Jerry Cotton Sonder-Edition 167 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 167 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Florida! Sonne, Meer, ungetrübte Urlaubsfreude - aber auch Rauschgift überall! Die Schmugglerkönige hatten ganz neue Tricks ausgetüftelt, um die tödliche Ware ins Land zu schaffen. Da schienen Phil und ich auf verlorenem Posten zu stehen. Hohnlachend scheffelten sie ihr Sündengeld. Und wer ihnen zu nahe kam, der wurde abserviert - nach bewährter Methode ...


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Seitenzahl: 178

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Nach bewährter Methode

Vorschau

Impressum

Nach bewährter Methode

Florida! Sonne, Meer, ungetrübte Urlaubsfreude – aber auch Rauschgift überall! Die Schmugglerkönige hatten ganz neue Tricks ausgetüftelt, um die tödliche Ware ins Land zu schaffen. Da schienen Phil und ich auf verlorenem Posten zu stehen. Hohnlachend scheffelten sie ihr Sündengeld. Und wer ihnen zu nahe kam, der wurde abserviert – nach bewährter Methode ...

1

Das Gewehr peitschte auf.

Der dünne Schussknall verlor sich in der Weite über dem blauen Wasser der Floridastraße. Tobe Webster setzte die Waffe ab. Aus schmalen Augen beobachtete er, wie sich eine einzelne Möwe aus dem Schwarm löste und durch die Luft trudelte. Dicht am Wasser fiel sie in den weißen Sand. Tobe wandte sich seiner jungen Frau zu und grinste.

»Na?«, fragte er herausfordernd.

Peggy Webster zog die Schultern hoch. Die Sonne der Florida Keys hatte ihre Haut gebräunt. Aber das änderte nichts an der Magerkeit ihres Körpers in dem knappen Bikini, dem ewig strähnigen Blondhaar und dem kindlichen Gesicht, aus dem sie nichts zu machen verstand. Tobe Webster, der leichtlebige Sportstyp, hatte sie im Sturm erobert und zum Standesamt geschleppt. Seither gab er ihr Geld aus, das aus einer Erbschaft stammte.

»Ich weiß, dass du mal beinahe in der Olympia-Auswahl der Sportschützen warst«, sagte Peggy ungehalten. »Ich verstehe nur nicht, warum du das Gewehr sogar mit in den Urlaub nehmen musstest. Arme Möwe ...«

Sie löste sich von seiner Seite und ging über den Strand. Tobe folgte ihr. Der Triumph war aus seinem Gesicht gewichen und machte Ärger Platz. Er starrte den toten Vogel im Sand an. Dann lachte er plötzlich.

»Schöne Möwe! Das ist eine Taube, Herzchen! He! Willst du dem Vieh vielleicht ein paar Tränen nachweinen?«

Peggy hatte sich auf die Fersen gekauert. Sie streckte die Hand aus, um das weiße Gefieder der Taube zu berühren.

Peggy runzelte die Stirn. »Schau mal! Das muss eine Brieftaube sein. Sie trägt etwas bei sich!«

»Blödsinn! Brieftauben werden doch heutzutage nicht mehr benutzt, um ...«

Tobe stockte. Auch er hatte jetzt den winzigen weißen Beutel bemerkt. Das Material sah wie Leinen aus, war aber mit einer glänzenden Schicht imprägniert. Rasch bückte er sich, nestelte das Ding vom Hals des Tiers und löste die Verschnürung.

Tobe Webster zog die Unterlippe zwischen die Zähne, als er das feine weiße Pulver entdeckte. Es sah aus wie Zucker. Kristallines Pulver. Kristalle ... Schnee ... Die Gedankenverbindung kam automatisch. Tobe Webster befeuchtete einen Zeigefinger, tupfte ihn in den Beutel und probierte eine Spur von dem Zeug mit der Zunge.

Ruckartig hob er den Kopf.

»Heroin!«, flüsterte er. »Es ist Heroin, Baby!«

Peggy schluckte. »Woher willst du das wissen, Tobe?«

Er verzichtete darauf, ihr zu erzählen, dass er als Student mit Rauschgift in Berührung gekommen war, und zwar nicht nur als Käufer. In gewissen Dingen hatte Peggy noch die Denkweise einer höheren Tochter. Und sie konnte starrköpfig werden, wenn man ihre Toleranz überbeanspruchte.

