Jerry Cotton Sonder-Edition 163 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 163 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Das Syndikat streckte die gierigen Hände nach den Ölquellen der USA aus. Mit brutaler Gewalt wollten die Gangster wichtige Wirtschaftspositionen erobern. Plötzlich gingen Förderstellen, Pipelines und Bohrinseln in Flammen auf! Die Ingenieure schlugen Katastrophenalarm. Phil und ich bekamen den Auftrag, dem gemeingefährlichen Spiel ein Ende zu bereiten. Und so marschierte ich mitten ins Höllenfeuer ...


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Seitenzahl: 199

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Höllenfeuer

Vorschau

Impressum

Höllenfeuer

Das Syndikat streckte die gierigen Hände nach den Ölquellen der USA aus. Mit brutaler Gewalt wollten die Gangster wichtige Wirtschaftspositionen erobern. Plötzlich gingen Förderstellen, Pipelines und Bohrin‍seln in Flammen auf! Die Ingenieure schlugen Katastrophenalarm. Phil und ich bekamen den Auftrag, dem gemeingefährlichen Spiel ein Ende zu bereiten. Und so marschierte ich mitten ins Höllenfeuer ...

1

Ich erwachte jäh, setzte mich in der Koje auf und lauschte ins Dunkel. Etwas hatte mich aus dem Schlaf gerissen. Etwas, das nicht zur Routine auf der Bohrinsel Delta sieben passte. Jetzt, in der Nacht von Sonnabend auf Sonntag.

Ein paar Sekunden vergingen. Dann wusste ich, was mich geweckt hatte. Es war das anschwellende Schrillen der Hubschrauberturbine. Die kleine Landeplattform lag etwa dreißig Fuß über dem Wohntrakt des Inselaufbaus. Hier befand sich auch meine Kammer.

Meine Gedanken jagten sich. Weshalb wurde die Turbine auf Touren gefahren? Doch nur, um mit dem Helikopter zu starten. Aber genau da lag der Haken.

Erstens flogen die Hubschrauber nicht bei Nacht zum Festland. Zweitens ruhte an diesem Wochenende ausnahmsweise der Betrieb auf Delta sieben. Ferner konnte ich mir keinen Anlass für eine Aufhebung des Nachtflugverbots denken. Und außerdem hatte ich Walter Rooney vor ein paar Stunden noch mit einer Pulle Whisky im Arm in seine Kammer schlendern sehen. Das tat Walt, der einzige zurzeit auf der Insel befindliche Pilot, nur dann, wenn er wusste, dass für die nächsten zwölf Stunden bestimmt kein Flug bevorstand.

Also war etwas nicht in Ordnung.

Ich sprang aus dem Bett und zu dem Stuhl, auf dem meine Klamotten lagen. Die Kammer war nahezu stockdunkel. Ich hütete mich, Licht zu machen. Deshalb verschätzte ich mich um einen Schritt und stieß hart gegen den kleinen Tisch. Etwas zerklirrte auf dem harten Kunststoffboden. Ich wusste, es war die Glasschale mit der Nachspeise vom vergangenen Abend, einem appetitlich aussehenden Vanillepudding mit Früchten. Ich hatte ihn mit in die Kammer genommen, aber dann doch nicht mehr gegessen. Die reichliche Portion, vom Ersten Koch Gianni Rossi eigenhändig aufgetan, war mir zu viel gewesen.

Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht wissen, dass eben dieser nebensächlich erscheinende Umstand mir und einer Anzahl weiterer Männer das Leben retten und der United Petro die Bohrinsel erhalten sollte. Eine simple Schale mit Pudding, die jemand mehr oder weniger zufällig nicht zu sich genommen hatte.

So schnell ich es vermochte, fuhr ich in die Kleider. Ich, Special Agent Jerry Cotton, auf Delta sieben bekannt als der Dritte Koch Wilfred Webber. Zurzeit gehörte ich einem streng geheimen Sonderkommando des FBI an. Auf Delta sieben befand ich mich, um einer Bande höchst gefährlicher Saboteure auf die Schliche zu kommen. Meine Aufgabe war in erster Linie Aufklärung. Eventuell nötige Festnahmen sollte ich, wenn irgend möglich, nicht allein vornehmen. So jedenfalls lautete meine Order.

