Jerry Cotton Sonder-Edition 165 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 165 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Ex-Gangster Malloy lebte in Südamerika wie ein König. Doch von einem Tag zum anderen war er wieder bettelarm. Die Auswirkungen seiner plötzlichen Armut spürten wir in New York. Senator Hamlin wurde entführt. Zwei Menschen starben bei dem Kidnapping unter Malloys Geschossen. Da wussten wir: Ein Mörder feiert sein Comeback ...


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Seitenzahl: 196

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Ein Mörder feiert sein Comeback

Vorschau

Impressum

Ein Mörder feiert sein Comeback

Ex-Gangster Malloy lebte in Südamerika wie ein König. Doch von einem Tag zum anderen war er wieder bettelarm. Die Auswirkungen seiner plötzlichen Armut spürten wir in New York. Senator Hamlin wurde entführt. Zwei Menschen starben bei dem Kidnapping unter Malloys Geschossen. Da wussten wir: Ein Mörder feiert sein Comeback ...

1

»Puh, ist das heiß hier drin.« Nancy Quayle seufzte. »Sei so lieb und hol mir ein Coke aus dem Eisschrank, ja?«

»Wird prompt erledigt, Darling. Für eine Klassefrau wie dich tue ich alles.«

Nancy und Bill Shorten lagen nackt auf der Bettcouch im dämmrigen Wohnschlafzimmer der kleinen Village-Wohnung. Sie hatten die Jalousie heruntergelassen. Der Ventilator auf der Kommode wirbelte seinen Windhauch über ihre erhitzten Körper.

Sie hatten sich gerade geliebt. Nun waren sie glücklich und entspannt und dachten an nichts Böses. Ein blutjunges Liebespaar ohne Feinde auf dieser Welt.

Bill erhob sich vom Bett. Er war Student, über fünfeinhalb Fuß groß mit muskulöser Athletenfigur. Ein Brocken von gut hundertsiebzig Pfund. Nancy wirkte gegen ihn zierlich. Sie war schlank, hatte kleine, feste Brüste, einen flachen Bauch und lange Beine.

»Du warst großartig, Baby«, sagte Bill.

Sie warf ihm eine Kusshand zu. Bill wollte gerade in die kleine Küche gehen, da klingelte es an der Eingangstür. Er runzelte ärgerlich die Stirn.

Wer störte denn da?

Die Tür zum Flur stand offen.

»Hey, wer ist da?«, rief er. »Was gibt's?«

»Parcel Service«, antwortete eine Männerstimme. »Paket-Eilzustellung für Miss Nancy Quayle. Sie muss den Empfang quittieren.«

»Okay, einen Moment.«

Bill Shorten winkte Nancy liegen zu bleiben. Er zog seine Shorts über, lehnte die Tür an und schloss die Haustür auf. Er wollte das Paket und den Zettel in Empfang nehmen, Nancy im Wohnschlafzimmer unterschreiben lassen und den Wisch wieder abliefern.

Doch daraus wurde nichts. Die Tür flog auf und prallte Bill Shorten mit der Kante gegen die Stirn. Mit einem schmerzlichen Aufschrei taumelte er zurück. Vor der Tür stand ein langer, dürrer Typ mit der Mütze des Paketzustellungsdienstes auf dem Kopf und einem großen Paket unterm Arm.

Er hatte eine Sonnenbrille mit spiegelnden Gläsern auf. Die große Luger mit dem Schalldämpfer in seiner Hand wies auf Bills Nabel.

»Keinen Laut und keine falsche Bewegung, Brother!«, zischte er.

Dann kam er herein und drängte Bill zurück.

Achtlos warf er das leere Paket zur Seite.

Bill Shorten zuckte heftig zusammen, als hinter dem Langen mit der Luger eine Frau über die Schwelle eilte. Sie war schnell und geschmeidig wie eine Katze. Sie musste neben der Tür an die Mauer gepresst gestanden haben.

