Jerry Cotton Sonder-Edition 158 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 158 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Ein teuflisches Grinsen verzerrte Aikmans Gesichtszüge. Mit einer blitzschnellen Handbewegung löste er die Kette des Jaguars. Dann schlug er das Tor von außen zu. Mir gefror das Blut in den Adern. Das heisere Grollen der Raubkatze verstummte. Irgendwo im Halbdunkel setzte sie zum Angriff an. Aus Washington hatten Phil und ich den Auftrag erhalten, den Ring der brutalen illegalen Tierhändler zu zerschlagen. Nun saß ich in der Falle. Ich war Freiwild für die Raubtiergang. Ein Schatten schnellte heran. Die mächtigen Fänge schlugen nach mir!


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Seitenzahl: 182

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Die Raubkatzen

Vorschau

Impressum

Die Raubkatzen

Ein teuflisches Grinsen verzerrte Aikmans Gesichtszüge. Mit einer blitzschnellen Handbewegung löste er die Kette des Jaguars. Dann schlug er das Tor von außen zu. Mir gefror das Blut in den Adern. Das heisere Grollen der Raubkatze verstummte. Irgendwo im Halbdunkel setzte sie zum Angriff an. Aus Washington hatten Phil und ich den Auftrag erhalten, den Ring der brutalen illegalen Tierhändler zu zerschlagen. Nun saß ich in der Falle. Ich war Freiwild für die Raubtiergang. Ein Schatten schnellte heran. Die mächtigen Fänge schlugen nach mir!

1

Seit Tagen hatte ich diesen Raubtiergestank in der Nase. Er durchdrang alles, im Wachen wie im Schlafen. Mir war, als würde ich ihn nie wieder loswerden.

Er verfolgte uns auch, als wir verstohlen aus dem Camp davonschlenderten. Nell McWhorter, die Tochter meines Arbeitgebers, begleitete mich in der Stunde zwischen Tag und Abend an das Ufer des Delaware River.

In der kleinen Bucht waren die graugrünen Fluten spiegelglatt. Es hatte sich kaum abgekühlt. Die drückende Hitze schien sich in den Flusstälern festgesogen zu haben. Nur unmittelbar am Wasser war es angenehm, erträglich, erfrischend.

Mein Arm lag um Nells Hüfte. Seidig schimmerten ihre schulterlangen blonden Haare im späten Tageslicht. Nell war groß und schlank. Sie trug Jeans und T-Shirt. Sie war mir alles andere als gleichgültig.

Dieser Raubtiergestank drang bis ans Flussufer.

Die anderen Männer im Camp bekamen Stielaugen, wenn Nell an ihnen vorbeiging.

»Sie betrachten mich als Freiwild«, hatte sie mir gesagt.

Nell war siebenundzwanzig Jahre alt. Sie hatte eine Ehe hinter sich, die acht Jahre lang gut gegangen war. Aber auf so unerträglich langweilige Art, dass es für ein neuntes Jahr nicht mehr gereicht hatte. Seit der Scheidung waren sechs Monate vergangen. Genauso lange zog Nell mit ihrem Vater Joseph McWhorter durch die Gegend.

Und mit den Raubkatzen.

Nell hasste den Job ihres Vaters. »Aber er hängt an ihm«, verriet sie bedrückt. »Deshalb bleibe ich bei ihm. Ich habe ja sonst niemanden. Und er auch nicht.«

»Muss nicht so einfach sein«, sagte ich, »mit einer Sache zu leben, die man hasst.«

»Ach, Jeff ... Vielleicht gehe ich doch eines Tages auf und davon. Man tut vieles für einen Menschen, den man liebt.«

Sie schmiegte sich an mich. An Jeff.

Ich war Jefferson Coe. Ein Nichts. Ein Tramp. Der zufällig ein bisschen Ahnung vom Fach ihres Vaters hatte.

Als ich den Job übernommen hatte, hatte ich mit allem gerechnet. Nur nicht damit, dass mir eine Frau wie Nell über den Weg laufen würde. Sie hatte sich sofort zu mir hingezogen gefühlt. Sie hielt mich für ehrlich. Sie vertraute mir völlig.

Und das machte mich manchmal beklommen. Denn ich musste ihr etwas vorspielen. Im dienstlichen Auftrag. Es fiel mir schwer.