Gerade angelte ich nach dem linken Schuh, als ich durch das helle Singen der Turbine des Jetranger zweimal hintereinander ein dumpfes Knallen vernahm. Das waren unzweifelhaft Schüsse!

Oben musste also eine Teufelei im Gang sein. Ich holte meinen Revolver aus dem Versteck, sprang zur Tür und riss sie auf. Der Gang lag verlassen vor mir. Sonst traf man meist jemanden an, der zu seiner Unterkunft ging oder von dort kam. Im Moment fiel mir das jedoch nicht auf.

Ich spurtete den Flur entlang, erreichte den Ausgang und stand auf der obersten Galerie.

Vor mir und gute fünfundvierzig Fuß tiefer lag die ausgedehnte Arbeitsplattform. In ihrer Mitte erhob sich der Bohrturm. Heute war alles verlassen. An diesem Wochenende wurde nicht gearbeitet. Gestern war der sogenannte Antriebstisch der Bohreinrichtung schadhaft geworden. Die Reparatur sollte übermorgen beginnen. Über das Weekend hatte Steven Higgins jeden Mann, der es wollte, mit dem Versorgungsschiff auf Kurzurlaub zum hundert Meilen entfernten New Orleans geschickt. Etwa vierzig der insgesamt hundertsiebenunddreißig Leute waren zurückgeblieben. Sie schliefen jetzt hinter mir im Wohntrakt.

Ich wandte mich zur Treppe, die hinauf zur Landeplattform führte. Jeweils zwei der Eisenstufen auf einmal nehmend, eilte ich hinauf. Es war nicht nötig, leise zu sein. Das Schrillen der Gasturbine über mir übertönte das Geräusch meiner Schritte. Nun gewahrte ich gegen den Nachthimmel die Silhouetten zweier Männer. Sie rangen oben an der Treppe miteinander. Eben machte sich der eine vom anderen frei und trat einen Schritt zurück. Ich glaubte zu meinem Erstaunen in ihm die untersetzte Gestalt von Rossi zu erkennen. Dann blitzte es in seiner Hand auf.

Der andere sackte zusammen, stürzte die Treppe hinab und kollerte mir direkt gegen die Beine. Ich stoppte seinen Sturz und beugte mich zu ihm hinunter. Im schwachen Schein der paar Leuchten, die zurzeit unten auf der Arbeitsplattform brannten, erkannte ich Walter Rooney.

»Verdammt, Walt, was ist los?«, schrie ich ihm in die Ohren. Ich musste fast brüllen. Oben hob eben der Jetranger ab und schwirrte in die Nacht hinein. Ich konnte die Maschine nur für ein paar Sekunden sehen, bevor sie verschwand. Sie flog ohne Positionslichter davon.

»Die müssen verrückt geworden sein«, brachte Rooney mühsam hervor. Ersichtlich war er schwer getroffen. »Sie haben mir ein Ding verpasst, Mann. Mir ist ganz schummerig. Hilf mir, Wil! Mir wird schlecht.«

»Klar, bleib ganz ruhig. Ich bring dich runter.«

Ich hob den schweren Körper hoch und stieg vorsichtig die Treppe hinunter. Die Stufen waren etwas glitschig, und ich wollte nicht ausgleiten. Rooney lag reglos in meinen Armen. Ich fühlte etwas Warmes, Klebriges an den Händen. Der schwer verletzte Pilot blutete stark.

Es dauerte zwei oder drei Minuten, bis ich mit meiner Last vor der Tür des Sanitätsraums stand. Ich drückte mit dem Ellenbogen auf die Klinke. Die Tür gab nicht nach.

»Warte, ich hole Doc Toole.« Behutsam ließ ich den Verwundeten zu Boden gleiten.

