Jerry Cotton Sonder-Edition 17 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 17 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Als wir vom FBI einen anonymen Hinweis auf einen Bankraub bekamen, waren wir ziemlich ratlos. Es ging um eine Bank in der 56th Street, die als mustergültig gegen Überfälle gesichert galt. Phil und ich vergewisserten uns vor Ort, dass dem so war. Nie wären wir darauf gekommen, was die Gangster vorhatten, und als es dann geschah, mussten wir blitzschnell reagieren...

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Seitenzahl: 182

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Inhalt

Cover

Impressum

Bankraub mit Knalleffekt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Film: »Underground – Die Vergeltung«/ddp-images

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2467-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Bankraub mit Knalleffekt

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Vor der Bankfiliale wurde Buck Myer von einem hünenhaften Mann angerempelt.

»Bleiben Sie ganz ruhig, Mister«, murmelte der Riese schnell. »Ich bin Tom Lobbe. Die Beule in meiner Jackentasche stammt von einer 38er, und die Mündung ist genau auf Ihren Bauch gerichtet.«

Buck Myer starrte erschrocken auf das finstere Gesicht des Mannes. Tom Lobbe, schoss es dem Millionär durch den Kopf, war das nicht der Name eines berüchtigten Gangsters?

»Was wollen Sie von mir?«, fragte er ängstlich.

Tom Lobbe wies mit dem Kopf in die Richtung der Sixth Avenue. »Gehen Sie langsam neben mir die Straße rauf! Und keine Tricks! Sonst jage ich Ihnen eine Kugel in den Bauch.«

Er drängte den Millionär vorwärts. Myer war eingeschüchtert. Er setzte mechanisch einen Fuß vor den anderen.

»Hören Sie«, sagte er schwer atmend. »Ich habe 200 Dollar bei mir. Wenn Sie das Geld unbedingt haben wollen, also ich wäre ja ein Idiot, wenn ich mich für 200 Bucks umbringen ließe! Ich werde das Geld aus der Brieftasche nehmen und Ihnen in die Hand drücken. Dafür lassen Sie mich gehen. Es kann Ihnen doch wirklich nichts daran liegen, mich zu erschießen, nicht wahr?«

Tom Lobbe ging auf Myers Vorschlag überhaupt nicht ein, sondern befahl barsch: »Rechts rein, Dicker! Ja, ins Parkhaus. Los, los!«

Neben der Bankfiliale, an der Ecke der 56th Street und der Seventh Avenue, lag ein Parkhaus. Tom Lobbe dirigierte sein Opfer in den Lift. Sie fuhren aufwärts und stiegen in einem Stockwerk aus, in dem ungefähr 40 Fahrzeuge standen.

An der Wand lehnte ein mittelgroßer, kräftig wirkender Mann. Er grinste breit, als er Myer sah. Weiter hinten, wo die gewundene Auffahrt für die Wagen hinter einem mächtigen Betonpfeiler verschwand, erblickte Myer einen weiteren Mann.

»Kommen Sie!«, befahl Tom Lobbe. Er schob den Millionär auf einen gelbbraunen Ford Station Car zu. Myer musste auf der Rückbank Platz nehmen. Vorn lümmelte sich ein knapp 20-jähriger Bursche. Er grinste geradezu bösartig, als er Myer sah.

Kaum hatte sich der Millionär gesetzt, da packte Lobbe ihn an der Kehle.

»Hör zu!«, zischte der Riese. »Wir werden dir ein paar Fragen stellen. Du hörst gut zu und gibst uns glasklare Antworten. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«

Buck Myer nickte beflissen, als Lobbe ihn losließ.

»Wir wollen mit dem Schlüssel anfangen«, sagte Tom Lobbe.

»Mi-mit wa-was für einem Schlüssel?«, stotterte der aufgeregte Millionär.

