Jerry Cotton Sonder-Edition 151 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 151 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Katastrophenalarm beim FBI New York! Brandstifter legten ein Großfeuer nach dem anderen in unserer Stadt! Und das Unfassbare geschah: Mordbrenner hatten einen Wohnblock in der South Bronx in eine Flammenhölle verwandelt. Mit Napalm - jenem Teufelszeug, das mit keinem Mittel zu löschen ist, in dessen infernalischer Hitze sogar Stahlplatten schmelzen wie Wachs. Phil und ich jagten los, denn Männer, Frauen und Kinder waren bereits von den Flammen eingeschlossen. Dann stießen wir auf die Napalm-Bande ...


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Seitenzahl: 190

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Die Napalm-Bande

Vorschau

Impressum

Die Napalm-Bande

Katastrophenalarm beim FBI New York! Brandstifter legten ein Großfeuer nach dem anderen in unserer Stadt! Und das Unfassbare geschah: Mordbrenner hatten einen Wohnblock in der South Bronx in eine Flammenhölle verwandelt. Mit Napalm – jenem Teufelszeug, das mit keinem Mittel zu löschen ist, in dessen infernalischer Hitze sogar Stahlplatten schmelzen wie Wachs. Phil und ich jagten los, denn Männer, Frauen und Kinder waren bereits von den Flammen eingeschlossen. Dann stießen wir auf die Napalm-Bande ...

1

Durchdringender Benzingeruch hing in der Luft.

Schwarz ragte die Rückfront des verkommenen, leeren Hauses hoch, Schornsteine und Antennensockel wirkten wie ein Filigran vor dem fahlen Glanz der Lichtglocke über Manhattan.

In der South Bronx gab es kaum Laternen, die noch nicht das Opfer von Steinwürfen geworden waren. Schattenhaft bewegten sich die Gestalten in der Dunkelheit des Hinterhofs.

Una O'Kelly presste sich gegen die Wand und lauschte in die Einfahrt. Ihre Freunde arbeiteten lautlos, mit einer Schnelligkeit, die von ihrer Übung zeugte.

Mitch Cannery schob einen Holzkeil unter die Tür, damit sie offen blieb. Morny Tool goss Benzin aus einer Blechkanne auf die zusammengeknoteten Stoffstreifen, die sich hell von dem Kopfsteinpflaster abzeichneten. Mit der leeren Kanne huschte er zu Una hinüber, und während sie und der schlaksige Junge in Deckung gingen, riss Mitch hastig ein Streichholz an.

Im Bogen warf er es auf den benzingetränkten Stoff.

Eine Flamme schoss hoch, fraß sich rasend schnell an der improvisierten Zündschnur entlang. Mitch warf sich herum. Mit wenigen Schritten holte er Morny und Una ein, ihre Absätze klapperten, als sie über die Fahrbahn jagten, und Sekunden später tauchten sie auf der anderen Straßenseite in die Dunkelheit eines weiteren leer stehenden Hauses.

Morny keuchte, als sie eines der Zimmer im dritten Stock erreicht hatten. Una huschte zum Fenster und blickte zu dem schwarzen Backsteinkasten auf der anderen Straßenseite hinüber. Sie rückte ein Stück beiseite, als die beiden jungen Männer neben sie traten.

»Da!«, flüsterte sie. »Ich kann schon den Rauch sehen ...«

»Prima! Und kein Mensch in der Nähe!«, erwiderte Mitch gedämpft.

Sie beobachteten den rötlichen Widerschein hinter den Fensterhöhlen des abbruchreifen Gebäudes.

Der Brand breitete sich rasch aus, erfasste Türen, Tapeten, Dielenbretter. Hinter den Flurfenstern im Treppenhaus loderten schon Flammen, irgendwo verschmorte Kunststoff, und dichte gelbliche Qualmwolken wälzten sich ins Freie.

