Jerry Cotton Sonder-Edition 172 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 172 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Blutiger Überfall auf eine Roller-Disco-Bar. Musik und Tanz erstickten in Entsetzen und Mord. Ein Überlebender fasste einen verhängnisvollen Entschluss. Er beschwor neue Verbrechen herauf - unser Kronzeuge, der Killer.


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Seitenzahl: 193

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Unser Kronzeuge, der Killer

Vorschau

Impressum

Unser Kronzeuge,der Killer

Blutiger Überfall auf eine Roller-Disco-Bar. Musik und Tanz erstickten in Entsetzen und Mord. Ein Überlebender fasste einen verhängnisvollen Entschluss. Er beschwor neue Verbrechen herauf – unser Kronzeuge, der Killer.

1

Sie waren im Schutz der Dunkelheit gekommen und standen bereit. Aus ihrem Versteck heraus beobachteten sie die bunten Lichter, die fröhlichen jungen Leute und den lauten Betrieb vor der Disco Paradiso.

Pete Skinner war der einzige Weiße in der Gruppe. Er streifte seine schwarzen Begleiter mit einem prüfenden Blick. Sie hoben sich kaum von der dunklen Hauswand ab. Skinner nickte zufrieden.

»Ihr wisst, was ihr zu tun habt«, sagte er leise und schneidend. »Ein Fehler, und es geht euch dreckig! Kapiert?«

Skinners sechs Begleiter zuckten zusammen. Sie nickten, griffen in ihre Taschen und holten die Mordinstrumente hervor.

Lewis Brent schob sich über jede Hand einen Schlagring. Die Zacken blitzten im schwachen Licht der Straßenbeleuchtung. Eddi Gomer ließ sein Messer aufschnappen. Liebevoll drehte er die Klinge hin und her.

Die anderen ließen Eisenketten kreisen. Pfeifend sausten Totschläger durch die Luft, als ihre Besitzer sie in den Händen herumwirbelten.

Eddi Gomer sah auf seine Uhr und winkte ab.

»Noch zu früh.« Er kaute mit seinen gelben Zahnstummeln auf der dicken Brasil herum. »Da drüben in dem Schuppen muss erst ordentlich Betrieb sein.« Er lachte dreckig. »Saturday Night Fever! Die sollen ihr blutiges Wunder erleben ... um ... sagen wir, um Punkt zehn! Uhrenvergleich!«

Sie kontrollierten ihre Uhren, stellten sie, zählten die Minuten bis zum Losschlagen.

Siebenundfünfzig Minuten.

Pete Skinner sorgte dafür, dass die Leute nach seiner Pfeife tanzten. Er wusste, was mit ihm geschehen würde, falls etwas schiefging. Dann war er die längste Zeit ein wichtiger Mann der Organisation gewesen. Seine Auftraggeber würden ihn im Fundament eines Wolkenkratzers einbetonieren lassen. Oder in einem Brückenpfeiler. Oder in einer neuen Stadtautobahn.

»Herhören!«, befahl er. »Wir gehen wie normale Besucher hinein. Ich habe mir die Disco Paradiso genau angesehen. Im Vorraum sitzt ein alter Knacker, der kaum noch stehen kann. Der stört uns nicht. Er verleiht Rollschuhe, wenn einer keine bei sich hat. Ein kurzer Korridor, dann sind wir sofort auf der Bahn. Und dann schlagt ihr los. Es muss schnell gehen, bevor die Cops auftauchen! Sie dürfen keinen von uns schnappen. Ist das klar?«

Eddie Gomer, Lewis Brent und die vier Schläger, die sie an den Piers angeheuert hatten, nickten. Sie wussten Bescheid. Pete Skinner hatte es ihnen oft genug eingetrichtert.

Reingehen – kurz und klein schlagen – abhauen!

»Okay!« Skinner biss das von Speichel aufgeweichte Ende der Zigarre ab und spuckte es im hohen Bogen auf den Bürgersteig. »Dann warten wir, bis diese Affen ordentlich Discofieber haben! Und wir kühlen die Köpfe. Wir sind richtige Ärzte!«

Die anderen lachten mit ihm. Für sie war es ein Abenteuer, eine Sensation. Sie fieberten dem Moment entgegen, in dem sie sich auf die ahnungslosen Jugendlichen stürzen konnten.