Die Frau war klein, knapp fünf Fuß, aber mit Kurven ausgestattet, die für drei Nancy Quayles gereicht hätten. Bei ihrem streichholzkurzen blonden Haar handelte es sich offensichtlich um eine Perücke. Auch die Frau hatte eine Sonnenbrille auf. Die dünne blaue Bluse mit den Schweißflecken unter den Achseln spannte sich über dem Busen und hing über die enge Jeans.

Die Gangsterlady trug eine Umhängetasche an der linken Seite. In der rechten Hand hielt sie eine 32er Pistole mit Griffschalen aus Perlmutt. Die Waffe war ebenfalls mit einem Schalldämpfer versehen.

»Glotz nicht«, fauchte sie Bill Shorten an. »Ist außer dir und dem Girl noch jemand hier?«

»N-nein.«

»An die Wand! Umdrehen! Los!«

Die Stimme der Frau hatte einen starken ausländischen Akzent.

»Was ist los, Bill?«, fragte Nancy aus dem Wohnschlafzimmer.

Die Gangsterlady stieß mit der linken Hand die Tür auf. Sie brauchte sich wegen der Fingerspuren keine Sorgen zu machen. Denn sie trug wie der Mann Handschuhe aus einem hauchdünnen fleischfarbenen Material.

Nancy kreischte, als sie die fremde Frau mit der Pistole sah. Sie fuhr hoch und bedeckte ihre Blöße mit den Händen.

»Sei ruhig!«, herrschte die Gangsterlady sie an. Sie zielte mit ausgestrecktem Arm auf Nancy. »Wenn du vernünftig bist, passiert dir nichts. Steh auf und zieh dich an! Los!«

Nancy schien vor Schreck wie gelähmt.

Die Gangsterlady musste ihren Befehl zweimal wiederholen, bevor Nancy mit schlotternden Gliedern von der Bettcouch stieg. Bill hatte sich inzwischen zur Wand umgedreht und langte zur Decke hinauf.

Der falsche Paketbote griff in die Tasche seines Sommerjacketts, holte einen Totschläger hervor und schlug zu. Bill Shorten brach wie vom Blitz getroffen zusammen.

»Was ist das?«, fragte Nancy Quayle, die sich gerade anschickte, in ihren Slip zu steigen.

»Nichts, was dich interessieren müsste. Zieh dich an! Rock und T-Shirt reichen. Und benimm dich nicht so albern, du dürre Ziege.«

Nancy kleidete sich fertig an. Während sie das T-Shirt glattstrich, spürte sie Panik in sich aufsteigen. »Wer seid ihr? Was wollt ihr?«

»Von dir und deinem Boyfriend gar nichts. Du wirst Senator Frederick Hamlin anrufen und ihn sofort herbeordern, Baby. Den Text gebe ich dir. Er wird kommen! Schließlich bist du seine eifrigste Wahlhelferin.«

Die schlimmsten Vermutungen schossen Nancy durch den Kopf. Sie dachte an ein politisches Attentat. Denn Senator Frederick Hamlin war kein bequemer Mann. Er scheute sich nicht, dem Big Business auf die Zehen zu treten und den Gangsterorganisationen dazu.

Er setzte sich für mehr Gerechtigkeit, soziale Belange und die Interessen der schwarzen Mitbürger ein.

»Baby«,, sagte die Gangsterlady, »ich sehe dir genau an, was du denkst.« Sie musste eine Südamerikanerin sein, dachte Nancy. »Aber glaub nicht, dass du uns austricksen und den Senator retten kannst. Sonst verpasse ich dir ein paar Kugeln!«

Nancy glaubte ihr aufs Wort. Diese Frau war so gefährlich wie eine Raubkatze, eine Killerin ohne Hemmungen. Jetzt lächelte sie böse.