»Dem Schlüssel für das Schließfach in der Bank. Wir brauchen den Schlüssel. Her damit!«

Den Schlüssel diesen Kerlen auszuhändigen, war etwas Unvorstellbares für ihn. Also protestierte er: »Ausgeschlossen! Das ist eine Zumutung. Ich kann Ihnen den Schlüssel für mein Bankfach nicht geben!«

Tom Lobbe sah ihn aus kleinen grauen Augen an. Ein paar Sekunden herrschte beklemmende Stille. Myer fing plötzlich an zu zittern. Etwas Bedrohliches hing in der Luft, er spürte es mit jeder Faser seiner Nerven.

Dann schlug Tom Lobbe zu. Es waren harte, kurze Schläge. Buck Myer wollte schreien, aber er brachte nur ein Röcheln aus der Kehle.

»Du kannst nicht?«, dröhnte Lobbes Stimme überlaut in Myers Ohren. »Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du zu allem bereit sein. Verlass dich drauf!«

Dann zog Tom Lobbe sein Schnappmesser. Myer schien das Blut in den Adern zu gefrieren, als er hörte, wie die Klinge aus dem Heft schoss.

***

Ungefähr zur gleichen Zeit, es war elf Uhr vormittags, stürmte Joe Plant in das Hinterzimmer von Billy’s Tavern am mittleren Broadway. Dort hockten die übrigen fünf Mitglieder der Hammond-Gang. Als Joe hereinstürzte, sprangen sie erschrocken auf, und die meisten Hände fuhren an die Pistolenhalfter unter den Achseln.

»Bullen?«, fragte Robby Hammond, der Boss der Bande.

Joe schüttelte den Kopf und knallte die Tür hinter sich zu.

»Die Polypen latschen friedlich ihre Runden«, berichtete er atemlos. »Aber vorn in der Gaststube tut sich was! Harry the Gun steht an der Theke! Ich traute meinen Augen nicht, wie die Tür aufgeht und Harry the Gun hereinspaziert! Und dann bestellt er sich Fruchtsaft! Kein Bier, keinen Whisky, keinen Gin, nein, Fruchtsaft!«

Robby Hammond ließ sich in seinen speckigen, alten Ledersessel zurückfallen.

»Man sollte den frechen Hund rösten«, schlug Joe vor.

»Warum hast du nicht gleich damit angefangen, als er zur Tür hereinkam?«, fragte Robby Hammond höhnisch. »Bei dir reicht es immer nur dazu, das Maul aufzureißen.«

Joe kratzte sich an der Nase. Eine unbehagliche Stimmung breitete sich unter den sechs Gangstern aus. Nur der junge Steve Cracker, der erst kürzlich von Chicago nach New York gekommen war, grinste einfältig vor sich hin. Man sah ihm an, dass er sich in den verwickelten Beziehungen der Unterwelt von Manhattan noch nicht richtig auskannte.

»Harry the Gun«, wiederholte er nachdenklich. »Warum nennt man ihn so?«

»Weil er besser schießt als der Kunstschütze im Zirkus Ringling Brothers«, knurrte Hammond.

»Und was habt ihr gegen ihn?«

»Hör zu, Kleiner. Harry the Gun heißt Harry Lobbe. Und er hat einen Bruder, der heißt Tom Lobbe. Und dieser verdammte Kerl ist der Boss von einem mickrigen Verein, der uns hier unser Gebiet streitig machen will. Kapiert?«

Der junge Cracker spitzte die Lippen und stieß einen knappen Pfiff aus.

