Jerry Cotton Sonder-Edition 132 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 132 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sie nannten ihn »Il Ragno«, die Spinne! Denn wie eine Spinne hockte er in seinem Netz aus Drogenhandel, Prostitution und Mord. Dann aber ergab sich für uns die Chance, einen Mann in sein Verbrecherimperium einzuschleusen. Und so wurde aus mir, dem G-man Jerry Cotton, der Top-Gangster Jess Simmons aus Chicago.
Ich wusste, dass es ein Höllentrip werden würde. Denn »Il Ragno« war dafür bekannt, dass er jeden seiner Leute, der nicht spurte, eiskalt liquidieren ließ ‒ als Höhepunkt der regelmäßig stattfindenden Konferenz seines Syndikats!
Als ich dann den Auftrag erhielt, eine unschuldige junge Frau umzubringen, stand ich vor der Wahl ‒ entweder erledigte ich den Job, oder auch ich würde auf der Konferenz der Killer mein Leben aushauchen ...

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Seitenzahl: 181

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Konferenz der Killer

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Nejron Photo / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9660-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Konferenz der Killer

Sie nannten ihn »Il Ragno«, die Spinne! Denn wie eine Spinne hockte er in seinem Netz aus Drogenhandel, Prostitution und Mord. Dann aber ergab sich für uns die Chance, einen Mann in sein Verbrecherimperium einzuschleusen. Und so wurde aus mir, dem G-man Jerry Cotton, der Top-Gangster Jess Simmons aus Chicago.

Ich wusste, dass es ein Höllentrip werden würde. Denn »Il Ragno« war dafür bekannt, dass er jeden seiner Leute, der nicht spurte, eiskalt liquidieren ließ ‒ als Höhepunkt der regelmäßig stattfindenden Konferenz seines Syndikats!

Als ich dann den Auftrag erhielt, eine unschuldige junge Frau umzubringen, stand ich vor der Wahl ‒ entweder erledigte ich den Job, oder auch ich würde auf der Konferenz der Killer mein Leben aushauchen …

Ich schloss die Tür hinter mir.

Der Laut klang hart durch die Stille, stand wie ein Ausrufezeichen in dem kleinen, schäbigen Raum. Die Blonde auf dem zerwühlten Bett fuhr erschrocken hoch, und ihre rothaarige Freundin, die am Fenster gesessen hatte, ließ Lippenstift und Spiegel sinken.

Beide starrten mich an. Ihre Augen waren angstvoll geweitet.

»Hallo, Jess«, sagte die Blonde schließlich. »Ist irgendwas los, dass du so spät noch …«

Ich grinste.

Und es war eindeutig ein niederträchtiges Grinsen.

»Schluss mit dem Theater«, sagte ich schneidend. »Du hast den Bogen überspannt, Süße. Diesmal bist du dran – da hilft dir der schönste Augenaufschlag nicht mehr.«

Die Stille, die meinen Worten folgte, war dicht und atemlos.

Die beiden erstarrten förmlich. Die Blonde kauerte immer noch auf dem Bett, ihre Lippen zitterten haltlos. Sie hieß Susan Trenton, war neunzehn Jahre alt und rauschgiftsüchtig, und sie hatte letzte Woche versucht, zu ihren Eltern in ein kleines Kaff im Mittelwesten zurückzukehren. Mehr wusste ich nicht von ihr.

Sie dagegen wusste von mir eine ganze Menge. Vor allem, was meinen Job betraf, den Grund meines Besuchs.

»Nein«, flüsterte sie. »Nicht, Jess, bitte! Du darfst nicht! Ich mache alles, was du willst, aber …«

Sie stockte abrupt.

Ihr Blick haftete an der Pistole, die ich aus der Schulterhalfter zog. Aus weiten blauen Augen beobachtete sie, wie ich in die Tasche griff, den Schalldämpfer herausfischte und auf den Lauf schraubte, und das lähmende Entsetzen machte sie unfähig, sich zu rühren.

»Nein«, flüsterte sie nur immer wieder. »Nein, Jess! Nein, nein, nein …«

Ich drückte ab.

Eiskalt. Zweimal rasch hintereinander.