Während ich mit Nell am Ufer entlanglief, dachte ich an übermorgen. Es war der Tag, an dem ich meine erste »Veranstaltung« miterleben würde.

Unvermittelt blieb Nell stehen. Sie sah mir in die Augen. »Ich möchte mehr über dich wissen, Jeff. Woher kommst du? Was hast du früher getrieben? Oder stört es dich, dass mich das interessiert?«

»Nein«, antwortete ich. Meine Stimme klang belegt.

Am liebsten hätte ich ihr die Wahrheit gesagt. Aber das ging nicht. Unmöglich! Ich musste sie weiter anlügen.

»Es stört mich nicht, Nell. Es ist nur ... ungewohnt für mich.«

Sie wollte etwas erwidern. Ich sah es an ihren Lippen.

Doch im nächsten Atemzug öffneten sich diese Lippen jäh.

Angst malte sich in Nells Züge. Ihr Blick ging an mir vorbei, auf etwas, das hinter mir war.

Ich wirbelte herum.

Er teilte die letzten Zweige des Buschwerks. Breit grinsend und lauernd kam er noch einen Schritt näher und blieb im hüfthohen Schilfgras stehen, das um seine muskulösen Beine spielte. Er trug kurze ausgefranste Jeans und das obligate weiße T-Shirt, dessen Dehnbarkeit über den Muskeln seines Oberkörpers die äußerste Grenze erreichte.

Barney Aikman. Ein Mann wie ein Bär.

Selbst im Gebüsch hatte er sich lautlos bewegt. Ich wusste, wie er das machte. Bei den Ledernacken war er als Dschungelkämpfer ausgebildet und eingesetzt worden. Abends am Lagerfeuer, nach zwei oder drei Dosen Bier, fing er regelmäßig an, wilde Storys aus seiner Armeezeit zu erzählen. Es war die einzige Gelegenheit, bei der man seine blassgrauen Augen leuchten sehen konnte.

Keine Frage, dass er Nell und mich verfolgt hatte.

Ich sagte nichts, spürte, wie sie meine Hand ergriff und fest umklammerte.

»Ho!«, rief Aikman dröhnend. »Was für ein feines Pärchen haben wir da! Und so ganz allein!« Herausfordernd stemmte er die mächtigen Fäuste in die Hüften, wiegte den Oberkörper vor und zurück. »Kommt her, Jungs! Das müsst ihr gesehen haben, wie unser Neuer der lieben Nell den Kopf verdreht hat!«

Tief in meiner Magengrube begann der Zorn aufzusteigen.

Nell schien es zu ahnen.

»Fordere ihn nicht heraus«, flüsterte sie so leise, dass nur ich es hören konnte. »Er legt es darauf an, dich lächerlich zu machen. Gib ihm keine Gelegenheit dazu.«

Ich erwiderte nichts.

Aus dem Gebüsch weiter oben am Hang brachen sie jetzt hervor. Sie brauchten sich keine Mühe zu geben, so lautlos vorzugehen wie Aikman.

Rod Culley und David Jennewein. Sie trugen die gleiche Kleidung wie Aikman – fast eine Uniform, fast eine Lebensauffassung für den durchschnittlichen Amerikaner. Culley war sechs Fuß groß, hager, schwarzhaarig. Ein Bursche, dem man die Zähigkeit ansah. Jennewein war nur einen halben Kopf kleiner, mittelblond, aber breiter und schwammiger, mit unübersehbarem Bauchansatz.

Der Hund, den Jennewein an einer vernickelten Kette mit Lederhandgriff führte, bewegte sich mit raubtierhafter Elastizität auf Pfoten, die die Größe von menschlichen Fäusten hatten. Das Tier gehörte einer Rasse an, die in keinen offiziellen Züchterkatalogen verzeichnet war. Eine Mischung aus Boxer und Dogge, konnte man vermuten. Breiter, massiger Schädel mit kurzen Ohren und gedrungener Schnauze. Gesicht und Körper des Tiers waren von Narben entstellt.

Das vierbeinige Kraftpaket hörte auf den Namen »Hungry Tiger« und war Barney Aikmans Eigentum.

Drei Schritte seitlich von Aikman blieben Culley und Jennewein mit dem hungrigen Tiger stehen. Der Hund starrte mich aus kleinen rötlichen Augen an, aber kein Knurrlaut drang aus seiner Kehle.