»In dieser Tasche habe ich Handgranaten und ein paar andere Scherze. Wenn nicht alles so abläuft, wie wir es wollen, lasse ich hier die Hölle los.«

Der lange Gangster mit der Luger sah in das Zimmer, wo die verängstigte Nancy Quayle stand, und betrachtete die zerwühlte Bettcouch. »Da haben wir ein Love-in gestört.«

»Quatsch nicht!«, sagte die Gangsterlady im Befehlston. »Schick Allan herein und sag draußen Bescheid. In zehn Minuten wird die Kleine anrufen. Eine halbe Stunde danach muss der Senator hier aufkreuzen.«

Senator Frederick Hamlin hielt im Konferenzzimmer seiner Villa in Yonkers eine Besprechung ab. Außer ihm waren in dem vollklimatisierten, mit nüchternen und zweckdienlichen Möbeln eingerichteten Raum noch drei Männer anwesend. Walter Rycock, sein Wahlkampfmanager, Tony Bendall, der Pressechef, und der Mayor von New York City.

Sie besprachen den bevorstehenden Wahlfeldzug, rauchten Zigaretten, diskutierten heftig und wogen Hamlins Chancen ab.

Cheryl Hamlin, seine bildhübsche Frau, ein Ex-Fotomodell, kam mit einem Tablett voller Drinks herein.

»Um die heißen Köpfe abzukühlen«, sagte sie und stellte es auf den runden Tisch.

Als das Telefon klingelte, nahm sie ab. »Für dich, Freddie.«

Hamlin erhob sich, stapfte zum Telefontischchen, nahm den Hörer und nannte seinen Namen. Als er den der Anruferin hörte, wurde seine Stimme sofort verbindlicher.

»Ah, Nancy! Natürlich habe ich Zeit für dich, falls es nicht allzu lange dauert. Ich habe nicht vergessen, wie du dich für mich eingesetzt hast, im letzten Jahr vor den Senatswahlen. Also, was gibt es?« Hamlin war ein energiegeladener Mann, ein menschlicher Dynamo, der einen leichten Ton schätzte. Jetzt wurde sein breites Gesicht schlagartig starr. »Nancy, das ist nicht dein Ernst! Du kannst dich doch nicht umbringen wollen!«

Nancy Quayle verlangte dringend, dass der Senator sie aufsuchte, und zwar allein. Sonst würde sie wegen Liebeskummer unwiderruflich eine Zyankalikapsel schlucken.

»Okay, Nancy«, sagte Frederick Hamlin. »Nenn mir deine genaue Adresse. Ich weiß nur noch, dass du eine Studentenbude irgendwo im Village hast. In zwanzig Minuten bin ich bei dir. Kopf hoch, Mädchen! Es gibt nicht nur den einen. Denk dran, wie dringend ich dich für meinen bevorstehenden Wahlkampf brauche.«

Da er kein Blatt Papier zur Hand hatte, notierte er die Anschrift mit dem Filzschreiber auf die Hemdmanschette. Dann wollte er auch schon losstürmen.

Walter Rycock schaltete sich ein. »Halt dich da raus, Freddie! Ruf die City Police an und überlass es den Beamten. Du kannst so kurz vor dem Wahlkampf keinen Schmutz an deiner Weste gebrauchen. Angenommen, die Kleine bringt sich doch um. Wie stehst du dann da? Die Presse wird sich auf dich stürzen. Man wird dir die Schuld geben und dir womöglich noch ein Verhältnis mit Nancy Quayle andichten.«

»Blödsinn! Wann sollte ich denn dazu noch Zeit haben, bei meinem Sechzehn-Stunden-Arbeitstag und allem anderen, das ich am Hals habe? Sei ruhig, Walter. Du kannst mich nicht abhalten. Nancy Quayle hat mir geholfen. Also helfe ich ihr auch. Sie ist ein Mensch in Not.«

Bendall ließ nicht locker. »Ich komme mit, Freddie.«

»Nein. Sie hat klipp und klar gesagt: allein.«

»Einen Bodyguard musst du auf alle Fälle mitnehmen«, sagte der Mayor. »Er kann im Wagen sitzen bleiben.«

»Ja«, beschwor Cheryl ihn. »Du weißt selbst, dass sehr viele Leute dich hassen.«

Hamlin hatte den Türknauf schon in der Hand und dachte nach. »Okay, dir zuliebe, Cheryl. Aber ihr anderen bleibt hier und mischt euch nicht ein, verstanden? Lasst es euch nicht einfallen, die Polizei zu verständigen! Ich werde dem Mädchen den Kopf schon wieder geraderücken.«

Als Frederick Hamlin hinausgeeilt war, hielt es Tony Bendall nicht länger auf seinem Sitz. Er sprang auf und schlug mit der Faust in die offene linke Hand.