»Wenn das so ist«, erklärte er entschlossen, »dann sollten wir diesem Schützenheini von der Konkurrenz zeigen, wer hier der Herr ist.«

Robby Hammond schnaufte wieder. Es war eine seiner zahlreichen hässlichen Gewohnheiten. Während er sich aus seinem speckigen Ledersessel hochstemmte, befahl er:

»Joe und Steve, ihr klettert zum Fenster raus, lauft auf die Straße und geht von vorn in die Gaststube. Ich komme hier aus dem Hinterzimmer. Die anderen bleiben hinter mir und sorgen für Deckung. Wir holen ihn hier herein und drehen ihn durch die Mangel, dass ihm Hören und Sehen vergeht. Jemand was dagegen?«

Die Gangster schüttelten die Köpfe. Da sie wussten, dass sie es nur mit einem einzelnen Mann zu tun hatten, fühlten sie sich stark. Joe Plant schob das einzige Fenster des Hinterzimmers auf und kletterte in den Hinterhof. Steve Cracker folgte ihm eilfertig. Robby Hammond wartete ein paar Sekunden, dann zog er seine Pistole und ging mit schweren Schritten zur Tür und riss sie auf.

Die Gaststube war kaum größer als das Hinterzimmer. Der Wirt hatte sich in die Küche verzogen, weil er wusste, dass etwas geschehen würde. Harry stand allein an der Theke und nippte an einem Fruchtsaft. Der Mann war groß und schwer wie sein Bruder Tom, hatte aber sonst keine Ähnlichkeit mit ihm.

In der Spiegelwand hinter der Bar sah Harry Lobbe, wie Hammond mit schussbereiter Pistole in der Tür des Hinterzimmers auftauchte. Im gleichen Augenblick quietschte die Tür, die zur Straße führte. Harry the Gun wandte den Kopf.

Grinsend erschien Steve Cracker, die Daumen hinter die Gürtelschnalle der Hose gehakt. Und dicht hinter ihm drängte sich Joe herein.

Langsam setzte Harry seinen Fruchtsaft auf die Theke zurück. In seinem Gesicht zuckte keine Wimper. Totenstille herrschte. Mit schrillem Quietschen fiel die Eingangstür zu. Draußen rumpelte ein schwerer Lastzug durch die Straße. Die Gläser in dem Regal hinter der Theke vibrierten mit leisem Geklirr.

Und dann ging es so schnell, wie ein Blitz über den Himmel zuckt. Harry the Gun wirbelte herum. Wie hineingezaubert lagen in seinen Händen zwei kurzläufige, vernickelte Coltrevolver. Es knallte nicht laut, als Harry Lobbe feuerte.

***

Buck Myer besaß keine Willenskraft mehr. Sie war geschmolzen in einer Höllenglut von Schmerz und Qual. Er hockte zusammengekrümmt auf dem Rücksitz des Autos, und röchelnd kämpfte er um seinen Atem.

Es war genau so, wie es sich Tom Lobbe vorgestellt hatte: Der Millionär konnte keine Schmerzen ertragen. Er hatte schnell kapituliert.

Jetzt lag der Schlüssel zum Schließfach, das Myer in der Bankfiliale gemietet hatte, in Lobbes linker Hand. »Welche Nummer hat das Schließfach?«, brummte Lobbe und starrte noch immer auf den Schlüssel.

»Dreiundsiebzig«, würgte Buck Myer mühsam hervor.

»Butch«, sagte er halblaut zu dem Jungen, der auf dem Fahrersitz kniete und nach hinten blickte.

»Ja, Chef?«, erwiderte der junge Bursche eifrig.

»Du weißt, was du zu tun hast«, sagte Tom Lobbe ruhig. »Es muss schnell gehen, es darf kein Aufsehen erregen, und du musst spätestens 15 Minuten vor zwölf wieder hier sein. Mit dem Wagen, versteht sich.«

»Klar, Boss«, erwiderte der Junge. Sein Gesicht verzog sich.

Der riesige Verbrecher stieg aus, ohne Buck Myer einen weiteren Blick zu gönnen. Mit einem leisen Pfiff rief er den Mann zu sich, der neben dem breiten Betonpfeiler an der gewundenen Auffahrt stand. Ein zweiter Signalpfiff rief den Posten vom Lift herbei. Zu dritt setzten sie sich in eine alte Chevy-Limousine.