Aikman betrachtete seinen vierbeinigen Liebling mit kurzem besitzerstolzem Seitenblick und wandte sich dann wieder mir zu.

»Ich denke, du hattest sowieso vor, nach Hause zu gehen, Coe. Wenn ich Nell so ansehe, glaube ich, dass du ihr langsam auf den Zeiger gehst.«

Nell schwieg.

»Woher willst du das wissen, Barney?«, entgegnete ich ruhig. »Hat sich Nell bei dir über mich beschwert?«

»Jeff, bist du wahnsinnig?«, flüsterte Nell neben mir.

Aikmans grobporiges Gesicht verzerrte sich. In seinen blassgrauen Augen wurde ein tückisches Glimmen erkennbar. Und im nächsten Moment platzte es ihm heraus.

»Willst du mich auf den Arm nehmen?«, brüllte er, und die Adern an seinem Hals schwollen zu Strängen.

Hungry Tigers Haltung straffte sich. Ein Ruck ging durch den mächtigen Körper des Hundes, als er den Schädel vorreckte.

»Du kannst es halten, wie du willst, Barney Aikman«, sagte ich laut und vernehmlich, »ich denke jedenfalls nicht daran, vor dir ins Mauseloch zu kriechen.«

Ich spielte meine Rolle als Jefferson Coe. Nur so hatte ich mich in diese Kreise einschleichen können. Coe war nicht der Typ, der einer sinnlosen Auseinandersetzung aus dem Weg ging.

»Jeff, bitte«, hauchte Nell. »Sei doch vernünftig!«

Aikman ballte die Hände zu Fäusten.

»Du wirst dir dein Mauseloch noch wünschen«, verkündete er in vorzeitigem Triumph, »du wirst dir nichts mehr wünschen als ein gottverdammtes Mauseloch, in das du dich winselnd verkriechen kannst!«

Culley und Jennewein lachten rau. Culley zündete Zigaretten an und gab seinem Kumpel eine, während der darauf achtete, die Hundekette mit festem Griff zu halten.

»Nell, bitte geh zurück ins Camp«, bat ich leise, »tu mir den Gefallen.«

»Du bist ein verrückter Kerl«, entgegnete sie, »aber vielleicht hast du recht.« Sie ließ meine Hand los und wollte sich in Bewegung setzen.

»He!«, brüllte Aikman. »Wer hat gesagt, dass du verschwinden sollst, Nell?«

Ihr Kopf flog herum, ihre Augen funkelten zornig. »Du hast mir nichts zu befehlen, Barney. Außerdem interessiert mich das Schauspiel nicht, das du hier vorführen willst.«

Ohne seine Erwiderung abzuwarten, machte sie kehrt und lief auf dem Trampelpfad davon. Ich hörte ihre Schritte, die sich entfernten. Nun war ich allein mit einem wutschnaubenden Barney Aikman, zwei gelassen rauchenden Zuschauern und einem hungrigen Tiger, der witterte, dass sein Herr Schwierigkeiten hatte. Was das Kraftpaket nicht wittern konnte, war die Tatsache, dass Aikman selbst diese Schwierigkeiten inszenierte.

»Nun, Barney?«, erkundigte ich mich. »Stört es dich noch immer, dass ich hier rumlaufe?«

Culley und Jennewein lachten von Neuem.

Es war das Startsignal für Aikman.

Als er den Kopf senkte und losstürmte, erinnerte er mich an einen angreifenden mexikanischen Kampfstier. Aber es war nicht die Zeit, Vergleiche anzustellen, die zum Schmunzeln reizten. Denn es wurde ernst. Höllisch ernst. Aus den Augenwinkeln heraus sah ich noch, dass Jennewein mit beiden Händen zupacken musste, um den Hund halten zu können. Das Tier stemmte die kraftvollen Läufe gegen den Boden. Reißzähne blitzten drohend. Das Knurren hörte ich nicht, denn Aikmans Wutschnauben übertönte alles.

Seinem ersten Ansturm wich ich mit einem beinah lässigen Sidestep aus.

Ungebremst, vom eigenen Schwung ins Leere getrieben, fegte Aikman an mir vorbei. Seine Fäuste schlugen Luftlöcher, und er schaffte es gerade noch, seinen Vorwärtsdrall vor dem Uferschilf abzustoppen.

