Jerry Cotton Sonder-Edition 164 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 164 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

New Yorker, die etwas auf sich hielten, versäumten keine Show des Fernsehstars Gwendy Stevens. Wer sie nicht kannte, der war nicht "in". Niemand wird Gwendys letzte Show vergessen. Gerade sah ich noch ihr strahlendes Lächeln. Da peitschten Schüsse auf. Und ohnmächtig erlebte ich mit Millionen Amerikanern den Tod eines Fernsehstars ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 191

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Tod eines Fernsehstars

Vorschau

Impressum

Tod eines Fernsehstars

New Yorker, die etwas auf sich hielten, versäumten keine Show des Fernsehstars Gwendy Stevens. Wer sie nicht kannte, der war nicht »in«. Niemand wird Gwendys letzte Show vergessen. Gerade sah ich noch ihr strahlendes Lächeln. Da peitschten Schüsse auf. Und ohnmächtig erlebte ich mit Millionen Amerikanern den Tod eines Fernsehstars ...

1

Arthur Freed lächelte mich aus feuchten dunklen Augen traurig an. »Wenn Sie wissen wollen, wie es hier wirklich aussieht, kommen Sie mit hinunter.« Er schwieg einen Moment. »Wollen Sie es wirklich wissen, Agent Cotton?«

Natürlich wollte ich es wissen. Ich wollte wissen, wer hier in der Bronx die Stimmung beeinflusste und was er damit bezweckte. Vielleicht stießen wir vom FBI auf diese Weise zu den Leuten vor, die Millionen Dollar an Geldern absahnten, die für die Stadtsanierung bestimmt waren. Die Gelder sollten Menschen von der Straße fernhalten und ihnen Arbeit verschaffen, sollten ihr hoffnungsloses Leben so weit aufhellen, dass sie die paar Dollars, die sie von der Wohlfahrt bekamen, nicht gleich in Alkohol und Drogen umsetzten. Vor allen Dingen in Drogen.

Natürlich gab es eine starke Lobby, die daran interessiert war, die Zustände so zu lassen, wie sie jetzt waren. Sie wollte die staatlichen Gelder in andere Kanäle leiten. An deren Mündungen warteten gierige Hände.

Art Freed betrat die Steintreppe. Ich sah noch einmal zu dem blassblauen Himmel hinauf, ehe ich Art folgte. Die Wände waren mit Farbe beschmiert. Es roch nach Urin und Moder. Von unten schallte uns ein undefinierbares Geräuschgemisch entgegen. Musik, Stimmfetzen. Erregte Stimmen.

Der Morrisania Youth Club, eine Einrichtung, die gemeinsam von der Free Morrisania Christ Church und dem Bezirksjugendamt getragen wurde, sollte den Jugendlichen dieser Gegend als Anlaufstelle dienen. Dort wurde nicht nach Wer und Wohin gefragt, vor allem aber nicht nach Woher. Wer hierherkam, sollte sich nicht beaufsichtigt und bevormundet fühlen. Männer wie Art Freed standen als engagierte Ratgeber zur Verfügung. Mehr wollten sie auch nicht sein. Auf keinen Fall Polizeispitzel.

Der Klub lag im Keller eines ehemals großzügig gestalteten Mietshauses. Die Wohnungen darüber waren längst aufgegeben. Sie hatten sich in zugige, unbewohnbare Löcher verwandelt.

Art stieß die Tür auf. Sie war überraschend dick. Deshalb schlugen uns jetzt Lärm und Rauch mit voller Wucht entgegen.

Arthur Freed war ein hellhäutiger Schwarzer. Er wurde vom Bezirksjugendamt als Fürsorger bezahlt. Das schien allerdings kaum jemand zu wissen. Art galt eher als einer von ihnen. Als einer von Tausenden arbeitslosen jungen Leuten ohne Lebensinhalt. Art sah aus wie knapp über zwanzig. Ich wusste jedoch, dass er schon dreißig war und Psychologie studiert hatte.

Art nickte einem hageren Jungen zu, der in der Nähe der Tür auf einer umgestürzten Kiste hockte. Es wurde still in dem großen Hauptraum. Einige Dutzend Augenpaare wandten sich mir zu. Ich war nicht der einzige Weiße hier. Doch ich war der Einzige, der einen normalen Straßenanzug samt dazu passender Krawatte trug. Irgendjemand stellte die Musik leiser. Die Rauchschwaden teilten sich im Luftzug, der durch die Tür strich, bevor sie wieder zuschlug. Ich sah mich um.