»Hören Sie, Boss«, sagte Sicci Ramondo, als sie die Wagentüren des Chevy hinter sich zugeschlagen hatten und zu dritt auf der hinteren Bank saßen. »Wollen Sie uns nicht endlich einweihen, was wir heute eigentlich spielen?«

»Sie erfahren es früh genug, Ramondo«, sagte der Bandenchef.

»Na schön«, brummte Sicci Ramondo. »Sie sind der Boss. Sie müssen wissen, was Sie tun.«

»Ich weiß es genau. Alan, fahr jetzt zu dem Gepäckfach in der Grand Central Station! Nimm ein Taxi! Hol den Koffer! Kapiert?«

»Okay, Boss. Soll ich mit dem Koffer hier wieder aufkreuzen?«

»Natürlich, wo denn sonst! Wir warten auf dich. Es ist jetzt neun Minuten nach elf. Bis spätestens 15 Minuten vor zwölf kannst du zurück sein. Also los, mach dich auf den Weg! Übrigens: Geh ein bisschen behutsam mit dem Koffer um!«

Alan Hastings blickte über die Schulter zurück. »Ist was Zerbrechliches drin?«, fragte er arglos.

Lobbe grinste unwillkürlich. »Was Zerbrechliches? Im Koffer sind sechs Kilo Dynamit.«

***

Robby Hammond spürte einen harten Schlag gegen das Handgelenk. Er sah, dass die Pistole, die er eben noch in der Hand gehalten hatte, durch die Luft wirbelte und krachend gegen die Wand dröhnte.

In der Nähe der Eingangstür war die Verblüffung nicht geringer. Steve Cracker war auf einmal totenblass. Er hatte den scharfen Luftzug nur zu deutlich gespürt, als ihm die Kugel von Harry the Gun den Hut vom Kopf riss.

»Ich warne euch«, sagte Harry ruhig. »Wenn einer von euch Blödsinn macht, hat er die nächste Kugel im Bauch.«

Robby Hammond stand breitbeinig in der offenen Tür zum Hinterzimmer und massierte seinen rechten Arm. Bis zum Ellenbogen war kein Gefühl mehr drin. Hammond besah kopfschüttelnd seine rechte Hand. Eine äußere Verletzung war nicht zu erkennen.

»Ihr beiden hebt die Hände und marschiert zu eurem Boss«, knurrte Harry the Gun. »Auch für dich gilt das, Hammond! Und für die Figuren hinter dir! Los, Jungs, wenn ich noch einmal abdrücken muss, gibt es Löcher in euren Köpfen. Also überlegt nicht so lange!«

Harnmond blieb nichts anderes übrig, als der Aufforderung nachzukommen. Mit verbissenen Mienen bequemten sich auch die übrigen Gangster dazu, die Arme hochzurecken. Hammonds rechter Arm kam über die Schulterhöhe nicht hinaus. Der Arm war taub und fing an zu schmerzen.

»Also gut«, knurrte Hammond. »Diese Runde geht an dich: Bist du zufrieden? Dann zieh ab! Wir können nicht ewig hier wie die Ölgötzen herumstehen.«

Harry Lobbe lächelte. »Ich bin nicht hergekommen, weil ich dich ärgern wollte, Hammond«, sagte Harry Lobbe. »Ich wollte mit dir sprechen. Und ich will es noch. Aber ich rede nicht mit dir, solange deine Leute hier herumstehen. Schicke sie ins Hinterzimmer und sag ihnen, sie sollen drinbleiben, bis du sie rufst!«

»Und ich?«, erkundigte sich Robby Hammond misstrauisch.

»Wir beide setzen uns dort drüben in die Nische, trinken einen Kaffee und reden miteinander.«

»Worüber?«

»Ich werde es dir sagen, sobald wir am Tisch sitzen.«

Hammond zögerte. Nach Lage der Dinge blieb ihm kaum etwas Anderes übrig, als Harry entgegenzukommen. Schließlich waren sie es gewesen, die den Zwischenfall provoziert hatten. Aber wer garantierte dafür, dass Harry Lobbe Hammond nicht nur allein vor den Mündungen seiner Coltrevolver haben wollte?