Die Schüsse klangen nicht lauter als das Zuschlagen von Türen. Aber der Körper des Mädchens bäumte sich auf wie von Krämpfen geschüttelt, mit einem halb erstickten Schrei fiel sie auf das Bett zurück, und zwischen ihren zuckenden, in den weißen Stoff der Bluse verkrallten Fingern quoll Blut hervor.

Die Rothaarige schrie.

Ihr Gesicht war weiß, verzerrt, verzweifelt, ihr Atem kam in kurzen, pfeifenden Stößen, und die gellende Stimme überschlug sich fast.

»Du Schwein! Du gemeiner Bastard! Du hast sie umgebracht, du verdammter, niederträchtiger, dreckiger …«

Sie stürzte auf mich zu, versuchte blindlings, mir ihre rotlackierten Nägel durchs Gesicht zu ziehen.

Ich stieß sie so hart zurück, dass sie quer durch den Raum taumelte. Ihr Schrei gellte mir in den Ohren.

Sie stolperte gegen einen Stuhl, riss ihn mit, und während sie noch am Boden lag, hatte ich bereits ihre blonde Freundin vom Bett gezerrt. Mit einem Ruck warf ich mir den leichten Körper über die Schulter, erreichte die Tür und schmetterte sie ins Schloss, bevor die Rothaarige etwas unternehmen konnte.

Als ich den Schlüssel drehte, begann sie von innen mit den Fäusten gegen die Türfüllung zu hämmern. Immer noch schrie sie, wüste Beschimpfungen wechselten mit hysterischem Schluchzen.

Ich biss mir auf die Lippen. Einen Moment lang verharrte ich reglos, lauschte mit angehaltenem Atem in die Finsternis des großen alten Hauses, dann riss ich mich zusammen und hastete mit meiner Last die Treppe hinab.

Kein Mensch begegnete mir.

Unbehelligt erreichte ich die Hintertür. Drei Schritte waren es bis zu dem stratosilbernen Mustang – und als ich ihn erreicht hatte, wuchs eine Gestalt neben mir empor.

Jonny Dangelos schwarze Augen glitzerten wie Kohlen. Im ungewissen Licht glitzerte auch sein lackschwarzes dichtes Haar. Wortlos huschte er zur Seite, zog die Kofferraumhaube des Mustang auf und sicherte die Runde, während ich mein Opfer auf ein Gewirr von Werkzeugen, alten Kleidungsstücken und ölverschmierten Lappen gleiten ließ.

Schwer atmend richtete ich mich auf, rieb mir den Schweiß von der Stirn.

»Geh rauf!«, sagte ich rau. »Kümmere dich um die andere!«

»Aber wir wollten doch …«

»Sie schreit das ganze Haus zusammen! Mach schon, zum Teufel!«

Dangelo warf einen prüfenden Blick auf die Blonde. Er sah die verkrümmte Haltung, das wirr ins Gesicht fallende Haar, das Blut auf der Bluse. Mit zusammengepressten Lippen nickte er, wandte sich ab und war mit wenigen Schritten durch die Hintertür verschwunden.

Ich schloss behutsam die Kofferraumhaube.

Ein paar Minuten später lenkte ich den Mustang bereits über die mäßig belebten Straßen des nächtlichen Manhattan. Ich – der G-man Jerry Cotton, der jetzt den Namen Jess Simmons trug und soeben eine Neunzehnjährige erschossen hatte.

Ich achtete auf den Verkehr.

Aber in Gedanken war ich bei den Ereignissen, mit denen dies alles begonnen hatte ...

Es lag schon ein paar Monate zurück.

In New York sorgte der Frühsommer für angenehme Temperaturen. Die Schwimmbäder waren überfüllt, die Ladys trugen neueste Mode spazieren, selbst in den Straßenschluchten von Manhattan wirkte die Luft ein wenig frischer und sauberer als sonst. Ich hatte ein Bilderbuch-Wochenende mit einer Bilderbuch-Frau hinter mir, ich war bester Laune, als ich das Distriktgebäude betrat, und ich ahnte noch nicht, dass ich mein Office für eine ganze Weile nicht mehr sehen würde.

Phil wartete bereits auf mich. Der Chef wollte uns sprechen. Wir setzten uns in Trab, nickten Helen zu, die im Vorzimmer den hübschen Kopf über die Spalten der Kriminalstatistik beugte, und eigentlich waren wir beide recht guter Stimmung, als wir wenig später auf zwei Besuchersesseln Platz nahmen.

