanischen Behörden. Young schweigt nämlich. Er beteuert nicht einmal seine Unschuld. Nichts. Er schweigt ganz einfach. Das Justizministerium in Washington hat ein offizielles Abkommen mit den mexikanischen Behörden getroffen. Das Gericht befindet sich offenbar in Beweisnöten. Wenn Young, so lautet die Vereinbarung, behauptet, unschuldig zu sein, will man ihn in die Staaten abschieben. Deshalb ist Phil dort. Und seit gestern ist er verschwunden.«

»Und jetzt soll ich also nach Mexiko.«

»Sie sollen ihn finden, Jerry. Ihre Maschine geht in knapp einer Stunde ab Newark Airport. Ein Ticket finden Sie am Schalter der American Airlines. In Tucson wird Sie ein Kollege vom dortigen Büro in Empfang nehmen. Er wird Ihnen alles Notwendige mitteilen und Ihnen einen Wagen zur Verfügung stellen. Von dort an sind Sie auf sich allein gestellt.«

»Klar, Chef.«

Ein Kollege aus der Fahrbereitschaft brachte mich nach Newark hinüber, von wo aus die meisten inneramerikanischen Flüge des Großraumes New York abgewickelt werden. Ich hatte nicht einmal mehr die Zeit gehabt, die notwendigsten Dinge aus meiner Wohnung zu holen.

Der Flug war lang und ermüdend. Umsteigen in Fort Worth und El Paso mit entsprechenden Wartezeiten. Ankunft in Tucson, Arizona, 4 Uhr 35 Ortszeit. Wegen der zwei Stunden Differenz gegenüber New York blieb noch genügend Zeit, um die Fahrt nach Mexiko noch am selben Tag fortzusetzen, etwa nach dem Motto: Der Tag hat vierundzwanzig Stunden, und wenn die nicht reichen, nehme ich die Nacht dazu.

Art Bisbee, der Kollege aus Tucson, beschrieb mir den günstigsten Weg nach Alemnar über Douglas und Agua Prieta. Knapp zweihundert Meilen.

Ich wollte mich nicht lange aufhalten. Ich wollte nach diesem Alemnar, wollte wissen, was mit Phil geschehen war.

Bisbee überreichte mir einen Umschlag, der mexikanisches Geld, Fotos von Young, Kopien der Prozessakten, die Namen anderer Prozessbeteiligter und ein paar nützliche Angaben enthielt. Bisbee hatte sein Möglichstes getan, ohne zu wissen, was wirklich nötig sein könnte.

Der Wagen, den er mir übergab, war ein schneller Chevrolet Camaro mit Handschaltung und Klimaanlage. Auch er wünschte mir viel Glück und gute Fahrt.

Als ich in Alemnar eintraf, war es kurz vor neun und dunkel. Ich war seit sechzehn Stunden auf den Beinen und entsprechend geschlaucht. Ich brauchte dringend eine Dusche.

Zuerst war mir das warme sonnige Wetter hier unten großartig vorgekommen nach der feuchten Kälte an der Ostküste, aber jetzt spürte ich nur lähmende Müdigkeit.

Langsam fuhr ich durch die Stadt. Alemnar lag an einer langen Straße, es gab kaum mehr als ein Dutzend Querstraßen. Alle wichtigen Gebäude schienen an dieser Straße zu liegen und an dem großen Platz, dessen Mittelpunkt die Kirche bildete.

Am Südausgang der Stadt begann die Wüste. Ich wendete und fuhr zurück.

Es gab insgesamt vier Hotels in Alemnar. Ich stoppte vor dem Viramonte, in dem auch Phil abgestiegen war, und nahm ein Zimmer – ohne Bad. Diesen Luxus schien es hier nicht zu geben; Alemnar lag abseits der Touristenstrecken.

Ich schleppte mich die Treppe ins Obergeschoß hinauf, knallte meine Tasche in eine Ecke und warf mich aufs Bett. Eine halbe Stunde wollte ich ausruhen. Ich schlief sofort ein …

Ich erwachte nach genau dreißig Minuten. Meine Glieder schienen schwer wie Blei. Ich wälzte mich aus dem Bett und hielt den Kopf unter die Wasserleitung. Das Wasser war braun und lauwarm.

