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Mord und blutiger Schrecken säumten Marco Mondreattis Weg in die Führungsspitze der Mafia. Er war ein Teufel in Menschengestalt, aber er hatte eine schwache Seite - seinen einzigen Sohn. Angelo, der Kronprinz, der nichts von seinem Vater geerbt hatte außer jenem Hang zur Grausamkeit und der sich immer Schwächere als Opfer suchte: Mädchen und Frauen, von denen er mit Gewalt nahm, was sie ihm nicht freiwillig geben wollten. Marco Mondreatti musste mit harten Dollars ausbügeln, was sein Sohn anrichtete, immer wieder. Bis zu dem Tag, an dem Liza Moore starb - denn dieser Mord ließ sich nicht mehr vertuschen ...
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Seitenzahl: 180
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Des Teufels schwache Seite
Vorschau
Impressum
Des Teufels schwache Seite
Mord und blutiger Schrecken säumten Marco Mondreattis Weg in die Führungsspitze der Mafia. Er war ein Teufel in Menschengestalt, aber er hatte eine schwache Seite – seinen einzigen Sohn. Angelo, der Kronprinz, der nichts von seinem Vater geerbt hatte außer jenem Hang zur Grausamkeit und der sich immer Schwächere als Opfer suchte: Mädchen und Frauen, von denen er mit Gewalt nahm, was sie ihm nicht freiwillig geben wollten. Marco Mondreatti musste mit harten Dollars ausbügeln, was sein Sohn anrichtete, immer wieder. Bis zu dem Tag, an dem Liza Moore starb – denn dieser Mord ließ sich nicht mehr vertuschen ...
1
Bunte Lichterketten erhellten den Park.
Eine Combo spielte auf der Terrasse, Musik verzauberte den Sommerabend, Gläserklingen, Stimmengewirr und perlendes Gelächter.
In das große Zimmer im Westflügel des Bungalows drang die farbige Illumination nur als schwacher Widerschein. Paula Norton stand am Fenster und balancierte einen Sektkelch.
»Schön«, seufzte sie. Ihre Stimme klang hell, der Sekt hatte sie auf eine Insel beschwingter Heiterkeit versetzt. »Schön ist es hier! Du weißt gar nicht, was du für ein Glück hast ...«
Angelo Mondreatti lehnte neben der Tür. Jetzt stieß er sich von der Wand ab. Er lachte rau.
»Was nützt das alles, wenn der Alte mich wie ein Wickelkind bewacht? Jetzt ist er beschäftigt. Sag mal, wie heißt du überhaupt?«
Ein Schatten flog über ihr Gesicht. »Paula. Das weißt du doch.«
»Hab ich vergessen. Was sind schon Namen! Komm, Paula ...«
Seine Hände griffen nach ihren nackten Schultern. Sie wich zurück, als er versuchte, die Träger ihres langen Abendkleids herunterzustreifen.
»Nicht«, murmelte sie. »Lass uns wieder zurück ...«
Er hörte nicht. Hart drängte er gegen sie, die dunklen Augen glänzten fiebrig.
Paula wollte sich losmachen, doch die Arme packten nur noch fester zu, zerrten sie herum, drängten sie zurück, bis sie die Kante des Sessels in den Kniekehlen fühlte. Dicht vor sich sah sie das hübsche weichliche Gesicht, die verzerrten Lippen, die hektischen Flecke auf den Wangen.
Angelo Mondreatti keuchte. Hart und fordernd tasteten seine Hände über ihren schlanken Körper, und Paula begriff, dass er sich nicht abweisen lassen würde.
Sie nahm als Hostess an dieser Party teil, jedoch als Hostess ohne die Anführungszeichen, die dem Wort eine fatale Nebenbedeutung geben.
Sie gehörte zu einer Gruppe Studentinnen, die ihr Taschengeld aufbesserten, indem sie mit den Gästen tanzten und plauderten – nicht mehr. Marco Mondreatti hatte es viel Mühe gekostet, sich Eingang in die sogenannte gute Gesellschaft zu verschaffen. Mochten seine Nachtklubs und Bordelle auch jede Art von Zerstreuung bieten, unter seinem Dach herrschte heuchlerische Moral als ehernes Prinzip, und es wäre ihm niemals eingefallen, seine aufwendigen Festlichkeiten mit Frauen von zweifelhaftem Ruf zu dekorieren.