John D. Highs Gesichtsausdruck war wenig zu entnehmen. Er sortierte ein paar verschiedenfarbige Aktendeckel auf seinem Schreibtisch. Nach einer Weile klappte er einen davon auf, entnahm ihm ein schmales, hochformatiges Foto und schob es über die Tischplatte zu uns herüber.

Ich runzelte die Stirn.

Ganz fern spürte ich ein unangenehmes Prickeln in der Magengrube. Ich warf einen Blick auf das Bild, das Hinterkopf und Rücken eines hochgewachsenen, schlanken Mannes zeigte. Aber ich hätte gar nicht hinzusehen brauchen, um zu wissen, dass man auf der unscharfen, verwackelten Aufnahme nicht einmal erkennen konnte, ob der Bursche blond oder weißhaarig war.

»Sie kennen das Bild?«, fragte Mr. High im Ton einer Feststellung.

Ich nickte.

Und dann rekapitulierte ich: »Das Foto wurde vor zwei Monaten in der Wohnung eines ermordeten Reporters gefunden. Das Negativ und alle anderen Abzüge sind verschwunden, nur dieses eine Exemplar haben die Mörder nicht entdeckt, weil es unter einer losen Kachel im Badezimmer versteckt war. Und in der Unterwelt munkelt man, dass das Foto ›Il Ragno‹ zeigt – die Spinne …«

Für einen Moment blieb es still.

Was es mit »Il Ragno« auf sich hatte, darüber brauchten wir uns nicht zu unterhalten. Wir kannten diesen Mann. Oder besser: Wir kannten nicht ihn selbst, aber das Netz von Verbrechen, brutalem Terror und Mord, mit dem er die Downtown von Manhattan überzogen hatte.

Die »Spinne« befasste sich mit Spielhöllen und Bordellen, mit Rauschgift und Frauenhandel. Wenn der geheimnisvolle Boss nicht selbst zur Mafia gehörte, so wurde er von den Dons zumindest geduldet.

»Il Ragno« beherrschte eine weitverzweigte Organisation mit zahlreichen Sektionen, Capos und Unterführern, er hielt sich schon seit einer stattlichen Anzahl von Jahren auf seinem Platz, und in einschlägigen Kreisen wurde nur mit einem gewissen Unterton bewundernder Furcht von ihm gesprochen.

Aber wer er wirklich war, wie er aussah, wo er lebte – das alles entzog sich unserer Kenntnis und lag genauso im Dunkeln wie sein richtiger Name.

Mr. High lehnte sich zurück.

Für einen Moment schien sein Blick durch uns hindurchzugehen. Dann atmete er tief und nahm rasch und konzentriert den Faden auf.

»Die ›Spinne‹ ist eine schwer fassbare, in gewissem Sinne geheimnisvolle Figur«, sprach er. »Die vorhandenen Informationen sind dürftig. Nach allem, was wir wissen, gibt es nur eine einzige erfolgversprechende Möglichkeit, nahe genug an ›Il Ragno‹ heranzukommen, um ihm das Handwerk zu legen.«

»Diese merkwürdige Konferenz?«, schaltete Phil sich ein.

Mr. High nickte. »Richtig, Phil. Wenn die Berichte unserer V-Leute stimmen, dann pflegt ›Il Ragno‹ seine engeren Mitarbeiter etwa alle sechs Monate zu einer Konferenz zusammenzurufen. Die Berichte über diese Tagungen sind spärlich und widersprüchlich.« Der Chef machte eine Pause, und seine Brauen zogen sich zusammen. »Jedenfalls scheint festzustehen, dass bei den Konferenzen die Unternehmungen des Syndikats geplant und durchgesprochen werden – und dass ein Tagesordnungspunkt jedes Mal in der Hinrichtung von Versagern besteht.«

Ich zog die Unterlippe zwischen die Zähne.

Auch ich hatte diese Gerüchte gehört. Und ich fand sie makaber genug – selbst wenn sie nur ein Körnchen Wahrheit enthielten.

»Einer unserer besten V-Leute hat vor sechs Wochen versucht, in die Gang einzusteigen«, erinnerte ich mich. »Glenn Hastings. Er hat es nicht geschafft. Die Organisation scheint ihre zukünftigen Mitglieder auf Herz und Nieren zu prüfen.« Ich stockte und hob den Kopf. »Allerdings haben wir auch noch nie den ernsthaften Versuch unternommen, einen Mann in die Spitze des Syndikats einzuschleusen«, setzte ich hinzu.