Sie waren ein gnadenloser Killertrupp. Mitleid mit ihren Opfern kannten sie nicht. Mit funkelnden Augen beobachteten sie, wie die Jugendlichen in die Disco strömten. Die Gäste suchten den Rausch in Tanz, Musik und Licht.

Um zehn Uhr nachts sollten die Lichter ausgehen, wenn der Tod gnadenlos zuschlug.

Ich fuhr den Jaguar an den Straßenrand und deutete auf die zuckende Lichterkette an einem ebenerdigen Gebäude.

»Die Disco Paradiso«, sagte ich zu Phil Decker, meinem Freund und Partner.

»Das sehe ich«, erwiderte Phil nicht gerade begeistert. »Müssen wir da tatsächlich hinein? Ich meine, auf Rollschuhen?«

Ich schlug ihm grinsend auf die Schulter. »Komm schon, du schaffst das. Du bist doch ein Sportler durch und durch!«

»Haha«, machte Phil und schob sich aus dem Jaguar. Die Rollschuhe und die dazugehörigen Stiefel trugen wir offen in den Händen. Wir sollten schon von Weitem wie Gäste der Disco wirken. »Nur weil ich vor ein paar Jahren auf Rollschuhen gestanden habe, ist eine Roller-Disco noch lange nichts für mich.«

Ich trat auf die Fahrbahn hinunter und schloss mich einer Gruppe meist schwarzer Jugendlicher an.

»Wir müssen diese Disco überwachen, weil der Besitzer unter Druck gesetzt worden ist, und das können wir am besten, wenn wir uns unter die Tänzer mischen.« Ich warf Phil einen spöttischen Blick zu. »Wärst du jetzt mit einer flotten Biene hier und nicht mit mir, würdest du nicht so jammern.«

Er straffte sich.

»Wer jammert hier?«, fragte er herausfordernd und betrachtete eine schwarze Schönheit in einem superknappen Höschen. Sie schwang die Hüften im Takt der Musik, die aus den Lüftungsklappen der Ventilatoren dröhnte. In dem lang gestreckten Flachbau musste die Hölle los sein. Samstagabend in New York. Das Vergnügen überschwemmte die Stadt.

Nur für uns würde es kein Vergnügen sein. Wir waren einer skrupellosen Organisation auf der Spur. Diese Gangster versuchten, halb Brooklyn aufzukaufen. Wer sich ihren Plänen widersetzte, fand sich im Krankenhaus wieder. Wenn er Glück hatte, kam er mit blauen Augen und eingeschlagenen Zähnen davon. Wenn er Pech hatte, landete er auf der Intensivstation. Tote hatte es noch nicht gegeben. Aber das war nur eine Frage der Zeit. Diese Gangster schreckten vor keinem Mittel zurück.

Wir ließen dem Pulk Jugendlicher den Vortritt. Lachend, schreiend und singend drängten sie sich durch den schmalen Eingang. Phil hielt mir die Tür auf.

»Du bist ja sozusagen in Roller-Discos aufgewachsen«, sagte er grinsend. »Ich richte mich in allem nach dir.«

Ich betrat den düsteren Vorraum. Geradeaus lief der Korridor zur Disco, links war die Tür zu den Toiletten, rechts die Garderobe. Ein sehr alter weißhaariger Mann steckte den Kopf über den Tresen.

»Hallo, junger Mann!«, rief er mir zu. »Brauchst du Schuhe?«

Hinter dem Alten sah ich in langen Reihen an Haken Rollschuhstiefel hängen. Man konnte sich welche leihen, wenn man selbst keine hatte. Zwei Dollar kostete das Vergnügen. Das verkündete ein Schild an der Wand. Auf der Uhr darüber war es 9:15 Uhr. Der Betrieb lief gerade erst an.

»Na, was ist, Junge?«, fragte der alte Mann ungeduldig. »Stiefel? Auch für deine Begleiterin?«

Phil bekam große Augen, und ich grinste unverschämt. »Nein, danke, wir sind versorgt. Ich habe der Kleinen zum Geburtstag Stiefel geschenkt.«

»Na, hör mal, Jerry!«, empörte sich mein Freund.

Der alte Mann riss die wässrigen Augen auf. »Ach, du lieber Himmel! Sorry, Leute! Ich bin nicht mehr der Jüngste. Meine Augen, wisst ihr?«

»Schon gut, alles okay.« Ich setzte mich auf die einfache Holzbank, die rings um den Vorraum lief, und wechselte meine Schuhe.