Paula stieß den betrunkenen jungen Mann energisch von sich.
Er stolperte, stürzte beinahe. Wut flackerte in seinen dunklen Augen auf. Paula wollte sich an ihm vorbeidrängen und das Zimmer verlassen, in dem sie sich für ein paar Minuten ausgeruht hatte, aber noch ehe sie die Tür erreichte, holte Angelo sie ein.
Wie Krallen gruben sich seine Finger in ihre Schulter.
Paula schrie auf, als er sie herumriss. Seine Augen glühten, der Hass, der jetzt sein Gesicht entstellte, kam aus der Tiefe einer verborgenen, gehemmten, stets unterdrückten Persönlichkeit, die sich nur durch Gewalt ausdrücken konnte.
Paula wehrte sich, versuchte sich loszureißen. Sie spürte alkoholgeschwängerten Atem, brutale Hände, die ihr die Arme auf den Rücken bogen. Noch einmal schrie sie auf, als Angelo sie in den Sessel stieß und sich über sie warf, und nur wie durch einen Nebel sah sie die große, hagere Gestalt, die im selben Moment in der Tür auftauchte.
Mit drei Schritten durchquerte der Mann den Raum und packte Angelos Arm. Eine erstaunlich kräftige Bewegung riss ihn hoch und ließ ihn bis an die Wand taumeln. Keuchend, mit verzerrtem Gesicht und blutunterlaufenen Augen lehnte Angelo an der kostbaren Brokattapete und starrte den Hageren an, der jetzt Paula auf die Beine half.
»Tut mir leid, Miss«, murmelte er. »Er ist betrunken, so etwas kann vorkommen. Ich hoffe, Sie nehmen es ihm nicht übel.«
Paula Norton schoss Angelo einen Blick zu. Sie sagte nichts, strich nur stumm ihr Kleid glatt und wandte sich ab. Eilig verließ sie das Zimmer.
Noel Tomasis schüttelte den Kopf. Er war Ex-Anwalt und Marco Mondreattis rechte Hand. Selbst Angelo fürchtete ihn.
»Hast du den Verstand verloren?«, fragte Tomasi. »Wenn dein Vater erfährt ...«
»Kreuzweise!«, fauchte Angelo, stieß sich mit einer wilden Bewegung von der Wand ab und stürmte aus dem Zimmer.
Tomasi blickte ihm nach.
Seine Züge verzogen sich angewidert, seine Augen waren schmale Schlitze.
Miststück, dachte er. An diesem Früchtchen wird der Alte noch Spaß haben ...
Berthold McLain hatte das Gefühl, als wäre eine Tonnenlast von ihm genommen worden.
In der Innentasche seines Jacketts knisterte das dicke Dollarbündel. Spielschulden! Wieder einmal hatte ihn die unselige Wettleidenschaft in Schwierigkeiten gebracht, in ernste Schwierigkeiten. Als er jetzt in das alte Auto stieg, schwor sich McLain, in Zukunft einen weiten Bogen um jeden illegalen Buchmacher zu schlagen.
Seufzend blickte er zur Uhr. Die Frist war verstrichen, aber die Kerle warteten zweifellos auf ihn. Hätte er das Geld nicht aufgetrieben, wäre es ihm übel ergangen.
McLain dachte an die vergangenen Wochen, an seine verzweifelten und vergeblichen Versuche, einen Kredit zu bekommen. Arbeitslos, das war wie ein Makel, ein Brandmal, vor allem in McLains Kreisen, in jener stockkonservativen Mittelschicht der Vorstädte.
Das kleine Haus in Port Washington hatten sie schon vor einem halben Jahr verkaufen müssen, kurz nachdem er seinen Job als Chemiker verloren hatte. Heute lebte er mit Florence in einem alten Apartmenthaus in Yorkville, hielt sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser, und sechstausendvierhundert Dollar stellten ein Vermögen für ihn dar.