»Ich fahre ihm nach«, sagte er. »Ich muss am Ball bleiben.« Hamlin hatte die Adresse laut wiederholt, als er sie auf seine Manschette geschrieben hatte. Bendall und die anderen wussten Bescheid. »Der Wahlkampf wird hart. Vielleicht kann ich diese Story aufbauen und Freddie damit Sympathien erwerben. Auf jeden Fall muss ich aus erster Hand informiert sein.«

»Er hat es ausdrücklich verboten«, sagte Rycock.

»Das war eine vorschnelle Entscheidung. Später wird er nichts dagegen haben. Ich besitze genügend Fingerspitzengefühl, um mich nicht aufzudrängen. Es könnte Komplikationen geben. Vielleicht muss man Neugierige abwimmeln. Reporter, was weiß ich, wen! Du solltest auch besser mitkommen, Walter.«

Rycock schüttelte den Kopf. »Nein. Ich halte mich an die Anordnung. Ich bleibe hier.«

Der Mayor wollte sich ebenfalls nicht einmischen. Cheryl Hamlin war unschlüssig. Doch die Männer überzeugten sie, dass es das Beste sei, in der Villa auf ihren Gatten zu warten.

Tony Bendall hatte das Zimmer kaum verlassen, als auch schon das weiße Cadillac Fleetwood Coupé ihres Mannes die Auffahrt hinunterrauschte. Kurz darauf folgte Bendalls Sportwagen.

Cheryl stand am Fenster. Durch die getönten Thermopenscheiben schaute sie in den parkähnlichen Garten mit den blühenden Blumenrabatten, den Büschen und den alten Bäumen. Die Sonne schien heiß und grell.

Das massive Einfahrtstor schloss sich automatisch, als Tony Bendalls Ferrari Dino es passiert hatte.

»Hoffentlich passiert nichts«, sprach Cheryl halblaut.

»Was soll schon passieren?«, fragte der Mayor. »Ein Mädchen hat Liebeskummer. Bei dieser Hitze drehen viele Leute durch.«

Heiß, heiß, heiß. Eine Hitzeglocke brütete seit Tagen über New York City. Kinder drehten zum Spaß Hydranten auf, um sich zu erfrischen. In den Schwarzenvierteln gab es Unruhen. Der Smog war noch konzentrierter als sonst. Industrie- und sonstige Abgase zerfraßen sogar die Fassaden alter Häuser und steinerne Denkmäler.

Vielleicht war die Hitze daran schuld, dass Josh »Bloody« Hallard mich plötzlich und unvermittelt mit seinem Rasiermesser angriff. Außerdem hatte der Pimp Rauschgift genommen. Seine stecknadelkopfgroßen Pupillen verrieten es.

Bloody Hallard, der Blutige Hallard, war einer von den miesen Zuhältern, die blutjunge Mädchen rauschgiftsüchtig machten und auf den Strich schickten. Am Times Square, dem Randgebiet des Village, in der 42nd Street und in all den anderen einschlägigen Bezirken.

Auf den Tipp eines anonymen Anrufers hin hatten wir Bloody Hallard an diesem Samstagnachmittag in einem Kellerlokal in der Bleecker Street gestellt.

Zuerst folgte der Pimp uns friedlich. Er maulte nur, wir verschwendeten unsere Zeit. Denn er sei überhaupt nicht mehr im Geschäft und völlig unschuldig. Doch auf der Straße wurde er plötzlich wild.

Er riss ein Rasiermesser aus der Hosentasche, klappte es blitzschnell auf und wollte es mir durchs Gesicht ziehen. Phil sprang zur Seite und griff nach dem 38er.