Una wandte den Kopf und lächelte. »Geklappt. Zweihundert Dollar für jeden! Kein Mensch wird auf die Idee kommen, dass da jemand dran gedreht hat.«

»Und wenn schon?«, meinte Mitch wegwerfend. »Hier brennt es doch dauernd. Die Versicherung muss zahlen, solange sie Roslyn nicht beweisen kann, dass er den alten Kasten selbst angesteckt hat oder ...«

Er unterbrach sich, weil im selben Moment das Heulen von Sirenen durch die Nacht gellte. Minuten später jagten die Fahrzeuge der Feuerwehr heran. Mitch beobachtete die Uniformierten, die Schläuche ausrollten und sich Anweisungen zuriefen, die neugierigen Gaffer, die sich allmählich einfanden, und warf einen prüfenden Blick auf das Haus, aus dessen Dachstuhl bereits die Flammen schlugen.

»Zu spät«, sagte er sachverständig. »Nichts mehr zu machen! Verschwinden wir?«

Una und Morny nickten.

Durch die Hintertür verließen sie das leere Haus – huschende Schatten, die niemandem auffielen. Drei Straßen weiter steuerten sie eine Diskothek an. Über den Dächern der verkommenen Häuserzeile war immer noch der glutrote Widerschein der Flammen zu sehen.

Kein Grund zur Aufregung ...

In der South Bronx brannte es fast jeden Tag.

Und wem schadete es schon, wenn hier und da ein wenig nachgeholfen wurde?

Franklin Avery lief in seinem Büro auf und ab wie ein gefangener Tiger.

Oder wie eine gefangene Maus, verbesserte ich mich in Gedanken. Averys spitzes, blasses Gesicht mit dem grauen Haar und den dunklen Knopfaugen legte diesen Vergleich nahe – an einen Tiger erinnerte der kleine, schmale Mann weiß Gott nicht. Seltsamerweise war er empört und gekränkt. Etwa so, als wäre er von einer ganz persönlich gemeinten Ungerechtigkeit betroffen. Unmöglich, es kann nicht sein – das war seit drei Stunden seine stehende Redewendung. Franklin Avery, Besitzer einer chemischen Fabrik mit Regierungsaufträgen, war stolz auf seine ausgeklügelten Sicherheitseinrichtungen, und er wollte einfach nicht begreifen, dass ihm trotz allem ein halbes Dutzend Napalm-Kapseln abhandengekommen war.

Napalm-Kapseln ...

Bei uns im District Office des FBI New York war diese Nachricht wie eine Bombe eingeschlagen. Ein paar von den jüngeren Kollegen haben den Vietnamkrieg mitgemacht, sie kennen das Teufelszeug. Ich kenne es auch, von einem Fall, an den ich noch heute nur mit Schauern denke, obwohl er Jahre zurückliegt. Napalm ist die Hölle. Und Napalm ist keine Ware wie Schmuck, Pelze, Elektrogeräte. Wer immer für das Verschwinden der sechs Kapseln verantwortlich war, er hatte sie mit Sicherheit nicht auf blauen Dunst hin, sondern für einen bestimmten Zweck gestohlen.

Avery stoppte seine Wanderung und lehnte sich erschöpft gegen einen Aktenschrank.

»Ich verstehe es nicht«, murmelte er. »Ich verstehe es einfach nicht! Wie konnte das passieren? Wie ...?«

»Um das herauszufinden, sind wir hier«, sagte mein Freund Phil Decker trocken. »Im Übrigen gibt es kein perfektes Sicherheitssystem, Mister Avery, das hat sich in der Vergangenheit oft genug erwiesen, und das beweist auch dieser Diebstahl. Mit der Frage des Wie werden sich unsere Experten auseinandersetzen müssen. Für uns geht es im Moment in erster Linie um die Frage Wer und Warum.«

Avery fuhr sich mit dem Handrücken über die bleiche Stirn. »Ich begreife es nicht! Ich begreife einfach nicht ...«

»Können wir jetzt die Personalakten durchgehen?«, unterbrach ich ihn.