»Heroin erzeugt ein Gefühl der Taubheit auf der Zunge«, sagte er. »Es ist Rauschgift. Mindestens eine Unze. Über tausend Dollar wert!«

»Tausend Dollar? Und du glaubst, etwas, das tausend Dollar wert ist, hängt man so einfach einer Taube um den Hals?«

»Das ist ja das Raffinierte! Begreifst du nicht? Ein Schmugglertrick! Eine Taube kann nicht in eine Razzia geraten.«

Peggy starrte den toten Vogel an.

»Wir müssen zur Polizei gehen«, sagte sie beklommen.

»Bist du verrückt? Damit die Gangster unsere Namen erfahren? Willst du vielleicht Selbstmord begehen?«

Peggy schwieg. Sie war auf einer Farm im Mittelwesten aufgewachsen. Tobe stammte aus New York, und sie hatte ihn immer wegen seiner Erfahrung bewundert.

»Wenn du meinst ...«, sagte sie schließlich unsicher.

»Und ob ich das meine! Verlass dich nur auf mich, Baby. Ich weiß schon, was ich tue.«

Mit einem zufriedenen Lächeln ließ Tobe Webster den Heroinbeutel in der Tasche seiner Badehose verschwinden, hob das Gewehr vom Boden auf und griff nach Peggys Arm. Rasch zog er sie zu den Dünen, wo sie ihre Kleider zurückgelassen hatten.

Der Kerl hatte das Format eines Kleiderschranks, und er stand auf meinen Zehen.

Mir gefiel das nicht. Erst recht nicht, da der Bursche so unverschämt grinste, als gehöre der Nachtklub im Herzen von Miami ihm. Jetzt, am Spätnachmittag, herrschte noch nicht viel Betrieb. Der Kleiderschrank suchte Streit. Meinetwegen sollte er ihn haben.

»Hau ab, Riesenbaby«, sagte ich hart.

Der Koloss blinzelte. Alkoholisierter Atem schlug mir ins Gesicht. Gleichzeitig spürte ich den aufmerksamen Blick, mit dem Lefty, der Keeper, die Vorgänge beobachtete. Ich spielte hier eine Rolle. Und diese Rolle vertrug es nicht, mir von einem besoffenen Elefanten auf den Füßen herumtrampeln zu lassen.

Ruhig hob ich die Hand und stieß dem Hünen zwei Finger in den Magen.

Es sah harmlos aus. Das Riesenbaby klappte schon den Mund auf, um laut zu lachen. Aber statt des Gelächters brach ein röhrender Schrei aus seiner Kehle. Er stieg von meinen Zehen und riss im Rückwärtstorkeln einen Barhocker, zwei Stühle und ein Tischtuch mit.

Auf dem unbenutzten Tisch hatte Lefty die pikanten Häppchen abgestellt, die die Serviererinnen später verteilen sollten. Salzstangen, Oliven und Käsewürfel regneten auf den Hünen herab. Ein Schwall Essigmarinade ergoss sich über ihn, und der Pfefferstreuer landete ausgerechnet auf seiner Nase.

Mit einem urwelthaften Brüllen kam er auf die Beine.

Der Hieb, zu dem er ausholte, hätte einen Bullen gefällt. Nur dass ich trotz meiner Zugehörigkeit zum FBI nicht die geringste Lust hatte, bei diesem Spiel die Rolle des Bullen zu übernehmen, der gefällt wurde.

Ich steppte zur Seite.

Die Theke erzitterte, als der Hüne seine Faust dagegen drosch. Mit Kopf und Schultern fiel er über die polierte Messingplatte, riss den Mund auf und brachte keinen Ton hervor. Seine Augen traten weit aus den Höhlen. Kopfschüttelnd blickte Lefty, der Keeper, auf den röchelnden Riesen hinunter und tippte ihm dann leicht auf die Schulter.

»Pack dich, Alfie!«, empfahl er. »Das da ist der neue Mann von Double C. Gegen den hast du nichts zu bestellen, mein Junge.«

Der Hüne weinte fast.