»Stopp, Phil!«, schrie ich. »Das schaffe ich so.«

Bloody Hallard war ein hellhäutiger Schwarzer mit Afrolook und schreiend bunter Kleidung. Er war groß, hager, gemein, zäh und heimtückisch. Seine Arme erinnerten an Windmühlenflügel. Er verfügte über eine ungewöhnliche Reichweite.

»Mich locht ihr nicht ein, ihr Schweine!«, brüllte er.

Die Rasiermesserklinge zischte durch die Luft. Ich wich vor dem Pimp zurück, bis ich mit den Oberschenkeln gegen das eiserne Geländer stieß, das den Niedergang zum Kellerlokal sperrte.

Mit wutverzerrtem Gesicht sprang Bloody Hallard vor. Ich wich jedoch zur Seite, packte seine Messerhand, riss ihn nach vorn und haute ihm die Handkante ins Genick.

Der Pimp stürzte über das niedere Eisengeländer. Unten krachte er auf ein paar Mülltonnen, dass es schepperte. Ich flankte sofort übers Geländer, landete neben den Tonnen, von denen zwei umgefallen waren, und riss Hallard auf die Beine.

Der Pimp war noch benommen. Ich nahm ihn in den Polizeigriff und führte ihn die Treppe hoch. Drei langhaarige und bärtige junge Männer kamen aus dem Lokaleingang. Zwei Frauen mit verwaschenen Jeans und T-Shirts mit dem Aufdruck von Maos Kopf folgten ihnen.

»Entführung!«, kreischte eine. »Gangster!«

»Wir sind G-men und haben den Mann verhaftet«, sagte ich und zeigte die Dienstmarke. »Er wollte mir mit einem Rasiermesser die Kehle durchschneiden, wie er es vermutlich vor drei Tagen bei einer jungen Frau getan hat. Ein Haftbefehl wegen Mordverdacht steckt in meiner Tasche. Phil, nimm das Rasiermesser als Beweismittel an dich.«

Mein Partner war schon auf der Treppe. Er suchte zwischen den Mülltonnen, fand das Messer und steckte es ein. Die Langhaarigen zogen die Frau ins Lokal zurück.

»Halt dich da raus, Ann«, hörte ich einen der jungen Männer sagen. »Ich kenne den Kerl. Er ist ein Pimp von der übelsten Sorte. Nur gut, wenn der G-man ihn aus dem Verkehr zieht.«

Ich behielt Bloody Hallard im Polizeigriff. Phil legte ihm Handschellen an.

Der Pimp hatte sich in sein Schicksal ergeben.

»Ich brauche einen Arzt«, jammerte er. »Ich habe eine Gehirnerschütterung, und meine Zähne wackeln.«

»Denk lieber an die Frau, die bei Jersey City gefunden wurde, Hallard«, sagte Phil. »Es braucht nur noch den Polizeiarzt für die Obduktion. Eine von deinen Frauen, Mann.«

»Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden, G-man. Das ist ein Irrtum, glauben Sie mir!«

Bloody Hallard steckte mit drin in diesem Mord. Das war so sicher, wie die Nacht dunkel war. Der Frau war höchstwahrscheinlich mit einem Rasiermesser die Gurgel durchgeschnitten worden.

Die Sitzpolster meines Jaguar waren brühheiß. Mit heruntergekurbelten Fenstern fuhr ich los. Die Entlüftungsanlage arbeitete auf Hochtouren. Trotzdem klebten uns Hemden und Jacketts am Körper.

2

Senator Frederick Hamlin bog mit seinem Caddy Fleetwood Coupé in die West 9th Street ein. Es war eine typische Village-Straße mit Alleebäumen, alten Häusern und Einfahrten. Hamlin fand die Einfahrt des Hauses Nummer 23 ohne Schwierigkeiten.

Brick Anderss saß neben ihm, einer seiner Leibwächter, ein schweigsamer Mann von der Bodyguard-Abteilung der New Yorker City Police. Anderss hatte streichholzkurzes Haar und trug eine schwere Colt Government links unterm Jackett.

Er führte Befehle bis aufs i-Tüpfelchen genau aus und war ein reaktionsschneller und hervorragender Schütze.

