Jerry Cotton Sonder-Edition 179 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 179 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sängerstar Johnny Murano, der "King von Acapulco", in Not. Ein Enthüllungsfilm bedrohte seine Weltkarriere! Nur einer bot Johnny Hilfe an: die Mafia ...


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Inhalt

Cover

Der King von Acapulco

Vorschau

Impressum

Der King von Acapulco

Sängerstar Johnny Murano, der »King von Acapulco«, befand sich in Not. Ein Enthüllungsfilm bedrohte seine Weltkarriere! Nur einer bot Johnny Hilfe an: die Mafia ...

1

Zweige streiften den Lack des grauen Kastenwagens. Langsam schob er sich über den schmalen Fußweg auf der Rückseite des Grundstücks, vorbei an der hohen Bruchsteinmauer mit den glitzernden Glasscherben. Über dem Park lag der Widerschein bunter Lampions wie eine schwache Aura. Von der Alarmanlage war nichts zu sehen. Aber der Mörder wusste, dass es eine gab.

Er stoppte und stellte den Motor ab.

In der jähen Stille konnte er Musikfetzen hören, die der Wind zusammen mit dem Geruch nach Tang und Salz vom Long Island Sound herübertrug. Der Mörder streckte die behandschuhte Rechte aus und berührte einen unauffälligen Knopf unter der Lenksäule.

Automatisch rollte das Dach des Kastenaufbaus zurück.

Leises Quietschen erklang, als die Scherenleiter mit der hölzernen Plattform ausgefahren wurde. Der Mörder brauchte nur mit einem Handgriff die Lehne in seinem Rücken umzuklappen, dann konnte er auf die Ladefläche des Wagens wechseln.

Lautlos glitt er die Leiter hinauf und setzte seinen flachen schwarzen Koffer auf die Plattform.

Leichter Wind zerrte an seinem Haar. Mit zusammengekniffenen Augen spähte er aufmerksam über die Mauer, musterte den weißen Bungalow, den glitzernden Wasserspiegel des Swimmingpools und die lampionerhellte Terrasse.

Ein paar Dutzend Menschen feierten dort drüben eine Sommernachtsparty.

Auf der Terrasse wurde getanzt. Die Musik der Combo drang durch die breiten, offenen Glasschiebetüren aus der Halle. Kellner in weißen Jacken liefen herum und servierten Cocktails. Männer in legerer Freizeitkluft und Frauen in phantasievollen Discogewändern standen in Gruppen zusammen und tranken. Ab und zu trug der Wind gedämpftes Gelächter herüber.

Der Mörder klappte den schwarzen Koffer auf und machte sich eilig daran, das Gewehr mit dem Zielfernrohr zusammenzusetzen.

Um Mitternacht war immer noch niemand in den Swimmingpool gefallen.

Dabei standen Gaylord Greers Sommernachtspartys in dem Ruf, dass jedes Mal mindestens eine der anwesenden Ladys in voller Kleidung im Pool landete. Na ja, wahrscheinlich soll man nicht alles glauben, was in der Zeitung steht. Vor allem nicht, wenn es sich um Klatschgeschichten aus der Filmwelt handelt. Gaylord Greer ist ein erfolgreicher New Yorker Produzent. Ich kenne ihn flüchtig. Aber das war nicht der Grund dafür, dass ich, der G-man Jerry Cotton, eine seiner berühmt-berüchtigten Partys besuchte.

Der Grund hieß Shiralee Gill, trug eine blonde, helmartig geschnittene Pagenfrisur und hatte die hübschesten goldbraunen Augen, die mir je begegnet sind. Ein rein privater Grund übrigens. Vor mir lag ein freies Wochenende, und Shiralee, Schauspielerin von Beruf, gehört zu den Frauen, deren Einladungen man nicht ablehnt.

Das fanden offenbar noch ein paar andere von den männlichen Gästen.

Interessierte bis neidvolle Blicke folgten uns, als wir auf der Terrasse tanzten. Der Hausherr, bekannt als Liebhaber fülliger Rothaariger, gab sich eher väterlich jovial. Ein Typ mit Cowboyhut machte ein Gesicht, als wollte er sich am liebsten ein klassisches Westernduell mit mir liefern. Auf einem Hocker an der Gartenbar hing Don Rockland, Drehbuchautor mit einem Hang zu Skandalen, und stierte auf Shiralees Kehrseite, die sie – zugegeben – recht provozierend in knallengen pinkfarbenen Discojeans verpackt hatte.