Ich hatte einen neuen Angriff erwartet. Mindestens einen neuen Urschrei. Aber der Name Double C wirkte Wunder. Alfie packte seine lädierte Rechte unter die Achselhöhle, wimmerte herzergreifend vor sich hin und wankte Richtung Ausgang. Den Grund begriff ich, als ich mich umdrehte, um ihm nachzusehen.

Wir hatten Zuschauer.

»Double C« persönlich: Clifton Cassidy! Elegant in Schale, das knochige Gesicht unter der rötlichen Haarbürste von der Sonne Floridas gebräunt. Seine grünen Augen glitten aufmerksam von dem wankenden Hünen zu mir und blieben schließlich an Lefty hängen.

»Alfie suchte Streit«, sagte der Keeper sachlich. »Tom ließ ihn auflaufen.«

Tom – das war ich.

Jedenfalls für diesen Einsatz, der nun schon mehrere Wochen dauerte. Thomas Jefferson Duncan stand auf meiner ID Card. Der gleiche Name zierte den Führerschein und die Entlassungspapiere des Staatsgefängnisses zu Ossining, besser bekannt unter dem Namen Sing Sing.

Ich war nach Miami gekommen, um mich von einer fünfjährigen Zuchthausstrafe zu erholen. Und um herauszufinden, was an dem Tipp meines »alten Kumpels« Timmy Breed dran war, der behauptete, ein gewisser Morgan Moore könne gute Leute gebrauchen und zahle anständig.

Timmy Breed saß zwar in Sing Sing, natürlich gab es trotzdem Mittel und Wege, ihn zu fragen. Er hatte meine Story bestätigt und dafür die Aussicht eingetauscht, dass der Rest seiner Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Ich war in Morgan Moores Organisation eingeschleust worden, um Licht in das Dunkel umfangreicher Rauschgiftgeschäfte zu bringen, die zwischen Florida und New York liefen.

Wir wussten, dass Miami als Drehscheibe des Schmuggels in den letzten Monaten eine schwunghafte Entwicklung genommen hatte. Es musste neue Quellen geben. Und es gab einen neuen Ring, der gefährlich war, weil er offene Märkte brauchte. Keinem Rauschgiftboss, und wenn er über Wagenladungen voller Heroin verfügte, konnte es einfallen, zum Beispiel den Verteilerorganisationen der Mafia die Kunden abspenstig zu machen. Die Leute, die von Florida aus beliefert wurden, mussten in Marktlücken stoßen.

Das hieß, dass in New York wieder einmal Dealer vor den Schulen herumlungerten. In den Gettos tauchte Haschisch in Massen auf. Zu Spottpreisen, aber mit Heroin versetzt, sodass systematisch Menschen süchtig gemacht und ins Verderben getrieben wurden.

Innerhalb der USA war mit Razzien und Fahndungsmaßnahmen wenig auszurichten. Wir mussten da ansetzen, wo das Zeug ins Land gebracht wurde. Wenn wir den Nachschub blockierten und den kleinen Fischen zu Leibe rückten, konnten wir die großen Haie vielleicht aus der Reserve locken. Als einer dieser Haie galt Morgan Moore. Deshalb war ich hier und spielte die Rolle des hoffnungsvollen Nachwuchsgangsters.

Clifton Cassidy gab mir einen Wink und marschierte auf die Tür des Hinterzimmers zu. Da ihm der Laden gehörte, konnte er sich das erlauben. Er war sozusagen mein direkter Vorgesetzter: der Chef des Fußvolks, der zweite Mann in der Gang. Morgan Moore selbst hatte ich noch nicht zu sehen bekommen. Aber ich hoffte, dass sich das bald ändern würde.

Irgendetwas Wichtiges stand bevor.

Es lag in der Luft. Ich spürte es und las es aus dem Verhalten meiner vermeintlichen Komplizen. Eine gewisse Unruhe, Andeutungen hier und da – nichts Konkretes und doch mit Händen zu greifen. Vier Wochen spielte ich jetzt schon mit. Ich hoffte, dass mir Cassidy endlich die versprochene Chance geben würde, in der Hierarchie ein bisschen höher zu klettern.