Nur die Verzweiflung hatte ihn nach Port Washington fahren lassen, nicht zu den Nachbarn von früher, sondern zu Rod Miller, dem Maler, der immer als Außenseiter, als schwarzes Schaf gegolten hatte.
McLain tastete nach dem Geldbündel in seiner Tasche. Niemand außer Rod Miller hätte ihm auch nur einen Cent geliehen, das wusste er.
Während er langsam über die 83rd Street East rollte, tauchten die Gesichter der Männer vor ihm auf, die er für seine Freunde gehalten hatte. Freunde, die sich auffällig unauffällig von ihm zurückgezogen hatten, als er in Schwierigkeiten geriet, die jetzt wegsahen, wenn sie ihm zufällig auf der Straße begegneten.
McLain trat auf die Bremse, suchte eine Parklücke, und dabei fiel sein Blick auf den dunkelroten Pontiac am Straßenrand.
Der Wagen war leer.
Ob die Kerle in seiner Wohnung warteten?
McLains Magenmuskeln verkrampften sich bei dem Gedanken, dass jetzt auch Florence in die Sache hineingezogen wurde. Kurzerhand fuhr er den Wagen schräg auf den Gehsteig, das Strafmandat würde ihn auch nicht mehr ärmer machen. Hastig stieg er aus, steuerte auf die Tür zu und lief, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf, da der Lift seit Wochen außer Betrieb war.
In seiner Wohnung spielte das Radio.
Laut. So laut, wie Florence es bestimmt nicht aufgedreht hatte.
Berthold McLain biss die Zähne zusammen. Diese Dreckskerle! Sie hatten Florence eingeschüchtert, sie benahmen sich, als wären sie hier zu Hause! Mit zitternden Fingern schob McLain den Schlüssel ins Schloss, stieß die Tür auf und durchquerte die Diele.
Fast wäre er mit dem Mann zusammengestoßen, der gerade das Wohnzimmer verlassen wollte.
Er kannte ihn. Alf Caroon, dreißig Jahre alt, groß, blond – der Gangster, den das Syndikat losschickte, wenn es Schulden einzutreiben gab. Die beiden Männer hinter ihm waren primitive Schlägertypen. McLain sah an ihnen vorbei, sein Blick erfasste die reglose Gestalt auf dem Teppich, und in seinem Magen schien sich etwas wie ein Eisklumpen zusammenzuballen.
»Florence«, flüsterte er. Und dann schrie er: »Florence! Was habt ihr mit Florence gemacht? Ihr Schweine! Ihr gemeinen, dreckigen ...«
Er sah die Faust nicht kommen, die seinen Mund traf.
Etwas explodierte in seinem Kopf. Wie ein gefällter Bäum brach er zusammen, und die drei Gangster verließen die Wohnung, ohne sich auch nur um das Geld in der Tasche ihres Opfers zu kümmern.
Der Anruf kam am Spätnachmittag.
Ed Schulz war am Apparat, der stellvertretende Leiter der Mordkommission II Manhattan East. Phil hatte sich den Hörer geschnappt, lauschte einen Moment und schaltete dann den Lautsprecher ein, damit ich mithören konnte.
»... Wettschulden, die die Kerle eintreiben wollten«, verstand ich. »Da der Mann nicht zu Hause war, vergriffen sie sich an der Frau, und dabei sind sie wohl zu weit gegangen. Sie hatte ein schwaches Herz. Eindeutig ein Fall fürs FBI, der Mann hat einen der Täter als Alf Caroon erkannt.«
»Und er ist bereit, gegen die Kerle auszusagen?«, vergewisserte sich Phil.
»Ja. Wenn ihr mich fragt, wirkt er sogar ziemlich entschlossen. Ich glaube nicht, dass er wieder umfallen wird ...«
Phil legte den Hörer auf. Ich war bereits auf den Beinen, angelte das Jackett von der Stuhllehne und griff nach den Jaguar-Schlüsseln. Eigentlich war Feierabend, aber darauf verschwendeten weder Phil noch ich irgendeinen Gedanken. Der Name »Caroon« hatte uns förmlich elektrisiert. Denn Caroon gehörte zur Mafia, von ihm führte ein direkter Draht zu Marco Mondreatti, der von seinem Palast in Richmond aus Midtown Manhattan im Würgegriff hielt. Mondreatti stand auf unserer internen Wunschliste seit Jahren ganz oben.