»Ich find's langweilig, Jerry«, raunte sie mir ins Ohr.

»Hm«, machte ich. »Ich wüsste auch was Besseres.«

»Bei dir? Braust du uns einen Kaffee – und so?«

Ich nickte. »Kaffee ist immer gut.«

Dabei dachte ich an die Flasche, in der noch ein Rest zwanzigjähriger Scotch sein musste. Und an das tiefgekühlte Baguette, das ich zum Frühstück in den Grill schieben konnte. Shiralee sah mir tief in die Augen und schmiegte sich enger an mich. Durch den dünnen Stoff des Discoanzugs fühlte ich die Wärme ihres schlanken, biegsamen Körpers.

»Nehmen wir noch einen Drink, bevor wir gehen?«, fragte sie.

»Einverstanden. Dann werden wir den Jaguar stehen lassen müssen.«

»Polizist! Wegen der paar Cocktails?«

Ich zuckte mit den Schultern. Was Alkohol am Steuer angeht, habe ich Grundsätze. Shiralee schwang sich auf einen Barhocker und schlug die langen Beine übereinander. Der Keeper im weinroten Dinnerjacket servierte zwei Tom Collins. Neben mir schielte Don Rockland, der Drehbuchautor, zur Abwechslung auf Shiralees Brüste.

»Hi«, sagte er zu mir, schon mit ziemlich schleppender Stimme. »Sind Sie nicht der Dingsda? Der letztes Jahr unter der Regie von Federmann den Dingsda gespielt hat?«

»Irrtum«, sagte ich trocken. »Es war der Dingsda unter der Regie von diesem Soundso.«

Shiralee lachte perlend. Ich hatte schon vorher bemerkt, dass sie Rockland nicht ausstehen konnte. Der Drehbuchautor starrte mich mit gefurchter Stirn an. Er schien ernsthaft zu überlegen, um welchen Soundso es sich handelte.

»Rickfield?«, fragte er.

»Nein, Sir.«

»Jetzt hab ich es! Wellington! Und Sie spielten den Dings, den ...«

Der Bursche fing an, mir auf die Nerven zu gehen.

Ich sah betont an ihm vorbei, ließ den Blick über die weitläufige, nach klassischem französischem Vorbild gestaltete Parkanlage gleiten – und da traf ein matter Lichtreflex meine Augen.

Brüniertes Metall!

So schimmert nur Waffenstahl, das wusste ich auf Anhieb.

Für den Bruchteil einer Sekunde lähmte mich die Schockwelle der Erkenntnis. Meine Muskeln zogen sich zusammen. Ich wollte aufspringen. Doch im selben Moment flammte dort drüben ein winziger orangeroter Blitz durch die Dunkelheit.

Der Schussknall war nicht zu hören. Er wurde überlagert von Musik und Stimmengewirr.

Neben mir ging plötzlich ein Ruck durch Don Rocklands Körper. Er fiel nach vorn, warf zwei Gläser um und prallte hart mit dem Gesicht auf die blank polierte Bartheke. Der Keeper stand starr da, einen törichten Ausdruck in den Augen, zu überrascht, um Schrecken zu empfinden. Ich sah das Blut auf seinem Gesicht, den Händen und dem weißen Hemd, und ich brauchte eine halbe Sekunde, um zu begreifen, dass es Don Rocklands Blut war.

Ihm war nicht mehr zu helfen. Aber in der jähen tödlichen Stille hörte ich einen Motor aufheulen und begriff, dass der Mörder mit einem Wagen floh.

Einen Atemzug später gellten die ersten Entsetzensschreie. Von einer Sekunde zur anderen brach auf Gaylord Greers Terrasse die Hölle los.

»Ruf das FBI an! Lass dich mit Phil verbinden!«

Meine Worte galten Shiralee. Sie war kreidebleich und zu Tode erschreckt. Doch ich wusste, dass sie sich vermutlich schneller fassen würde als die meisten anderen. Mein Barhocker war umgekippt. Hinter der Theke schrie der Keeper hysterisch und versuchte, sich das Blut von den Händen zu wischen. Gaylord Greer, der Hausherr, stand wie versteinert in der offenen Terrassentür. Ich rannte an ihm vorbei und zog ihn am Ärmel seines Smokings mit.