Er nickte schwach.

Ein paar Minuten später saßen Phil und ich dem Personalchef der Firma gegenüber, einem braunhaarigen, gepflegten Mann namens Mike Born, der einen energischen, selbstbewussten Eindruck machte. Er versuchte erst gar nicht, mit viel »unmöglich« und »ausgeschlossen« das Ergebnis unserer Ermittlungen vorwegzunehmen. Offenbar gehörte er zu den Leuten, die sehr gut wissen, dass fast nichts unmöglich ist, und entsprechend wertvoll war seine Unterstützung.

Wir ackerten die Karteikarten von rund zweihundert Beschäftigten durch. Arbeitern und Angestellten, die keinen besonders strengen Sicherheitsansprüchen genügen mussten, die nie von irgendeiner offiziellen Stelle durchleuchtet worden waren, weil das Herstellungsverfahren von Napalm kein Geheimnis ist. Eine Liste mit den Namen, ohne zusätzliche Angaben, hatten wir vorher ins District Office geschickt. Die Anfrage an das Zentralarchiv in Washington lief bereits, und Phil und ich wussten, dass die Computer gleichsam mit uns um die Wette arbeiteten.

Sechs Sprengkapseln mit Napalm ...

Wenn ich daran dachte, fühlte ich es kühl über meinen Rücken rieseln. Mein Blick tastete die Fotos auf den Karteikarten ab, studierte die Züge, als könnte ich die Antwort auf meine Fragen in den Gesichtern lesen. Hatte irgendjemand unter diesen Männern und Frauen Kontakt zur Unterwelt? War jemand in Geldschwierigkeiten, bot sonstige Ansatzpunkte für Erpressungen? Die Angaben zur Person waren jeweils ziemlich spärlich, sehr allgemein gehalten, und nach rund zwei Stunden wurde mir klar, dass wir auf diese Weise nicht weiterkommen würden.

Wie auf ein geheimes Stichwort hin schrillte das Telefon auf dem Schreibtisch.

Mike Born hob ab. Einen Moment lang hörte er zu, dann reichte er mir den Hörer. »Für Sie, Sir.«

Ich meldete mich. Steve Dillaggio war am anderen Ende der Leitung. Er hatte es übernommen, unsere Liste auszuwerten.

»Scheint so, als hätten wir eine heiße Spur, Jerry«, kündigte er an.

»Und?«

»Ein gewisser Tim Hope. Zigmal vorbestraft, zweimal für mehrere Monate in einer psychiatrischen Klinik. Notorischer Pyromane ...«

Ich schluckte erst mal.

Ein Pyromane! Ein Mann, der Feuer liebt, der sein krankhaftes Vergnügen daran findet, Brände zu legen! Und welches andere Teufelszeug kann es, wenn es um das Anfachen von Feuer geht, schon mit Napalm aufnehmen!

»Sonst noch was?«, fragte ich mit belegter Stimme.

»Nichts, Jerry. Ich hoffe nur, es ist eine falsche Spur ...«

Das hoffte ich auch. Inständig! Meine Handflächen waren feucht, als ich den Hörer auflegte, vermutlich hatte ich die Farbe gewechselt. Phil hob fragend die Brauen.

»Tim Hope«, sagte ich. »Ein notorischer Pyromane ...«

»O Gott!«

Es war Born, der das hervorstieß. Der Personalchef hatte sofort begriffen, was diese Information bedeutete, genau wie Phil und ich es begriffen und wie Steve es gewusst hatte. Sechs Napalm-Kapseln in den Händen eines Pyromanen, eines krankhaften, süchtigen Feuerteufels – ich wagte einfach nicht, den Gedanken konsequent zu Ende zu denken.

Der Personalchef blätterte mit fliegenden Fingern in seinen Karteikästen herum und schob uns noch einmal die Karte von Tim Hope zu. Borns Hände zitterten leicht, genau wie seine Stimme.