»Wenn ich sage, dass ich mit dir reden will, dann will ich mit dir reden und nicht auf dich schießen«, sagte Harry the Gun plötzlich, als ob er Harnmonds Gedanken erraten habe. »Meinetwegen kannst du deine 38er aufheben und einstecken. Damit du siehst, dass ich es ehrlich meine.«

»Na schön«, sagte Hammond und gab sich Mühe, seine Stimme ein wenig herablassend klingen zu lassen. »Also setzen wir uns in die Nische und reden wir miteinander. Los, Jungs, ihr bleibt im Hinterzimmer, bis ich euch Bescheid sage! Haut ab und starrt vor lauter Dämlichkeit nicht zu viele Löcher in die Wände, sonst bricht uns noch das Dach über dem Kopf zusammen!«

Mit ungläubigen Gesichtern schoben sich die Mitglieder seiner Bande in das Hinterzimmer. Joe Plant ging als Letzter hinein, und er ging rückwärts, um bis zum letzten Augenblick fassungslos seinen Boss anzusehen.

»Also«, sagte Hammond aufgeräumt, »wir sind allein, nun leg los! Was willst du in meinem Hauptquartier?«

»Setzen wir uns«, erwiderte Harry unbeirrt. »Ich bin schon seit Stunden auf den Beinen, und mir brennen die Füße.«

Er wandte Robby Hammond tatsächlich für ein paar Sekunden den Rücken zu, während er zu der kleinen Nische ging, die neben der Tür zu den Waschräumen lag. Als er auf die Eckbank rutschte, machte er eine einladende Handbewegung zu der Wand hin.

»Du solltest doch lieber dein Schießeisen wieder einstecken, Hammond. Es könnte einen dummen Eindruck machen, wenn jemand reinkommt und eine 38er in der Bude liegen sieht.«

»Ja, das ist wahr«, gab Hammond zu. »Du hast recht, Harry.«

Vielleicht habe ich ein Chance, schoss es ihm durch den Kopf. Wenn ich die Waffe einstecken soll, muss ich sie schließlich in die Hand nehmen. Und wenn ich sie erst einmal in der Hand habe … Ein leises, zischendes Geräusch wurde in der Nische laut, wo Harry Lobbe saß. Hammond hatte sich gerade nach seiner Pistole gebückt. Er wandte den Kopf und blickte über die Schulter zurück, während seine ausgestreckte Hand schon fast den Kolben der 38er berührte.

Harry saß am Tisch, hielt nur noch einen der Revolver in der Hand und blies unter der vorgeschobenen Oberlippe Luft in die Mündung, die er gegen das Kinn presste. Es hörte sich an wie das langsam einsetzende Pfeifen eines Teekessels.

Robby Hammond hob seine Pistole auf. Er schob sie rasch ins Schulterhalfter unter dem Jackett. Mit gespielter Heiterkeit marschierte er zu der Nische hin, wischte mit der linken Hand Staub von der Eckbank und ließ sich auf das Polster fallen.

»Da wir miteinander reden, als ob wir plötzlich Freunde wären, könnten wir auch einen ordentlichen Schluck zusammen trinken«, schlug er vor. »Wie wär’s mit einem Whisky?«

»Ich trinke keinen Alkohol«, sagte Harry der Schütze.