Wieder lachten Culley und Jennewein.

Aikmans Gesicht war dunkelrot, als er herumwirbelte und sich zum neuen Angriff sammelte. Er, der Dschungelkämpfer, der von sich behauptete, mandeläugige kleine Menschen mit bloßen Fäusten erschlagen zu haben.

Ich grinste, ließ ihn seelenruhig kommen.

Jefferson Coe war Fallschirmjäger gewesen. Also einer, der ebenfalls hinlangen konnte, wenn es sein musste. Auch das gehörte zu meiner Legende. In Aikmans, Culleys und Jenneweins Gesellschaft musste man ein Raubein sein, wenn man Fuß fassen wollte. Jefferson Coe erfüllte diese Voraussetzungen. Nach der Entlassung von der Army hatte er sich herumgetrieben, keinen anständigen Job gefunden, in Imbissbuden, Bierhallen und Coffeeshops gearbeitet und zuletzt als Schaustellergehilfe auf Rummelplätzen in allen Teilen der Staaten.

Ich brauchte mich nicht zurückzuhalten, konnte alles aus der Trickkiste zaubern, was ich zu bieten hatte. Aikman würde keinen Verdacht schöpfen. Bei seinen bierseligen Erzählstunden hatte ich oft genug Storys aus meiner eigenen rauen Vergangenheit zum Besten gegeben.

Er versuchte jetzt, seinen Fehler vom ersten ungestümen Überfall wettzumachen. Ich sah, dass er meine Reaktion prüfen wollte. Und deshalb reagierte ich genauso, wie er es am wenigsten berechnet hatte.

Ich wartete seinen Angriff nicht ab. Ich stürmte selbst los.

Geradewegs auf ihn zu.

Ihm blieb kaum Zeit, verblüfft zu blinzeln. Seinen eigenen Vormarsch konnte er nicht mehr stoppen.

Im Abstand von Zehntelsekunden schmetterte ich ihm beide Fäuste aufs Zwerchfell. Mein Körpergewicht saß voll dahinter.

Ich steckte dafür eine Gerade ein, die meine rechte Schulter traf. Die Wucht des Hiebs ließ mich taumeln. Mit Mühe bewahrte ich das Gleichgewicht. Dann setzte ich dem Schläger nach.

Aikman war noch damit beschäftigt, meine Treffer zu verdauen. Sein Gesicht hatte sich graugrün gefärbt. Krampfhaft rang er nach Atem. Er torkelte einige Schritte zurück. Dabei ruderte er mit den Armen. Doch er fand keinen Halt. Er war unsicher auf den Beinen.

Mit zwei Sätzen überbrückte ich die Distanz. Schon war ich wieder am Mann. Es wurde Zeit für das entscheidende Trommelfeuer.

Zwei harte Gerade rüttelten ihn durch. Er hob deckungssuchend die Arme. Aber er ließ das Kinn frei. Ein verlockendes Ziel. Gar nicht zu verfehlen. Ich schlug einen Aufwärtshaken. Er traf die Kinnspitze.

Aikmans Kopf wurde in den Nacken geschleudert. Verzweifelt suchte er das Gleichgewicht. Sekundenlang wusste er nicht, wo Norden war. Vorbei war es mit der überlegenen Angreiferrolle, die er hatte spielen wollen.

Doch er blieb senkrecht. Sein Blick suchte mich. Seine Augen funkelten wütend. Ich tänzelte. Er bekam mich nicht zu fassen. Plötzlich ließ ich die Handkante herabsausen. Ich traf ihn in der Gegend des Schlüsselbeins.

Aikman brüllte vor Schmerz auf. Mehr denn je erinnerte er mich an einen mexikanischen Kampfstier. Sein linker Arm hing schlaff herab. Er wich zurück. Instinktiv versuchte er, dem drohenden Unheil zu entgehen.

Ich war schneller.

Mit einem zweiten blitzartigen Handkantenhieb legte ich auch seinen rechten Arm lahm.

Sein Brüllen schwoll an.

Auf den dünnen Sohlen meiner leichten Segeltuchschuhe wich ich tänzelnd zurück. Mit Fintierbewegungen steigerte ich seine Verwirrung.

Da mischte sich heiseres Gebell in Aikmans Brüllen.