Die Zwischenwände waren herausgerissen. An den Backsteinmauern hingen Plakate. Die meisten stammten von Protestaktionen und zeigten erhobene Fäuste und Parolen, die ein sicheres und sauberes New York forderten.

»He, Art!«, rief ein kleiner Kerl, der in einem schmuddeligen T-Shirt steckte. Eben noch hatte er ein glutäugiges Mädchen im Arm gehalten. Beide waren nicht älter als fünfzehn. »He, Art! Wen schleppst du da an?« Langsam stellte er die Coladose ab, und ebenso langsam nahm er den Joint, den die Kleine ihm reichte.

Art Freed lächelte unverwandt. »Einen Mann, den ich als meinen Freund betrachte, weil er uns helfen will. Und meine Freunde sind auch eure Freunde!«

»Wer ist er? Und was will er? Er ist doch ein feiner Pinkel!«

»Er heißt Jerry und ist beim FBI«, sagte Art Freed. Er lächelte harmlos. »Da müssen sie so feine Sachen tragen.«

Einige der Anwesenden, es mochten so an die dreißig sein, schwiegen betroffen, ehe der Sprecher wieder das Wort ergriff.

»Was will er denn, der G-man? Jagd auf Pusher machen? Oder was?«

Art schüttelte den Kopf. »Er möchte euch kennenlernen. Er will wissen, weshalb ihr gestern auf die Barrikaden gegangen seid und die Geschäfte an der Hundertzweiundsiebzigsten demoliert habt.«

»Art!«, gellte ein Schrei. Ein Schwarzer mit breiten Schultern, breitem Gesicht und breiten Zahnlücken pflügte durch die Menge.

Art blieb gelassen stehen, die Arme vor der Brust verschränkt. Auch ich rührte mich nicht. Die Stimmung stand auf der Kippe. Wenn sie umschlug, würden Art und ich zerquetscht werden wie Kellerasseln.

Der Schwarze baute sich vor Art auf. »Weshalb verpfeifst du uns an die G-men, Art?« Er wippte auf den Fußballen wie ein Boxer, der das Startzeichen erwartete. Unter der glatten, glänzenden Haut spielten harte Muskeln.

»Eddie, Eddie«, seufzte Art. »Du weißt es besser. Weshalb redest du so? Ich verpfeife euch nicht. Ich wollte einem Freund zeigen, wie es hier wirklich aussieht. Er wollte es nicht glauben. Eddie, du kannst ihm vertrauen.«

Eddie wandte sich mir zu. »Was wollen Sie wissen, G-man?« Er hatte mächtig breite Schultern und Fäuste wie Vorschlaghämmer. Eine Schande, dass so ein Kraftprotz arbeitslos herumhing.

»Ich heiße Jerry«, sagte ich. »Eddie, ich bin hergekommen, weil ich etwas nicht verstehe. Art meint, ihr könnt es mir erklären. Ihr sollt Arbeit bekommen, wie ihr es immer gefordert habt. Wenn ihr Arbeit habt, dann hören die Überfälle auf die Läden und die U-Bahn-Gäste auf. Dann wollt ihr die Pusher und Dealer verjagen. Okay, ihr habt bereits Verträge unterschrieben. Ihr alle. Die Mittel für den Bau mehrerer Fabrikgebäude sind bewilligt. Es soll bald losgehen. Und dennoch haut ihr weiter auf den Putz. Warum, Eddie?«

Eddie starrte mich an, als hätte er es mit einem geistig Minderbemittelten zu tun. »Woher kommen Sie, G-man? Vom Mond?«

Einige lachten. Jemand stieß einen Fluch aus.

»Reden Sie nicht drumherum, Eddie! Warum gefährdet ihr die Arbeitsbeschaffungsprogramme? Sie können nicht wissen, was es für Schwierigkeiten gab, um in so kurzer Zeit ein so großes Programm auf die Beine zu stellen.«

»Es ist Mist, G-man. Verstehen Sie? Mist! Ihr Programm ist Mist!« Eddies glattes Gesicht verzerrte sich. »Niemand bekommt hier einen Job, der nicht schon einen hat!«

»Ihr habt Arbeitsverträge unterschrieben!«

»Betrug!«, rief jemand.

