Jerry Cotton Sonder-Edition 154 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 154 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Brooklyns Truckdriver schüttelte die Angst. Schrecken und Bomben auf allen Highways! Jede Fahrt konnte ein Transport zur Hölle sein. Wer nicht spurte, der musste sterben. Mike Kormac stand lange allein. Eine Mauer des Schweigens umgab ihn. Er lehnte sich gegen die Gangster auf. Sein Schicksal schien besiegelt. In der Rolle eines stahlharten Killers drang ich bis zum Gangsterboss vor. Er gab mir den Auftrag, seinen Feind Kormac zu ermorden. Hatte er mich durchschaut?


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Seitenzahl: 176

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Transport zur Hölle

Vorschau

Impressum

Transport zur Hölle

Brooklyns Truckdriver schüttelte die Angst. Schrecken und Bomben auf allen Highways! Jede Fahrt konnte ein Transport zur Hölle sein. Wer nicht spurte, der musste sterben. Mike Kormac stand lange allein. Eine Mauer des Schweigens umgab ihn. Er lehnte sich gegen die Gangster auf. Sein Schicksal schien besiegelt.

In der Rolle eines stahlharten Killers drang ich bis zum Gangsterboss vor. Er gab mir den Auftrag, seinen Feind Kormac zu ermorden. Hatte er mich durchschaut?

1

Wind drückte gegen die Plane des schweren Lastwagens. Unter den Reifen spritzten Staub und Steinchen auf. Links dehnte sich die graue Fläche des Atlantiks, glänzten weiß gefiederte Wellenkämme im Sonnenlicht, rechts stiegen die Felsen steil an und ragten als unregelmäßige Zackenlinien in den Himmel. Irgendwo dort oben löste sich ein kopfgroßer Felsbrocken aus einer Geröllrinne, und Mike Kormac trat ruckartig auf die Bremse.

Etwas riss ...

Kormacs Fuß fand keinen Widerstand, der Wagen rumpelte mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Eine Handbreit vor der Stoßstange des Trucks krachte der Stein auf die Straße, wurde hochgeschleudert und schlug von unten gegen die Bodenwanne. Die nächste Biegung flog heran, das rot-weiß lackierte Geländer, hinter dem das Nichts gähnte.

Kormacs Gesicht verzerrte sich. Sein Instinkt war schneller als seine Gedanken, ließ die kräftigen Fäuste das Steuerrad herumwirbeln, die Augen verzweifelt die Felswand absuchen.

Krachend fuhr der niedrigere Gang ins Getriebe, der schwere Wagen rüttelte. In der Kurve drückte die Ladung das Heck nach außen weg. Schnurgerade senkte sich die Straße zur Küste hin, ein helles, staubiges Band, steil fallend bis zur nächsten Biegung – und jetzt erst fraß sich der Schrecken wie Säure in Kormacs Hirn.

»Ihr Schweine!«, krächzte er. »Ihr verdammten dreckigen ...«

Er spürte die Beschleunigung. Spürte das Tonnengewicht, das von keiner Bremskraft mehr gehalten wurde und ihn wie eine Lawine mitriss, dem Verderben entgegen. Immer noch nagelte er sinnlos das Bremspedal ans Bodenblech. Seine Fäuste verkrampften sich, und in seinem schweißnassen Gesicht spannten sich die Kiefermuskeln zu dicken Strängen.

Notbremsung ...

Langsam, ganz langsam zog Kormac den Koloss nach rechts, dicht an die Felswand heran, und erwartete den Anprall mit vibrierenden Nerven. Blech kreischte. Die Faust eines Riesen schien den Truck zu rütteln. Kormac gab behutsam Gegensteuer und hörte das scharfe Reißen der Plane. Wieder nach rechts!

Scheppernder Krach, Metall auf Stein, sprühende Reibungsfunken! Mike Kormac umklammerte das große Lenkrad. Hinter ihm polterten Kisten auf die Straße, Konservendosen hüpften über die Fahrbahn. Der rechte Kotflügel riss ab, wie einen grotesk verbogenen Schatten sah ihn Kormac davonfliegen. Er wusste nicht, wie lange er schon mit aller Kraft an der Handbremse riss – aber er merkte, dass sich die Beschleunigung des an der Felswand entlangschrammenden Wagens allmählich totlief.