»Öffnen Sie das Einfahrtstor! Rasch!«

»Aber ...«

»Das Tor, Mann!«

Mit einem leichten Stoß beförderte ich ihn Richtung Schreibtisch, wo ich ein komplettes elektronisches Schaltfeld entdeckt hatte. Ich lief Slalom um den Butler und zwei aufgescheuchte Kellner, erreichte die Diele und riss die Haustür auf. Als ich mich in den Jaguar schwang, war ich stocknüchtern. Kies spritzte unter den Reifen.

Mit Vollgas jagte ich den Wagen über die asphaltierte Auffahrt.

Wenn Greer nicht schnell genug schaltete, würde es Bruch geben. Er hatte jedoch schnell genug geschaltet, im wahrsten Sinne des Wortes. Unmittelbar vor der langen Schnauze des Jaguar schwang das schmiedeeiserne Tor auf, und ich zog den Flitzer mit singenden Reifen nach links auf die Straße.

Der Bungalow lag auf Long Island, in der Nähe des Sound, eine ruhige, vornehme Gegend.

Ich wusste, dass ein selten benutzter Fußweg an der Rückseite des Gebäudes vorbeiführte. Von dort irgendwo musste der Killer geschossen haben. Nur von wo genau, zum Teufel? Er hätte nicht zielen können, ohne einen erhöhten Platz zu nutzen. Und es gab dort keinen Hügel, keine hohen Bäume, keine mehrstöckigen Häuser – nichts.

Ich biss die Zähne aufeinander, wirbelte das Lenkrad herum und riss den Jaguar in die Einmündung.

Unkraut und niedriges Gestrüpp wuchsen an der Bruchsteinmauer, die das Grundstück umgab. Rechts dehnte sich eine Grünanlage, reichlich verwildert, da es die Anlieger nicht nötig hatten, in öffentlichen Parks spazieren zu gehen. Der Fußweg dazwischen war handtuchschmal und halb zugewachsen. Der rote Lack meines Flitzers wurde lädiert, darüber machte ich mir im Moment jedoch die geringsten Sorgen.

Rücksichtslos knüppelte ich den Wagen vorwärts.

Wenn ich überhaupt eine Chance hatte, den Killer zu erwischen, dann nur, indem ich dicht genug herankam, bevor er die nächste asphaltierte Straße erreichte. Hören konnte ich jetzt nichts mehr, trotz der heruntergekurbelten Seitenscheibe. Aber das Motorenbrummen, das ich kurz nach dem Schuss wahrgenommen hatte, wies auf einen ausgesprochen schweren Wagen hin. Einen Bully vielleicht. Oder einen leichten Truck. Auf dem schmalen Fußweg war der Killer damit im Nachteil. Ich musste es einfach schaffen.

Eine Minute später sah ich den Kastenwagen.

Ein plumpes graues Monstrum, wie eingezwängt zwischen Mauer und Gestrüpp. Es fuhr ohne Licht, doch die Rückstrahler leuchteten im Doppelkegel der Jaguar-Scheinwerfer. Irgendetwas ragte aus dem Dach hervor. Im ersten Moment hielt ich es für einen Gepäckträger. Dann begriff ich: der obere Teil einer ausfahrbaren Leiter, wie sie die städtischen Arbeiter benutzen, wenn sie Oberleitungen oder Peitschenleuchten reparieren.

Offenbar hatte der Killer von der Plattform aus geschossen.

Die einzige Möglichkeit, sämtliche Sicherheitsmaßnahmen des Greer'schen Anwesens zu unterlaufen. Ich presste die Lippen zusammen und trat das Gaspedal durch. Der Motor des Jaguar brummte wie eine zornige Hornisse. Vor mir machte der graue Kastenwagen einen Schlenker, weil der Killer mich bemerkt und das Steuerrad verrissen hatte.

Er versuchte zu beschleunigen.

Viel kam nicht dabei heraus. Aber ein paar Yards weiter endete der Fußweg und mündete in die breite, gut ausgebaute Küstenstraße. Scheinwerfer gleißten. Jetzt, um Mitternacht, herrschte nur noch wenig Verkehr, doch es reichte.

Rücksichtslos jagte der Killer den Kastenwagen auf die rechte Spur.

Bremsen kreischten. Zwei, drei Hupen gellten wild. Ich verringerte die Geschwindigkeit, um keinen Unfall heraufzubeschwören. Der Kastenwagen schlingerte. Jäh wurde er nach links gezogen, fegte quer über die Fahrbahn und hielt auf die Einmündung eines schmalen Asphaltbands zu, das vermutlich auf einem Parkplatz in der Nähe des Strands endete.