Das Zwischenspiel mit dem starken Alfie schien ihn jedenfalls beeindruckt zu haben.

Gönnerhaft klopfte er mir auf die Schulter. Der Whisky, den er mir aus seiner Privatflasche einschenkte, war zweifellos als Auszeichnung gedacht. Wir tranken uns zu, und Cassidy atmete tief durch.

»Morgen Abend kommt die Alberta aus Kolumbien«, sagte er unvermittelt. »Sie löscht ihre Ladung in den Islands. Fünfundzwanzig Tonnen Pot, mein Junge. Marihuana für fünfzehn Millionen Dollar!«

Ich pfiff durch die Zähne.

Die Überraschung brauchte ich nicht zu spielen: fünfundzwanzig Tonnen Marihuana waren ein starkes Stück. Dass sie aus Kolumbien kamen, wunderte mich nicht. Das Land ist zur Drehscheibe des Rauschgifthandels geworden. Böse Zungen behaupten, es sei bereits fest in der Hand der Mafia. Und nicht nur der Mafia, wie Cassidys Ankündigung bewies. Der neue Ring, dem ich auf der Spur war, verfügte offenbar über beträchtliche kriminelle Energien.

Mit Islands meinte Cassidy die berühmten Ten Thousand Islands, die zehntausend Inseln, die den Everglades vorgelagert sind. Ein unwegsames Gebiet, so gut wie unbewohnt, teilweise schon von der Sumpflandschaft geprägt, in die zahllose Buchten und tiefe Wasserarme hineinragen. Ein Schmugglerparadies. Allein deshalb, weil sich das unübersichtliche Gelände von der Coast Guard nicht wirksam kontrollieren lässt.

»Mann, Mann!«, sagte ich andächtig. »Fünfzehn Millionen! Glaubst du, davon könnten ein paar Scheinchen an meinen Fingern kleben bleiben?«

Cassidy grinste. »Sicher, mein Junge. Der Boss will dich diesmal einsetzen. Wir brauchen jede Hand, um die Ladung zu löschen.«

»Kann ich mir vorstellen. Und wo genau soll das Ganze stattfinden?«

»Weiß ich noch nicht. Heute Abend ist Lagebesprechung. Dann wird der Boss es wahrscheinlich bekanntgeben. Sieh zu, dass du um acht hier antanzt. Wir müssen vor der Konferenz noch einen Typen in Hollywood abholen.«

»Eh! Machst du Witze?«

Ich wusste natürlich, dass es nördlich von Miami einen Badeort namens Hollywood gibt, doch ich wollte nicht durch zu genaue Ortskenntnisse auffallen. Cassidy grinste erneut. Einen Moment funkelte es amüsiert in seinen grünen Augen.

»Das Kaff heißt wirklich so. Eigentlich solltest du es kennen. Es liegt nur ein paar Meilen entfernt.« Das Grinsen erlosch. Die grünen Augen kniffen sich zu Schlitzen zusammen. »Der Mann, den wir abholen werden, heißt Lester Ballard. Ein jähzorniges Ekel! Aber er ist wichtig, Tom. Also tritt ihm nicht auf die Zehen!«

»Klarer Fall!« Ich grinste. »Muss ich fahren?«

»Genau. Kein Alkohol, verstanden?«

»Verstanden. Bis dann ...«

Ich verließ das Hinterzimmer, nickte Lefty zu und schlenderte zum Ausgang.

Fünfundzwanzig Tonnen Marihuana ... Die Dinge gerieten in Bewegung. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte ich das Gefühl, dass dieser vertrackte Fall vielleicht doch noch einmal zu einem Ende kommen würde.

Der Plattenspieler dudelte.

Auf der Terrasse des kleinen Ferienbungalows schaukelten Lampions. Gelächter und Stimmengewirr klangen eine Spur zu schrill. Vor dem Holzkohlengrill, auf dem Bratwürste und Steaks brutzelten, tanzte eine vollschlanke Brünette mit zuckenden Bewegungen und schwenkte das Oberteil ihres Bikinis.

Peggy Webster stand im dämmrigen Wohnzimmer.