Aus Art Bisbees Wundertüte nahm ich ein Bündel Peso-Scheine und verstaute den Umschlag dann unter der Matratze. Kein sonderlich fantasievolles Versteck, aber ich konnte kein besseres finden.

Ich zog mein Jackett über, schob den Smith & Wesson in die Schulterhalfter und verließ das schäbige Zimmer.

Der Mann hinter dem Empfangspult nahm die Beine vom Tisch, legte die Zeitung weg und stand auf, als er meine Schritte auf der Treppe hörte.

»Buenas noches, Senhor«, grüßte er höflich. »Wollen Sie noch ausgehen?« Er hatte ein verwittertes Gesicht und trug einen buschigen Bart auf der Oberlippe.

»Gibt es Geschäfte, die geöffnet sind?«, erkundigte ich mich.

»Was möchten Sie denn kaufen, Senhor?« Neugierig blinzelte er mich an.

»Ein paar Hemden, eine leichte Jacke, solche Dinge.« Ich hatte nur das bei mir, was ich am Leibe trug. Und das war für dieses Klima und für meinen Job gleichermaßen ungeeignet.

»Gehen Sie die Straße hinauf, Senhor. Rechts hinter der Kirche befindet sich das Geschäft meines Schwagers. Er heißt Morera. Ich rufe ihn an, er wird Sie bedienen.«

»Fein«, sagte ich, und dann fügte ich beiläufig hinzu: »Wo ist Mister Deckers Gepäck?«

»Mister Deckers … Oh, Sie kennen den anderen Americano?«

»Sicher, er ist ein Freund von mir, und ich will feststellen, was aus ihm geworden ist. Wo ist sein Gepäck?« Ich hatte beschlossen, offen vorzugehen. Einfach mitten in das Wespennest hineinstechen, falls es eins geben sollte. Am Gebrumm der Wespen würde ich am besten feststellen können, wie gefährlich sie tatsächlich waren.

»Das Gepäck des Senhors steht noch auf seinem Zimmer. Ich weiß nicht, wo Ihr Freund ist, Senhor. Wir alle machen uns große Sorgen. Die Wüste ist groß und einsam. Und gefährlich.«

»Er ist in die Wüste gegangen?«

»Das weiß ich nicht, Senhor. Er ist einfach verschwunden, und niemand hat ihn seitdem gesehen.«

»Hat ihn jemand gesehen, als er das Hotel zum letzten Mal verließ?«

»Nein, niemand. Auch der Patron nicht. Wir haben über sein Verschwinden gesprochen. Niemand hat ihn gesehen. Tagsüber sitzt nämlich niemand hier an der Rezeption, müssen Sie wissen.«

»Wo finde ich die Polizei?«

»Auch an der Kirche. Plaza d’Iglesia, Sie können es nicht verfehlen.«

»Ist Mister Deckers Wagen hier?«

»Nein, Senhor, der Wagen ist auch fort. Deshalb glauben wir, dass er vielleicht in die Wüste gefahren ist. Wohin kann man sonst fahren? Es gibt nicht viele Möglichkeiten. Die nächsten Städte sind weit entfernt. Ascencion, Agua Prieta, Naco. Weit, sehr weit.«

»Kann ich das Gästebuch sehen?«

Der alte Mann schob mir das schwarze Buch zu. Ich lobte die mexikanische Meldepflicht. Das Hotel verfügte über vierzehn Zimmer, von denen elf belegt waren, meins und Phils mitgerechnet. Neun Fremde. In der Spalte ›Berufe‹ fand ich drei Journalisten, einen Arzt, zwei Viehzüchter, drei Landarbeiter, Peones.

»Das sind Geschworene«, sagte der Portier, auf die letzten vier Namen deutend.

Ich nickte. Das Opfer stammte aus dieser Gegend, deshalb holte man fremde Geschworene, um emotionale Reaktionen auf ein Minimum herabzudrücken.