»Okay, aber mach schnell«, gab er leise zurück. »Es war Rossi, das Schwein. Was die bloß mit meiner Kiste wollen?«

Genau das fragte ich mich auch, während ich den Gang entlangspurtete. Vor Kammer 43 stoppte ich. Dort wohnte Doktor Bob Toole, unser Arzt. Wenn jemand dem schwer Angeschossenen noch zu helfen vermochte, dann war er es.

Ich fand die Lichttaste. Es wurde hell in der Kammer. Der Arzt lag in seiner Koje. Mit einem Sprung stand ich bei ihm und rüttelte ihn an der Schulter.

»Doc, aufstehen! Wir haben einen Schwerverletzten«, sagte ich laut.

Der Arzt wachte nicht auf. Er reagierte überhaupt nicht.

»Schnell, Doktor, wir brauchen Sie!«

Ich drehte den Schlafenden auf den Rücken. Da lag er nun, völlig schlaff, mit geschlossenen Augen. Nur der schwer und langsam gehende Atem verriet, dass der Arzt überhaupt noch lebte.

Ein paar Sekunden starrte ich Toole verständnislos an. Dann kam mir wie ein Blitz die Erkenntnis.

Der Mann musste vergiftet oder betäubt worden sein.

Nur der Arzt allein?

Vorerst blieb mir keine Zeit für weitere Nachforschungen. Ich musste unbedingt zurück zu Walter Rooney. So wie er aussah, war er ohne ärztliche Hilfe verloren. Umso weniger durfte ich ihn in seinen möglicherweise letzten Minuten allein lassen.

Einige Sekunden später war ich wieder neben ihm. Er lebte noch. Doch es ging sichtlich mit ihm zu Ende. Die Blutlache um seinen Körper und die wächsernen Züge sprachen eine nur zu deutliche Sprache.

»Was ist? Kommt der Doc nicht?« Fast weiße Lippen formten die bange Frage. Ich las sie mehr ab, als dass ich die geflüsterten Worte vernahm.

»Verdammter Mist! Er muss vergiftet sein. Ich kriege ihn nicht wach.« Ich kniete bei dem Sterbenden nieder und nahm seine Hand, die er mir Hilfe suchend entgegenstreckte. »Sei ganz ruhig, alter Junge, ich bin ja da.«

»Dann geht es also jetzt rüber«, flüsterte Rooney. »Okay, irgendwann muss es ja doch sein. Aber du, Wil, du musst es der Polizei sagen. Hier ist 'ne große Schweinerei im Gange. Die müssen das rauskriegen, hörst du!«

Der etwa vierzigjährige blonde Mann blickte mich aus seinen nun tief liegenden Augen eindringlich an.

»Geht in Ordnung, Walt«, beruhigte ich ihn. »Ich bin selbst vom FBI. Sag mir alles, was passiert ist, ja?«

»Was, du, ein G-man? Ich werd verrückt. Ich dachte, du bist Rossis Küchenjunge.« Der Sterbende brachte so etwas wie ein Lächeln zustande. Er atmete keuchend. Blut trat über seine Lippen.

»Ich bin Special Agent Jerry Cotton«, sagte ich leise. Hier konnte ich mein Geheimnis lüften. Walt Rooney würde es keinem mehr erzählen können. »Was ist passiert?«, setzte ich drängend hinzu.

»Mir ... war ... schlecht«, flüsterte Rooney mühsam, mit langen Pausen zwischen den Worten. »Vielleicht der Pudding. Jedenfalls konnte ich nicht schlafen. Dann hab ich die Maschine laufen hören. Natürlich bin ich rauf, um nachzusehen. Rossi war da. Und noch zwei Kerle. In der Dunkelheit hab ich die anderen beiden nicht erkannt. Ich hab ihn gepackt.«

»Hat er geschossen?«

»Zuerst einer der anderen. Er hat mich allerdings verfehlt. Dann hab ich mit Rossi gekämpft.«

»Das habe ich gesehen«, sagte ich.