Drüben am Kamin schwankte ein Sessel, von einem eifrig beschäftigten Pärchen in Vibration versetzt. Peggy achtete nicht darauf, obwohl sie sich mit solchen freien Sitten nicht befreunden konnte. Tobe fand überall, wo er hinkam, die gleiche Art von Freunden. Eine Woche Urlaub hatte ihm genügt, um eine laute, oberflächliche, bunt gemischte Clique um sich zu sammeln. Lauter Leute, mit denen Peggy nicht warm wurde. Einige von ihnen gehörten zweifellos der Halbwelt an, wenn nicht sogar der Unterwelt. Ihr waren sie unheimlich. Aber im Moment machte ihr etwas anderes Sorgen.

Ihr Blick hing an der flachen Schachtel, deren Deckel zur Seite gerutscht war und das blitzende Injektionsbesteck sehen ließ. Vorhin hatte Peggy beobachtet, wie sich ein paar Partygäste in eine dunkle Ecke zurückgezogen hatten. Die Brünette im Bikini war dabei gewesen. Jetzt tanzte sie selbstvergessen Striptease, mit glänzenden Augen, deren Pupillen sich auf die Größe von Stecknadelköpfen zusammengezogen hatten. Tobe musste mit dem Heroin herumexperimentiert haben. Und irgendwo hatte er auch die Spritze aufgetrieben. Peggy presste die Lippen zusammen und strich sich mit einer hilflosen Gebärde das Haar aus der Stirn.

Langsam ging sie zur Terrassentür hinüber.

Das Glas warf ihr Spiegelbild zurück. Sie trug ein hellblaues Kleid, das die Farbe ihrer Augen hervorhob, hatte Lippenstift aufgelegt, mit der Brennschere ein paar Löckchen in ihr Schnittlauchhaar gezwungen und sich so hübsch wie möglich gemacht. Doch Tobe hatte keinen Blick für sie. Er war angetrunken und sicher auch high oder wie man das nannte. Sonst kümmerte er sich wenigstens um sie, obwohl sie manchmal das Gefühl hatte, dass er das nur aus Pflichtgefühl tat. Heute war er in Fahrt und versprühte seinen geballten Charme an alle weiblichen Gäste. Dabei hatte der Abend gerade erst angefangen.

Peggy lächelte mechanisch, als einer der Männer auf sie zutrat.

Er war mit der Brünetten gekommen. Ein schlanker schwarzlockiger Jüngling mit Samthosen und Rüschenhemd. Peggy fand, dass er wie ein Zuhälter aussah.

Auch seine Augen glänzten unnatürlich. Er hatte getrunken und Heroin geschnupft. Er schwankte bedenklich, als er mit Peggy tanzte. Hinterher zwang er ihr einen Drink auf, der wenig Orangensaft und viel Bacardi Rum enthielt.

Peggy trank, weil sie höflich sein wollte. Schließlich handelte es sich bei all diesen Leuten um Tobes Freunde. Irgendwie würde sie sich an seine Eigenarten gewöhnen müssen. Er war ihr Mann. Sie liebte ihn. Und er liebte sie auch, er hatte sie geheiratet. Der Gedanke war tröstlich, und allmählich geriet sie in eine nicht gerade beschwingte, aber seltsam gleichmütige Stimmung, in der das leichte Schwindelgefühl die Probleme verwischte.

Irgendwie gelang es ihr, den Schwarzgelockten abzuschütteln. Er sah wohl auch ein, dass er bei ihr nicht zum Zuge kommen würde. Seufzend ließ sie sich in einen Korbsessel sinken. Obwohl sie es sich nicht eingestand, hatte der zudringliche Typ ein wenig ihrer weiblichen Eitelkeit geschmeichelt. Sie nahm einen Schluck aus ihrem Glas und hörte ohne besondere Aufmerksamkeit dem Gespräch zu, das ihr Mann mit einem kleinen, hageren Mann in Jeans und T-Shirt führte.

Er hieß Ritchie. Ritchie Williams. Sein schmales Gesicht sah verlebt und lasterhaft aus, und seine Stimme klang brüchig von Alkohol, Nikotin und langen Nächten.