Ja, das wussten wir jetzt auch. Betrug. Jemand hatte den Leuten fingierte Arbeitsverträge vorgelegt. Aufgrund dieser Verträge wurden öffentliche Mittel zum Bau verschiedener Gewerbeobjekte beantragt und auf unbürokratische Weise und großzügig bewilligt. Und ausgezahlt. Vier Millionen Dollar waren in dunklen Kanälen versickert.

Ein Fall galt als typisch. Ein namhafter Hersteller von Haushaltsgeräten wollte in der South Bronx ein Montagewerk für Mikrowellenherde errichten. Die Firma gab es wirklich. Sie betrieb in verschiedenen Bundesstaaten solche Montagewerke. Die Anträge waren auf Firmenbriefbögen gestellt worden. Die Arbeitsverträge ebenfalls. Die Leute, die mit dem Komitee zur Vergabe der Investitionsbeihilfen verhandelten, hatten sich als Beauftragte der Firma ausgewiesen.

Die Briefe und Arbeitsverträge waren jedoch gefälscht, die Abgesandten der Mutterfirma waren Gangster. Anders konnte man sie nicht bezeichnen. Man musste befürchten, dass noch mehr Gelder aufgrund gefälschter Vorgänge ausgezahlt worden waren. Wir hatten erst die Spitze eines Eisbergs entdeckt. Gestern erst. Eine engagierte Fernsehjournalistin hatte uns darauf gestoßen. Gestern Abend in ihrer News Show. Um elf Uhr.

Diese jungen Leute hatten es früher gewusst. Woher?

»Woher habt ihr gewusst, dass es Betrug war?«, fragte ich.

Mehrere Stimmen schrien los. Wütend wurden Fäuste geschüttelt.

»Ruhe!«, donnerte Art Freed. »Verdammt, wenn ihr euch nicht anständig benehmt, lasse ich diesen Keller zuschütten! Jerry ist mein Freund, weil er versucht, uns allen zu helfen! Da verlange ich, dass ihr euch nicht wie die Wilden aufführt!«

Langsam wurde es wieder ruhig.

»Also!«, rief Art. »Jerry hat euch etwas gefragt. Woher wisst ihr, dass aus den Jobs nichts wird?«

Das Schweigen vertiefte sich und wurde drückend.

»Frag doch Gwendy Stevens!«, schrie der kleine Dunkelhäutige.

»Gwen's News Show lief erst gestern Abend um elf. Ihr aber seid schon um sechs rumgezogen«, bemerkte ich. »Lasst euch was Besseres einfallen.«

Eddie räusperte sich schließlich. Er scharrte mit dem Fuß. »Gerüchte«, sagte er dann. »In der Kneipe an der Hundertsiebenundsechzigsten wurde davon erzählt. Keine Fabrik, keine Jobs.«

»Wer, Eddie? Wer hat es erzählt?«

»Mann, ich weiß es nicht mehr! Da waren Brüder, die quatschten ziemlich laut. Kerle, die zu 'ner Gang gehören.«

Ich atmete langsam und hielt den Atem dann an. Es gab Querverbindungen. Diejenigen, die große Beträge aus den Fonds des Arbeitsbeschaffungsprogramms ausklinkten, hatten Drähte zu den Bezirksgangs in der Bronx. Ähnlich verhielt es sich vermutlich in Harlem oder in Brooklyn, wo ebenfalls mehrere Tausend neue Arbeitsplätze geschaffen werden sollten. Die einen sahnten direkt aus den Töpfen der Hilfsprogramme ab. Die anderen, die mit dem Elend noch ihre Geschäfte machten, sorgten dafür, dass die Unruhe anhielt.

»Wie heißt die Gang?«, fragte ich.

Ich verlangte viel. Zu viel. Vielleicht konnte ich Eddie unauffällig dazu bringen, sich woanders mit mir zu treffen, wo wir nicht von zwei, drei Dutzend anderen beobachtet wurden. Art sollte mir dabei helfen.

Eddie reckte die Schultern. »Wie die Gang heißt? Mann, woher soll ich das wissen? Es ist nicht gut, so etwas zu wissen ...«

Ich sah, wie er plötzlich die Augen aufriss. Und da spürte ich auch schon am Luftzug in meinem Rücken, dass die Tür hinter mir geöffnet worden war.

Ich wirbelte herum.