Phil folgte meinem Beispiel und bedachte mich mit einem vernichtenden Blick. Unsere Schuhe gaben wir dem Mann an der Garderobe zum Aufbewahren.

»Seid ihr neu hier?«, erkundigte er sich freundlich. »Weiße kommen selten her. Die meisten Gäste stammen aus der Nachbarschaft.«

»Ja, wir sind fremd hier«, meinte Phil. »Wir wollen es auch einmal ausprobieren.«

Ich schob das Geld neben meine Schuhe auf den Garderobentisch und musterte das zerfurchte Gesicht des Schwarzen. Er kratzte sich in seinen dichten weißen Haaren.

»Ich kann nicht rausgeben, Gents«, sagte er mit seiner brüchigen Stimme. »Habt ihr es nicht kleiner?«

Phil wollte in seinen Taschen nach Münzen suchen.

Ich winkte ab. »Schon gut. Wieso arbeiten Sie eigentlich noch hier? So schön kann das auch nicht sein, jeden Abend bis spät in die Nacht Schuhe ausgeben.«

Er blinzelte mich mit seinen kurzsichtigen Augen an.

»Hör mal, Junge«, sagte er und beugte sich über den Tresen. »Der alte Hank ist jetzt fünfundachtzig, aber er macht weiter. Der Umgang mit den jungen Leuten hält mich jung, verstehst du? Wenn ich mich in meinen vier Wänden vergrabe, gehe ich ein. Darum bleibe ich hier. So, und nun haut ab. Oder wollt ihr warten, bis der ganze Spaß vorbei ist?«

»Dann bis später, Hank«, sagte ich lachend zu dem alten Mann und musterte mich kurz in dem mannshohen Spiegel.

Ein ungewohnter Anblick für einen Agent. Phil und ich trugen glitzernde Discojacken. Die meisten Tänzer liefen zwar mit nacktem Oberkörper oder nur leicht bekleidet, wir mussten jedoch unsere Schulterholster verbergen. Dazu Jeans und die Stiefel. In uns vermutete bestimmt niemand Special Agents des FBI New York, die hinter einer Gangsterbande her waren.

Ziemlich vorsichtig tappten wir den Korridor entlang. Zwei Frauen glitten elegant auf Rollen an uns vorbei. Wir hielten uns dichter an der Wand und stützten uns ab. Es war doch schon lange her, dass ich zum letzten Mal auf Rollschuhen gestanden hatte.

Noch zwei, drei Schritte. Ich warf einen flüchtigen Blick auf meine Armbanduhr.

Zwanzig Minuten nach neun Uhr abends betraten wir die Tanzfläche. Im nächsten Moment rissen uns Musik, zuckende vielfarbige Lichter und wild herumwirbelnde Tänzer mit sich.

Phil schickte mir noch einen Hilfe suchenden Blick zu, hielt sich an einem Pfeiler fest, wurde von zwei hübschen Frauen gepackt und auf die ovale Bahn verschleppt. Ich bekam einen Stoß in den Rücken, sah ein breit grinsendes Gesicht und holte tief Luft.

Jetzt musste ich beweisen, wozu G-men fähig sind. Immer rein ins Vergnügen!

Ich wirbelte, zwischen jungen Leuten eingekeilt, zu dröhnender Discomusik im Kreis und versuchte, mit den übrigen Tänzern Schritt zu halten. Phil hatte ich bereits aus den Augen verloren.

Unser Job war schwieriger, als ich angenommen hatte. Vorläufig war ich nämlich voll damit beschäftigt, auf den Beinen zu bleiben.

Der alte Hank wollte sich gerade für einen Moment setzen, als neue Gäste kamen. So ein Wochenende war für ihn schon recht anstrengend. An anderen Abenden konnte er sich zwischendurch ausruhen. Samstag abends war immer etwas los. Und so widerstandsfähig waren seine alten Knochen nun auch nicht mehr.

»Brauchen Sie Schuhe, junger Mann?«, rief er den Eintretenden entgegen.