»... erstklassige Qualität«, sagte er halblaut. »Verdammt, nun sag mir endlich, wo du den Stoff herhast!«

Tobe lachte. »Mein Geheimnis, Ritchie. Das Zeug ist vom Himmel gefallen.«

»Du spinnst ja, Mann. Zwischen Key West und Key Largo kriegst du nur gepanschten Dreck, wenn du keine Beziehungen hast. Du hast es von zu Hause mitgebracht, oder?«

»Es ist vom Himmel gefallen! Ehrlich, du kannst es glauben!«

Ritchie Williams verzog das Gesicht. Peggy fing einen prüfenden Blick von ihm auf und lächelte mechanisch. Er wandte sich wieder ihrem Mann zu und senkte die Stimme zum verschwörerischen Flüstern.

»Hör zu, Tobe! Der Stoff ist zu schade, um ihn an irgendwelche besoffenen Idioten zu verteilen. Bist du dir klar darüber, dass du heute Abend fünfhundert Dollar verschenkt hast?«

»Tausend!«, verbesserte Tobe. »Mindestens! Und in New York oder Chicago würde es noch zwei-‍, dreihundert Bucks mehr bringen.«

»Wir sind aber nicht in New York oder Chicago. Und du kannst dich mit dem Stoff nicht auf den Markt stellen, Junge. Sechshundert pro Unze! Mein letztes Wort! Kannst du was beschaffen?«

Peggy Webster glaubte zu träumen.

Sie hörte die Worte, doch ihr Gehirn weigerte sich, sie zu begreifen. Dieser Ritchie Williams war Rauschgifthändler! Tobe konnte nicht allen Ernstes Geschäfte mit einem Rauschgifthändler machen wollen ...

»Okay. Ich versuch's. Wo ich dich erreichen kann, weiß ich ja.«

»Prima! Lass uns darauf einen trinken.«

Die beiden Männer standen auf.

Peggy sah ihnen mit klopfendem Herzen nach. Sie war wie vor den Kopf geschlagen. Einen Augenblick hatte sie das Gefühl, als begänne der Boden unter ihren Füßen zu wanken.

Später, in einem günstigen Moment, versuchte sie, Tobe zur Rede zu stellen.

Er lachte sie aus.

»Alles Quatsch, Baby! Das hab ich doch nur gesagt, damit der Typ mich mit seinem dämlichen Gefasel in Ruhe lässt, verstehst du?«

»Wirklich?«, fragte Peggy zweifelnd.

»Wirklich!«, behauptete er.

Dabei ging er leicht schwankend zum Barfach, um eine neue Flasche Bacardi zu holen. Da wusste Peggy, dass für heute nicht mehr mit ihm zu reden war.

2

Es war sieben Uhr an diesem Abend, als ich Annie's Grillroom betrat und mich mühsam zu der langen Theke durchdrängte.

Annie wendete mit hochrotem Gesicht und aufgekrempelten Ärmeln Riesensteaks auf dem Holzkohlenrost. Dazu gab es Berge von Zwiebeln und ein Büfett, an dem sich jeder seinen Salat selbst mischen konnte. Ich belud meinen Teller, fand einen freien Platz und sah flüchtig zu dem breitschultrigen blonden Mann hinüber, der in meiner Nähe ebenfalls ein Steak verzehrte.

Mein Freund und Partner Phil Decker hob den kleinen Finger zum Zeichen, dass er mich gesehen hatte.

Auch er trieb sich schon seit Wochen in Miami herum. Als Verbindungsmann und Eingreifreserve. Dass wir jeden zweiten Abend beide um die gleiche Zeit bei Annie aßen, war völlig unverfänglich.

Genauso unverfänglich wie die Tatsache, dass mein Freund wenig später den Rest seines Steaks mit dem letzten Schluck Bier herunterspülte und den Toiletten zustrebte.

Ich hatte mich eingedenk Cassidys Warnung auf Mineralwasser beschränkt. In aller Ruhe beendete ich mein Abendessen. Bezahlt wurde bei Annie ohnehin im Voraus. Ich zerknüllte die Serviette, schleppte brav meinen Teller zur Spültheke, da Annies menschenfreundliche Preise keinen Service trugen, und steuerte ebenfalls die Tür mit der Aufschrift WC an.