Ich klappte das Buch zu und verließ das Hotel. Ich ging zu Fuß zum Kirchplatz. Der Turm war mit Lehm verputzt und gelb angestrichen. Im schwachen Licht der Straßenlaternen sah die Kirche romantisch aus. Die breiten Türen standen offen, und aus dem Innern drang Orgelmusik heraus.

Es gab zahlreiche Kneipen, schmale Dinger mit bunten Schnurvorhängen in den offenen Türen. An den Theken standen Männer.

Ich fand den Gemischtwarenladen von Ignazio Morera. Ein Mann stand im Rahmen der offenen Tür. Er blickte mir neugierig entgegen und trat dann zur Seite, um mich eintreten zu lassen.

Ich erstand zwei leichte Hemden, eine Buschjacke mit vielen Taschen, Jeans und Unterwäsche. »Einpacken«, bat ich schließlich.

Morera sprach nur sehr schlecht Englisch. Er hob die Arme. »Senhor! Sie brauchen bottas! Bottas!« Er deutete auf meine Füße, die in braunen Halbschuhen steckten. »Draußen in der Sierra – Schlangen. Sie verstehen? Senhor brauchen bottas!«

Ich nickte und ließ mir zeigen, was er anzubieten hatte. Ich entschied mich für ein Paar braune Stiefel aus geschmeidigem Leder mit hohen Schäften, für die Morera einen lächerlichen Preis berechnete.

Mit dem Bündel unter dem Arm kreuzte ich kurz darauf in der Polizeistation auf. Das Haus, in dem die Policia von Alemnar untergebracht war, beherbergte gleichzeitig das Rathaus und das Gericht.

Die hölzernen Stufen knarrten erbärmlich. Trotzdem schreckten die beiden uniformierten Polizisten auf, als ich die Tür aufstieß.

Einer der Uniformierten stand auf und kam an die hohe Balustrade. Er sprach mich sofort auf Englisch an. »Guten Abend, Sir.«

Wenn ich die Rangabzeichen auf seiner Schulter richtig deutete, musste es sich um einen Corporal handeln.

»Ich bin Jerry Cotton vom FBI New York. Ich bin wegen meines Kollegen hier. Phil Decker. Ich möchte den ranghöchsten Beamten sprechen.«

»Der Capitano fühlt sich nicht wohl«, erklärte der Corporal.

»Er ist aber im Haus?«

»Ja, Sir, er …«

»Führen Sie mich bitte zu ihm. Ich möchte mich nur vorstellen. Sonst nichts.«

Der Corporal zuckte die Achseln und klappte eine Schranke in die Höhe. »Kommen Sie bitte mit.«

Ich wurde durch einen langen, gefliesten Gang mit bröckelndem Putz geführt, eine andere Treppe hinauf, dann klopfte der Corporal gegen eine Tür. Vorher nahm er Haltung an, räusperte sich, dann öffnete er die Tür.

Der Capitano lag in einem bequemen Ledersessel, die Beine auf dem Tisch. Das Leder der schwarzen Stiefel glänzte. Aus schwarzen Augen starrte er zur Tür. Sein Gesicht war aufgedunsen, das dunkle Haar klebte am Kopf.

Unvermittelt stellte er die Füße auf den Boden und stemmte die Fäuste auf die Schreibtischplatte.

Der Corporal klappte die Hacken zusammen.

»Mister Cotton möchte Sie kennenlernen«, sagte er.

Lautlos zog er sich zurück.

Ich trat näher. »Guten Abend, Capitano«, grüßte ich. »Ich bin Jerry Cotton vom FBI in New York.«

»FBI? Ich freue mich sehr, Senhor.« Er streckte mir seine Hand entgegen. Der Händedruck war kurz und fest. »Sie wollen auch den Prozess beobachten?«

»Der Prozess interessiert mich nicht«, sagte ich.