Fünf, sechs Yards vor der Kurve kam er zum Stehen.

Mike Kormac zitterte. Über sein Gesicht rann der Schweiß in Strömen, lief in den Kragen, durchnässte das Hemd unter den Achselhöhlen. Blubbernd starb der schwere Motor ab, und vorsichtig, als könnte jede unbedachte Bewegung den Koloss von Neuem erwecken, öffnete Kormac den Wagenschlag und kletterte über das Trittbrett nach draußen.

Erst als er sämtliche Räder mit Bremsklötzen gesichert hatte, lockerten sich seine verkrampften Muskeln.

Seine Knie waren weich. Als er sich auf das Trittbrett setzte und eine Zigarette aus der Packung nestelte, fühlte er sich wie aus dem Wasser gezogen. Tief sog er den Rauch in die Lungen, spürte mit geschlossenen Augen den Seewind, der den Schweiß auf seiner Haut trocknete, und erst nach ein paar Minuten war er fähig, seine Gedanken wieder auf den schwer beschädigten Truck zu lenken.

Ein Blick genügte ihm, um festzustellen, dass die Bremsseile angefeilt worden waren.

Er hatte es geahnt. Seit Wochen war er darauf vorbereitet, dass etwas in dieser Art passieren würde. Nachdenklich blieb er stehen, die Zigarette im Mundwinkel, und versuchte, die Bedeutung dessen zu erfassen, was ihm geschehen war.

Glaubten die Kerle tatsächlich, ihn auf diese Weise einschüchtern zu können?

Oder war das hier mehr gewesen als eine Warnung? Hatten sie ihn umbringen wollen? Hatten sie damit gerechnet, dass er nicht mehr lebend aus dem Wagen herauskommen würde? Oder zumindest die nächsten Wochen schwer verletzt im Krankenhaus verbringen und ...

Mike Kormac spuckte die Zigarettenkippe auf die Straße.

Sein Gesicht unter dem Haar wurde hart, die Augen zogen sich zu Schlitzen zusammen. Einen Lidschlag lang sah er sinnend auf seine breiten, kräftigen Hände hinunter, dann krümmte er ganz langsam die Finger und ballte sie zu Fäusten.

Nein, dachte er. Mit mir nicht, ihr Schweine ...

Wenn die Gewalt aufhören sollte, mussten die Menschen endlich kämpfen – und der Truckfahrer Mike Kormac war entschlossen, den Anfang zu machen.

Die beiden Männer standen auf dem überdachten Podest vor der Barackentür.

Die Baracke beherbergte das Büro der Firma Thomas Abel Transport Company. Sie lag an der Schmalseite eines umzäunten Platzes. Eine Wagenhalle, verschiedene Lagerschuppen, eine Werkstatt und ein einfaches Wohnhaus hinter einer Reihe angestaubter Birken, das waren die übrigen Gebäude.

Thomas Abel hatte das Fuhrunternehmen vor zwanzig Jahren mit einem gebrauchten Kleinlaster gegründet. Die Anzahlung musste er sich von einem Freund borgen.

Heute rollte ein Dutzend schwerer Wagen für ihn, und er packte nur noch selbst an, weil es ihm Spaß machte. Am wohlsten fühlte er sich in seinem alten Overall. Er empfand es nicht einmal als Widerspruch, dass er immer noch in dem selbst gebauten Holzhaus lebte, während ihm in Manhattan schon seit Jahren ein paar komfortable, teuer vermietete Eigentumswohnungen gehörten.

Im Augenblick kerbten sich tiefe Unmutsfalten auf seine Stirn. Er sah einem der Mechaniker zu, der sich an einem Truck zu schaffen machte, und sog heftig an seiner kurzen Shagpfeife.

»Diese Schweine!«, knurrte er. »Diese verdammten Schweine! Freiwillige Spende! Dass ich nicht lache!«

Der Mann neben ihm rauchte ebenfalls Pfeife. Sonst war er Abels genaues Gegenteil: groß, leicht gebeugt, mit ungesunder Gesichtsfarbe. Zwei scharfe Linien liefen von seiner schmalen Nase bis zu den Mundwinkeln hinab.