Ich drehte mich um. Culley und Jennewein – sie sahen nicht mehr freundlich und heiter aus. Der hungrige Tiger bäumte sich auf. Die Kette, die ihn hielt, war zum Zerreißen straff gespannt.

»Nichts geht mehr!«, rief ich und schnellte mit einem Satz auf meinen fassungslosen Gegner zu.

Ich handelte, wie es die Zuschauer von einem Typ wie Jefferson Coe erwarten mussten. Fairness? Nein. Sie passte nicht zu Coes Charakter.

Es sah jedoch schlimmer aus, als es wirklich war. Tatsächlich fügte ich Aikman keine nennenswerten Schmerzen zu.

Er heulte schon auf, als er mich nur kommen sah, und bekam die Arme nicht mehr hoch. Schutzlos würde er meine Schläge einstecken müssen. Das machte ihm zu schaffen.

Verzweifelt versuchte er, mit dem rechten Fuß nach mir zu treten. Wenn er traf, würde es gefährlich werden.

Aber ich wich behände aus. Dann schoss ich den dritten Handkantenhieb ab. Und der gab ihm den Rest.

Er verstummte. Keinen Mucks gab er mehr von sich. Nicht mal einen schwachen Seufzer. Lautlos sackte er in sich zusammen und kippte dann der Länge nach in das Schilfgras.

Ich drehte mich auf den Absätzen um.

Der Hund bellte in ohnmächtiger Wut. Weiß leuchteten seine gebleckten Reißzähne. Immer wieder stieg er auf den Hinterläufen in die Höhe und versuchte mit aller Kraft, sich von der Kette zu befreien.

Culley und Jennewein wirkten ziemlich ratlos. Mit einem solchen Ausgang der Show hatten sie nicht gerechnet.

»Verdammt«, schrie Jennewein plötzlich, »ich kann ihn nicht mehr halten!«

Ich ahnte, dass er Theater spielte. Er wollte sich günstig aus der Affäre ziehen. Er wollte es sich mit keinem verderben. Er war nicht scharf darauf, sich später von Aikman Vorwürfe machen zu lassen. Und mir gegenüber konnte er immer behaupten, dass der Hund sich gewaltsam losgerissen hätte.

Die Show war also noch nicht zu Ende.

Mir stockte der Atem.

Die vernickelte Kette flog plötzlich empor. Ich sah einen flirrenden Lichtreflex.

Jennewein stieß einen Schrei aus. Er spielte den Überraschten.

Culley versuchte, nach dem davonsausenden Ledergriff der Kette zu fassen. Vergeblich natürlich. Alles Theater.

Wie von einem Katapult abgefeuert, schoss das Tier auf mich zu. Sein Gebell war verstummt. Es schien nur noch aus blitzenden Reißzähnen und kraftvollen Muskeln unter dem kurzhaarigen Fell zu bestehen.

Ich ging in die Knie. Die Lage wurde kritisch. Ich wusste, dass ich kaum eine Chance gegen die Bestie hatte. Das Tier war darauf abgerichtet zu kämpfen und zu töten. Mit meiner leichten Kleidung – langen Jeans und luftigem Oberhemd – bot ich jede Menge Angriffsfläche.

Es war wie ein Schatten, der auf mich zuflog. Ein Schatten von schätzungsweise einem Zentner Lebendgewicht.

Mit seinem Sprung überbrückte der Hund mindestens drei Yards.

Er versuchte, meinen angewinkelten rechten Oberarm zu packen.

Ich warf mich nach links.

Die Reißzähne schnappten ins Leere. Es gab ein klackendes Geräusch, als der Fang des Kampfhundes zuschlug.

Sein haariger Körper schrammte über meinen Oberarm. Eine der Hinterpfoten traf mich in der Hüftgegend. Sie fetzte mir das Hemd auf.

Ich rappelte mich blitzschnell auf, wirbelte herum und erwartete den nächsten Angriff.

Die Bestie flog noch zwei Yards weiter und überschlug sich, als sie dicht bei ihrem bewusstlosen Eigentümer auf den Boden prallte.

Aber sofort war Hungry Tiger wieder auf den stämmigen vier Beinen, fegte von Neuem los und setzte abermals zum Sprung an.