»Okay, dann hast du auch gesehen, wie er mir eine verpasst hat, Jerry.«

»Ich hab's gesehen.«

»Gut, fass ihn für mich! Ich kann's nicht mehr tun.«

»Das verspreche ich dir.« Ich erwiderte den schwachen Druck seiner Hand. »Hast du eine Ahnung, weshalb sie getürmt sind?«

Rooney schüttelte den Kopf.

»Keine Ahnung, Jerry.« Er versuchte sich aufzurichten und starrte mir mit letzter Energie angstvoll in die Augen. »Mir wird auf einmal so seltsam. Ich ...«

Er zuckte ein paarmal. Über sein Gesicht flog ein Ausdruck des Erstaunens. Dann wurde sein Körper schlaff, und der Kopf fiel zur Seite. Er hatte es überstanden.

2

Langsam stand ich auf. Der Mord an Rooney, die Flucht des Küchenchefs und die Betäubung des Arztes hingen zusammen. Doch wie und zu welchem Zweck?

Die drei Täter befanden sich auf der Flucht. Rooney war tot. Blieb Doktor Toole. Ihn aber konnte ich bis auf Weiteres nicht fragen.

Wieder fiel mir die Stille im Wohntrakt der Bohrinsel auf. Ein unheimlicher Gedanke beschlich mich. Es kam mir vor, als wäre ich der einzige Mensch auf Delta sieben.

Der einzige bei Besinnung befindliche Mensch, korrigierte ich mich selbst. Die Vorstellung mutete ungeheuerlich an. Falls das zutraf, handelte es sich bei den bisherigen Vorfällen lediglich um das Vorspiel.

Um das Vorspiel wozu?

Ich witterte förmlich eine ungeheure Gefahr. Vorläufig vermochte ich sie nicht zu greifen. Eines jedoch war mir klar. Es durfte keine Zeit verloren werden.

Zunächst musste ich versuchen, Hilfe zu bekommen. Ich eilte zur Kammer von Steven Higgins. Der Zweite Ingenieur war zurzeit Chef auf der Insel. Er musste als Erster informiert werden.

Auch Higgins lag in der Koje. Zu wecken vermochte ich ihn genauso wenig wie Doc Toole. Er lag in tiefer Betäubung. Ich war darüber kaum noch bestürzt. Mit einiger Wahrscheinlichkeit hatte ich es erwartet.

Obwohl ich nun das System der Sache bereits durchschaut hatte, machte ich so schnell wie möglich die Runde bei den übrigen Mitgliedern der Belegschaft. Überall der gleiche Befund. Alle vierunddreißig Mann lagen in ihren Kojen und waren nicht ansprechbar.

Nun beschlich mich die Angst. Dahinter musste eine wahrhaft höllische Absicht stecken. Denn niemals konnte der eigentliche Plan der Gangster darin bestehen, lediglich die Männer auf Delta sieben für einige Zeit handlungsunfähig zu machen.

Aber was konnte ihre Absicht sein?

Die Vernichtung der Bohrinsel, sagte mir mein Verstand. Die Erkenntnis kam mir wie eine sachliche Überlegung. Sekunden später folgte die Reaktion. Mir lief es eiskalt über den Rücken. Für den Moment wurden meine Knie weich. Schweiß tropfte mir von der Stirn.

Da stand ich, als Einziger handlungsfähig, auf einem Giganten von mehr als sechshunderttausend Tonnen Beton und Stahl. Fünfunddreißig Meilen von der Küste entfernt auf dem Schelf vor dem Bundesstaat Louisiana, östlich der Chandeleur-Inseln. Es war am neunten September, kurz vor ein Uhr früh.

Ich riss mich zusammen und machte mich eilig auf den Weg zur Funkstation. Als Erstes musste ich Sprechverbindung zu unserer Gegenstelle an Land, zur Coast Guard oder zu irgendeiner Station der Polizei herstellen. Ich musste den Vorfall schildern und Leute anfordern. Nicht zuletzt, um den Vergifteten ärztliche Hilfe zukommen zu lassen.