»Haben sie dich jetzt also auch angezapft, Tom?«, fragte er zwischen zwei Zügen.

»Haben? Sie wollen es, aber ich schwöre dir, dass es ihnen nicht gelingen wird.« Abel nahm den Hut ab, den er nur trug, um seine Halbglatze zu verbergen, und wischte mit zwei Fingern das Schweißband ab. »Eine Dreckbande ist das!« Er zögerte, stülpte sorgfältig den Hut wieder auf seinen blanken Schädel. »Und du zahlst, Al? Schmeißt ihnen deine mühsam verdienten Bucks in den Rachen?«

Albert Priest zuckte mit den Schultern. »Muss ich doch, oder? Mein Großvater war schon Truckfahrer, und wegen der drei Schlitten, die ich habe, gehöre ich noch nicht zu den Bossen. Außerdem ist Mike in der Gewerkschaft und ...«

»Quatsch nicht!«, sagte Abel ungehalten. »Mike ist gegen sie, das weißt du genau. Und wenn du denen jeden Monat eine Spende überweist, benutzen sie das Geld dazu, Leute wie Mike mundtot zu machen – das weißt du auch. Nein, Al, einer muss mal anfangen und den Bonzen die Zähne zeigen. So wie Mike! Und wie die anderen jungen Kerle, die sich nicht mehr für dumm verkaufen lassen!«

»Du willst also nicht zahlen?«, fragte Albert Priest und nahm die Pfeife aus dem Mund.

»Stimmt genau«, stieß Abel durch die Zähne. »Ich zahle nicht. Und das habe ich Monty Cobb auch gesagt, als er die Hand aufhalten wollte. Soll die verdammte Bande doch sehen, woher sie ...«

Der schmetternde Krach der Explosion zerschnitt seine Worte.

Müßig hatte er den jungen Mechaniker in seinem gelben Overall beobachtet – jetzt starrte er aus aufgerissenen Augen zu dem Truck, dessen Motorhaube sich wie von einer unsichtbaren Riesenfaust gepackt emporwölbte. Eine Stichflamme schoss hoch. Grell und gleißend breitete sich die Lohe aus, weiß glühender Feuersturm erfasste den Wagen, und für den Bruchteil einer Sekunde sah Thomas Abel eine Gestalt wie eine gelbe Puppe mit schlenkernden Gliedern durch die Luft wirbeln, bevor die Druckwelle sie erfasste und rückwärts gegen die Baracke schleuderte.

Der Schädel krachte an die Holzwand.

Tief in seinem Kopf schien sich die schreckliche Explosion zu wiederholen. Mit dem nächsten Atemzug verlor Abel das Bewusstsein, das Grauen verfolgte ihn jedoch noch bis in den schwarzen Strudel der Ohnmacht.

In der schweigenden Mauer der Zuschauer öffnete sich eine Gasse, als ich das Warnlicht einschaltete. Langsam ließ ich den Jaguar weiterrollen, zeigte einem Cop an der Absperrung meinen FBI-Ausweis und fuhr durch das Tor in dem mannshohen Holzzaun.

»Thomas Abel Transport Company«, entzifferte mein Freund Phil das Schild, das an einer Kette zwischen zwei Pfählen über dem Tor baumelte.

Auf dem Platz vor uns standen die Wagen der Mordkommission, wimmelten Menschen herum, doch sie ließen einen weiten Halbkreis um eine beschädigte Laderampe frei. Dort glühte immer noch das ausgebrannte, verkohlte Wrack des Lastwagens, und dort kauerte der Polizeiarzt mit seiner schwarzen Tasche neben einer Gestalt im gelben Overall, die reglos und verkrümmt im Staub lag.

Ich ließ den Jaguar hinter dem Kastenwagen unserer Kollegen von der City Police ausrollen.