Der Capitano blinzelte. »Weshalb sind Sie dann hier? Verzeihen Sie, ich bin unhöflich. Nehmen Sie doch Platz. Ich heiße Fabra. Antonio Alegre Fabra. Ihr Kollege, Mister Decker …« Fabra verstummte. Er atmete schwer. Entweder war er betrunken oder krank.

»Mein Kollege ist verschwunden, und ich will wissen, was mit ihm geschehen ist«, sagte ich. »Haben Sie etwas unternommen? Mit welchem Erfolg?«

»Senhor Cotton! Offiziell ist mir von dem Verschwinden Ihres Kollegen nichts bekannt geworden. Niemand hat eine Vermisstenanzeige gestellt.« Er hob die Hand, um einem Einwand meinerseits zuvorzukommen. »Natürlich habe ich von seinem Verschwinden gehört. Ich weiß über alles Bescheid, was in meiner Stadt geschieht, auch wenn mein Leiden mich öfters als es wünschenswert ist, an diesen Stuhl fesselt. Ich habe ein Leberleiden.« Unvermittelt wurde seine Stimme scharf. »Seit heute Morgen lasse ich Nachforschungen anstellen, obwohl ich eigentlich keinen Anlass zu solchen Maßnahmen sehe.«

»Augenblick«, warf ich ein. »Er ist doch spurlos verschwunden!«

»Wer sagt denn, dass Ihr Kollege nicht freiwillig untergetaucht ist? Vielleicht hat er eine muchacha in den Bergen?«

»Daran glauben Sie doch selbst nicht!«

»Nein, Senhor. Deshalb halten meine Leute nach ihm Ausschau. Aber mein Gebiet ist groß. Und es gibt nur wenige Straßen.«

»Zeigen Sie mir bitte eine Karte dieses Gebiets.«

»Lassen Sie sich eine von Corporal Bastán geben, wenn Sie gehen. Und dann kommen Sie morgen wieder.«

Er schwieg, und auch ich schwieg unschlüssig. In die Stille hinein schrillte das altertümliche schwarze Telefon. Fabra beugte sich vor, nahm den Hörer und klemmte ihn zwischen Schulter und Ohr.

Der Capitano richtete seinen Blick auf mich. Die Augen wirkten unvermittelt stechend. Er brummte irgendetwas, und dann sagte er scharf ein paar Befehle auf Spanisch.

Langsam legte er den Hörer zurück. »Meine Leute haben den Wagen Ihres Kollegen gefunden …«

»Und? Was ist mit Decker?«

Der Capitano hob die Schultern. »Ich weiß es nicht.« Er stand auf. Seine Haltung wirkte jetzt kraftvoll, aber an seinem Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, welche Anstrengung es ihn kostete, diesen Eindruck zu erwecken. »In dem Wagen befinden sich zwei tote Männer.«

Mein Magen zog sich zusammen, und ich spürte, wie das Blut aus meinem Gehirn wich.

Fabra fuhr fort: »Zwei tote Männer und einer, der noch lebt. Ich habe befohlen, nichts anzurühren. Ich fahre raus.«

»Ich komme mit …«

Fabra blieb an der Tür stehen. »Ihr Amerikaner mischt euch gern in fremde Angelegenheiten …«

»Das ist keine fremde Angelegenheit, wenn ein Freund …«

Er unterbrach mich. »Sie bleiben hier.«

»Nein«, sagte ich hart.

Fabra öffnete die Tür und trat in den Flur. Ich folgte ihm.

In der Eingangshalle standen mehrere Uniformierte, vor der Tür wartete ein Jeep mit laufendem Motor. Vier Männer saßen bereits darin, der Sitz neben dem Fahrer war frei. Fabra schob sich in den Sitz, und der Wagen setzte sich in Bewegung.

Die Rücklichter tanzten in die Richtung nach Ascencion. Ich lief zum Hotel, wo ich meinen Camaro abgestellt hatte. Starten, Gang einlegen, Gas bis zum Bodenblech durchtreten. Ich riss den Wagen herum und jagte dann über die Hauptstraße.

