Jerry Cotton Sonder-Edition 184 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 184 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Er sah aus wie ein Lord, und er war sogar einer. Seine Nichte Maxine, eine Journalistin, machte ihm Sorgen. Für eine gewagte Reportage nahm sie in New York Kontakt mit der Unterwelt auf - und verschwand spurlos. Statt die Polizei einzuschalten, beschloss Lord Ben, auf eigene Faust zu handeln. Mit seiner Ehefrau, Maxines Verlobtem und einem windigen Privatdetektiv brach er zu einem aussichtslosen Kampf auf. Vier gegen New York!


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Inhalt

Cover

Vier gegen New York

Vorschau

Impressum

Vier gegen New York

Er sah aus wie ein Lord, und er war sogar einer. Seine Nichte Maxine, eine Journalistin, machte ihm Sorgen. Für eine gewagte Reportage nahm sie in New York Kontakt mit der Unterwelt auf – und verschwand spurlos. Statt die Polizei einzuschalten, beschloss Lord Ben, auf eigene Faust zu handeln. Mit seiner Ehefrau, Maxines Verlobtem und einem windigen Privatdetektiv brach er zu einem aussichtslosen Kampf auf. Vier gegen New York!

1

Nichts unterschied Maxine West von den zahllosen Ausreißerinnen, die die Straßen New Yorks bevölkern.

Nichts außer ihrem blauen Blut und der Millionenerbschaft, die sie zu erwarten hatte. Aber darüber sprach sie nicht. Ihre Karriere als Journalistin wollte sie ganz allein machen. Ohne blaues Blut und ohne Millionen.

Der Mann, der im Schatten eines Hauseingangs wartete, hielt Maxine für einen ausgesprochenen Glücksfall.

Ein Provinzgirl mit dem Benehmen einer Lady und dem lächerlichen Ehrgeiz, eine Laufbahn bei Zeitungen, die von ihrem Glück noch nichts ahnten, mit Reportagen aus der New Yorker Unterwelt zu beginnen.

Echtes Milieu wollte sie kennenlernen. Dazu konnte ihr der Mann verhelfen. Das Milieu würde echter sein, als sie sich träumen ließ.

Der Mann trat aus dem Schatten des Hauseingangs und winkte. Maxine winkte zurück. Sie trug Jeans, ein knallrotes T-Shirt und eine gelbe Regenjacke. Das schulterlange Blondhaar war feucht vom Regen. Ihre Schritte wirkten beschwingt, ihr Lächeln arglos.

»Hallo, Johnny!«, rief sie.

»Hallo, Maxie, Darling.«

»Hast du die Sache für mich arrangiert?«

»Klar. Komm mit!«

Maxine folgte ihm in den dunklen Hinterhof.

Nur ganz kurz zuckte sie, als sie in die undurchdringliche Finsternis tauchte. Energisch straffte sie sich. Als zukünftige Journalistin durfte sie sich nicht einschüchtern lassen. Und die Männer, mit denen Johnny sie bekanntmachen wollte, konnten ihr angeblich eine Menge über Gangster, Mädchenhändler und Ähnliches erzählen.

Türangeln knarrten. Dicht hinter Johnny durchquerte Maxine den langen Flur und blieb auf der Schwelle der Tür stehen, die er öffnete.

Ein kahler Raum, nur mit ein paar Stühlen und einem wackligen Holztisch möbliert. Drei Männer hatten gepokert. Jetzt blickten sie auf und musterten das Girl aus schmalen, aufmerksamen Augen.

»Ist sie das?«, fragte einer der Burschen.

»Das ist sie«, sagte Johnny selbstzufrieden.

»Nicht schlecht. Die können wir gebrauchen. Zieh mal die Jacke aus, Baby, damit ich sehen kann, was du sonst so draufhast!«

Maxine schluckte.

»He!«, protestierte sie. »Ich glaube, das ist ein Missverständnis. Ich ...«

Der Mann schob seinen Stuhl zurück.