Mr. High lehnte sich zurück.

»Wir werden den Versuch nachholen«, sagte er ruhig. »Durch Zufall hat sich eine Chance dazu ergeben.« Er klappte einen zweiten Aktendeckel auf und nahm ebenfalls ein Foto heraus. Diesmal war es der übliche Dreierstreifen mit Porträt, Profil und Halbprofil.

Der Mann darauf hatte dunkles Haar mit langen Koteletten, eine scharfe Narbe am Kinn und ein Bärtchen auf der Oberlippe. Er war etwa in meinem Alter, und bei der ersten flüchtigen Musterung fand ich, dass er mir typmäßig überhaupt recht ähnlich sah.

»Jess Simmons«, erläuterte Mr. High. »Er gehört zu einem der größten Syndikate, die in Chicago operieren. Dort geriet er wegen eines Bankraubs in Schwierigkeiten, wollte sich absetzen und wurde von unseren Kollegen gefasst.«

»Und?«, fragte ich gespannt, während Phil mit gerunzelter Stirn zuhörte.

Mr. High lächelte flüchtig. Ein Lächeln, an dem die Augen keinen Anteil hatten. Er wurde sofort wieder ernst.

»Dieser Simmons scheint erstens ein recht fähiger Mann zu sein, und zweitens ist er mit einer der Unterwelt-Größen verwandt«, fuhr er fort. »Jedenfalls hat man ihn nicht fallen lassen, als ihm der Boden zu heiß wurde, sondern hat ihn nach New York geschickt. Sein Chicagoer Boss hat ihn bei ›Il Ragno‹ avisiert. Simmons hat einen Bekannten unter den Leuten der ›Spinne‹, einen gewissen Art Fisher, bei dem er sich hier melden sollte. Das alles haben unsere Kollegen erfahren, nachdem sie Simmons kurz vor dem Start seiner Maschine auf dem Flughafen festgenommen hatten.«

»Er hat geredet?«

Es war Phil, der die Frage stellte.

Mr. High nickte knapp.

»Er hat geredet«, bestätigte er. »Unsere Kollegen in Chicago halten die Kooperationsbereitschaft des Mannes für echt.« Er hielt inne, und sein ruhiger, beherrschter Blick traf meine Augen. »Washington hat die Personalakten auf einen Special Agent überprüft, der sich für die Simmons-Rolle eignet, und ist dabei auf Sie gestoßen, Jerry.«

Ich nickte.

»Okay«, sagte ich nur.

Mr. High hob die Brauen. »Jerry, Sie wissen, dass ich einen solchen Einsatz niemals befehlen würde, ohne …«

Ich pflege dem Chef normalerweise nicht ins Wort zu fallen. Jetzt tat ich es.

»Ich bin G-man, Sir«, sagte ich. »Und ich bin sicher, dass jeder G-man in den Staaten diese Aufgabe sofort übernehmen würde, wenn man sie an ihn herantrüge. Bei einem Verbrecher vom Schlage der ›Spinne‹ muss man einfach jede Chance ergreifen.«

»Ich wusste, dass Sie so denken, Jerry. Trotzdem muss ich noch einmal ganz deutlich darauf hinweisen, dass es sich um ein äußerst riskantes, unter Umständen lebensgefährliches Unternehmen handelt.« Er sah mich an, und als ich stumm blieb, fuhr er fort: »Wir haben noch etwas Zeit, um den Einsatz vorzubereiten. Simmons sollte sich in New York in einem bestimmten Hotel einmieten. Art Fisher kann ihn erst übermorgen treffen, da er im Moment an einer der legendären Tagungen der ›Spinne‹ teilnimmt.«

Ich spürte ein leichtes Kribbeln auf der Kopfhaut.