Die Dunkelheit war von einer weichen, vollkommenen Schwärze, die nicht einmal die funkelnden Sterne am Himmel zu durchdringen vermochten. Die Scheinwerfer des Camaro huschten über die unebene Straße, aber die Federung des Wagens ließ mich den Straßenzustand nicht spüren.

Nach etwa zwei Meilen entdeckte ich die rubinroten Rücklichter des Jeeps, in dem der Capitano und seine Männer fuhren. Ich umklammerte das Lenkrad und trat den Gashebel durch. Die Lichter wurden schnell größer, und bald erkannte ich, dass der Jeep stand. Innerhalb einer halben Minute war ich heran und bremste neben dem Polizeifahrzeug. Ich stieß die Tür auf und sprang aus meinem Camaro.

Etwa einhundert Yards neben der Straße stand ein Olds auf sandigem Boden hinter einem Felsbrocken. Ein Streifenwagen stand in respektvoller Entfernung, seine Scheinwerfer waren aufgeblendet. Fabra und zwei seiner Leute gingen vorsichtig auf den Olds zu.

Die Männer hielten Revolver in den Fäusten, ebenso wie die Besatzung des Streifenwagens. An dem Olds rührte sich nichts.

Ich lief der Gruppe um den Capitano nach. Fabra wandte sich um. Sein Gesicht war starr. »Seien Sie vorsichtig! Bleiben Sie an meiner Seite!«

»Was soll diese Show?«, fragte ich verwirrt. »Ihre Männer haben doch bereits in den Wagen hineingesehen! Wo ist der Mann, der noch leben soll?«

»Meine Männer haben nichts angerührt. Warten Sie ab.«

Ich hatte ein lausiges Gefühl im Magen. Durch die Scheiben des Olds war kaum etwas zu erkennen. Schattenhafte Umrisse, sonst nichts.

Der Capitano hatte jetzt ebenfalls eine Waffe in der Faust. Ich wollte nicht zulassen, dass er sich als Held aufspielte und den letzten Überlebenden der Insassen erschoss. Rasch bewegte ich mich an ihm vorbei.

Der Mexikaner zischte etwas, aber ich achtete nicht darauf. Von hinten trat ich an die Fahrertür, packte den Türgriff und riss die Tür auf.

Eine Gestalt kippte mir entgegen. Der Hinterkopf war eine dunkle Masse, überall war getrocknetes Blut. Ich fing den Körper auf und ließ ihn langsam zu Boden gleiten. Der Kopf fiel in den Nacken. Ich blickte in ein starres flaches Gesicht mit weit aufgerissenen Augen. Es war verzerrt, aber die Züge kamen mir bekannt vor. Sie gehörten jedenfalls nicht Phil.

Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ich wandte den Kopf und sah Fabras Gesicht. »Treten Sie zurück! Das ist ein Befehl! «

Ich hatte die Umrisse der zwei anderen Gestalten in dem Olds gesehen. Keine von ihnen zeigte eine Bewegung.

Phil war darunter.

Ich schüttelte die Hand des Capitanos unwirsch ab und beugte mich in den Wagen.

Der Mann auf dem Beifahrersitz schien ebenfalls tot zu sein. Er war ein schlanker Mann, der Kopf war verdreht, und ich erkannte, dass man ihn ins Genick geschossen hatte.

Und dann sah ich Phil. Sein Gesicht war blass, die Augen geschlossen. Er lag halb auf der Rückbank. Seine Faust hatte sich um den Kolben eines Smith & Wesson geschlossen. Seine Dienstwaffe, vermutete ich, und ich war plötzlich überzeugt, dass die beiden toten Männer mit Phils Revolver erschossen worden waren.

Ich schob mich auf den Sitz neben meinen Freund, nahm sein Handgelenk und tastete nach dem Puls. Zuerst fühlte ich gar nichts, doch dann registrierten meine Fingerspitzen flachen, unregelmäßigen Herzschlag.

»Eine Ambulanz!«, rief ich dem Capitano zu.

Fabra wandte sich um gab ein paar Befehle. Ich hob Phils Kopf und untersuchte ihn oberflächlich.