Mit zwei gleitenden Schritten stand er vor ihr. Ehe Maxine reagieren konnte, hob er die Hand und schlug ihr schnell und hart ins Gesicht.

»Du glaubst überhaupt nichts, Baby«, knurrte er. »Du wirst von jetzt an genau das tun, was man dir sagt, oder du wirst es bereuen, verstanden?«

Scheiße, dachte Jan Kerenski.

Damit hatte er seiner Meinung nach die aktuelle Situation sehr genau umrissen. Vielleicht irrte er sich. Vielleicht wollten die drei Burschen da drüben unter der Laterne gar nichts von ihm. Doch irgendwann würden die Kerle kommen, die etwas wollten. Und sein Konto bei der Manhattan Chase Bank war so überzogen, dass nur noch ein Wunder es auffüllen konnte.

Jan Kerenski lenkte seinen klapprigen Wagen in die Tiefgarage.

Die Schranke stand hoch. Das bedeutete, dass der Wachmann wieder einmal besoffen war. Kerenski seufzte, als er den Motor abstellte. Eilig stieg er aus und vergewisserte sich, dass die alte Luger griffbereit im Schulterholster steckte.

Als er auf den Lift zuging, trat ihm ein Mann in den Weg.

Ein älterer Typ mit Halbglatze, Tränensäcken und einem Anzug, der bestimmt nicht mehr gekostet hatte als Kerenskis eigene Kluft. Ein Klient, dachte er. Das war zwar eine optimistische Vermutung, aber schließlich gab es noch Zeichen und Wunder.

»Kerenski, der Privatdetektiv?«, fragte der Fremde.

Er nickte.

Gleichzeitig hörte er die hallenden Schritte hinter sich und schauerte zusammen. Die Kerle, die er unter der Laterne gesehen hatte. Von wegen Zeichen und Wunder! Jan Kerenski schluckte trocken und winkelte die Rechte an, um im Notfall schneller an die Waffe zu gelangen.

Der Notfall war schon da.

Die Schritte näherten sich. Nur ein Narr hätte noch daran zweifeln können, dass er, Kerenski, gemeint war. Auf dem Absatz wirbelte er herum und versuchte, die Luger zu ziehen. Er schaffte es jedoch nicht, weil ihn im selben Augenblick der Bursche mit der Glatze ansprang.

Die Waffe wurde ihm aus den Fingern gefegt, ehe er sie richtig fassen konnte.

Gleichzeitig hörte er ein unheilverkündendes Zischen. Totschläger! Ein brutaler Hieb traf sein Genick. Wider Willen schrie er auf, fiel auf die Knie und kämpfte gegen die roten Schleier, die vor seinen Augen waberten.

Fäuste rissen ihn wieder hoch.

Er bäumte sich auf und schlug um sich. Aber nicht einmal die Nahkampftechniken nutzten etwas, die man ihm vor Jahren bei den Ledernacken beigebracht hatte. Gesichter schälten sich aus dem roten Nebel. Stumpfe, primitive Gesichter, die er nicht kannte. Gleichgültig, dachte er. Den Kerl, der dahintersteckte, kannte er dafür umso besser.

Zehntausend Dollar schuldete er ihm.

Spielschulden. Nicht einklagbar. Und niemand hatte ihn schließlich gezwungen, sich im Auftrag eines windigen Klienten in den illegalen Spielklub einzuschleusen. Er hätte es wissen müssen. Sein Klient war nach Europa abgedampft und dachte nicht daran, die Rechnung zu bezahlen. Die wurde jetzt ihm als Privatdetektiv präsentiert, der dämlich genug gewesen war, sich auf diese Sache einzulassen.

»Was ist?«, fragte der Mann mit der Halbglatze. »Kannst du zahlen?«

»Idiot!«, fauchte Kerenski.

»Du zahlst morgen, klar? Wir brauchen die Dollars! Und damit du auch kapierst, wie dringend wir sie brauchen, kriegst du jetzt eine kleine Abreibung als erste Warnung.«

Dabei grinste er hämisch.