»Der Mann ist erst vor wenigen Wochen eingestellt worden«, sagte er rau. »Der Chef hat ihn empfohlen, und dem ist er wieder von jemand anderem empfohlen worden. Er sei lange krank gewesen, hieß es damals. Na ja, und da habe ich ihn genommen, obwohl wir im Lager eigentlich etwas kräftigere Typen benötigen.«

Born stockte abrupt. Ich starrte auf die Karteikarte und überflog noch einmal die wenigen Angaben.

Timothy Gerald Hope. Zweiundvierzig Jahre alt, Amerikaner, weiß, geboren in Little Rock, Alabama.

Und das dazugehörende Foto zeigte ein freundliches rundes Gesicht mit hellen Augen, dem man auf den ersten Blick absolut nichts Böses zutraute.

Mitch Cannery hörte beim Gehen das leise Knistern der Geldscheine in seiner Tasche.

Er hatte die Faust um die Rolle mit den Banknoten geschlossen. Sechshundert Dollar! Zweihundert davon gehörten ihm. Das war ein Vermögen. Dass es für seinen Auftraggeber nur ein Taschengeld darstellte, störte ihn nicht. Selbst die finstere, hoffnungslose Verkommenheit der South Bronx konnte ihn an diesem Morgen nicht beeindrucken. Er schlenderte über die Straße, vorbei an schwarzen, ausgebrannten Ruinen und Elendsquartieren, von denen sich kein Uneingeweihter überhaupt vorstellen konnte, dass sie bewohnbar waren, er stieg über Unrat und Abfallhaufen hinweg und zweimal über die Beine von Betrunkenen, und während er den Drugstore an der Ecke ansteuerte, stieß er mit dem Fuß eine scheppernde Konservendose vor sich her.

Neben der Treppe, die in Geronimos Reich hinunterführte, hockte die rote Belinda an der Hauswand und schüttete Fusel in sich hinein. Weiter als bis hierher war sie wohl nicht gekommen, nachdem sie die Flasche erstanden hatte, und jetzt wirkten die grünlichen Augen in dem bleichen, gedunsenen, gezeichneten Gesicht schon wieder glasig. Mitch lachte, aber es war kein Hohn in diesem Gelächter, denn er wusste zu gut, dass es auch für ihn keine andere Art geben würde, aus dem Sumpf zu fliehen. Für ihn nicht, für Morny nicht und auch nicht für Una, die fast zum Verwechseln so aussah wie die rote Belinda vor ein paar Jahren. Mitch biss sich auf die Unterlippe und lief rasch die Treppe hinunter. Für einen Moment war er ernüchtert, fühlte sich unbehaglich, und seine Stimmung besserte sich erst wieder, als ihn in dem kleinen, düsteren Laden das Geruchsgemisch nach Kaffee, Gulasch, Zigaretten und verstaubten Zeitschriften und Pocketbooks empfing.

Geronimo watschelte in einem vormals weißen Kittel hinter der Theke hin und her. An einem der Tische schnarchte jemand, am Ende des Tresens hingen ein paar bleiche Typen in Lederjacken herum und stierten in ihre Biergläser. Mitch warf ihnen einen prüfenden Blick zu, er witterte förmlich zu ihnen hinüber, um zu ergründen, ob da Gefahr drohte. Beruhigt grinste er Geronimo zu, als die Blicke der Burschen gleichgültig von ihm abglitten. Er ließ sich eine Portion Gulasch und ein Bier geben, zog sich damit in eine Ecke zurück. Anschließend kaufte er eine Flasche Scotch, Sodawasser und zwei Stangen Zigaretten, die der Wirt in einer abgenutzten Plastiktüte verstaute.

Das Knistern des Geldscheins schien unnatürlich laut zu klingen.