Während ich durch den ausgedehnten Wohnaufbau lief, wurden mir weitere Einzelheiten klar. Das Betäubungsmittel musste in dem Pudding gewesen sein. Offensichtlich hatte ich ihn als Einziger nicht gegessen. Sonst hätte auch ich jetzt in todähnlichem Tiefschlaf dagelegen. Rooney, der tote Pilot, hatte das Zeug nicht vertragen. Ihm war übel geworden. Deswegen hatte er auch das Turbinengeräusch seines Helikopters gehört, war hinaufgerannt, um nachzusehen, und dabei von den fliehenden Gangstern erschossen worden.

Ich hetzte über Treppen, durch lange Flure, um Ecken herum. Mein Körper bewegte sich fast automatisch. Im Geist rollte vor mir der heimtückische Plan der Gangster ab.

Gianni Rossi, der Chefkoch, musste ihr Anführer sein. Für ihn war es einfach, das Betäubungsmittel in den Pudding zu praktizieren. Jetzt fiel mir ein bezeichnender Vorfall ein. Als er gesehen hatte, dass ich meine Portion in die Kammer mitnehmen wollte, hatte er mich eindringlich aufgefordert, sie auch ja noch zu essen.

»Das Zeug schmeckt ganz prima, mein Junge«, sagte er. »Ich versteh mich auf Pudding. Vor ein paar Jahren war ich mal Patissier in 'nem feinen Hotel in Miami Beach. Du wirst staunen, wie gut er ist.«

Tatsächlich sah der zartgelbe Pudding mit den tiefroten Erdbeeren höchst einladend aus. Fast hätte ich ihn auch verzehrt. Abgehalten hatte mich letztlich die Tatsache, dass ich auf Grund meines seit zwei Wochen andauernden Küchendienstes schon einige Pfund zugenommen hatte.

Ich erreichte die Funkstation und riss die Tür auf. An der Decke brannten ein paar Lampen. Der diensthabende Funker saß vor seinen Geräten. Sein Kopf ruhte auf der Tischplatte. Als ich den Mann an der Schulter berührte, sank er vom Stuhl.

Er musste schon seit längerer Zeit betäubt gewesen sein. Anders ließen sich die schweren Zerstörungen an den meisten Apparaten nicht erklären. Die Gangster hatten ganze Arbeit geleistet. Sicherheitshalber war Delta sieben von ihnen stumm gemacht worden.

Ich stand da und überlegte fieberhaft. Auf jeden Fall musste ich davon ausgehen, dass die Bohrinsel vernichtet, zumindest stark beschädigt werden sollte. Drei Mann waren mit dem Helikopter geflohen. Was hatten sie vorher getan?

Ich zwang mich dazu, mich hinzusetzen. Die Worte eines Ausbilders auf der FBI-Akademie in Quantico kamen mir in den Sinn.

»Boys«, hatte er einmal gesagt, »wenn ihr ganz dick in der Tinte sitzt, dann verliert nicht den Kopf, sondern gebraucht ihn.«

Wenn ich überleben wollte, und wahrscheinlich ging es hier um Leben oder Tod, musste ich mich danach richten.

Mein Blick schweifte für Sekunden nach draußen auf die nachtdunkle See. Wohin ich auch sah, nirgends zeigte sich auch nur das Licht eines Schiffs. Lediglich im Süden wetterleuchtete es an der Kimm.

Auch die akustische Umgebung signalisierte mir äußerste Einsamkeit. Ich hörte nichts als das gedämpfte Brummen des Dieselaggregats, das den Strom erzeugte. Sonst war es still auf Delta sieben. Totenstill, sagte mein Verstand. Doch ich beeilte mich, den lähmenden Begriff gleich wieder zu verdrängen. Mit Gewalt konzentrierte ich mich auf meine Aufgabe. Sie hieß: Überleben und achtunddreißig Mann retten! Denn im Maschinenhaus würde mich ebenfalls ein betäubter Techniker erwarten. Ebenso im seemännischen Überwachungsraum, der die nautischen Geräte barg.

Drei Gangster also, resümierte ich. Wie viel Zeit konnten sie gehabt haben, um ihren Sabotageakt auszuführen?