»Hey, Hank, du siehst wirklich schon so schlecht wie ein Maulwurf!«, rief der junge Schwarze lachend und schlug ihm auf die Schulter, dass es krachte. »Warum trägst du nicht endlich eine Brille?«

»Ach, du bist es, Tex.« Hank begann zu strahlen. Er mochte den jungen Tänzer, den Star der Disco Paradiso. »Brille? Dazu bin ich zu eitel. Lass dich ansehen. Fein hast du dich gemacht!«

Er wusste, dass er Tex Paddock damit eine Freude bereitete. Tex arbeitete hier in der Roller-Disco. Samstags hatte er frei. Da produzierte er sich auf der Tanzfläche, und er war mit Abstand der Beste. Für seinen großen Auftritt putzte er sich jedes Mal anders heraus. An diesem Samstag, dem 7. Mai, hatte er sich in einen hautengen roten Glitzeranzug aus einem Stück gezwängt. Die Stiefel mit den Rollschuhen waren eine Maßanfertigung. Er hatte sein ganzes Geld dafür ausgegeben.

»Hallo, Hank!« Tex Paddocks Freundin hängte sich bei ihm ein. »Gefalle ich dir nicht?«

Der Alte pfiff anerkennend. Die junge Schwarze trug nur ein ebenfalls rotes Höschen und ein Bikinioberteil aus demselben Stoff. Eine große rote Stoffblume in ihren tiefschwarzen Haaren war der einzige Schmuck.

Myriam Horn brauchte auch keinen Schmuck. Sie war gertenschlank mit langen Beinen und runden Hüften, und das Bikinioberteil hatte Mühe, ihre Formen zu bändigen. Ihre Haut schimmerte wie poliertes Ebenholz.

Stolz legte Tex Paddock einen Arm um seine Freundin.

»Ist sie nicht toll?«, fragte er herausfordernd.

»Ich müsste sechzig Jahre jünger sein, Tex«, erwiderte Hank seufzend. »Dann würde ich sie dir auf der Stelle ausspannen. Nun aber los, ihr beiden. Ich komme später in den Saal und sehe dir zu, Tex.«

Die beiden jungen Leute fassten sich an den Händen und glitten scheinbar schwerelos den Korridor entlang. Als sie auf der Tanzfläche erschienen, hörte Hank in der Garderobe begeisterte Rufe und donnernden Applaus der übrigen Gäste. Tex Paddock und Myriam Horn waren bei allen Stammgästen bekannt und wurden bewundert. Hank warf einen Blick auf die Wanduhr. 9:45 Uhr. Im Moment kamen keine neuen Gäste, weshalb er sich eine kleine Pause gönnte. Er trat vor die Disco und atmete tief durch.

Die Schuhe, die reihenweise an den Garderobenhaken hingen, besaßen so ihre eigene Ausdünstung. Im Lauf der Zeit hatte sich Hank daran gewöhnt, sodass es ihm nichts mehr ausmachte. Und nach ein paar Stunden in seiner Garderobe kam ihm die benzinverseuchte Luft von Brooklyn wie klare Gebirgsluft vor.

Autos rollten vorbei. Die Scheinwerfer waren für den alten Hank nur verschwommene helle Flecke. Fußgänger drängten sich auf den Bürgersteigen. Er hörte Lachen. Irgendwo plärrte ein Transistorradio.

Neue Gäste drängten in die Disco Paradiso. Hank kehrte an seine Garderobe zurück und machte weiter wie an allen Abenden zuvor. Sechs Minuten vor zehn, dachte er. Die Zeit verging langsam. Er hatte noch eine lange Nacht vor sich.

Sie machten sich einen Spaß daraus, mit uns zwei Anfängern zu spielen. Ein Pulk ausgelassener junger Schwarzer hatte Phil und mich in die Mitte genommen. Wir wurden immer wieder rund um die ovale Rollschuhbahn geschleppt.

Die Jugendlichen meinten es nicht böse. Sie lachten sich halb tot über unsere verzweifelten Bemühungen, auf den Beinen zu bleiben. Phil ruderte mit den Armen, als müsste er auf dem Trockenen schwimmen, mir ging es auch nicht viel besser.

Nach ein paar Runden fand ich mich wieder in die Technik und konnte leidlich mithalten. Ein ungefähr sechzehnjähriger Schwarzer in Badehose jagte vor mir über die Bahn. Er drehte Pirouetten auf einem Bein, wirbelte im Kreis herum und ging in die Hocke. Und das alles im harten, hämmernden Stakkato der Musik, die aus einem Dutzend Lautsprechern dröhnte.