Ich sah ihn förmlich vor mir. Das kantige, gut geschnittene Gesicht, die dunklen Augen, das gepflegte schwarze Haar mit den Silberfäden. Bei den feinen Leuten aus dem Villenviertel auf Staten Island galt er als guter Nachbar, mit seinem Geld hatte er sich den Zugang zur Dollar-Aristokratie erkauft. Mit Frau und erwachsenem Sohn pflegte er ein vorbildliches Familienleben, empfing Freunde und Geschäftspartner, gab sich als smarter Manager. Und Männer wie Alf Caroon sorgten mit Mord, Gewalt und Schrecken dafür, dass Mondreatti ungestört die Früchte seiner Verbrechen genießen konnte.
Ich musste die Zähne zusammenbeißen, als ich den Jaguar aufschloss. Mondreatti, hämmerte es in mir. Noel Tomasi, der Ex-Anwalt. Die Brüder Caroon, Alf und Jeff, bösartige, sadistisch veranlagte Schläger und Killer. Wenn es uns gelang, Alf Caroon einen Mord oder Totschlag nachzuweisen ...
»Mondreatti wird ihn aus dem Verkehr ziehen«, sagte Phil, als hätte er meine Gedanken gelesen.
Ich zuckte mit den Schultern. »Glaube ich nicht! Er wird nicht damit rechnen, dass der Mann redet. Wie heißt er überhaupt?«
»Berthold McLain. Du könntest recht haben, Jerry. Caroon hat den Mann nur niedergeschlagen. Er hätte ihn umgebracht, wenn er irgendeine Gefahr befürchten würde.«
»Erfahren wird er es schnell genug. Ich hoffe, McLain sieht ein, dass wir ihn in Schutzhaft nehmen müssen.«
Ich trat auf die Bremse, unser Ziel lag ganz in der Nähe des Distriktgebäudes, an der 83rd Street East. Eine durchschnittliche Gegend: Apartmenthäuser älterer Bauart, enge Hinterhöfe, Spuren von Schmutz und Verfall, aber auch Blumenkästen vor den Fenstern und farbenfrohe Gardinen.
Die Fahrzeuge der Mordkommission und der uniformierte Cop vor der Tür wiesen uns den Weg. Wir präsentierten unsere Ausweise, nahmen die Treppe, da der Lift außer Betrieb war, und auf dem Flur im fünften Stock mussten wir uns durch eine Gruppe Neugieriger zwängen, die fasziniert zu der offenen Tür hinüberstarrten und nur mit Mühe von einem Polizisten zurückgehalten wurden.
Detective Lieutenant Harry Easton dirigierte seine Leute von der Diele aus. Spurenspezialisten waren dabei, alle möglichen glatten Flächen mit Pulver einzustäuben, der Polizeifotograf hatte seine Arbeit bereits beendet, Doc Reiser hockte neben der Toten, die im Wohnzimmer lag. Eine hübsche blonde Frau, vielleicht vierzig Jahre alt. Sie hatte Schürfwunden im Gesicht, eine aufgeplatzte Lippe, die Bluse war zerrissen. Auf den ersten Blick konnte ich mir nicht vorstellen, dass die Schläge tödlich gewesen waren, und der Doc wiederholte das, was wir bereits von Detective Sergeant Schulz wussten.
»Herzschlag, kein Zweifel! Sie war krank und hat die Belastung des Schocks nicht ausgehalten.«
»Also Totschlag?«, hakte ich nach.
»Mindestens Totschlag«, sagte Harry Easton hart. »Ich kenne Staatsanwälte, die in solchen Fällen grundsätzlich auf Mord plädieren, weil sie der Ansicht sind, dass man einen Menschen nicht zusammenschlagen kann, ohne Gefahr zu laufen, ihn unglücklich zu treffen und zu töten. – Wollt ihr jetzt mit McLain sprechen?«
Wir nickten nur.