Die Fahrer, die zu Vollbremsungen gezwungen worden waren, gaben wieder Gas und machten sich eilig davon.

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen, sich um Himmels willen nicht in etwas hineinziehen lassen – das ist die Devise der meisten New Yorker. Die Straße war jetzt frei. Ich nagelte das Gaspedal ans Bodenblech, kitzelte die volle Beschleunigung aus dem Jaguar heraus und ließ ihn quer über die Fahrbahn schießen wie eine startende Rakete.

Die Einmündung ...

Der Kastenwagen war hinter der nächsten Biegung verschwunden. Dünenkuppen, fahlweiß im Mondlicht, nahmen mir die Sicht. Immer noch glaubte ich zu sehen, wie der Drehbuchautor Don Rockland vor meinen Augen zusammenbrach. Ein brutaler, kaltblütiger Profimord, das Werk eines Berufskillers.

Ich wollte den Kerl haben. Ich dachte nicht daran, den Fuß vom Gas zu nehmen, als die Kurve heranflog. Fast wäre mir das zum Verhängnis geworden.

Unmittelbar hinter der Biegung hatte sich der Kastenwagen quergestellt.

Ich sah die Tür auf der mir abgewandten Seite aufschwingen, sah sekundenlang die schattenhafte Gestalt des Killers, bevor er ins Freie sprang. Dunkles Haar, blasses Gesicht, registrierte etwas in mir. Und dann hatte ich genug damit zu tun, meinen Flitzer zu bremsen, ehe er sich dem Kastenwagen in die Flanke bohrte.

Ich schaffte es nur, weil ich den Wagen mit einer brutalen Lenkbewegung um hundertachtzig Grad herumschleudern ließ.

Blitzartig bückte ich mich und fischte den Reserverevolver aus seinem Versteck. Durch die Frontscheibe sah ich den Killer, der geduckt über den Weg hetzte. Dunkler Trenchcoat, schwarze Jeans, Turnschuhe, Handschuhe. Mit der Schulter rammte ich die Tür auf, sprang ins Freie und wühlte in meinem Unterbewusstsein nach der winzigen Kleinigkeit, die mir gerade aufgefallen war, ohne dass ich zu sagen wusste, worum es sich handelte.

Handschuhe!

Noch während ich losrannte, rastete etwas in meinen Gedanken ein. Warum, zum Teufel, hatte der Bursche Handschuhe getragen? Doch nur, weil er damit rechnen musste, dass der Kastenwagen nach der Tat der Polizei in die Hände fiel.

Nur eine normale Vorsichtsmaßnahme?

Oder hatte er eine mögliche Verfolgung einkalkuliert? Und hieß das vielleicht, dass der Bursche hier irgendwo in der Nähe einen zweiten, den wirklichen Fluchtwagen bereitgestellt hatte?

Ich spurtete an dem grauen Bully vorbei.

Vor mir wechselte der Killer die Richtung. Er schlug einen schmalen Bohlenpfad ein, der quer durch die Dünen führte. Ich rannte ihm nach, den Revolver in der Faust.

»Stehen bleiben!«, schrie ich.

Doch da war er schon wieder aus meinem Blickfeld verschwunden.

Hinter der nächsten Bodenwelle lauerte er mir auf und schoss. Mit einer Beretta! Nicht mit dem weittragenden Gewehr, das er für den Mord benutzt hatte. Ich sah den Mündungsblitz und ließ mich fallen. Auf dem steilen, sandbedeckten Bohlenweg rutschte ich ein Stück abwärts. Der Killer jagte weiter. Seine Absätze ließen das Holz dröhnen, und Sekunden später hörte ich tatsächlich das Zuschlagen einer Autotür.

Inzwischen stand ich längst wieder auf den Beinen.

Ein halbes Dutzend Schritte und ich erreichte die Kuppe. Unter mir lag einer der kleinen Parkplätze, auf denen sich tagsüber die Wagen der Strandbesucher drängen. Jetzt parkte nur ein einziges Fahrzeug dort. Ein unauffälliger Chevrolet Vega, dessen Motor in diesem Augenblick gestartet wurde.

Nein, dachte ich. Dieser kaltblütige Dreckskerl würde mir ganz bestimmt nicht entkommen!