So gut wie der Junge war ich noch lange nicht, aber ich fiel wenigstens nicht hin. Die übrigen Tänzer rückten ein Stück von mir ab. Phil hingegen hielten sie eingekeilt. Ich sah meinen Freund die Arme hochwerfen. Sofort waren zwei junge Frauen an seiner Seite und fingen ihn ab.

Ich grinste, als ich sein schweißbedecktes Gesicht erblickte. Vermutlich wünschte er sich gerade, lieber mit zehn Gangstern zu kämpfen, als auf diesen unsicheren Schuhen zu stehen.

Im nächsten Moment waren meine Füße einfach weg, als hätten sie sich in einer unsichtbaren Schlinge gefangen. Ich war zu unvorsichtig geworden.

Schon sah ich mich kopfüber auf die Holzbahn sausen, da packten mich kräftige Hände und rissen mich hoch. Ich atmete tief durch. Das war noch einmal gut gegangen.

Automatisch warf ich einen Blick zu der Uhr über der Tür. Die Zeiger sprangen auf zehn.

Ein rotes Lichtgewitter brach über uns herein, als sich die Tänzer auf der Innenseite der Bahn zusammendrängten und stehen blieben.

Den Grund dafür bekam ich gleich darauf zu sehen. Ein neues Paar rollte auf die Tanzfläche. Der junge Mann nickte dem Discjockey zu, der hoch über der Bahn in einer frei schwebenden Kabine saß.

Die Musik wechselte. Ein greller Scheinwerferstrahl heftete sich auf das Paar.

Ich hatte das Gefühl, ins Weltall katapultiert zu werden. Sphärenklänge, zerhackt von einem unerbittlichen, mitreißenden Rhythmus, dröhnte durch die Roller-Disco.

Die beiden begannen zu tanzen. Ich starrte mit offenem Mund hin. Sie liefen nicht, sie schwebten über die Bretter. Sie schienen keine Rollschuhe an den Füßen zu haben, sondern Flügel. Da stimmte jede Bewegung, da saß jede Drehung. Ich hatte einmal einen Discofilm gesehen. Eine Freundin wollte unbedingt, dass ich sie begleitete. Aber das war nichts gewesen im Vergleich zu der Darbietung dieses Paares in der Disco Paradiso in Brooklyn.

Die beiden waren geborene Tänzer mit einem sechsten Sinn für Rhythmus und Bewegung. Ich vergaß völlig, weshalb wir gekommen waren, bis sich Phil zu mir drängte und mir auf die Schulter tippte.

»Es kommt keiner mehr!«, schrie er mir ins Ohr, um die Musik zu übertönen.

Ich begriff nicht sofort, was er meinte, und schüttelte den Kopf.

»Keine neuen Gäste, seit drei Minuten!« Er deutete zu der Uhr über dem Eingang. Die Zeiger standen auf drei nach zehn.

Gerade jagte das Tanzpaar an uns vorbei. Der junge Mann wirbelte seine Partnerin im Kreis, während sie in die Kurve gingen und für Sekunden aus meinem Blickfeld verschwanden. Die Gäste rasten vor Begeisterung.

»Ich sehe draußen nach!«, rief Phil.

Ich nickte nur, während er sich bückte und die Rollschuhe von den Stiefeln löste. Mein Freund wartete ab, bis die beiden Tänzer Pirouetten drehend erneut an uns vorbeikamen, und lief dicht hinter ihnen über die Bahn.

Der Applaus der Gäste war jetzt fast lauter als die Musik und das Sausen der Rollschuhe. Die jungen Leute gerieten vor Begeisterung in Raserei. Ich sah nur strahlende Gesichter. Schrille Schreie feuerten die Tänzer an.

Eine Runde, noch eine.

Ich runzelte die Stirn. Wo blieb Phil denn so lange?

Als das Paar, in der Hocke tanzend, vorbei war, lief ich in den Korridor hinaus. Mit den Rollschuhen an den Füßen. Das war mein Fehler.

»Okay, jetzt«, sagte Pete Skinner.

Sie lösten sich aus der dunklen Nische und traten auf den Bürgersteig hinaus. Ihre Waffen hielten sie in den Taschen verborgen. Nur kein Aufsehen auf der Straße. Das war auch gar nicht nötig. Es würde wie ein Lauffeuer durch Brooklyn gehen, dass sich die Disco Paradiso in einen brodelnden Hexenkessel des Schreckens verwandelt hatte.