Mir wurde klar, dass ich nur dann eine Chance hatte, wenn ich alles auf eine Karte setzte. Andernfalls würde sich dieses teuflische Spiel endlos fortsetzen. Und ich zweifelte nicht daran, dass meine Reflexe irgendwann langsamer werden würden. Denn das Tier war zweifellos jedem Menschen an Ausdauer überlegen.

Aikman behauptete, dass sein Hund selbst Geparden und Pumas zur Räson brachte. Ich hielt es nicht für übertrieben.

Ich ließ ihn kommen. Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Eine Zehntelsekunde würde alles entscheiden.

Wieder flog der Schatten mit den blitzenden Reißzähnen auf mich zu.

Wieder stand ich mit angewinkeltem rechtem Arm da, bot ihm den Angriffspunkt, auf den sein Instinkt ihn lenkte.

Der mächtige Fang schnellte mir entgegen.

Blitzartig duckte ich mich.

Zog den Kopf ein.

Die Wucht, mit der der Körper des Hundes gegen meinen Nacken prallte, warf mich fast um. Bedrohlich nah bei meinem rechten Ohr hörte ich das Zuschnappen der Reißzähne. Aber sie schnappten ins Leere.

Ich setzte dem Anprall meine ganze Kraft entgegen, schleuderte den Hund zurück.

Sekundenlang zuckten seine Läufe in der Luft empor.

Ohne auch nur einen Atemzug lang zu zögern, sprang ich ihm nach.

Ich hatte das Gefühl, dass der Boden erzitterte, als die Bestie auf den Rücken schlug.

Und ich schaffte es.

In jenem winzigen Moment, als Hungry Tiger mit wenig majestätischen Zappelbewegungen auf die Beine zu kommen suchte, war ich bei ihm.

Meine beiden Fäuste stießen an seinem geifernden Fang vorbei, schnell genug, rechtzeitig genug.

Ich erwischte seine Kehle, umklammerte sie, drückte ihn zu Boden.

Noch sekundenlang versuchte er, mich mit seinen Läufen wegzustoßen. Aber dann spürte er, dass er meiner Kraft in dieser Lage nicht gewachsen war. Er begann zu röcheln. Seine Bewegungen erlahmten. Ich ließ nicht locker. Erbarmungslos drückte ich weiter zu.

Hungry Tiger streckte sich, reckte den Hals und bot mir die ungeschützte Unterseite seines Fangs dar.

Aus den Augenwinkeln heraus sah ich Culley und Jennewein näher kommen.

»Du hast ihn besiegt, Jeff«, sagte Culley, »er zeigt dir, dass er sich geschlagen gibt. Von jetzt ab wird er dich als den Stärkeren akzeptieren. Also lass ihn los.«

Ich musste es tun, weil ich mich von Anfang an als Fachmann ausgegeben hatte. Ich wollte Culley und Jennewein keinen Ansatzpunkt bieten, Verdacht zu schöpfen, indem ich jetzt zögerte.

Dennoch war mir unbehaglich zumute, als ich meinen Griff von der Kehle des Hundes löste und mich aufrichtete.

Culley behielt recht.

Hungry Tiger drehte sich auf die Seite, sprang auf und schüttelte sich. Dann schlich er mit eingezogenem Schwanz zu seinem Herrn, der gerade die ersten Lebenszeichen von sich gab.

Jennewein bückte sich und packte die Lederschlaufe der vernickelten Kette, die der Hund hinter sich herzog.

»Tut mir leid, Jeff. Es war wirklich keine Absicht.«

Ich winkte ab, stopfte mein zerfetztes Hemd unter den Hosenbund und fischte die zerknautschte Zigarettenpackung aus der Tasche. Meine Finger vibrierten leicht, als ich mir einen Glimmstängel zwischen die Lippen schob und anzündete.

»Vergiss es«, knurrte ich.

Aikman stöhnte schmerzerfüllt, als sein Bewusstsein zurückkehrte. Rod Culley half ihm auf. Schwankend stand Aikman da, starrte mich aus blutunterlaufenen, hasserfüllten Augen an. Als er Hungry Tiger leise weinend um seine Beine streichen sah, begriff er, was geschehen war.

Aber Aikman kam nicht mehr dazu, eine Hasstirade auf mich loszulassen.

Oben am Hang tauchten die anderen auf, ließen das Buschwerk hinter sich und kamen mit langen Schritten herbeigelaufen.