Kerenski hing wehrlos im Griff der anderen Kerle. Die Wut erstickte ihn fast. Blindlings spuckte er den Glatzkopf an und versuchte, ihn zu treten. Doch er hatte keine Chance, einen Treffer anzubringen.

Sein Gegner ließ die Fäuste wirbeln.

Er verstand sein Geschäft. Kerenski schrie, stöhnte und wollte sich losreißen. Vergeblich. Die Treffer schüttelten ihn durch, sie trieben ihm die Luft aus den Lungen. Er spürte, wie seine Lippen platzten und die Augen zuschwollen. Sein Magen verwandelte sich in einen glühenden Klumpen. In den Kniekehlen schien Gummi zu nisten. Als er schließlich losgelassen wurde und auf den schmutzigen Betonboden der Tiefgarage stürzte, war er immer noch nicht bewusstlos.

Aus weiter Ferne hörte er die Stimme seines Peinigers. »Du zahlst morgen! Alles! Oder du wirst dir noch wünschen, nie geboren worden zu sein, verstanden?«

Die Schritte entfernten sich.

Jan Kerenski lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Betonboden und spürte den scharfen Geruch nach Öl und Benzin. Er hatte den lebhaften Wunsch, nie im Leben wieder aufzustehen. Ein paar Minuten lang hielt er die Augen geschlossen. Dann hörte er von Neuem Schritte und verkrampfte sich.

Schnelle, leichte Schritte kamen näher.

Bevor er sich herumwälzen und hochstützen konnte, hatten sie ihn erreicht. Mühsam öffnete er die Augen – und glaubte zu träumen.

»Mister Kerenski?«, fragte die blonde Lady.

Er schluckte.

Eine Klientin, dachte er – hoffnungsvoll wie stets, wenn er jemandem begegnete, der nicht in dieses miese Haus an der Eighth Avenue passte. Eine Klientin, die ganz sicher gleich wieder verschwinden würde, fügte er in Gedanken hinzu. Wer beauftragte schon einen Detektiv, den er vorher sozusagen in der Gosse hatte aufsammeln müssen?

Kerenski wollte sich aufrichten, ächzend sank er wieder zurück. Die blonde Lady machte eine beschwichtigende Handbewegung.

»Bleiben Sie liegen«, sagte sie sanft. »Ich habe eine Flasche Whisky im Wagen. Die wird Ihnen sicher schnell wieder auf die Beine helfen.«

Rasch wandte sie sich ab und verschwand aus Jan Kerenskis Blickfeld.

Er kam zu der Überzeugung, dass offenbar ein gütiges Geschick beschlossen hatte, ihm den lausigen Tag mit einem rettenden Engel zu verschönen.

»Haben Sie Wünsche, Gentlemen?«, fragte die Frau mit einer dunklen, rauchigen Stimme, die wie Feuer und Eis klang.

»Scotch«, sagte mein Freund und Partner Phil Decker.

»Ohne Eis und Soda«, fügte ich hinzu. Unsere Landsleute neigen nämlich selbst in einem so teuren, exklusiven Klub wie dem Golden Moon dazu, guten Whisky mit unpassenden Zutaten zu verwässern.

Die Frau ging mit schwingenden Hüften zur Theke, da wir uns nicht geneigt zeigten, weitergehende Wünsche zu äußern. Dabei hatte sie durchaus das Format, solche Wünsche zu wecken. Lange Beine, unmodisches, aber verführerisches Minikleid, halb durchsichtig noch dazu, und eine Figur wie die Sünde selbst. Mit dem langen rabenschwarzen Haar, den schillernden Lippen und dem vielversprechenden Augenaufschlag sah sie auch nicht so aus, als erfüllte sie ihre Aufgabe in diesem Klub gezwungenermaßen.

Doch Phil und ich waren im Dienst. Unsere Wünsche orientierten sich an den Akten des FBI Field Office New York. Wir saßen hier, weil wir Grund zu der Annahme hatten, dass Johnny Cattler im Laufe des Abends dem Golden Moon einen Besuch abstatten würde.