Sieben Mann betraten den Vorraum. Lewis Brent zog die Tür hinter sich zu. Der Raum war leer.

»Masken!«, befahl Skinner.

Blitzschnell zogen sie Nylonstrümpfe über die Köpfe. Eddi Gomer zückte sein Springmesser. Lewis Brent streifte sich die Schlagringe über. Die angeheuerten Schläger zogen unter ihren Jacken Eisenstangen und Fahrradketten hervor. Einer hatte einen Totschläger, ein anderer einen Hammer mit abgesägtem Stiel.

»Rollschuhe, junger Mann?«

Pete Skinner wirbelte bei dem Klang der brüchigen Stimme herum. In einer reinen Reflexbewegung ließ er seine Eisenstange auf den weißhaarigen Kopf niedersausen.

Der alte Mann rollte schlaff auf den Boden der Garderobe und rührte sich nicht mehr. Seine weißen Haare färbten sich rot.

»Los!«, brüllte Pete Skinner.

Doch sie wurden noch einmal aufgehalten. Hinter ihnen flog die Eingangstür auf. Vier Schwarze schoben sich in den Vorraum. Bei der schwachen Beleuchtung erkannten sie zu spät, was hier vor sich ging. Als sie nach draußen zurückweichen wollten, schnitt ihnen Lewis Brent den Weg ab. Er lehnte sich gegen die Tür und schlug mit beiden Fäusten gleichzeitig zu.

Die Schlagringe blitzten auf. Einer der Gäste ging zu Boden. Die übrigen wollten sich wehren, aber sie hatten keine Chance. Niemand hörte ihre Schreie, als sie zusammengeschlagen wurden.

»Die Tür verrammeln!«, befahl Skinner. Er wollte nicht, dass ihnen Neuankömmlinge in den Rücken fielen oder vorzeitig die Polizei verständigten.

Sie schleppten zwei Stühle aus der Garderobe in den Vorraum und verkeilten sie so, dass die Tür nicht aufging.

Lewis Brent beobachtete die ganze Zeit den Korridor zur Tanzfläche. Plötzlich gab er seinen Komplizen ein Zeichen. Sofort pressten sie sich flach an die Wand.

Als ein Mann die zusammengeschlagenen Jugendlichen entdeckte, war es schon zu spät. Sie warfen sich von zwei Seiten auf ihn.

Instinktiv riss er die Arme über den Kopf. Aber er konnte die Totschläger nicht mehr abwehren.

2

Der Beinahesturz hatte mich vorsichtig gemacht. Ich stützte mich an der Wand ab, während ich langsam den Korridor entlangrollte. Wahrscheinlich unterhielt sich Phil mit dem alten Mann an der Garderobe. Doch ich wollte lieber nachsehen. Schließlich befanden wir uns nicht in einer gewöhnlichen Roller-Disco, sondern in einem Lokal, dessen Besitzer ernstlich bedroht worden war.

Ich hatte die Hälfte des Korridors hinter mir, als sie plötzlich über mich herfielen. Sie stürmten aus dem Vorraum in den Gang. Männer mit Strumpfmasken!

Der vorderste rannte mich einfach um. Ich verlor das Gleichgewicht. Die Füße glitten mir weg.

Noch im Fallen sah ich etwas Blitzendes durch die Luft sausen. Eine Fahrradkette!

Ich riss den Arm hoch und schrie auf, als mich die Kette traf. Es fühlte sich an, als hätte mir der Kerl den Arm abgeschlagen. Die Kettenglieder sausten haarscharf an meinem Gesicht vorbei. Ich spürte den Lufthauch, warf mich zurück und entging gerade noch einem Totschläger.

Ich wollte mich den Kerlen in den Weg stellen und sie aufhalten. Als ich nach einem der Schläger griff, ließ ich den rechten Arm mit einem Schrei sinken. Er war fast taub. Nur die Stelle, an der mich die Fahrradkette erwischt hatte, schmerzte höllisch.

Sieben Mann! Dem letzten stellte ich ein Bein. Er stolperte, rannte jedoch weiter.

Im nächsten Moment wurde die laute Musik von Entsetzensschreien übertönt. Die Gäste kreischten und brüllten.