Mitch erstarrte, als er die ruckartige Bewegung sah, mit der die Lederjackentypen die Köpfe hoben. Sie gehörten einer der Streetgangs an, den »Snakes«, die drüben in Melrose die Straßen terrorisierten. Mitch wusste genau, dass es ihnen nichts ausmachen würde, ihm auch für weniger als sechshundert Dollar am helllichten Tag und vor Geronimos Augen ein Messer in den Bauch zu rammen. Mitch reagierte blitzartig, mit jenem Fluchtinstinkt, der ihm schon als Kleinkind eingedrillt worden war. Mechanisch grabschte er das Wechselgeld von der Theke, wirbelte herum und rannte zur Tür, ehe die drei Snakes von ihren Hockern rutschen konnten.

Sie folgten ihm, kein Zweifel.

Mitch hetzte die Treppe hoch, warf sich nach links, sprang über die Füße der Säuferin hinweg. Hinter sich hörte er die Türscheibe klirren. Die Flaschen in der Plastiktüte klirrten gegeneinander. Mit fliegenden Beinen rannte Mitch über das Pflaster, tauchte in den Schatten einer Einfahrt, zwischen deren Steinplatten Unkraut wucherte, und erreichte das Trümmerfeld des Hinterhofs.

Abrupt wurde er langsamer, zwängte sich in die Lücke zwischen einem Kistenstapel und einem Haufen alter Steine und lauschte. Auf der Straße schrien sich die Jäger gegenseitig Anweisungen zu. Mitch grinste atemlos. Mit zwei Schritten erreichte er die Hintertür des ausgebrannten Gebäudes, turnte über die kreuzweise zusammengenagelten Latten hinweg, die den Weg versperrten, und presste dabei die Einkaufstüte vor die Brust, damit die Flaschen nicht klapperten.

Als er durch den dunklen Flur glitt, konnte er die drei Lederjackentypen im Hof hören. Sie hatten die Wahl. Es gab ein halbes Dutzend Hintereingänge ringsum, eine Einfahrt zur Parallelstraße und bröckelnde Mauern, die die einzelnen Höfe trennten. Mitch spähte vorsichtig aus der Haustür über den Gehsteig, aber keiner seiner Gegner war zurückgeblieben. Wieder setzte er sich in Trab, tauchte in eine andere Einfahrt schräg gegenüber. Minuten später hatte er das rußgeschwärzte, schmalbrüstige Mietshaus erreicht, unter dessen Dach er ein schmutziges Zimmer ohne Heizung, ohne Wasser und ohne WC bewohnte.

Die Furcht, die er sich nicht eingestehen wollte und die dennoch sein Handeln diktierte, ließ ihn den Laufschritt auch auf der Treppe beibehalten. Stufen knarrten unter seinen Turnschuhen, aus den Wohnungen drangen Kindergeschrei und Radiolärm. Jeder hier versuchte, seinen Nachbarn zu übertönen, häufig gab es Streit deswegen, Schlägereien, wüstes Geschimpfe. Mitch keuchte, als er in dem großen, fensterlosen Bodenraum die einzige Glühbirne einschaltete. Gerümpel stand herum, überzogen von einer dicken Staubschicht. Die Tür seines Zimmers verbarg sich hinter einem breiten gemauerten Stützpfeiler. Er schloss auf und schaltete das Licht wieder aus, während er mit der Linken den Drehknopf bewegte.

Er machte zwei Schritte in den Raum hinein, bevor ihm auffiel, dass etwas nicht stimmte.

Ein Mann saß auf dem alten Sofa.

Ein breitschultriger, schwarzhaariger Mann mit hellen Augen.

Seine Rechte umspannte eine Luger mit aufgeschraubtem Schalldämpfer, die Mündung zielte auf Mitch Cannerys Brust, und von einer Sekunde zur anderen hatte er das Gefühl, als würde ihm ruckartig der Boden unter den Füßen weggezogen.

2

Tim Hope wohnte in der Nähe des Roosevelt Stadion in Jersey City.