Berthold McLain saß in der kleinen Küche, ein schlanker, grauhaariger Mann, dem die Fassungslosigkeit ins Gesicht geschrieben stand. Seine Lippen waren geschwollen und blutig, die Gangster hatten ihn niedergeschlagen, als sie die Wohnung verlassen hatten. Er konnte nur mühsam Worte formen, und er sprach langsam, leise, in einem seltsam abwesenden Tonfall, der verriet, dass er die Ereignisse noch nicht in vollem Umfang begriffen hatte.
»Sechstausend Dollar!« Seine Hand zitterte, als sie das Geldbündel auf dem Küchentisch berührte. »Ich hatte das Geld doch! Ich hatte es! Nur eine Stunde war ich zu spät dran! Eine einzige Stunde! Wie hätte ich denn ahnen sollen, dass sie ... dass sie ...?«
»Erzählen Sie bitte von Anfang an, Mister McLain«, bat Phil ruhig.
Der Mann erschauerte. Langsam und stockend berichtete er – die übliche Geschichte. Er hatte bei einem illegalen Buchmacher gewettet, sich Kredit zu Wucherzinsen geben lassen, nicht zahlen können, als ihm die Rechnung präsentiert wurde. Alf Caroon hatte ihm ein Ultimatum gestellt, und McLain hatte das Geld erst im allerletzten Moment beschaffen können. Er kannte die Gangster nicht, hatte bis zum Schluss geglaubt, dass es auf ein paar Stunden nicht ankäme. Caroon musste sich mit Gewalt Zutritt zu der Wohnung verschafft haben, und da er sein eigentliches Opfer nicht antraf, hatte er sich an die Frau gehalten, um dem säumigen Schuldner einen Denkzettel zu verpassen.
Berthold McLain war entschlossen, gegen die Verbrecher auszusagen und diese Aussage später vor Gericht zu beeiden.
Eine knappe Stunde später hielten wir bereits den Haftbefehl in Händen. Ausgestellt auf den Namen Alfred Caroon, vollstreckbar sofort.
Jetzt mussten wir ihn nur noch finden ...
Das Casablanca Moon war der dritte Nachtklub auf der Liste der Etablissements, in denen die Brüder Caroon unseren Informationen nach verkehrten.
Es war nicht ganz einfach gewesen, die Liste zusammenzubekommen – selbst der geschwätzigste Spitzel wird schweigsam, wenn es um die Mafia geht. Ob die Tipps stichhaltig waren, musste sich noch erweisen. Das Casablanca Moon gehörte Marco Mondreatti, der große Boss pflegte hier manchmal persönlich aufzutauchen, und Phil und ich hatten das Gefühl, in die Höhle des Löwen zu marschieren, als wir das helle, elegante Foyer durchquerten.
Der stämmige Portier, der die Tür bewachte, bekam große Augen, er schien unsere Gesichter zu kennen. Der Geschäftsführer, der Keeper und ein paar Rausschmeißer kannten uns ebenfalls, da wir nicht zum ersten Mal gegen Mondreatti ermittelten. Zumindest hinter der Bar wurde es schlagartig still. So still, dass selbst der Mann, der am anderen Ende des Tresens halblaut ins Telefon sprach, den jähen Umschwung spürte und uns das Gesicht zuwandte.
Caroon!
Alf Caroon im Smoking, gut frisiert, elegant, ganz der smarte junge Nachwuchsmann auf dem Weg nach oben. Nein, man sah ihm nicht an, dass er vor ein paar Stunden kaltblütig zugeschaut hatte, wie eine Frau umgebracht worden war. Aber er schien bereits zu wissen, dass etwas schiefgelaufen war, jedenfalls zog er aus unserem Auftauchen die richtigen Schlüsse. Sein kräftiges, ohnehin blasses Gesicht wurde noch eine Nuance fahler. Unruhig zuckte sein Blick von Phil zu mir und wieder zurück. Er legte den Telefonhörer mit einer mechanischen Bewegung auf die Gabel, ohne seinem Gesprächspartner die schroffe Unterbrechung auch nur mit einem Wort zu erklären.
Ich spürte die Spannung, die plötzlich in der Luft lag.