Wir waren hinzugezogen worden, weil sich der Sprengstoffanschlag gegen ein Transportunternehmen gerichtet hatte und von vornherein damit zu rechnen war, dass sich die Ermittlungen über mehrere Bundesstaaten erstrecken würden. Außerdem stammte der Tote, ein junger Mechaniker namens Derry Miles aus Dallas in Texas. Drittens schließlich – und dieser Punkt beschäftigte mich mehr als alles andere – hatte es in South Brooklyn in letzter Zeit häufig Zwischenfälle dieser Art gegeben: demolierte Büros, Brandanschläge, Überfälle auf Lastwagenfahrer. Irgendjemand schien zu versuchen, die Transportbranche in diesem Teil der Stadt in die Hand zu bekommen. Wer es war und was er bezweckte, konnten wir im Augenblick nicht einmal ahnen, aber auf jeden Fall hatten wir den Eindruck, dass sich hier eine Gewalt ausbreitete, die schon über die verhältnismäßig leicht zu bekämpfenden Anfänge hinaus war.

Lieutenant Kowalski kam auf uns zu, der Leiter der zuständigen Mordkommission. In seinem schmalen, zerknitterten Gesicht hatten sich die Falten zu einem Ausdruck der Besorgnis verschoben. Er bewegt sich immer etwas schneller als andere Leute, und immer weht der unvermeidliche Trenchcoat hinter ihm her.

»Plastiksprengstoff«, verkündete er statt einer Begrüßung. »Der Reißzünder löste die Explosion beim Öffnen der Motorhaube aus. Der Wagen war seit zwei Tagen defekt, aber bis zuletzt stand nicht fest, wer ihn nun reparieren würde. Also darf man annehmen, dass sich der Anschlag nicht gegen den armen Jungen, sondern gegen die Firma richtete.«

»Ist der Besitzer da?«, fragte ich.

»Thomas Abel, ja.« Lieutenant Kowalski zog eine Braue hoch, auf seiner Stirn entstanden Diagonalfalten, die im Bogen um eine Messernarbe herumliefen. »Der Mann hat angeblich eine Erklärung für das Attentat. Angeblich! Ich möchte wetten, dass er erpresst wird und das Schicksal seines Mechanikers als Warnung nimmt.«

»Sie denken an ein Racket?«

Kowalski zog die Schultern hoch. »Ich weiß es nicht. Es hat hier in letzter Zeit eine Menge Gewalt gegeben, allerdings noch keinen Mord. Sprechen Sie mit den Revierbeamten, wenn Sie sich ein Bild machen wollen. Zeugen werden Sie so leicht nicht finden – die Leute spielen Auster.«

Die Handbewegung, mit der Lieutenant Kowalski nicht nur den umzäunten Platz, sondern das halbe Stadtviertel zu umfassen schien, wirkte resignierend. Wir kannten das: diese Mauer des Schweigens, in deren Schutz Verbrecher wie in einer uneinnehmbaren Festung sitzen. In unserem Office würden wir Akten wälzen müssen, den Computer füttern, Vergleichsprogramme anstellen. Vielleicht fanden wir auf diese Weise, was die Zeugen verschwiegen.

Kowalski ging voran auf eine Baracke zu, deren Verandavorbau von Splittern und Trümmerstücken übersät war. Hier hatte der Besitzer des Fuhrunternehmens mit einem Bekannten gestanden, als der Wagen explodierte, und in den beiden kleinen, mit staubigen Papieren vollgestopften Büroräumen wurden die Männer jetzt vernommen.

Thomas Abel sah blass aus, ein kräftiger, untersetzter Mann, etwa fünfzig Jahre alt, der zu seinem verblichenen Overall einen Hut trug. Alle paar Minuten nahm er ihn ab, um sich mit einem großen karierten Taschentuch über die Halbglatze zu wischen. Was er uns erzählte, war nicht viel. Er konnte sich nur noch erinnern, dass es plötzlich geknallt hatte, dann war er wohl von der Druckwelle erfasst und mit dem Kopf gegen die Holzwand der Baracke geschleudert worden. Phil fragte ihn unumwunden, von wem er erpresst werde. In Abels breitem Gesicht zuckte es verräterisch, er kniff jedoch die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf.