Ein langer, schmaler Flur führte bis auf die Rückseite des Gebäudes.

Da niemand in der Nähe war, wischte ich eilig durch die Hintertür. In dem großen Hof bildeten Stapel von leeren Bierkästen ein unübersichtliches Labyrinth. Ich tauchte in eine der schmalen Lücken und grinste Phil zu, der an einer Backsteinmauer lehnte.

»Schönen guten Abend, Mister Duncan«, sagte er trocken. »Wie gehen die Geschäfte?«

»Großartig. Wir erwarten fünfundzwanzig Tonnen Marihuana im Wert von fünfzehn Millionen Dollar.«

Phils Gesicht wurde schlagartig ernst. Er starrte mich an. »Machst du Witze?«

Ich schüttelte den Kopf.

In knappen Worten berichtete ich, was ich von »Double C« Clifton Cassidy erfahren hatte.

Phil biss sich kräftig auf die Unterlippe. »Verdammt, verdammt! Und du hast keine Ahnung, auf welcher der Ten Thousands die Ladung gelöscht werden soll?«

»Cassidy weiß es selbst noch nicht. Ich hoffe, dass ich es heute Abend bei der Besprechung erfahren werde. Am besten treffen wir uns noch mal gegen Mitternacht. Im Seastar, würde ich vorschlagen.«

»Einverstanden. Ich kann ja schon mal die Coast Guard auf die Alberta hetzen. Die Boys können versuchen, das Schiff schön unauffällig vom Flugzeug aus zu orten und zu verfolgen.«

»Sie sollten vorsichtig sein. Wer fünfundzwanzig Tonnen Pot spazieren schippert, hört die Flöhe husten.«

»Klarer Fall.« Phil zögerte einen Moment und kniff die Augen zusammen. »Morgen Abend«, wiederholte er gedehnt. »Das könnte kritisch werden. Wenn mich nicht alles täuscht, prophezeien die Wetterfrösche nicht viel Gutes.«

»Mist«, sagte ich inbrünstig. Florida ist zwar für sein angenehmes Klima berühmt, aber gewisse Wetterumschwünge können verdammt unangenehm werden. »Na ja, Morgan Moore wird hoffentlich wissen, was er tut. Also bis dann ...«

Phil nickte nur.

Der Einfachheit halber verschwand er gleich durch die Einfahrt, die auf die Parallelstraße führte. Ich ging ins Lokal zurück, drängte mich zum Ausgang durch und kletterte auf dem Parkplatz wieder in meinen Wagen.

Viertel vor acht.

Wenn ich zu meiner Verabredung mit Clifton Cassidy pünktlich kommen wollte, musste ich mich beeilen.

Die verfallenen Gebäude der Farm waren kaum zu sehen, obwohl sie auf einer Anhöhe lagen.

Eine urwaldartige Wildnis aus Baumriesen, Lianen und wucherndem Gestrüpp deckte sie zur Straße hin, die zum Lake Okeechobee führte. Palmen umgaben die gerodete Fläche. Auf dem Wasserarm dahinter lag das unvermeidliche Gleitboot. Über dem Sumpfgelände schien die Luft zu zittern vom Konzert der Vögel, die das ständige emsige Gurren, Trippeln und Flattern auf dem Farmhof fast übertönten.

Der kleine, magere Mann schloss behutsam die Tür des Taubenschlags hinter sich.

Aus rotgeränderten Augen blinzelte er in die letzten Glutpfeile, die die untergehende Sonne durch das Dickicht schickte. Seymour Thigpen war fast sechzig Jahre alt, aber zäh wie Leder. Sein zerknittertes, dunkel gebräuntes Gesicht erinnerte an geschnitzte Baumrinde. Die blauen Augen standen darin wie zwei helle Flecke. Die ursprüngliche Farbe des schmutzigen, verschwitzten Overalls war nicht mehr zu erkennen. Langsam, mit dem bedächtigen Schritt eines Mannes, der viel Zeit hat, ging Thigpen zum Haus zurück und stieß die Tür auf.

In dem großen Wohnraum ballte sich die Dunkelheit. Seymour Thigpen entzündete schweigend eine Batterielampe.