Da waren sie. Sie wieselten in den Jugendkeller. Einen Jungen, der ihnen im Weg stand, stießen sie einfach um. Ich zählte bereits sechs, sieben, acht. Aber draußen, am unteren Absatz der Treppe, bemerkte ich weitere Schatten.

Sie hatten sich mit Wollmützen maskiert. In den Fäusten hielten sie lange Eisenketten. Sie verloren keine Zeit mit überflüssigem Gerede. Sie wollten auf ihre Weise dafür sorgen, dass niemand wusste, wie ihre Gang hieß und wer ihre Hintermänner waren.

Der Anführer der Bande streckte den rechten Arm. Die Kette klirrte. Ihr Ende schnellte in die Höhe und schlug gegen die Lampe unter der Decke. Die Birne zerplatzte. Blauweiß sprühten die Funken. Scherben regneten auf die Jugendlichen nieder, die sich erschreckt zusammenkauerten.

Ich sprang vor, auf den Schatten des Anführers zu. Der Kerl spürte die Gefahr mit dem Instinkt eines Panthers. Er fuhr herum. Der Abstand zwischen mir und ihm betrug nur noch drei Armlängen.

Die Kette war länger. Sie sauste heran. Ich wirbelte wie ein Brummkreisel herum, stolperte und fiel genau in die eisenharte Faust des Schlägers.

Eine Stichflamme explodierte in meinem Schädel. Dann verlor ich den Boden unter den Füßen und kippte nach hinten weg. Bevor ich irgendwo aufschlug, hörte ich noch die Schreie der Jungen und Mädchen, die den Morrisania Youth Club als ihre Anlaufstelle betrachteten.

Die Kerle schoben sich an den Wänden entlang und nahmen ihre Positionen ein. Von dort aus schlugen sie auf ihre Opfer ein.

Durch zwei Lichtschächte und schmutzverkrustete Scheiben sickerte fahl das Tageslicht herein. Ich hörte die gellenden Schreie der Getroffenen. Das verhinderte, dass ich vollends das Bewusstsein verlor. Ich sah, wie sie sich zusammenkrümmten und die Hände schützend über ihre Köpfe hielten.

Ich wälzte mich herum. Dann zog ich die Knie unter den Bauch. Das Ende einer Kette schmetterte mich fast wieder zu Boden. Nackte Wut klärte mein benommenes Hirn und ließ mich den nächsten Hieb erwarten.

Ich winkelte den rechten Arm an, als ich das Pfeifen hörte. Die eisernen Glieder wickelten sich um meinen Arm. Bevor der Kerl am anderen Ende wusste, wie ihm geschah, hatte ich die Kette gepackt und warf mich nach hinten. Ich spürte, wie sie sich spannte. Mit einem kurzen Ruck half ich nach.

Ein Schatten flog auf mich zu.

Ich war noch etwas angeschlagen. Ich riss ein Bein hoch, winkelte das Knie an und stieß die Linke in den Schatten hinein.

Den Aufprall spürte ich bis in die Schulter. Der Schatten stürzte vor mir zu Boden. Ich brachte die Kette mit einem Ruck an mich und sprang zur Seite, weil ich eine andere Kette klirren hörte. Das Eisen traf den am Boden liegenden Schläger.

Ich huschte geduckt an der Wand entlang. Ich wusste nicht, wo der Anführer dieses Überfallkommandos abgeblieben war. Aber ihn wollte ich erwischen.

Ich wickelte die erbeutete Kette zweimal um meine linke Hand. Mit der Faust streckte ich zwei Schläger nieder. Einen Dritten drängte ich gegen die Wand. Dann riss ich meinen Smith & Wesson heraus. Hier hatte ich es mit einer Horde skrupelloser Verbrecher zu tun. Das war keine Schlägerei zwischen Straßenbanden, wie sie alle Tage vorkam. Was mich zögern ließ, die Waffe einzusetzen, waren die schlechten Sichtverhältnisse. Dadurch bestand die Gefahr, Unschuldige zu verletzen. Einige Boys und Girls versuchten, den Ausgang zu erreichen.

Und dennoch blieb mir kaum eine andere Wahl. Ich musste die Waffe benutzen, um mich gegen diese wüste Horde durchzusetzen. Ich zielte auf die obere entfernteste Ecke des Raums.