»Ich werde nicht erpresst«, sagte er heiser. »Ich habe auch keine Feinde – jedenfalls kenne ich keine. Meiner Meinung nach muss die Sache auf einer Verwechslung beruhen.«

Ich sah ihn an. »Eine Verwechslung, die ein Menschenleben gekostet hat, Mister Abel. Sie haben Angst, das kann ich Ihnen nicht einmal verdenken. Aber mit dieser Angst rechnen die Verbrecher. Diese Angst schützt die Kerle und macht sie unangreifbar. Eine einzige klare Aussage würde die Lage verändern.«

»Eine Aussage ohne Beweis«, erwiderte er bitter. »Dass ich nicht lache!«

»Mister Abel, wir ...«

»Ich sage nichts«, stieß er durch die Zähne. »Ich kann nichts sagen, weil ich nichts weiß – basta! Sonst noch Fragen?«

Wir hätten eine Menge Fragen gehabt, doch es war sinnlos, sie zu stellen. Auch der zweite Augenzeuge schwieg, ein gewisser Albert Priest, Fuhrunternehmer wie Abel, wenn auch in wesentlich kleinerem Rahmen. Er erzählte uns, dass er das Geschäft mit nur zwei Fahrern betreibe, von denen der eine sein Schwiegersohn sei, dass er nicht erpresst werde, keine Schwierigkeiten habe – und keine Erklärung für den Sprengstoffanschlag. Er hatte eine Platzwunde an der Stirn, irgendein herumfliegendes Trümmerstück war dafür verantwortlich. Jetzt klagte er über Kopfschmerzen, Augenflimmern, und an die Minuten vor der Explosion konnte oder wollte er sich nicht mehr erinnern.

Wir kletterten wieder in den Jaguar, um Lieutenant Kowalskis Rat zu folgen und mit den Beamten des zuständigen Reviers zu sprechen, die über die Zustände in ihrem Gebiet vermutlich am besten Bescheid wussten.

Immer noch standen die Neugierigen jenseits des Tors, eine schweigende Mauer, verbissene Gesichter, in denen ich eine Art stummer Erbitterung zu lesen glaubte. Die Männer traten zur Seite, machten uns Platz. Um das Revier zu erreichen, mussten wir ein Stück die Straße hinauf Richtung Gowanus Parkway fahren. Nach knapp zweihundert Yards sah ich linker Hand eine jähe Bewegung auf einem unbebauten, von Buschwerk überwucherten Grundstück.

Reflexartig trat ich auf die Bremse.

Zwischen den Sträuchern tauchte ein gelber Overall auf, verschwand wieder, dann übertönte das heftige Knacken von Zweigen sogar das Motorgeräusch. War da ein erstickter Schrei gewesen? Phil hatte es ebenfalls gehört, stieß den Wagenschlag auf, und ich riss die Handbremse hoch und folgte seinem Beispiel.

Steintrümmer und Mauerreste ragten aus dem Unkrautteppich – Abbruchgelände. Eine verfallene Ziegelmauer bildete die rückwärtige Grenze des Grundstücks, links wirkte die Seitenfläche eines Fabrikgebäudes seltsam nackt und aufgerissen wie eine Narbe. Wieder hörten wir den erstickten Schrei, und als wir weiterliefen, uns durch kniehohes Unkraut kämpften, konnten wir für einen Augenblick eine Gestalt sehen, die mit rudernden Armen rückwärts taumelte und gegen die Mauer prallte.

Drei, vier Männer setzten dem Opfer nach, stämmige Burschen in Overalls, einer in Jeans und T-Shirt. Ihre Bewegungen waren verbissen, wild, voll von einem erschreckenden Vernichtungswillen. Das Opfer schrie nicht, obwohl es in einem Hagel von Schlägen zusammenbrach. Zwischen keuchenden Atemzügen konnten wir Wortfetzen verstehen.

»Killer ... Verdammter Mörder ... dreckiges Schwein! – Du hast ...«

Einer der Burschen warf den Kopf herum, als er unsere Schritte hörte.

Strumpfmaske, stellte ich fest. Schwarzer Stoff, schmale Augenschlitze. Eine halbe Sekunde lang spürte ich den flackernden Blick, dann warf sich der Unbekannte herum, schrie etwas, das ich nicht verstehen konnte, und die ganze Meute stob in wilder Flucht auseinander.