»Das heißt, dass die nächste dieser Tagungen erst in einigen Monaten stattfindet«, überlegte ich. »Eine ziemlich lange Zeit, Sir.«

»Sie wird sich abkürzen, wenn wir vorher zum Erfolg kommen. Was ich allerdings nicht glaube.« Mr. High schob Jess Simmons’ Foto wieder in den Aktendeckel, ließ ihn zufallen und fixierte mich mit einem forschenden Blick. »Ich glaube im Gegenteil, dass diese Zeit das Mindeste ist, was wir für Ihren Einsatz aufwenden müssen, Jerry. Jess Simmons kommt nicht aus Chicago, um Handlangerdienste zu leisten, sondern um eine führende Rolle in der Organisation der ›Spinne‹ zu übernehmen. Man wird Ihnen vertrauen, Jerry – ohne diesen Vertrauensvorschuss von Seiten der Gang wäre der Plan überhaupt nicht zu realisieren. Aber das heißt nicht, dass man Sie nicht trotzdem sehr lange und sehr gründlich beobachten wird, bevor man Sie als vollwertiges Mitglied in den Kreis der Eingeweihten aufnimmt.«

Ich biss mir auf die Lippen.

Meine Gefühle waren, ehrlich gestanden, ziemlich zwiespältig. Keine Frage, dass wir alles daransetzen mussten, »Il Ragno« zu stellen und seine Organisation zu zerschlagen. Aber monatelang eine Tarnexistenz führen, in eine andere Haut schlüpfen, die Rolle eines Gangsters spielen – das war ein Unternehmen mit so vielen Fallstricken, dass mir schon im Vorhinein heiß wurde.

»Sie werden selbstverständlich nicht ohne Rückendeckung operieren«, sagte Mr. High. »Phil wird in der Rolle eines Versicherungsvertreters ein Zimmer in der Nähe nehmen und die Verbindung halten. Außerdem haben wir uns bereits an die CIA gewendet, um Sie mit den neuesten technischen Raffinessen auszurüsten. Noch irgendwelche Fragen, Jerry?«

»Simmons ist auf dem Flughafen festgenommen worden«, sagte ich. »Er wird also mindestens zwei Tage später als vorgesehen in New York auftauchen.«

»Drei Tage«, verbesserte Mr. High. »Simmons hat kurz vor seinem Abflug eine gewisse Jane Talbot kennengelernt, deren Reizen er nicht widerstehen konnte. Ihr Bild, ihre Adresse und das Aussehen ihrer Wohnung müssen Sie sich noch einprägen. Die Chicagoer Kollegen werden dafür sorgen, dass die Geschichte jederzeit nachprüfbar ist.«

»Und wann tauche ich nun wirklich als Simmons in New York auf?«

»In zwei Tagen. Sie werden mit der ersten Maschine aus Chicago kommen. Ich sehe Sie vorher noch, Jerry, aber ich möchte Ihnen trotzdem schon jetzt viel Glück wünschen.«

Ich bedankte mich …

Phil und ich waren ziemlich schweigsam, als wir das Chefbüro verließen. Mein Freund kaute an der Unterlippe – und ich gebe zu, dass ich mich auch nicht gerade wohlfühlte.

Zum Grübeln hatten wir allerdings in den beiden nächsten Tagen keine Zeit mehr.

Wir konnten Jess Simmons nicht noch länger in der Versenkung lassen. Und daher blieb mir nur eine relativ kurze Zeit, um in die Rolle einzusteigen und praktisch in eine neue Haut zu schlüpfen. Ich unterzog mich einer längeren Prozedur beim Maskenbildner, ich lernte Simmons’ Lebenslauf auswendig, ich prägte mir Daten, Fakten, Gesichter ein – und schließlich hatte ich das Gefühl, eigentlich recht gut auf den Ernstfall vorbereitet zu sein.

Die meisten Sorgen bereitete mir immer noch Art Fisher, der Gangster, der Simmons persönlich kannte.

Aber ausgerechnet in diesem Punkt sollte sich bald herausstellen, dass meine Sorge völlig unbegründet war …

Um Mitternacht schlug die Party in der Villa des Börsenmillionärs Federico Motta bereits hohe Wogen.

Sämtliche Räume des Erdgeschosses waren hell erleuchtet. Farbige Scheinwerfer illuminierten Terrasse und Swimmingpool, Gläser klirrten, aus den Lautsprechern einer Quadro-Anlage rieselte Tanzmusik. Ein gutes Dutzend junger Frauen bewegte sich zwischen den Männern in dunklen Anzügen oder Smoking – ausgesucht hübsche Mädchen, aber gewisse Anzeichen verrieten, dass sie sämtlich unter Rauschgift standen. Ihre Stimmung war zu hektisch, ihr Gelächter zu grell – und bestimmten männlichen Wünschen setzten sie wenig Widerstand entgegen.