Keuchend stemmte ich mich hoch. Sie mussten Phil überrumpelt haben, sonst hätte er längst eingegriffen. Aber ich konnte mich jetzt nicht um meinen Freund kümmern. Ich musste dafür sorgen, dass da drin nichts passierte.

Ich tat den ersten Schritt auf Rollschuhen und schlug schon wieder hin. Bei dem ersten Sturz war ein Riemen gerissen. Mit bebenden Fingern löste ich die Rollen von den Stiefeln. Und die ganze Zeit schrien in der Disco die jungen Leute durcheinander. Da drinnen brach Panik aus!

Ich kam endlich auf die Beine. Wertvolle Sekunden waren verloren. Wir hatten die Rollschuhe als Tarnung gebraucht. Jetzt verwünschte ich sie.

Ich hatte in der rechten Hand kein Gefühl, als ich zum Revolver griff. Mit den steifen Fingern konnte ich keine Waffe halten. Ich ließ sie stecken, hetzte zurück und prallte gegen zwei Jungen, die entsetzt flohen. Blut floss über ihre Gesichter. Sie stießen mich zur Seite und rannten in den Korridor. Ein Mädchen mit zerfetzten Kleidern drängte nach.

Ich kam kaum in den Raum hinein. Von allen Seiten strömten die Jugendlichen auf den Ausgang zu. Sie wollten vor der sinnlosen Gewalt fliehen, die sich auf der Tanzfläche austobte.

Noch immer zuckten die Lichtblitze, hämmerten die Lautsprecher die Discorhythmen auf uns herunter. Doch jetzt gab es keine strahlenden Gesichter mehr.

Für einen Moment sah ich den jungen Mann in dem roten, hautengen Anzug. Er stellte sich schützend vor seine Partnerin, die blutend an der Bande lehnte und die Hände vors Gesicht presste. Einer der Schläger ließ eine Eisenstange durch die Luft sausen. Der Junge unterlief den Schlag und wollte den Angreifer zurückstoßen, verlor aber auf den Rollen das Gleichgewicht. Mehr sah ich nicht. Vor mir tauchte einer der Maskierten auf.

In einem Schauer von rotem Licht blitzten zwei Schlagringe vor meinem Gesicht. Ich ließ mich fallen. Der eine Ring zog mir einen Querscheitel. Dann rammte ich die Fäuste vor.

Ich erwischte den Kerl an der Brust, warf ihn zurück, setzte nach und packte seinen rechten Arm. Ich wollte ihn mit einem Judogriff aushebeln, doch meine rechte Hand spielte nicht mit. Und bevor ich ihn mit der linken packte, preschten vier, fünf junge Leute zwischen uns. Sie flohen blindlings vor zwei Maskierten, die mit Totschlägern auf sie eindroschen. Ein dritter Gangster stach ziellos mit einem langen Dolch um sich.

In diesem Durcheinander konnte ich nicht schießen, selbst wenn ich meinen Smith & Wesson aus dem Holster bekommen hätte. Ich schrie den Tänzern eine Warnung entgegen, als sie sich alle gleichzeitig zum Ausgang wandten. Es half nichts. Sie beachteten mich nicht einmal. Ich konnte meine eigene Stimme nicht hören. Die Musik, die Schmerzens- und Schreckensschreie mischten sich zu einem höllischen Konzert.

Die Beleuchtung setzte für Sekunden aus. Jemand packte mich an der Kehle. Im nächsten Augenblick hackte ein Stroboskop seine Lichtblitze in die Menge.

In grotesken Zuckungen sah ich einen Maskierten, der mich mit einer Hand an der Kehle hielt und mit der anderen Hand zustach. Wie in Momentaufnahmen kam der Dolch auf mein Gesicht zu.

Meine Faust knallte gegen sein Handgelenk. Der Dolch flog durch die Luft, die Hand glitt von meinem Hals. Dann verlor ich den Maskierten, wurde abgedrängt, war halb blind von den grellen Blitzen und konnte kaum noch einzelne Personen unterscheiden.

Alles staute sich am Ausgang. Die Gäste kämpften um jeden Inch. In ihrem Rücken wüteten die Schläger. Ich warf mich von hinten auf den Mann mit dem Totschläger, schlang ihm den linken Arm um den Hals und zerrte ihn weg. Er hob seine Waffe und zielte nach meinem Kopf.