Wie ein Spuk verschwanden die gelben Overalls zwischen den Büschen, Overalls von der Art, wie ihn auch der junge Mechaniker getragen hatte, der bei der Explosion getötet worden war. Die Maskierten kannten offenbar jeden Stein in dieser Gegend, es war sinnlos, sie zu verfolgen. Ihr Opfer kauerte zusammengesunken an der Backsteinmauer. Sein hellblaues Seidenhemd war blutverschmiert, bei der Flucht hatte der Mann einen Schuh verloren. Mühsam hob er den Kopf, starrte uns aus verschwollenen Augen an, und wir stellten fest, dass er nicht älter als zweiundzwanzig sein konnte.

»FBI«, sagte ich. Dabei beobachtete ich die Veränderung in dem zerschlagenen Gesicht. Lippen, die sich hart aufeinanderpressten, ein Ausdruck von Wut und Abwehr. Ich wusste, dass ich keine Antwort bekommen würde, noch bevor ich meine Frage stellte. »Wer waren die Kerle?«

Der Junge spuckte einen Zahn aus. Trotz seines miserablen Zustands tat er es so, dass es unverschämt wirkte, als spuckte er uns vor die Füße.

»Weiß ich nicht«, sagte er undeutlich.

»Und was wollten sie von Ihnen?«

»Weiß ich nicht. Kann ich vielleicht erst mal Ihren Ausweis sehen, bevor Sie mir ein Loch in den Bauch fragen, Mister?«

Ich hielt ihm die Identity Card unter die Nase. Der Junge schob sich mühsam an der Mauer nach oben, und angesichts seines rüden Tons fand ich keinen Grund, ihm zu helfen. Er sah nicht so aus, als hätte ihn der Überfall sonderlich geschockt.

»Sie wollen keine Anzeige erstatten?«, vergewisserte ich mich.

»Nee! Was soll's auch? Ich kenne die Kerle nicht, und ich weiß nicht, was sie von mir wollten, wie ich schon sagte.«

»Zeigen Sie mir Ihre Papiere«, forderte ich.

Seine Lippen zuckten wütend. Immerhin schien er gewisse Erfahrung mit der Polizei zu haben, denn er wusste, dass wir berechtigt waren, seine Personalien zu überprüfen. Aus der Gesäßtasche seiner teuren, jetzt ruinierten Wildlederhose zog er eine Cellophanhülle mit Führerschein.

Er hieß Bill Henks und war zweiundzwanzig Jahre alt. Der Führerschein berechtigte ihn, Lastwagen aller Gewichtsklassen zu fahren, aber seine schlanken manikürten Finger sahen nicht so aus, als hätte er in den letzten Jahren schwere körperliche Arbeit geleistet. Ein abfälliges Grinsen spielte um seine Lippen, als er den Führerschein wieder einsteckte.

»Kann ich jetzt gehen?«, fragte er.

Er konnte.

Wir fuhren weiter, stoppten auf dem Parkplatz des Reviers, und wenig später saßen wir einem hünenhaften, bärbeißigen Captain namens Roy Stone in seinem Dienstzimmer gegenüber.

Er wusste schon von dem Sprengstoffanschlag. Sein Kiefer mahlte, und die kräftigen Pranken lagen nebeneinander auf dem Schreibtisch, zu Fäusten geballt.

»Irgendetwas geht vor«, knurrte er. »Ich weiß nicht, was es ist, aber ich weiß verdammt genau, dass es sich zusammenbraut wie ein Gewitter.« Er zögerte, hob die breiten Schultern und ließ sie wieder sinken. »Es hat mit den Neuwahlen für den Vorstand der Transportarbeitergewerkschaft zu tun, denke ich. Der Verein hat sich hier in Brooklyn ziemlich breitgemacht. Jeder, der einen Lastwagen durch die Gegend schaukelt, ist Mitglied, doch es heißt, dass nicht alle freiwillig ihre Beiträge bezahlen. Sie kennen das, ja? Konkurrenzkämpfe, mehr oder weniger offener Druck auf die Leute, ein paar Drohungen – nichts, das sich beweisen ließe.«

»Eine verbrecherische Gewerkschaft?«, fragte ich gedehnt.