»Na schön«, brummte Harnmond und ärgerte sich über die ruhige, selbstbewusste Art, mit der ihm Harry Lobbe einen Korb gab. »Dann lassen wir es eben. Du bist zu uns gekommen, und wir sind davon nicht gerade erbaut. Das müsstest du dir denken können. Dein Bruder und ich sind Feinde.«

»Es ist der Grund, weshalb ich hier bin.«

Harnmond runzelte die Stirn. Was sollte das heißen? Wollte ihm Tom Lobbe etwa eine Art Versöhnung antragen? Das kam nicht in Frage. Das Gebiet zwischen der 42nd und der 59th Street, der Südgrenze des Central Park, wurde von der Hammond-Gang kontrolliert, und solange Tom Lobbe das gleiche Gebiet beanspruchte, so lange konnte es keine Versöhnung geben.

»Hat dich dein Bruder geschickt?«, fragte Harnmond.

»Nein. Er weiß nicht mal, dass ich hier bin.«

»Er weiß es nicht einmal? Du willst mir doch nicht einreden, dass es zwischen euch Ärger gegeben hat?«

»Es hat«, sagte Harry schlicht. »Du wirst den Mund halten und zu keinem Menschen darüber sprechen, Hammond. Ich muss die Karten aufdecken, damit du weißt, was gespielt wird zwischen meinem Bruder und mir. Hier lies es selbst!«

Er reichte Hammond einen Zettel, auf dem nur ein einziger Satz stand: Ich habe mich für Tom entschieden.

Hammond hob den Kopf und geriet in Versuchung, schadenfroh zu grinsen. Aber er unterließ es dann doch, als ihm einfiel, wie schnell Harry seine Revolver ziehen konnte.

»Soll das heißen, dass dein Bruder dir ein Mädchen ausgespannt hat?«, fragte er.

»Er hat die Zeit ausgenützt, als ich sechs Wochen abbrummen musste wegen eines blöden Verkehrsunfalls«, erklärte Harry. Sein Gesicht war ausdruckslos. Auch in seiner Stimme klang keinerlei Gefühl mit. Es war, als spreche er über etwas völlig Belangloses. »Und das soll er mir büßen. Ich habe 14 Tage gebraucht, um einen Coup auszubrüten, der ihn vor Neid platzen lassen wird. Und du sollst diesen Coup mit mir zusammen durchführen. Es wird das Ding deines Lebens, Hammond.«

»Na, lass hören!«, brummte der Gangster ohne Begeisterung. »Aber ich riskiere nichts, das sage ich dir gleich. Wir haben durch unsere Schutzgelder ein sicheres Auskommen, und ich müsste ein Idiot sein, wenn ich das für eine Seifenblase aufs Spiel setze.«

»Du müsstest genug von mir gehört haben, um zu wissen, dass ich keine Seifenblasen produziere. Der Coup ist astrein und bombensicher, wenn deine Jungs imstande sind, genau das zu tun, was man ihnen sagt.«

»Meine Jungs sind goldrichtig. Also sag schon, worum es geht! Ich kann es mir ja mal anhören.«

Harry Lobbe zögerte einen Augenblick. Obgleich niemand außer ihnen in dem Schankraum war, sah er sich sorgfältig um, bevor er leise sagte:

»Banküberfall. In der 56th Street. Heute Mittag zwischen halb eins und eins.«

2

Ich seufzte und griff nach den Zigaretten. »Bist du mit deiner Statistik fertig, Phil?«

Phil wies auf die vier hohen Aktenstapel neben seinem Schreibtisch, die er für die Statistik auszuwerten hatte.

»Fertig?«, stöhnte er. »Ja, aber nur mit den Nerven.«

Es hätte ein schöner Tag sein können, wenn diese Statistik nicht gewesen wäre. Gerade wollte ich mich wieder über sie hermachen, da klopfte es an der Officetür.

»Herein!«, riefen Phil und ich wie aus einem Munde.

Dann grinsten wir uns an. Offenbar waren wir beide gleichermaßen scharf auf jede mögliche Abwechslung. Die Tür ging auf, und Fat Brosley kam herein. Er war an die 60 Jahre alt und sah auch danach aus. Auf seinem blanken Schädel stand nur noch ein dünner Kranz mausgrauen Haares, das von Tag zu Tag lichter wurde.