Rhett Chantry beobachtete eine rassige Brünette, die sich seit fünf Minuten bemühte, auf der Terrasse mit einem lasziven Tanzsolo Aufmerksamkeit zu erregen.

Chantry war achtundvierzig, ein großer, massiger Mann mit einem jähzornigen Temperament, das sich im Laufe der Zeit durch Selbstbeherrschung gemäßigt hatte. Im Augenblick allerdings befand er sich in gelöster Stimmung, wie die meisten der Gäste. Der geschäftliche Teil der Konferenz war vorbei, war ohne erwähnenswerte Zwischenfälle verlaufen, und er fühlte sich erleichtert. Rhett Chantry fühlte sich seiner selbst und seiner Unentbehrlichkeit zwar sehr sicher, aber auch für ihn stellte die Tagung jedes Mal eine Nervenprobe dar, die an seiner Kraft zehrte und die er hinterher mit dem entsprechenden Quantum Whisky herunterspülen musste.

Er blickte zu Motta hinüber, der an der Gartenbar stand, ein Sektglas in der Rechten, und auf seinen Butler einsprach. Federico Motta war knapp unter sechzig, sehr groß und so mager, dass selbst ein erstklassiger Schneider ihn nicht in eine elegante Erscheinung verwandeln konnte. Sein schmales, knochiges Asketengesicht hatte eine Ausstrahlung, die auch bei einer flüchtigen Begegnung zu einem zweiten Blick herausforderte. Schlohweißes Haar schmiegte sich dicht an den Kopf, die kleinen, lebhaften Augen lagen unter strichdünnen Brauen. Mottas ganze Gestik wirkte eigentümlich unruhig und unharmonisch, und die schlanken, langfingrigen Hände waren in ständiger Bewegung.

Er ist verrückt, dachte Rhett Chantry.

Richtig verrückt. Krankhaft …

Aber andererseits war Federico Motta bei aller Verrücktheit genial, sein rasiermesserscharfer Verstand garantierte die Sicherheit der ganzen Organisation, es gab niemanden, der seine Macht anzutasten wagte und …

»Ich möchte wissen, was er jetzt wieder vorhat«, murmelte Art Fisher, der neben Chantry in einem der Korbstühle saß. »Ich hoffe, nicht wieder eins von diesen munteren Partyspielchen …«

Rhett Chantry grinste schief. Mottas Partyspiele waren berüchtigt. Meist amüsierten sie nur den Initiator. Oder allenfalls noch die Nutten, die ohnehin nicht klar bei Verstand waren. Mit einem Seitenblick stellte Chantry fest, dass auf der Stirn seines Nebenmannes winzige Schweißperlen glitzerten, und kniff spöttisch die Augen zusammen.

»Du scheinst nervös zu sein, Arty«, sagte er leichthin. »Steckt dir diese Sache mit der verschwundenen Koksladung immer noch in den Knochen?«

Art Fisher schüttelte unwillig den Kopf. Er war ein breitschultriger, kräftiger Mann, der sich schön vorkam, seit zum ersten Mal ein Girl der Luxusklasse Gefallen an seiner Brieftasche gefunden hatte. Sein Gesicht wirkte leicht gedunsen, um die Taille setzte er bereits Fett an, und seine hellgrauen Augen hatten den unruhigen, sprungbereiten Ausdruck einer Ratte.

»Blödsinn«, knurrte er. »Du weißt verdammt genau, dass das nicht meine Schuld war.« Er stockte und runzelte die Stirn. »He! Schau dir das an! Soll das etwa ein Turmspringen in den Swimmingpool werden?«

Chantry zuckte die Achseln. Seine Vermutungen gingen in die gleiche Richtung – unmöglich war es nicht, da Motta schon weit exzentrischere Ideen in die Tat umgesetzt hatte.

Chantry beobachtete den dürren weißhaarigen Mann, der immer noch mit dem Butler sprach und von Zeit zu Zeit auf das Sprungbrett über der Wasserfläche des Pools zeigte.