»Aufhören!«, brüllte ich. »Hier spricht das FBI!« Meine Stimme ging in dem Getöse nahezu unter.

Da jagte ich einen Schuss aus der Trommel.

Der Donner brach sich an den Wänden. Der scharfe Knall ließ die Schläger innehalten.

»Aufhören! FBI!«, schrie ich.

Eine Gestalt rannte gegen mich an. Ich zog den Kopf ein. Die Kette klirrte über mir gegen die Steine. Ich richtete mich wieder auf und rammte dem Heranjagenden den Schädel unter das Kinn. Ein paar Gestalten huschten zur Tür. Jemand schrie gellend auf. Ich hörte eine triumphierende Stimme. Sie gehörte Eddie.

»Ich habe einen erwischt!«

Jemand schlich an der gegenüberliegenden Wand entlang auf die Tür zu. Er floh nicht so kopflos wie seine Spießgesellen. Er behielt als Einziger die Nerven. Er war der Boss der Schlägertruppe.

Ich machte es ihm nach. Der Ganove, den Eddie erwischt hatte, quiekte jetzt, als Eddie ihn beutelte. Ich sah das etwas hellere Rechteck der Tür. Die anderen Banditen hetzten die Stufen hinauf.

An der Tür stieß ich mit dem Anführer zusammen.

Er schwang die Kette. Doch der Abstand zwischen uns war zu gering, als dass ihre Wirkung voll zur Geltung gekommen wäre. Er erkannte es, als ich ihn ansprang, um ihm von unten her meine Linke an den Körper zu schmettern.

Er war hart im Nehmen. Er torkelte zwar, aber es gelang ihm, das freie Ende der Kette mit der Linken zu packen. Dann warf er mir die Kette wie eine Fangschnur über den Kopf. Sie blieb an meiner Hüfte liegen, und mit einem scharfen Ruck zog er mich zu sich heran.

Der Gangster warf mich herum wie eine Puppe. Ich knallte gegen die Kante des Türrahmens, bevor ich dazu kam, meine Knie hochzureißen.

Ich schaffte es jedoch, dem anderen einen Ellenbogen in die Magengrube zu rammen. Der Druck in meinem Kreuz ließ einen Moment nach. Der kurze Augenblick genügte mir, um die Klammer zu sprengen.

Der Kerl krümmte sich und schob eine Schulter vor. Meine Augen hatten sich längst an das Halbdunkel gewöhnt. Ich sah die herabgezogene Mütze und darunter die Erhebung einer Nase und ein wuchtig vorgeschobenes Kinn.

Ich schlug zu. Mit allem, was ich noch aufbringen konnte.

Der Kerl sackte in die Knie. Die Kette fiel herab, und der Gangster kippte zur Seite.

Keuchend wartete ich, bis jemand mit Kerzen erschien. Art Freed schleppte sich die Treppe hinauf. Als er wieder herunterkam, hielt er einen brennenden Batteriescheinwerfer in den Händen.

Der Lichtstrahl wanderte über die jungen Burschen und Mädchen, die sich am Boden wälzten. Einige der getroffenen Mädchen weinten. Eines stand offensichtlich unter Schock. Es machte keine Anstalten, die Blutung der aufgerissenen Nase zu stillen. Ein junger Schwarzer nahm die Kleine in die Arme und sprach auf sie ein, während er ihr sein Taschentuch auf die Wunde presste.

Die Jungen richteten sich langsam auf. Allmählich stahl sich ein harter Schimmer in ihre Augen. Einer hielt seinen gebrochenen Arm. Eddie schüttelte den Gangster, den er auf der Flucht erwischt hatte, zwischen seinen groben Fäusten. Dann, als ich ihn ansah, hielt er inne und stierte mich an. Er blutete aus einer hässlichen Platzwunde am Hinterkopf. Er ließ den Gangster los und riss ihm die Mütze vom Kopf.

Sie würden viel Zeit und Hilfe brauchen, um diesen sinnlos anmutenden Ausbruch der Gewalt zu vergessen oder wenigstens zu verarbeiten. Sie alle waren keine Chorknaben, beileibe nicht. Sie waren auf der Straße aufgewachsen. Aber allein ihre Anwesenheit in diesem unzureichend ausgestatteten Jugendklub bewies, dass sie den Willen besaßen, nicht ins Bodenlose abzustürzen. Sie wollten den Sturz aufhalten. Mich packte wieder dieser Zorn, der mich immer dann heimsucht, wenn ich Opfer wie diese jungen Leute sehe – Wehrlose, Schwache.