Hamlin fuhr durch die Einfahrt auf den geräumigen und ziemlich sauberen Hinterhof. Die Häuser vorn an der Straße waren früher einmal Villen gewesen. Die ehemaligen Dienstbotenwohnungen, Ställe und Remisen dienten heute alle Wohnzwecken. Sie wurden von jungen Leuten sehr geschätzt.

Nancy Quayle hatte mit einer Freundin einen ehemaligen Pferdestall gemietet. Einige Wagen standen im Hof. In einem älteren Ford Townsman saß ein Mann und las anscheinend interessiert die Zeitung. Senator Hamlin stoppte kurz vor der Village-Wohnung Nummer 23 c.

»Sie mischen sich auf keinen Fall ein, Anderss, klar?«

Der Bodyguard nickte nur. Hamlin sprang aus dem Wagen, spurtete zur Haustür und klopfte.

»Nancy, hey, Nancy! Ich bin es, der Senator.«

Nachdem er aus seinem vollklimatisierten Wagen gestiegen war, glaubte Hamlin, in einen Backofen geraten zu sein.

Die Tür wurde mit einem Ruck aufgerissen. Hamlin sah sich einem Mann gegenüber, der ihn um einiges überragte. Er war hager, aber breitschultrig, sein Gesicht scharf geschnitten, die Lippen dünn.

Ein Raubvogelprofil, durchfuhr es Hamlin. Eine große Sonnenbrille und eine bis auf die Brauen herabgezogene Golfmütze verdeckten das meiste davon. Nicht einmal die Haarfarbe war zu erkennen. Der Mann hatte ein buntes Sporthemd an. In der Hand hielt er eine schwere Kanone, einen Colt Python, Kaliber 357 Magnum.

Damit konnte man einen Büffel per Kopfschuss erledigen.

Links neben dem Hageren stand eine Frau mit üppigen Formen. Sie trug eine blonde Kurzhaarperücke und eine Sonnenbrille. Die Hand mit den rot lackierten Fingernägeln hielt eine Schalldämpferpistole.

Bevor Hamlin die Schrecksekunde überwunden hatte, packte ihn der Hagere mit der linken Hand am Kragen und riss ihn ins Haus. Mit dumpfem Laut fiel die Tür ins Schloss. Die Mündung des schweren Revolvers bohrte sich eine Handbreit über der Gürtellinie in Hamlins Leib.

Er hob die Hände in Schulterhöhe. Die Frau grinste hämisch.

»Was wollen Sie von mir?«, fragte Hamlin. »Was ist mit Nancy Quayle? Ich warne Sie, Mann! Das wird Sie teuer zu stehen kommen.«

»Mich nicht, Senator, aber Sie. Ich habe nämlich vor, für Sie dreieinhalb Millionen Dollar zu kassieren. Dann werden Sie freigelassen, dafür garantiere ich. Wegen der kleinen Nutte Nancy Quayle und ihrem Boyfriend brauchen Sie keine Sorge zu haben. Die beiden schlafen nur.« Er lachte auf. »Ich lege Ihnen jetzt Handschellen an. Dann rufen Sie Ihren Bodyguard herbei. Den schlage ich nieder, und dann unternehmen wir eine kleine Spazierfahrt, klar?«

Hamlin blieb der Mund offen stehen. »Aber ... damit kommen Sie doch nie durch. Sie müssen verrückt sein, Mann!«

»Werden Sie nicht frech! Sonst setzt es was. Ich bin Allan Malloy, wenn Ihnen der Name was sagt. Ich war mal der große Nachwuchsstar in der Murder Inc. von Boss Randie!«

Über die Brooklyner Murder Inc., die vor sieben Jahren aufgeflogen war, wusste Senator Hamlin Bescheid. »Ich dachte, alle Mitglieder der Murder Inc. wären damals verhaftet worden oder ums Leben gekommen.«

»Bis auf mich, ja. Ich konnte mich mit einem Haufen Geld ins Ausland absetzen. Aber das ist jetzt hin. Na, Schwamm drüber. Jetzt feiere ich eben mein Comeback, Senator. Und ich komme größer raus denn je!«

Malloy war es tödlicher Ernst. Hamlin erkannte, dass er einem eiskalten Profi gegenüberstand. Er ergab sich vorerst in sein Schicksal, drehte sich um und nahm auf Malloys Befehl die Hände nach hinten. Der Gangster zog ein Paar Handschellen unter seinem Sporthemd hervor und legte sie Hamlin an.