Ich rechnete. Abendessen hatte es um acht gegeben. Als Sicherheitsspanne bis zur vollen Wirkung des Betäubungsmittels setzte ich zwei Stunden ein. Das ergab zehn Uhr.

Etwa um Mitternacht waren die Gangster geflohen. Alles in allem hatten sie also zwei Stunden Zeit gehabt. Was konnten drei Mann in dieser Zeit anstellen, das einem Giganten aus Beton und Stahl von der Größe von Delta sieben gefährlich zu werden vermochte?

Ich kam nicht dazu, den beängstigenden Gedanken zu Ende zu verfolgen.

In einem der grob zerschlagenen Funkgeräte knisterten plötzlich Funken. Schon beim Eintreten war mir der Geruch nach angesengtem Kunststoff und verschmorter Kabelisolierung aufgefallen. Irgendwo musste ein Kurzschluss entstanden sein, mussten Drähte unter elektrischer Überlast glühen.

Ich fuhr herum. Aus dem Sender vor dem Platz des Funkers stieg ein dünner bläulicher Rauchfaden. Binnen Sekunden wurde er dicker. Dann puffte es leise. Sofort danach schlug eine kleine Flamme aus dem zertrümmerten Gehäuse.

Mir stockte der Atem. Offenes Feuer, hier wo ständige Explosionsgefahr bestand! Nicht auszudenken. Jede Sekunde konnte es eine vernichtende Detonation geben.

Gehetzt sah ich mich nach einem Feuerlöscher um. Die Halterungen an den Wänden des Funkraums waren leer. Wahrscheinlich hatten die Gangster die Geräte beseitigt, nachdem sie die Sendeeinrichtung unbrauchbar gemacht hatten.

Auf Bohrinseln trifft man an jeder Ecke auf Feuerlöscher aller Größen. Die rot lackierten Dinger stehen oder hängen einfach überall. Aber jetzt, im Augenblick der Gefahr, versagte die Erinnerung. Wo, in aller Welt, befand sich der nächste?

Zunächst packte ich den besinnungslosen Funker und schleppte ihn auf den Gang. Ich legte den Mann nieder und blickte mich nach allen Seiten um.

Nirgends war ein Feuerlöscher zu sehen. Und der Gerätebrand im Funkraum hinter mir wurde immer stärker. Schon hatte er die Größe eines kleinen Lagerfeuers erreicht. In der Funkstation verbreitete sich dichter, beißender Qualm.

Ich entschloss mich, auf Nummer sicher zu gehen. An einer Stelle würde ich bestimmt einen Feuerlöscher finden, nämlich in meiner Kammer.

Ich rannte los, als würde der Teufel mich verfolgen. Während mein Körper alles hergab, was in ihm steckte, sah ich im Geist die Risszeichnung von Delta sieben vor mir, die im Arbeitsraum von Steven Higgins an der Wand hing.

Die Bohrplattform saß in zweihundertvierzig Fuß Tiefe auf dem Meeresboden auf. Man hatte von ihr aus ein ergiebiges Gasfeld angebohrt. Mehrere Leitungen waren bereits förderbereit. Mit anderen Bohrungen war man tiefer gegangen, um auch das Öl zu finden, das sich mit höchster Wahrscheinlichkeit unterhalb des Gasfelds befinden musste. Auch mit ihnen hatte man zunächst die gasführenden Schichten durchfahren. Sie standen unter erheblichem Druck.

Entgegen früherer Übung wurde das kostbare Methan hier im Ölfeld Delta nicht mehr nutzlos abgefackelt. Man hatte vielmehr Verfahren angewandt, mit deren Hilfe man trotz erheblichen Methandrucks weiterbohren konnte. Das Erdgas wurde zurückgehalten, bis die im Bau befindliche Pipeline zum Festland fertiggestellt sein würde.