Ein paar Minuten später kündigte der Butler den beabsichtigten Wettstreit an. Die Girls klatschten Beifall, diejenigen der Männer, die betrunken genug waren, ebenfalls.

Rhett Chantry rollte die Schultern. Er hasste jedes Theater, für Schauspiele wie dieses hatte er nur Verachtung übrig, und er war entschlossen, sich herauszuhalten.

Die meisten anderen hätten das vermutlich auch gern getan. Aber sie waren es gewohnt, sich Mottas Ideen zu beugen. Ein paar Angetrunkene fingen bereits an, sich ihrer Kleidungsstücke zu entledigen.

Der Butler verteilte Badehosen. Zwei der Girls nutzten die Gelegenheit, sich völlig zu entblättern, irgendwo wurde der Vorschlag gemacht, eine Jury zwecks Bewertung der Sprünge zu bilden, und allmählich löste sich die anfangs reservierte Reaktion in eifriger Zustimmung.

Idioten, dachte Chantry.

Er hatte Mottas Gesicht gesehen, und er wusste, dass hier mehr als ein Spiel anlief. Die unbestimmte Spannung in ihm wuchs. Er stand auf, grinste Art Fisher an und schlenderte scheinbar absichtslos um den Pool herum zur Gartenbar hinüber.

Federico Motta drehte immer noch den Sektkelch zwischen seinen langen Fingern. Er lächelte belustigt. Um die schmalen schwarzen Augen bildete sich ein Faltenkranz.

»Rhett!«, rief er in einem Tonfall, als habe er unerwartet einen alten Bekannten getroffen. »Ich hoffe, du amüsierst dich! Wie findest du die Idee?«

Rhett Chantry hob die Achseln. Er fühlte sich unbehaglich. »Scheint wirklich amüsant zu werden«, murmelte er vage.

»Das wird es.« Für Sekunden glitzerte es kalt in Mottas Augen auf. Der große, magere Mann lehnte sich zurück, blickte zu dem Drei-Meter-Sprungbrett hinüber und nestelte dabei eine Zigarette aus der Tasche.

Chantry reichte ihm Feuer. Auch er beobachtete den Swimmingpool. Ein großer Teil der Gäste trug inzwischen Badekleidung, ein paar heillos Betrunkene stritten sich darum, wer den Anfang machen durfte, jemand teilte Lose mit Nummern aus.

Eins der nackten Girls, eine Blondine mit straffen, spitzen Brüsten, war unter allgemeinem Beifall bereits ins Wasser gesprungen, aber zwei klobig aussehende Muskelmänner scheuchten sie eilig wieder aufs Trockene.

»Und der Gewinner?«, fragte Chantry beiläufig. »Welche Art von Prämie hast du ihm zugedacht?«

Federico Motta zog an der Zigarette. Statt einer Antwort kniff er die Augen zusammen und musterte sein Gegenüber.

»Du bist noch nicht umgezogen, Rhett«, stellte er fest.

Chantrys Grinsen missglückte. »Für mich ist das nichts, ich werde lieber …«

»Du wirst mitmachen, Rhett. Genau wie die anderen. Du willst doch nicht gegen die Spielregeln verstoßen, oder?«

Chantry fühlte Wut in sich hochbrodeln. »Verdammt, ich habe keine Lust …«

»Ja, Rhett?«

Die Frage klang beiläufig, sanft fast. Aber es war eine gefährliche Sanftheit – und Rhett Chantry wurde sich einmal mehr bewusst, dass er diesen Mann wie keinen anderen hasste und fürchtete.

Er schluckte die Demütigung herunter.

»Wie du meinst, Rico«, sagte er heiser, wandte sich ab und stampfte zu dem überdachten Freisitz, wo sich auch die anderen umgezogen hatten.

Der erste Angetrunkene stürzte sich mit einem ungeschickten Kopfsprung ins nasse Element. Rhett Chantry hörte das Gelächter und den johlenden Beifall, während er die Badehose überstreifte. Er kam sich lächerlich vor, und er musterte mit unterdrückter Wut die schlanke, drahtige Figur von Jonny Dangelo, dem Sizilianer, der jetzt auf den Sprungturm kletterte.

Dangelo wippte herausfordernd auf dem federnden Brett. Rhett Chantry überlegte, dass der Junge noch einmal seinem ungezügelten Temperament zum Opfer fallen würde.