Ich federte in den Knien, machte einen Hechtsprung in den tiefen Sand neben dem Bohlenweg und ließ mich einfach den Abhang hinunterrollen. Am Rand des Parkplatzes kam ich wieder auf die Füße. Der Motor des Vega jaulte im höchsten Drehbereich. Quer über den Parkplatz jagte der Wagen auf die Asphaltpiste zu, die wieder auf dieselbe Straße führte, von der wir gekommen waren. Aber der Wind hatte losen, trockenen Sand auf den Platz geweht – und diesmal verlor der Killer sekundenlang die Nerven.

Er beschleunigte zu heftig.

Die Räder drehten durch, der Wagen schleuderte. Verzweifelt versuchte der Fahrer, ihn wieder unter Kontrolle zu bringen. Doch dabei musste er für einen entscheidenden Augenblick die Geschwindigkeit verringern.

Ich stand breitbeinig da, den Smith & Wesson 38 Special im Combat-Anschlag.

Sorgfältig zielte ich auf den rechten Hinterreifen des Vega. Ohne die Waffe auch nur um eine Winzigkeit zu verreißen, zog ich durch. Die Kugel traf genau. Der Reifen ging in Fetzen. Und der Wagen verwandelte sich aus einer Rakete in einen außer Rand und Band geratenen Querschläger.

Blech kreischte, als sich die Motorhaube in die Böschung bohrte.

Es war eine feste Böschung, denn hier wucherte Strandhafer im Sand. Der Anprall versetzte das Heck. Der Vega drehte sich halb um die eigene Achse, und im fahlen Mondlicht konnte ich deutlich sehen, wie der Fahrer nach vorn geschleudert wurde.

Seine Stirn rammte die Frontscheibe.

Schlaff sank er über dem Lenkrad zusammen. Ich rannte schon über den Parkplatz und schob dabei den Revolver in den Hosenbund. Noch im Laufen angelte ich nach meinem Taschentuch, um meine Finger damit zu umwickeln. Mit einem Ruck riss ich den Wagenschlag auf.

Kein Benzingeruch, keine Gefahr, dass mir der Tank um die Ohren flog, das alles registrierte mein Hirn automatisch. Der Anprall war nicht übermäßig hart gewesen. Aber für einen Fahrer, der keine Zeit gefunden hatte sich anzuschnallen?

Behutsam schob ich die Hände unter den Achseln des Mannes hindurch, nahm ihn in den vorschriftsmäßigen Transportgriff und zog ihn aus dem Wagen.

Der Tank konnte – theoretisch – immer noch explodieren. In solchen Fällen handelt man ganz mechanisch nach gewissen Regeln. Ich brachte den Bewusstlosen in Sicherheit. Erst als ich ihn außerhalb der Gefahrenzone zu Boden gleiten ließ, kam ich dazu, einen Blick in sein Gesicht zu werfen.

Ein blasses Durchschnittsgesicht, dessen einziges hervorstechendes Merkmal die auffällig vollen, sinnlich geschwungenen Lippen waren.

Ich kannte den Mann. Er hieß Larry Becker, und er arbeitete bekanntermaßen als Profikiller für die Mafia.

Im Highdiver Club spielte die Band rund um die Uhr lateinamerikanische Rhythmen. Primo Cantabrios neuer Cocktail, Moctezumas Rache genannt, törnte Touristen, Einheimische und Eingeweihte gleichermaßen an. Der Drink bestand aus Gin, Kokosnussmilch und einigen Geheimnissen und hatte sich als Hit der Saison erwiesen.

Der musikalische Hit der Saison hieß La Condesa Girl und wurde von Johnny Murano gesungen.

Er sang ihn im Radio, er sang ihn auf Schallplatten und Kassetten, er berieselte Acapulco damit und sorgte dafür, dass jeder heimkehrende Tourist sofort in den nächsten Music Shop lief, um sich eine Aufnahme zu besorgen. Hier im Highdiver Club spielte die Band allerdings nur die Instrumentalversion. Der Barbesitzer konnte sich Johnny Muranos Gage nicht leisten. Das machte nichts aus. Nicht solange Johnny hier Stammgast war und alle paar Abende leibhaftig besichtigt werden konnte.

Heute Abend hatte er ein bisschen zu viel von Moctezumas Rache gekostet.

Betrunken war er nicht. Laut oder unangenehm wurde er ohnehin nie. Das unterschied ihn von manchen Stars, die der Keeper Primo kannte. Bei Johnny Murano erzeugte Moctezumas Rache eine nachdenkliche, etwas melancholische Stimmung. Lässig saß er in seinen schwarzen Jeans und dem schwarzen, mit indianischem Schmuck behängten Sporthemd auf dem Barhocker und wickelte eine Locke des ebenfalls schwarzen Haars seiner Begleiterin um den Zeigefinger.