Die Gangsterlady hielt bereits eine Rolle Leukoplast bereit, um Hamlin den Mund zu verkleben, sobald er seinen Leibwächter herbeigerufen hatte. Hamlin wurde umgedreht und zur Tür bugsiert, die die Frau öffnete.

Die Revolvermündung drückte gegen Hamlins Rückgrat.

»Los, Senator, pfeifen Sie Ihren Wachhund herbei!«

Hamlin schluckte hart. Er musste sich fügen. Sonst geschah ein Unglück.

»He, Anderss!«, rief er.

Der Bodyguard war im Wagen sitzen geblieben. Jetzt stieg er aus. Er hatte einen guten Instinkt, dieser Brick Anderss, denn seine Rechte klebte unterm Jackett am Pistolengriff. Im selben Moment schoss ein laubfroschgrüner Ferrari Dino zur Einfahrt herein, verminderte mit quietschenden Reifen das Tempo und stoppte neben dem Caddy Coupé.

Lässig und schlaksig stieg Tony Bendall aus, wie von der Titelseite eines Sportmagazins entsprungen. Er lächelte jungenhaft und hob die rechte Hand.

»Hi, Senator. Ich dachte, es ist besser, wenn ich doch dabei bin.«

Tony Bendall musste einigen Abstand gehalten haben, sonst hätte Hamlin ihn auf der Herfahrt bemerkt. Sonst schätzte er seinen jungen Pressechef und dessen Fähigkeiten sehr.

Jetzt hätte er ihn ohrfeigen können.

Weshalb war dieses Rindvieh nicht in Yonkers geblieben?

Hamlin wandte den Kopf und sprudelte hervor: »Das ist mein Pressechef. Er ist harmlos. Es ist Zufall, er ...«

Weiter kam er nicht. Allan Malloy riss ihn zur Seite und sprang über die Schwelle. Brick Anderss stieß einen scharfen Schrei aus und wollte seine Kanone ziehen. Aber da dröhnte schon der Colt Python. Zwei Volltreffer rissen den Bodyguard von den Beinen.

Blitzschnell wollte Tony Bendall in seinen Wagen flüchten. Doch Malloy richtete sein Eisen mit beiden Händen auf ihn. Die mörderische Kugel traf den schlaksigen Pressechef von links seitlich in den Brustkasten und tötete ihn auf der Stelle.

Senator Hamlin konnte sich nicht von der Stelle rühren, denn die Gangsterlady bedrohte ihn mit der Schalldämpferpistole. Dem Krachen der Schüsse folgte lähmende Stille. Dann zerrte Malloy den Senator aus dem Haus.

»Los, Senator, in den blauen Chevy dort. Und keine Fisimatenten. Sonst fangen Sie sich eine blaue Bohne von der Lady ein.«

Senator Hamlin stand unter Schockwirkung. Er folgte willenlos. Dabei richtete er entsetzte Blicke auf die beiden Toten.

Malloy hatte sie erschossen, ohne einen Sekundenbruchteil zu zögern. Der hagere Gangster stieß Hamlin von rechts in den Fond des Wagens. Die Gangsterlady stieg hinter Hamlin ein. Sie fluchte aufgeregt in ihrer Sprache und hielt dem Senator die Schalldämpferpistole vors Gesicht.

Malloy warf sich auf den Fahrersitz. Er drehte sich um.

»Herunter!«, herrschte er Hamlin an.

»Aber ...«

»Runter!«

Als sich der Senator auf den Wagenboden legen wollte, krachte der Griff des schweren Revolvers gegen seine Schläfe und in sein Genick. Hamlin fiel in einen bodenlosen Abgrund.