Es war eine stockbürgerliche Gegend, ein Viertel der Arbeiter und kleinen Angestellten, wo die Halbwüchsigen mit ihren Motorrädern und Lederjacken nur so aussahen wie brutale Rocker und die minderjährigen Töchter abends um zehn zu Hause zu sein hatten. Auf einem unbebauten Grundstück gab es einen Spielplatz, dessen hölzerne Klettergerüste den Eigenbau verrieten. Auf dem Gehsteig fegten Kleinkinder auf Dreirädern und Kettcars um eine Gruppe plaudernder Hausfrauen, bis der Anblick des roten Jaguar sie ablenkte. Phil und ich stiegen aus, betraten eines der großen alten Häuser und stiegen eine knarrende Holztreppe hinauf, weil kein Lift existierte.

Im zweiten Stock fiel uns fast ein kleines Mädchen in die Arme, das das Treppengeländer für eine Rutschpartie benutzt hatte. Verlegen lachte es uns zu und hüpfte weiter. Im dritten Stock lagen zwei weiß gestrichene Etagentüren nebeneinander. Links wohnte eine Familie Kowalski, rechts gab es ein gelb lackiertes Blechschild mit der Aufschrift T. Hope.

Phil klingelte. Das Radio, das wir ganz schwach gehört hatten, wurde vollends abgestellt, dann näherten sich Schritte. Die Tür öffnete sich, ein freundliches rundes Gesicht erschien in dem Spalt, und wasserblaue Augen glitten von einem zum anderen.

»Mister Hope?«, fragte mein Freund. Und als der kleine Mann in der grünen Hausjacke nickte: »Special Agent Decker, FBI. Das ist mein Partner Special Agent Cotton. Dürfen wir hereinkommen?«

Bei den letzten Worten hatte er das Etui mit der Dienstmarke aufschnappen lassen, Hope warf jedoch keinen Blick auf den blau-goldenen Stern. Er starrte uns an. Das Blut schoss ihm ins Gesicht. Schlagartig wurde er bleich, und nur noch auf seinen Wangen brannten Flecke hektischer Röte.

»Aber ... was ...?«, stammelte er.

»Wir haben ein paar Fragen, Mister Hope. Sie können die Beantwortung hier und jetzt ablehnen, dann werden wir mit einer Vorladung zurückkehren. Sie haben außerdem das Recht, einen Anwalt hinzuzuziehen und ...«

»Nein!«, schrie Tim Hope zusammenhanglos.

Sein rundes, harmloses Gesicht verzerrte sich. Mit einem Ruck versuchte er, uns die Tür vor der Nase zuzuschmettern, doch Phil schob blitzartig seinen Fuß dazwischen. Nicht ganz im Sinne der Dienstvorschriften, zugegebenermaßen, ich hätte allerdings genauso gehandelt, mit der Reaktion des kleinen Mannes stimmte etwas nicht. Wie ein Wiesel warf er sich herum und flitzte durch die Diele. Etwas sauste durch die Luft, krachte gegen die Kante der zurückschwingenden Tür. Scherben klirrten. Tim Hope stand keuchend und zitternd neben dem Garderobenschrank, schwang das nächste Wurfgeschoss hoch über dem Kopf, und wir mussten hastig zurückspringen, um der schweren Vase auszuweichen.

»Mister Hope!«, rief ich beschwörend. »Kommen Sie zur Vernunft und ...«

Hope stolperte rückwärts durch eine Tür, die vermutlich ins Wohnzimmer führte.

Er keuchte laut.

»Weg!« hörte ich seine überschnappende Stimme. »Weg! Weg ...«

Irgendetwas polterte, dann klirrten Scherben. Der Himmel mochte wissen, was der Bursche da drinnen anrichtete, bei Verstand war er jedenfalls nicht. Phil und ich wechselten einen Blick, mein Freund zuckte mit den Schultern. Wir setzten uns in Bewegung und durchquerten vorsichtig die Diele.