Seaborn, Truesdail, Erdman und McWhorter. Männer, die von ihrer Härte überzeugt waren. Die sich den Teufel darum scherten, dass ihr Job illegal war. Ich nahm an, dass sie es als einen Sport betrachteten, Polizei und Behörden an der Nase herumzuführen. Ein abstoßender Sport in meinen Augen, und der Profit stand für sie alle an erster Stelle.

Sie umringten Aikman, erfassten seinen Zustand, sahen das Verhalten des Hundes und wussten Bescheid. Blicke trafen mich. Anerkennende Blicke. Ich war der Neue für sie. Und ich hatte jetzt zum ersten Mal richtig gezeigt, was ich konnte. Wenn auch unfreiwillig.

Joseph McWhorter, mein Boss, der mich am Rand eines Rummelplatzes in Philadelphia aufgelesen hatte, trat auf mich zu und klopfte mir auf die Schulter.

»Hab gewusst, dass du dich nicht unterbuttern lässt«, brummte er grinsend. »Hab einen Blick dafür, wie ein ganzer Kerl aussieht.«

Ich grinste zurück.

Joseph McWhorter sah selbst so aus, wie man sich einen ganzen Kerl vorstellt. Seine fünfzig Lebensjahre konnte man ihm jedenfalls nicht anmerken. Bullig und untersetzt, erinnerte er ein wenig an John Wayne, wie man ihn von der Leinwand kennt.

McWhorter wandte sich den anderen zu. »Verdammt noch mal, was steht ihr da rum! Hier gibt's nichts mehr zu sehen. Jeff Coe ist ein Bursche, der seine Probleme selbst lösen kann, oder? Sagt's mir, wenn ich falsch liege.«

Keine Widerworte. Stattdessen Zustimmung in den Mienen der Männer. Nur nicht bei Barney Aikman.

Joseph McWhorter zeigte mit ausgestrecktem Arm auf ihn.

»Dir, Barney, sage ich nur eines: Ich hab's nicht gern, wenn man Leute anpöbelt, mit denen ich gut klarkomme. Merk dir das. Wenn dir irgendwas gegen den Strich geht, dann versuch's nächstes Mal nicht auf die krumme Tour. Könnte sein, dass ich mich sonst auch angesprochen fühle.«

Obwohl oder vielleicht gerade weil er runde fünfzehn Jahre älter war als die anderen im Durchschnitt, genoss Joseph McWhorter eine gehörige Portion Respekt. Barney Aikman schwieg betreten.

Aber ich las in seinen tückischen Augen, dass wir noch nicht miteinander fertig waren. Er war nicht der Typ, der eine Niederlage einfach einsteckte. Ich hatte ihn vor seinen Kumpels gedemütigt. Ich wusste, dass er schwer daran zu kauen hatte.

Gemeinsam mit Joseph McWhorter ging ich gemächlich zum Camp zurück. Culley, Truesdail, Seaborn und Erdman schlossen sich uns an. Jennewein blieb mit dem Hund bei Aikman.

Kurz bevor wir das Camp erreichten, kam Nell uns entgegen.

Ich sah ihre Erleichterung, als sie mich heil und aufrecht neben ihrem Vater erblickte.

2

An der Bordsteinkante der Huguenot Avenue rollte der dunkelblaue Dodge Challenger mit leise summendem Motor aus. Scheinwerfer und Rückleuchten erloschen. Im nächsten Moment erstarb auch die Maschine. Die Dunkelheit zwischen zwei Straßenlampen verschluckte die schwere Limousine fast vollständig. Nur auf den getönten Scheiben blinkten matte Reflexe, als die Türen auf beiden Seiten geöffnet wurden.

Keine Innenbeleuchtung flammte auf.

Die beiden Männer, die ausstiegen, drückten die Wagentüren geräuschlos ins Schloss und gingen mit zügigen Schritten auf dem breiten, von Bäumen gesäumten Bürgersteig entlang. Die Männer trugen dunkle Anzüge und dunkle Rollkragenpullover. Außer ihnen war keine Menschenseele in der Huguenot Avenue zu sehen. Ebenso wenig Fahrzeuge, die zu dieser späten Stunde noch unterwegs waren.

Zwanzig Minuten nach Mitternacht.