»Kleb ihm das Maul zu!«, befahl Malloy. »Dann gib ihm die Spritze!«

»Okay, Allan. Aber die Schießerei war nicht eingeplant. Jetzt ist die Polizei alarmiert.«

»Verlier bloß nicht die Nerven, Baby. Mein Plan ist große Klasse. Wir schaffen es trotzdem. Fünf Minuten Vorsprung genügen.«

Malloy hatte den Motor bereits gestartet. Der blaue Chevrolet Impala stand in Fahrtrichtung. Malloy fuhr auf die Einfahrt zu. Der Mann im Ford Townsman, der sich zuvor so intensiv für seine Zeitung interessiert hatte, folgte ihm. Der Zeitungsleser war kein anderer als der falsche Paketbote, der sich zu Nancy Quayles Wohnung Zutritt verschafft hatte.

In der Einfahrt stoppte der Ford Townsman für einige Augenblicke, während der Chevy schon mit quietschenden Reifen nach rechts davonraste. Ein Mann, der rechts von der Einfahrt an einem Zaun gelehnt hatte, eilte herbei und sprang in den Kombiwagen.

Dieser Mann trug trotz der sommerlichen Hitze einen langen hellen Mantel, der vorn nicht zugeknöpft war. Als er einstieg, wurde unter diesem Mantel eine Maschinenpistole sichtbar. Der Mann mit der MP, dessen Aufgabe es gewesen war, dafür zu sorgen, dass niemand die Einfahrt blockierte, zählte ebenfalls zu dem Gangsterquartett.

Ein breitrandiger Hut war tief in sein Gesicht gezogen.

Der dürre Gangster am Steuer des Ford trat das Gaspedal durch. Von der anderen Straßenseite lief ein Cop mit verschwitztem Gesicht und aufgekrempelten Hemdsärmeln zwischen den parkenden Wagen hervor. Er musste in diesem Bezirk auf Fußstreife gewesen sein und die Schüsse gehört haben.

»Halt!«, schrie er, hob die linke Hand und fuchtelte mit seinem 38er Police Special, den er in der Rechten hielt.

Der Ford Townsman raste auf ihn zu. Nur mit einem schnellen Sprung zur Seite konnte sich der Cop retten. Er blieb mit der Schuhspitze an der Bordsteinkante hängen und fiel hart auf den Bauch. Dabei verlor er den Revolver.

Als er die Waffe wieder in der Hand hielt, war der Gangsterwagen, der nach links von der Einfahrt weggerast war, schon weg.

Ich fuhr zum Washington Square. Ich wollte den Weg durchs Village nehmen. Die FBI-Verhörspezialisten warteten schon auf den Pimp Josh »Bloody« Hallard. Als wir Polizeisirenen hörten, schaltete Phil das Bordfunkgerät ein, um sich zu informieren.

Die Durchsage eines aufgeregten Patrolman knallte uns voll entgegen.

»Hier Patrolman Warriner, neuntes Revier Midtown, Patrol Car drei-eins-zwei-sechs. Haben uns an der McDougal Alley an den blauen Chevy Impala der Gangster angehängt, die Senator Hamlin erschossen oder gekidnappt haben. Dieses Teufelsweib hat uns eine Handgranate vor den Kühler geworfen. Die Karre ist hin. Ein Passant verletzt. Außerdem Sachschaden. Ein Glück, dass der Wagen wenigstens nicht Feuer gefangen hat.«

Das 9. Revier und die Einsatzzentrale der Headquarters der City Police an der Police Plaza meldeten sich. Alles redete durcheinander. Endlich kam der Patrolman wieder durch.

»Keine Ahnung, wo der Chevy abgeblieben ist. Mein Kollege und ich sind froh, dass wir noch leben. Over.«

Phil und ich waren wie elektrisiert. Sogar Bloody Hallard hörte mit seinem Gejammer auf. Aus den verschiedenen Funksprüchen, die durch den Äther schwirrten, kristallisierte sich heraus, dass es in einem Hinterhof in der West 9th Street eine blutige Schießerei gegeben hatte.