»Gefällt es dir?«, fragte er halblaut.

Das Mädchen lächelte. Sie zählte höchstens sechzehn Jahre. Eine dunkle mexikanische Schönheit, deren meergrüne Augen verrieten, dass es unter ihren Vorfahren mindestens einen Iren gegeben hatte. Sie trank Cola und knabberte Erdnüsse. Den ganzen Abend schon. Alkohol und Nikotin gehörten jedenfalls nicht zu ihren Lastern.

Primo Cantabrio, der Keeper, kannte sie nicht.

Besorgt hatte er die Stirn gerunzelt, als vor wenigen Minuten die Tür aufgeschwungen war und ein neuer Gast eintrat. Primo – sinnigerweise nannte ihn jedermann nur Segundo – fühlte sich für seine Gäste verantwortlich. Wer den Kanal voll hatte, bekam bei ihm keinen Drink mehr, und wenn er einen Tausender hinblätterte. Primo »Segundo« Cantabrio hatte Prinzipien. Deshalb gehörte er auch seit zehn Jahren zu den geheiligten Institutionen von Acapulco.

Jetzt trat er zu dem Sänger und seiner jungen Begleiterin.

»Hör mal, King«, begann er.

»King« lautete Johnny Muranos Spitzname. Der König von Acapulco ... Es war etwas Wahres daran. Johnny gehörte hier zwar kein Stein und kein Quadratmeter Boden. Er besaß nichts außer seiner Ausstrahlung und seiner Stimme, die ihn für eine Weltkarriere qualifizierte. Aber eine Laune von ihm, eine Vorliebe für diese oder jene Bar und diese oder jene Freizeitbeschäftigung, konnte darüber entscheiden, ob jemand, der in Acapulco investiert hatte, pleiteging oder sich eine goldene Nase verdiente.

Primo, der Keeper, hatte sich bereits eine goldene Nase verdient. Für ihn zählte nur, dass er Johnny mochte.

»Ich glaube, es stinkt hier nach Reportern«, meinte er leise. »Johnny, du solltest ...«

Weiter kam er nicht.

Ein Blitzlicht flammte auf. Einmal, zweimal, dreimal, viermal. Der Reporter, der Johnny Murano und seine offenbar minderjährige Begleiterin auf die Platte gebannt hatte, grinste triumphierend. Er ließ die Kamera sinken und wollte seinen Hocker zurückschieben. In diesem Augenblick erwachte Johnny Murano aus der besinnlichen Stimmung, in die ihn Moctezumas Rache versetzt hatte.

Ruckartig hob er den Kopf.

Seine dunklen Augen verengten sich zu Schlitzen. Das junge, braun gebrannte Gesicht schien zu Stein zu erstarren. Langsam wandte er sich dem Reporter zu, und ebenso langsam glitt er von seinem Barhocker.

»Du Schwein«, sagte er leise. »Du verdammtes, dreckiges, niederträchtiges Journalistenschwein!«

»Na, na«, meinte der Reporter gelassen. Er hatte ein schmales, zerknittertes Fuchsgesicht und tiefe Falten um den Mund. »Du wirst doch nicht ...«

»Vorsichtig!«, warnte Primo. »Kein Blut auf den Perser bitte! Friede, Freundschaft, Eierkuchen, okay?«

Es war schon zu spät.

Johnny Muranos Gesicht verzerrte sich. Mit einem einzigen gleitenden Schritt stand er vor dem Reporter. Sanft nahm er ihm die Kamera aus der Hand, stellte sie sanft auf die Bartheke – und rammte seinem verblüfften Gegner gar nicht sanft die Faust in den Magen. Sekunden später lag der Reporter bewusstlos am Boden.

Die restlichen Gäste hatten atemlos zugesehen. Muranos Begleiterin war bleich vor Schrecken. Primo »Segundo« Cantabrio nagte an der Unterlippe.

»Willst du die Kamera nicht in Klump hauen?«, fragte er gedehnt.

»Warum?«, fragte Johnny Murano dagegen.

Primo fuhr sich mit den Handrücken übers Kinn. »Warum wohl? Wegen des Skandals, Johnny-Junge. Ich will ja nicht indiskret sein. Aber die junge Lady ist bestimmt noch minderjährig und ...«

Johnny Murano lächelte. Ein bitteres Lächeln.