Ein merkwürdiges Zischen hing plötzlich in der Luft.

Hell, fauchend – gefährlich!

Wir begriffen nicht sofort. Tim Hope lachte hysterisch auf, wir hörten seine Schritte und das Knirschen der Scherben, die er unter seinen Schuhen zermalmte. Er kam zurück. Jäh nahm ich den Brandgeruch wahr, doch noch ehe ich irgendeine Konsequenz daraus ziehen konnte, brach der verrückte Pyromane über uns herein wie der leibhaftige Teufel.

Aus der Wohnzimmertür schien ein Feuersturm auf uns zuzurasen.

Für einen winzigen Moment sah ich Hopes Gesicht über der feurigen Lohe, sah das merkwürdige Gerät in seinen Fäusten und erfasste blitzartig, dass es sich um einen Flammenwerfer handelte. Mein Atem stockte. Mehrere Armlängen lang schlugen die Feuerzungen aus dem Rohr, leckten über den Teppich, zuckten jetzt hoch, um nach uns zu schlagen.

»Deckung!«, brüllte Phil über das Fauchen hinweg, warf sich nach rechts, und im selben Moment schnellte ich mich ebenfalls aus der Gefahrenzone.

Glutheiß wie der Atem des Satans strich etwas über mein Bein.

Ich prallte auf den Boden, rollte über die Schulter ab, stieß mit Kopf und Ellenbogen an die Wand, die im Weg war. Dünner Rauch und Flammenschein füllten die Diele. Für einen Sekunde wurde es dunkel um mich, und als ich krampfhaft die Augen aufriss, sah ich Tim Hopes Gestalt wie einen gespenstischen tanzenden Derwisch.

»Feuer!«, kreischte er triumphierend. Immer wieder, mit sich überschlagender Stimme: »Feuer! Feuer ...«

Dabei drehte er sich, versuchte, das fauchende Flammenbündel auf Phil zu richten, den ich nicht sehen konnte. Mit verzweifelter Klarheit begriff ich, dass mein Freund dieser furchtbaren Waffe hilflos ausgeliefert war.

Ich stieß mich ab.

Mit einem wilden Sprung warf ich mich von hinten gegen Hopes Beine. Er heulte auf, knickte in den Knien ein, die Flammen zuckten hoch und schwärzten die Decke. Ich rollte herum, wollte auf die Füße kommen. Der Verrückte fiel, riss den Flammenwerfer mit, und gewandt wie eine Katze überschlug er sich am Boden und rollte in die Deckung des Wohnzimmers.

»Feuer!« Seine Stimme gellte, übertönte das unheimliche Fauchen. »Feuer! Ich mache Feuer, Feuer, Feuer ...«

Nachdem ich mich aufgerappelt hatte, sah ich den roten Widerschein jenseits der Tür. Auch Phil taumelte auf die Beine, eiskalter Schrecken durchzuckte mich, als ich sein rußgeschwärztes Gesicht sah. Meine Hand flog zum Schulterholster, und in derselben Sekunde raste der Feuerteufel schon wieder auf mich zu.

Ich hatte keine Chance.

Mehr instinktiv als bewusst begriff ich, dass der Kerl mich in eine lebende Fackel verwandeln würde, ehe ich zum Schuss kam. Erneut warf ich mich zur Seite, rollte ab, zerrte noch in der Bewegung den 38er aus dem Holster. Diesmal raste Hope quer durch die Diele zur Tür wie ein heulender Derwisch.

»Feuer!«, hallte es durch das hohe Treppenhaus. »Feuer!«

»Feuer ...«, kam das Echo zurück, das sich mit dem harten Klappern der Absätze auf den Stufen mischte.

Der Pyromane floh. Er floh mit einem fauchenden, Tod und Verderben spuckenden Flammenwerfer durch ein Mietshaus, auf eine belebte Straße, und während ich aufsprang, hatte ich für einen Moment das Gefühl, als krallte sich etwas wie ein wildes Tier von innen her in meine Magenwände.