»Hallo, ihr beiden«, murrte er. »Arbeit für euch.«

Wir schossen von unseren Drehstühlen hoch!

»Sachte, sachte«, wehrte er ab. »Seht euch erst mal diese Karte an!«

Er legte eine ganz gewöhnliche Postkarte vor uns auf den Tisch, die im 24. Postbezirk von Manhattan gestern Abend zwischen zehn und elf Uhr abgestempelt worden war. Auf der Karte war unbeholfen in Druckbuchstaben ein Satz aufgemalt: Die Bankfiliale in der 56. soll ausgeraubt werden.

Keine Unterschrift.

»Ihr habt sie in eurer Abteilung natürlich schon nach Fingerspuren untersucht?«, fragte ich Fat Brosley, der zu den Experten unserer daktyloskopischen Abteilung gehörte.

»Sicher.«

»Und?«

»Nichts. Ein paar Prints, die wahrscheinlich vom Briefträger stammen. Jedenfalls sind sie nicht in unserer Kartei. Wenn ihr Wert darauf legt, können wir sie an die Zentralkartei nach Washington schicken.«

»Also keine Spuren von dem Mann, der sie schrieb.« Phil warf mir einen fragenden Blick zu. »Was meinst du, Jerry?«

Ich zuckte die Achseln. »Dass uns jemand mit so einem Tipp an der Nase herumführen will, passiert verhältnismäßig selten. Jedenfalls werden wir uns mal um die Geschichte kümmern müssen. Vorausgesetzt, dass uns der Chef von unseren Statistiken weglaufen lässt.«

»Er lässt nicht nur«, sagte Brosley, »er wünscht es sogar. Ich komme direkt von Mr High. Ihr sollt tun, was ihr in der Sache für nötig haltet.«

Ich klopfte dem alten Brosley auf die Schulter.

»Danke dir, Fat. Du kamst wie gerufen. Noch eine Stunde dieses Zeug, und ich hätte bis ans Ende meiner Tage nur noch von Zahlen geträumt. Komm, Phil. Bevor wir eine Entscheidung treffen, was zu tun ist, wollen wir uns erst einmal in der 56th Street umsehen. Vielleicht stellt sich heraus, dass es dort keine Bank gibt, dann erledigt sich die Sache von selbst.«

»Und wir sitzen wieder an der Statistik! Mal den Teufel nicht an die Wand, Jerry!«

Brosley sagte: »Unsere Schriftsachverständigen sagen übrigens, dass die Karte höchstwahrscheinlich von einer verhältnismäßig intelligenten Frau geschrieben worden ist.«

Wir marschierten durch den Flur, fuhren mit dem Lift hinab und kletterten auf dem Hof in meinen roten Jaguar.

»Wenn wirklich eine Frau die Karte geschrieben hat«, sagte Phil, »dann dürfte der Tipp etwas wert sein. Vorausgesetzt, es gibt eine Bank in der 56th Street.«

Wir bogen in die 56th Street ein. Ich warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Es war zehn nach elf. Als ich den Blick wieder hob, musste ich so jäh in die Bremse steigen, dass Phil mit der Stirn gegen die Windschutzscheibe stieß. Aus einem Parkhochhaus kurz vor der Seventh Avenue schoss ein Ford Station Wagon heraus und nahm uns die Vorfahrt.

»Idiot!«, schimpfte Phil und rieb sich die Stirn. »Man sollte seine Nummer aufschreiben und ihm eine Anzeige verpassen. Diese jungen Burschen tun so, als ob sie mit ihrem Schlitten allein auf der Welt wären!«

»Vielleicht war er in Gedanken«, brummte ich gutmütig. »Es kann jedem passieren.«

»Du bist ja auch nicht gegen die Windschutzscheibe geflogen«, maulte Phil.

»Reib schön, damit es keine Beule gibt«, riet ich. »Und denk an was anderes. Da vorn ist nämlich unsere Bank.«