»Was heißt schon verbrecherisch?« Captain Stone verzog den Mund. »Sie wissen so gut wie ich, dass sich bei uns in den Staaten alle möglichen obskuren Gruppen ›Gewerkschaft‹ nennen dürfen. Selbst die Organisationen, die den Namen wirklich verdienen, müssen ständig aufpassen, damit sie nicht von der Mafia oder ähnlichen Zeitgenossen unterwandert werden. Wo will man die Grenze ziehen zwischen legaler Werbung und Nötigung? Wo fängt die berechtigte Abwehr gegen Einflüsse von außen an, zu verdächtiger Geheimnistuerei zu werden?« Stone atmete tief durch und ließ die flache Hand auf den Schreibtisch fallen. »Ich kann Ihnen auch nicht helfen, Gentlemen. Was sich hier abspielt, ist ein Kampf im Dunkeln. Offiziell ist es sogar nichts anderes als ein Wahlkampf. Man kann nur vermuten, dass es um mehr geht als um die Neuverteilung von Posten, denn uns gegenüber macht niemand den Mund auf.«

»Aus Angst?«, fragte ich.

»Vielleicht aus Angst, vielleicht aus Solidarität, ich weiß es nicht. Wenn Sie in diesem Dschungel ermitteln müssen, kann ich Ihnen jedenfalls nur gratulieren.«

Ich lehnte mich zurück. Neben mir rieb sich Phil mit dem Handrücken über das Kinn. Schöne Aussichten, schien sein Gesichtsausdruck zu sagen.

»Kennen Sie einen gewissen Bill Henks, Captain?«, wollte er wissen.

»Billy Henks? Ja, sicher. Bannisters Chauffeur. Was ist mit ihm?«

»Ein paar Jungs in gelben Overalls versuchten, ihn zusammenzuschlagen. Oder zu lynchen, was weiß ich? Wir vermuten, dass es sich bei den Angreifern um Freunde des ermordeten Mechanikers handelte. – Und wer ist Bannister?«

»Der Boss«, sagte Captain Stone trocken. »Richard Bannister, erster Vorsitzender der Transportarbeitergewerkschaft South Brooklyn.«

Es war das erste Mal, dass wir den Namen hörten. Und noch konnten wir nicht ahnen, wie viel er uns zu schaffen machen würde ...

2

Mike Kormac blieb stehen und kniff erschrocken die Augen zusammen.

Sein Blick tastete über das offene Tor in dem Holzzaun, die Polizeiuniformen, die Neugierigen, die zu einer kleinen Gruppe geschrumpft waren. Kormacs Magen verkrampfte sich, seine überreizten Nerven waren nur zu empfänglich für die gedrückte Stimmung. Suchend sah er sich um, dann ging er zu einem mageren rothaarigen Jungen hinüber, der an einem Baum lehnte und nervös an einer Zigarette zog.

»Hi, Timmy.«

Der Rotschopf fuhr herum. Er hieß Timothy Malone, ging noch zur Schule, und Pat Malone, sein älterer Bruder, war Mike Kormacs bester Freund.

»Hi, Mike! Hast du's schon gehört?«

»Nein. Was denn?«

»Der alte Abel! Sie haben einen seiner Wagen mit 'ner Bombe garniert. Derry Miles ist tot.«

Mike Kormac war zumute, als hätte man ihn unversehens in Eiswasser getaucht. »Tot?«, wiederholte er tonlos.

Timmy nickte. »Zufall, dass er es war, der die Kiste repariert hat! Der FBI war hier, aber sie haben nichts rausgekriegt, glaube ich. Und ein paar von Derrys Freunden wollten Billy Henks massakrieren. Mike, verstehst du das? Glaubst du, dass ... dass Henks was mit der Sache zu tun hat?«

Timmy war zu jung, um in diese Dinge hineingezogen zu werden. Mike Kormac zuckte mit den Schultern.

»Keine Ahnung«, log er. »Weißt du, wo Pat steckt?«

»Noch unterwegs. Er hat 'ne Fuhre nach Connecticut.«