Ich zerrte den Anführer auf die Füße, riss ihm die Mütze vom Kopf und verpasste ihm Handschellen. Dann ließ ich ihn wieder los. Er hielt sich schwankend auf den Beinen. Er war ein stämmiger Schwarzer mit kurzem krausem Haar und böse glitzernden Augen. Sein Mund war dick geschwollen. Mit der Zunge betastete er einen wackelnden Zahn.

Auch die anderen Gangster – insgesamt hatten wir fünf erwischt – waren verletzt. Außer dem Anführer der Bande noch einen Schwarzen, zwei Latinos und einen Weißen. Soweit sie wieder bei Bewusstsein waren und sich auf den Beinen halten konnten, ließ ich sie an einer Wand Aufstellung nehmen. Rasch tastete ich den Stämmigen ab. Er hatte außer einem Schnappmesser und etwas über sechzig Dollar nichts bei sich. Etwas, das ihn hätte identifizieren können, schon gar nicht. Bei den anderen verhielt es sich genauso.

Ich deutete auf den Anführer. »Kennt einer von euch diesen Mann?«

Wer konnte, schüttelte den Kopf. Natürlich wollte niemand einen dieser Banditen kennen. Sie wohnten ein paar Straßenzüge weiter. Sie verkehrten in den Bars in der Nähe der Bahnstation an der 167th Street. Aber nein, niemand war bereit zuzugeben, dass er einen von ihnen schon mal gesehen hatte. Nicht einmal beim Line-up, der Gegenüberstellung, würden sie zugeben, diese Kerle beim heutigen Überfall gesehen zu haben.

Ich hatte sie jedoch gesehen. Und ich war ein Zeuge, der nicht umkippte. Diese fünf brutalen Schläger würden hinter Gitter kommen. Das schwor ich mir.

Art Freed untersuchte seine Beine. Er hatte ein paar üble Schläge abbekommen und untersuchte jetzt die geschwollenen und blau angelaufenen Stellen. Doch er grinste, als er die Hosenbeine wieder hinabzog.

»Es wird Zeit, dass jemand die Cops herholt. Und einen Arzt und eine Ambulanz.« Er humpelte zur Treppe.

Ich neigte lauschend den Kopf.

Die anderen hatten sich verzogen. Okay, dachte ich, die Gangster mit den weißen Kragen hatten ihre Zähne gezeigt. Sie hatten die betrogenen jungen Leute einschüchtern wollen und das Pech gehabt, auf einen G-man zu stoßen, der sich nicht beeindrucken ließ. Ich wusste nicht, welchen Weg ich zu gehen hatte.

Die Drahtzieher saßen nicht in der Bronx. Sie saßen an der Quelle. Dort, wo das Geld war. Dort, wo man das Elend nicht sehen konnte.

Ich nahm mir vor, noch einmal mit Richter Mark Prysant zu sprechen. Und zwar, bevor Gwendy Stevens ihn in ihrer News Show fertigmachte.

Ich wartete, bis die Cops und der Notarzt eintrafen. Ich übergab die Gangster den Kollegen und diktierte dem Sergeant ein Protokoll, womit ich die fünf Schläger zu Bundesuntersuchungsgefangenen erklärte. Der Sergeant versprach, die Häftlinge umgehend in das Bundesuntersuchungsgefängnis an der Park Row in Manhattan zu überführen. Dort wollte ich ihnen heute noch die Haftbefehle präsentieren. Und bald, innerhalb von drei Tagen, würden sie vor den Schranken des Bundesgerichts stehen.

Art Freed begleitete mich zu meinem Wagen. Ich hatte mir einen unauffälligen grauen Dodge aus dem Pool des FBI geholt. Mein roter Jaguar hätte hier draußen eine glatte Provokation dargestellt.

»Wenn Sie noch einen Zeugen brauchen, Jerry, können Sie mit mir rechnen«, sagte er.