Drei Schritte bis zur Tür!

Phil war dicht hinter mir, hielt den schussbereiten Revolver schon in der Rechten. Tim Hope hatte den ersten Treppenabsatz geschafft, zwölf Stufen, und uns blieb überhaupt keine Wahl, als ihn mit einem Schuss in den Rücken zu stoppen oder ...

Nein! Ich wollte ihn nicht wie einen tollen Hund abknallen.

Er war krank, nicht normal, nicht Herr seiner Sinne, selbst jetzt blieb mir das bewusst. Eine Sekunde, eine verrückte, wahnwitzige Sekunde, in der mir immer noch das »Feuer! Feuer!« in den Ohren gellte, dann hatte ich meine Entscheidung getroffen.

Hope stolperte, hatte Schwierigkeiten, die Biegung zu schaffen.

Über die ganze Länge der Treppe sprang ich ihn an.

Er kreischte, als ich ihn von den Füßen fegte. Blindlings schlug ich mit der Handkante zu, schnellte mich am Boden herum, riss den Mann mit, damit er nicht über seine eigene mörderische Waffe fiel. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, als schlüge das leibhaftige Höllenfeuer über mir zusammen. Dann ließ Tim Hope das Mordinstrument los, sackte in sich zusammen, und gleich darauf erloschen die Flammen.

Ich ließ den Kopf gegen die Treppenstufe sinken.

Mein Herz raste, und ich spürte kalten Schweiß auf der Stirn. Die Holzstufen bebten. Phils verzerrtes Gesicht erschien über mir, er packte meine Schultern und schüttelte mich leicht.

»Jerry! Mann! Verdammt, was ...?«

»Schon gut«, murmelte ich. Und nach einem tiefen Atemzug: »Deine Haarpracht ist beschädigt, mein Junge.«

»Gehe ich eben wieder im Bürstenlook à la Hoover. – O Mann!« Phil richtete sich auf und sah sich nach dem bewusstlosen Pyromanen um.

Ich kämpfte mich ebenfalls hoch. Hope lag verkrümmt auf dem Treppenabsatz, eine Platzwunde an der Stirn, Verbrennungen an den Händen, ansonsten unverletzt. Seine Rechte war ausgestreckt, als hätte er bis zuletzt versucht, wieder an den Flammenwerfer zu gelangen. Das Ding war offenbar selbst gebastelt, eine einfache, aber wirkungsvolle Konstruktion, wie wir gesehen hatten. Ich umwickelte meine Finger mit einem Taschentuch, bevor ich das Mordinstrument aufhob, und Phil packte den Bewusstlosen unter den Achseln, um ihn die Treppe hinaufzuschleppen.

Die Tür der Familie Kowalski wurde um einen Spalt geöffnet und rasch wieder zugedrückt, vermutlich boten wir einen ziemlich erschreckenden Anblick. Weiter unten im Treppenhaus waren aufgeregte Stimmen zu hören. Wir zogen uns in Hopes Wohnung zurück, Phil suchte eine Liege für den Bewusstlosen, und als wir den Livingroom betraten, mussten wir erst mal schlucken.

Das war kein Wohnzimmer, das war die Werkstatt eines Hobbyfeuerwerkers.

Harmlose Knallkörper, gefährlich aussehende Sprengsätze, Molotowcocktails, Benzinkanister, die Hopes Amoklauf mit dem Flammenwerfer wie durch ein Wunder heil überstanden hatten – alles da! Während Phil mit der Zentrale telefonierte, machte ich mich an eine erste flüchtige Durchsuchung. Unter dem Bett im Schlafzimmer fand ich, was ich nach Lage der Dinge erwartet hatte.

Einen mittelgroßer Karton, auf allen Seiten bedeckt mit Totenköpfen und Aufschriften wie Explosives und Danger.