Caroon stand an der Schmalseite der Theke, in dem Durchgang, der normalerweise für die befrackten Kellner freiblieb. Seine Hände lagen flach auf der gehämmerten Kupferplatte. Er wartete. Ich spürte den lauernden Blick des Keepers, ich sah, wie sich rechts von uns zwei, drei der Rausschmeißer in Bewegung setzten, und ich ahnte, welches Spiel hier laufen sollte.
»FBI«, sagte ich deutlich. »Bleiben Sie bitte auf Ihren Plätzen und ...«
Schon als ich Atem holte, machte der Keeper eine heftige Bewegung.
Sein Ellenbogen fegte ein halbes Dutzend Gläser und zwei Whiskyflaschen aus dem Regal, das jähe Klirren überlagerte meine Worte. Ein paar Gäste rutschten hastig von den Hockern und zogen ihre Begleiterinnen Richtung Tanzfläche, der Geschäftsführer schrie etwas, halb hinter uns begann ein leicht geschürztes Zigarettengirl zu kreischen, als würde es dafür bezahlt. Vermutlich wurde die junge Frau das wirklich, denn was hier geschah, war einstudiertes Theater. Ich wirbelte herum, weil ich wusste, dass der nächste Akt der massierte Angriff der Rausschmeißer sein würde.
»FBI!«, schrie ich noch einmal, doch die Typen in den roten Fantasieuniformen ließen sich nicht stoppen.
Hinterher würden sie vermutlich behaupten, sie hätten kein Wort verstanden. Und von Alf Caroon würden wir natürlich keine Spur mehr entdecken. Phil glitt zwei Schritte zur Seite, ich wich zurück. Wir wollten die Waffen ziehen, die Sache möglichst schnell beenden. Doch wir kamen nicht dazu, weil das kreischende Zigarettengirl wie ein aufgescheuchtes Huhn in die Schusslinie rannte.
Ich sah keinen Grund, sie besonders rücksichtsvoll zu behandeln.
Als sie gegen mich taumelte, immer noch schreiend, stieß ich sie grob beiseite. Einer der Rausschmeißer hatte einen Schlagring über seine Finger gestreift und holte zu einem Hieb aus, der einen Elefanten hätte fällen können. In letzter Sekunde steppte ich nach rechts, und während die Theke unter dem Anprall der Faust erzitterte, schnappte ich mir den nächsten Mann, der Phil gerade von hinten einen kurzen Holzknüppel über den Schädel ziehen wollte.
Wie ein Schatten huschte Alf Caroon von der Theke weg.
Ich konnte es nicht verhindern, weil mir Rausschmeißer Nummer drei in den Nacken sprang. Nummer vier und fünf drangen auf Phil ein, der Kerl, der gegen die Theke geschlagen hatte, hockte am Boden und wimmerte. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass mein Freund schulmäßiges Aikido demonstrierte. Es wirkte fast so, als ließe er die beiden muskelbepackten Hünen tanzen. Ich knallte meinem Gegner den Absatz ans Scheinbein, rammte den Ellenbogen nach hinten, traf ihn so hart, dass er schlagartig die Hände von meiner Kehle löste und japsend zu Boden ging.
Einer von Phils Gegnern torkelte wie ein Tanzbär auf mich zu.
Ich empfing ihn mit einer gestochenen Geraden, in der meine ganze Wut lag. Klaglos legte er sich schlafen, ich wirbelte herum, weil ich immer noch hoffte, Caroon erwischen zu können. Eine vergebliche Hoffnung.
Wie aus dem Boden gewachsen stand der Empfangsgorilla in der Tür und fuchtelte mit einer riesigen Crasher-Pistole. Seine Stimme überschlug sich, als er irgendetwas von »Überfall«, »Gangstern« und »Polizei« brüllte. Ich atmete aus und spreizte die Arme ab, denn ich hatte nicht die geringste Lust, mich von dem Kerl in vermeintlicher Notwehr niederschießen zu lassen.