Ich sah ihn an und nickte. »Danke. Ich hoffe, dass ich so zurechtkomme. Sie werden hier gebraucht.«

Art Freed verzog das Gesicht. Ein breites Pflaster verdeckte eine Schramme über dem Wangenknochen. »Wenn Sie nicht gewesen wären ... Mann, wie hätten wir dagestanden?« Dann lachte er. »Sie gelten jetzt als Held.«

»Ich bin Profi«, wehrte ich ab. »Und selbst dafür habe ich eine Menge einstecken müssen. Art, passen Sie auf, dass die Jungs jetzt nicht auf den Rachetrail gehen.« Ich konnte den harten Schimmer ihrer Augen nicht vergessen und die hilflose Wut darin.

»Ich werde sie beschäftigen, Jerry. So gut ich kann. Aber sie sind wütend. Wer kann's ihnen verdenken? Ich kenne ein paar Cops aus dem Revier, die in ihrer Freizeit mit uns arbeiten. Ich werde sie bitten, heute Abend zu uns zu kommen. Wir werden den Klub aufräumen, neue Schlösser anbringen und die Lampe reparieren. Ich kann sie schon beschäftigen.«

»Na dann ...«

Art drückte mir die Hand. »Danke. Jerry.«

»Wofür?«

»Sie haben ihnen Mut gemacht. Den Jungs, meine ich. Sie sehen, dass sie nicht allein stehen. Das ist viel wert. Wenn Sie mich brauchen, lassen Sie es mich wissen. So long, Jerry.«

2

Der Nachmittag verging in hektischer Betriebsamkeit. Alle Entscheidungen, die das Komitee für die Beschaffung von Arbeitsplätzen getroffen hatte, mussten überprüft werden. Und zwar schnell. Die Stadt New York stellte bereits einen Untersuchungsausschuss zusammen.

»Der Ausschuss kann nicht vor morgen Vormittag zusammentreten«, sagte John D. High, unser Chef.

Mein Freund und Partner Phil Decker und ich saßen ihm gegenüber, während die Schatten aus den Ecken krochen und die tiefen Falten im Gesicht des FBI-Chefs verschwimmen ließen.

»Washington beansprucht den Vorsitz des Ausschusses«, fuhr er fort. »Die Regierung wird vermutlich jemand aus dem Justizministerium bestimmen, um die Strafverfolgung zu erleichtern. Man sucht noch nach einer geeigneten Persönlichkeit. Nun gut, unsere Arbeit läuft unabhängig davon weiter.« Er runzelte die Stirn. »Gwen Stevens hat für ihre Show heute Abend neue Enthüllungen angekündigt. Ich weiß nicht, was ich von dieser Frau halten soll. Ist es ihr wirklich ein Anliegen, Missstände aufzudecken, um sie abzustellen? Oder braucht sie ganz einfach diese Missstände, um ihre Show machen zu können? Wenn das so ist, wird ihre Show bald Gewalt hervorrufen. Ja, selbst Gewalt erzeugen.«

Ich sah die grauen Augen auf mich gerichtet. »Vielleicht hätte es Sinn, einmal mit ihr zu sprechen.«

»Sie gibt ihre Informationsquellen nicht preis. Sie lebt davon, dass sie ihre Informanten schützt. Niemand würde ihr auch nur sagen, wie spät es ist, wenn sie mit den Behörden zusammenarbeitet. Nein, Jerry, wir würden uns nur blamieren.«

»Dann spreche ich noch einmal mit Mark Prysant«, sagte ich langsam. »Ich bin mir sicher, er wird uns helfen wollen.«

»Wenn er es überhaupt kann, Jerry. Er hat den Vorsitz des Komitees bekommen, weil er als Respektsperson von allen Seiten anerkannt wird. Was nicht zwangsläufig bedeutet, dass er Manipulationen erkennt, wenn er sie sieht.«

»Da bin ich anderer Meinung, Sir«, widersprach ich. »Mister Prysant verfügt über Erfahrung und einen wachen Verstand. Ich bin überzeugt, dass er alle Vorgänge genau überprüft. Nein, Sir, ich glaube, er wird uns helfen.«

»Helfen müssen«, meldete sich Phil.

Mein Freund hatte den Richter nicht kennengelernt. Er war heute noch mit einem anderen Fall beschäftigt gewesen. Erst nach meinem Zusammenstoß mit der Schlägerbande in der Bronx, als der Fall eine neue Dimension bekam, hatte der Chef entschieden, dass wir zu zweit arbeiten sollten.

»Nun gut.« Mr. High lehnte sich zurück und verschränkte die Hände. »Reden Sie mit Prysant. Aber ich schlage vor, dass wir zuerst Gwen's News Show