Natürlich schlossen die Ventile auf den Rohren nicht absolut dicht. Besonders aus der zurzeit in Abteufe befindlichen Bohrung strömte ständig etwas Gas aus. Bei Windstille roch es deshalb auch auf Delta sieben immer ein wenig dumpf und faulig, ein sicheres Zeichen für das Vorhandensein von Methan in der Luft.

Unter ungünstigen Umständen konnte sich an jeder Stelle der Insel zündfähiges Methan-Luft-Gemisch bilden. Dann genügte der winzigste Funke, um eine Verpuffung auszulösen. Danach würde auf Delta sieben eine kaum noch löschbare Gasfackel aus einer Leitung schießen, die durch die Verpuffung geborsten war. Falls es überhaupt dabei blieb.

Ich erinnerte mich, vorhin bei der Bergung von Walter Rooney draußen kein Lüftchen gespürt zu haben. Also bestand eine für Gasverpuffungen günstige atmosphärische Lage um die Insel. Jede Sekunde konnte sich um mich herum ein flammendes Inferno entzünden.

Selten hatte ich mich in einer ähnlich explosiven Situation befunden, im wahrsten Sinn des Wortes. Dazu kam die Gewissheit, dass die drei Gangster vor ihrer Flucht eine Teufelei in Gang gesetzt haben mussten, die jede Sekunde über mich und die anderen Männer auf Delta sieben hereinbrechen konnte. Anders war ihre Flucht nicht zu erklären.

Ich erreichte meine Kammer, stürzte hinein, riss den Feuerlöscher aus der Wandhalterung, warf mich herum und rannte zurück. Auf dem Weg stoppte ich einmal, um einen zweiten Löscher mitzunehmen.

Unten sah ich hinter den Scheiben der Funkzentrale nur noch Qualm. Hin und wieder wurden dahinter Flammen sichtbar. Das ganze Gerätebord brannte bereits.

Ich riss die Tür auf, hielt den Atem an und ließ den Pulverstrahl des zweiten, größeren Löschers das Gerätebord entlangwandern. Als das rot lackierte Ding leer war, waren keine Flammen mehr zu sehen.

Sicherheitshalber spritzte ich auch den kleineren Löscher aus meiner Kammer noch über die Funkgeräte aus. Damit war der Brand endlich erstickt. An eine Funkverbindung mit irgendwem außerhalb der Bohrinsel war allerdings nicht mehr zu denken. Jedenfalls nicht von hier aus.

Ich muss gestehen, dass ich mich höchst unbehaglich fühlte. Mein Instinkt drängte mich zu sofortiger Flucht. Doch abgesehen von der Frage, wie ich denn hätte fliehen können, lastete die Verantwortung für die anderen Männer auf mir. Ich konnte sie nicht im Stich lassen.

Erneut konzentrierte ich mich auf die Frage, welchen Anschlag die Gangster verübt haben könnten. Es gab für mich keinen Zweifel daran, dass er ausgeführt worden war. Sein Ziel musste die Vernichtung, zumindest aber die schwere Beschädigung von Delta sieben sein. Er würde mit Sicherheit der schwerste Sabotageakt sein, den das sogenannte Finanzsyndikat bisher gegen die Erdölgesellschaft United Petro Inc. geführt hatte. Gegen die Aktionen dieses Syndikats war unser FBI-Sonderkommando seit einiger Zeit eingesetzt.

»Konkret, wie kann man das Ding hier kaputtmachen?«, überlegte ich laut.

Mein Organ war seit Rooneys Tod die erste Menschenstimme, die ich hörte. Sonst gab es nur das dumpfe Anschlagen der Wellen, neunzig Fuß unter mir, und ein leises Säuseln um die Aufbauten. Wind kam auf. Das Wetterleuchten im Süden war näher gerückt. Ich erinnerte mich, dass der Wetterbericht am letzten Abend von Sturm gesprochen hatte.

Sturm, rekapitulierte ich eine Sekunde später. Auch die Gangster mussten von der zu erwartenden Wetterverschlechterung gehört haben. Sollte sie in die Pläne zur Vernichtung der Insel mit einbezogen worden sein? Oder hatten sie deshalb nur früher fliehen müssen?