»FBI«, sagte ich in die jähe Stille hinein. »Halt die Luft an, Bob, kein Richter würde dir glauben, dass du uns nicht erkannt hast.«
Der Hüne schluckte. Er hieß Bob Muller, wir hatten ihn vor ein paar Monaten drei Stunden lang vernommen, und er besaß immerhin Verstand genug, um die Dinge nicht unnötig auf die Spitze zu treiben. Krampfhaft bemühte er sich, seinem breiten, stumpfen Gesicht den Ausdruck von Schrecken aufzuzwingen.
»L-l-lieber Himmel!«, stotterte er. »F-fast h-hätte ich Sie n-nicht erkannt, w-w-irklich« Ich h-hab nicht so genau hingesehen, ich d-d-dachte ...«
»Wir wissen, was du dachtest.« Ich schob mich an ihm vorbei, durchquerte mit langen Schritten das Foyer, ich rechnete jedoch nicht ernsthaft damit, Caroon noch auf der Straße zu erwischen. Als ich zurückkehrte, redeten Keeper und Geschäftsführer auf Phil ein, Bob Muller stotterte Entschuldigungen hervor, die Rausschmeißergarde kam allmählich wieder auf die Beine. Alle machten eine Menge Worte, bedauerten lebhaft das Missverständnis. Echt war dieses Bedauern zweifellos nur bei dem Mann, der sich an der Theke das Handgelenk gebrochen hatte.
Dass wir uns die Personalien der Kerle geben ließen, war nur Routine.
Sie deckten einen Mörder, aber beweisen konnten wir es ihnen vermutlich auch dann nicht, wenn wir Caroon erwischten. Wenn wir ihn erwischten! Im Augenblick war die Chance vertan, und unsere Stimmung hatte einen Tiefpunkt erreicht, als wir das Casablanca Moon verließen und wieder in den Jaguar kletterten.
»Verdammt!«, fluchte Phil. »Den Kerl sehen wir garantiert nicht wieder ...«
»Abwarten«, knurrte ich.
Doch ich kann nicht behaupten, dass ich besonders optimistisch war.
2
Die Schläge der antiken Standuhr klangen überlaut in der Stille.
Marco Mondreatti fuhr leicht zusammen und rieb sich mit dem Handrücken über die Stirn. Er saß hinter seinem ausladenden altenglischen Mahagonischreibtisch, ein halbvolles Whiskyglas vor sich und eine Zigarette zwischen den Fingern, von der ab und zu Asche auf das dunkle Holz stäubte. Mondreattis Stirn hatte sich gefurcht, die zusammengezogenen Brauen gaben dem markanten Gesicht einen finsteren Zug. Nachdenklich sah er Noel Tomasi an.
Tomasi lehnte mit dem Rücken am Fenster und rauchte eine schlanke Zigarillo.
»Es stimmt«, sagte er gedehnt. »Punkt für Punkt! Die Frau ist tot, der Mann will aussagen, und Caroon hatte alle Mühe, den G-men noch einmal zu entwischen.«
»Und wo steckt er jetzt?«, bellte Mondreatti.
»In dem alten Haus in Hoboken. Vorerst wird man ihn dort nicht finden, aber natürlich ist es kein Dauerzustand.«
Mondreatti presste die Lippen zusammen. In seinen dunklen Augen gleißte es bedrohlich.
»Alf Caroon ist ein Narr«, stieß er hervor. »Genau wie sein verdammter Bruder! Den beiden macht es etwas zu viel Spaß, eine Pistole abzufeuern oder zuzuschlagen. Ich kann keine Leute brauchen, die sich nicht im Zaum halten, verdammt noch mal!«
Tomasi zuckte mit den Schultern. »Alf konnte nicht ahnen, dass die Frau ein schwaches Herz hatte und ...«
»Frauen verprügeln! Das macht man nicht, wenn es nicht unbedingt nötig ist! Begreifen diese Idioten nicht, dass sie die Leute auf diese Weise der Polizei in die Arme treiben? Ein paar Tausend Dollar und Caroons dreckiges Vergnügen, dafür haben wir jetzt das FBI am Hals!«
»Und was wirst du tun, Marco?«
Mondreatti drückte seine Zigarette aus. Die Bewegung hatte etwas Endgültiges.
»Reinen Tisch machen«, sagte er. »Gründlich! Wir schicken Vircoli.«
Für einen Moment blieb es still.