Ich überlegte hin und her und zwang mich zur Ruhe. Bevor ich einen Entschluss gefasst hatte, bedeutete Unruhe nur mangelnde Konzentration und Nervosität. Meine Rolle war die eines Schiffbrüchigen, der nur noch wenig Zeit hat, um etwas zu seiner Rettung zu improvisieren. Und ich wusste nicht einmal, wie viel Galgenfrist mir blieb.

»Was würdest du tun, wenn du das Ding hier zerstören wolltest?«, überlegte ich laut.

Die Antwort lag klar auf der Hand. Ich würde eine Sprengung vornehmen. An einer Stelle, wo die Insel aufs Höchste verwundbar sein musste.

Mein Gefahreninstinkt drängte mich zum Handeln. Am liebsten wäre ich losgerannt und hätte begonnen, nach Sprengladungen zu suchen. Denn die Gangster konnten mehrere gelegt haben. Was aber, wenn ich eine fand und eine zweite oder weitere übersah?

Zunächst musste ich also wissen, welche Menge an Sprengstoff ungefähr fehlte. Erst dann konnte ich mich auf die Suche begeben. Ein feines Gefühl, wenn einem jede Sekunde der Boden unter den Füßen hochgesprengt werden kann ...

So weit waren meine hastigen Überlegungen gediehen. In diesem Moment wurden sie durch eine belfernde Explosion unterbrochen. Zufällig hatte ich gerade nach Steuerbord geblickt, wo das große Motorrettungsboot in seinen Tauen fertig zum Abfieren hing.

Eben dieses Boot flog jetzt vor meinen Augen in Fetzen. Inmitten einer grellen Stichflamme löste es sich in Trümmer auf. Ich warf mich zu Boden. Im nächsten Augenblick regnete es Bruchstücke aller Größen. Ein paar davon durchschlugen die großen Fensterscheiben in meiner Nähe und ließen einen Schauer von Splittern über mich niedergehen.

Größere Wrackteile flogen über die Arbeitsplattform. Einige trafen den aufragenden Bohrturm und fielen von dort auf den metallenen Boden. Dabei zogen sie lange Funkengarben aus dem Eisen.

Ich starrte mit weit aufgerissenen Augen hinaus. Jede Sekunde konnte meine letzte sein. Wenn eine der unter hohem Druck stehenden Leitungen leckgeschlagen wurde, gab es für mich keine Chance mehr, dem dann augenblicklich ausbrechenden Brand zu entkommen.

Verwundert und unsäglich erleichtert stellte ich fest, dass keine Feuersbrunst entstand. Ein glücklicher Zufall hatte die bereits förderbereiten Leitungen vor einem zerstörenden Treffer bewahrt. Die Gashaube dagegen, die sich bei Windstille nicht selten um und über Bohrinseln bildet, war von dem nun auffrischenden Wind zerblasen worden. Ich sah es an den Flammen, die aus dem zersplitterten Bug des Rettungsboots schlugen. Das Wrackteil hing noch an seiner Trosse und pendelte wild hin und her.

Mir zitterten die Knie, als ich aufstand. Zunächst musste ich den Bestand an Nitroglyzerin prüfen. Die explosive Flüssigkeit befand sich in genormten Behältern zu je fünf Kilopond in einem stark gesicherten Magazin. Sie wurde für seismische Sprengungen auf dem Meeresboden verwendet. Diese Sprengungen nahmen die Geologen vor, um das Ölfeld Delta weiter zu erkunden. Da Delta sieben die größte Insel darstellte, befand sich auf ihr auch das Gerätemagazin für die weitere Aufschließung.

Natürlich hatte ich mich mit den Einzelheiten der Bohrinsel so genau wie möglich vertraut gemacht, bevor man mich als Dritten Koch eingeschleust hatte. Normalerweise hätte ich nicht über diese Kenntnisse verfügt.

Das Gerätemagazin befand sich gegenüber dem Wohn- und Arbeitstrakt. Es lag separat und war nur wenigen Männern der Crew zugänglich.