Nicht einmal der ausgezeichnete Scotch konnte den bitteren Geschmack vertreiben, den ich auf der Zunge spürte, wenn ich an Cattler dachte.

Deutlich glaubte ich, das hübsche Gesicht unter dem lockigen blonden Haar vor mir zu sehen. Cattler war ein Frauentyp. Ein Sonnyboy, bei dem ältere Ladys auf ihre Töchter eifersüchtig wurden. Ein paar Jahre hatte er sich darauf spezialisiert, Touristinnen auszunehmen. Inzwischen kümmerte er sich vorwiegend um minderjährige Ausreißerinnen. Mädchen ohne Papiere, ohne Schutz und ohne Anhang, denen die harte Wirklichkeit der Großstadt rasch die Flausen aus den Köpfen trieb und die sich dann an den nächstbesten jungen Mann klammerten, dem sie begegneten.

Johnny Cattler stellte sich als Student vor und verstand es sehr geschickt, bürgerliche Träume von einer gemeinsamen Zukunft zu wecken. Er gab sich so lange mit seinen Opfern ab, bis er sich sicher war, dass sich niemand über ihr Verschwinden aufregen würde. Und dann verschacherte er sie an Joseph Zacopetti, den wir verdächtigten, unter dem Deckmantel seiner Nachtklubs eine Kette gut gehender Bordelle zu betreiben.

Es war Zufall gewesen, dass einer der Frauen die Flucht gelang, noch bevor sie auf Nimmerwiedersehen in einem zweifelhaften Klub verschwand.

Cattler hielt sie für tot. Jedenfalls hatte er sich alle Mühe gegeben, sie umzubringen. Die Kleine – Josette Manson hieß sie – lag jetzt unter Bewachung im Krankenhaus, nachdem eine Clique junger Leute sie bei einer nächtlichen Bootspartie aus dem East River gefischt hatte. Wahrscheinlich würde sie nie mehr ganz gesund werden. Aber ihre Aussage gegen Johnny Cattler war klar und erschöpfend.

Den entscheidenden Tipp hatte uns dann ein V-Mann aus der schillernden Halbwelt des Times Square geliefert.

Draußen warteten ein paar Kollegen als Eingreifreserve.

Wir würden Cattler verhaften, sobald er einen Fuß in das Lokal setzte. Und wir waren überzeugt, dass Cattler reden würde. Wenn wir ihn erwischten und festnagelten, fiel auch Zacopetti. Ein Mann, der auf unserer Wunschliste ganz weit oben stand. Einer der miesesten Gangster, die diese an Verbrechen gewiss nicht arme Stadt je hervorgebracht hatte.

Meine Gedanken stockten, weil die Ringe des schallschluckenden Vorhangs klirrten.

Auch Phils Blick wanderte zur Tür. Seine Schultern entspannten sich, als er sah, dass es nicht Johnny Cattler war, der die rot beleuchtete Bar betrat. Ein normaler Gast. Dunkelhaarig, korrekt gekleidet, mit Fassonschnitt, Schlips und Kragen. Der Typ des erfolgreichen Nachwuchsmanagers. Einen Moment blieb er stehen und sah sich mit zusammengekniffenen Augen im Lokal um. Augen, die über die drei Keeper und den Damenflor hinwegglitten und Zacopettis grauhaarigen Geschäftsführer aufspießten.

Wir kannten diesen Geschäftsführer. Jake Muller hieß er – auch einer der Kandidaten, die Johnny Cattler hoffentlich mit ins Verderben reißen würde. Langsam, mit leicht wiegenden Schritten wie ein Cowboy im Western ging der Neuankömmling auf ihn zu. Und das war der Zeitpunkt, zu dem ich aufhörte, ihn für einen normalen Gast zu halten.

Phil spürte ebenfalls, dass etwas in der Luft lag.

»Mist«, murmelte er. »Wenn es Krach gibt, wird Cattler gar nicht erst aufkreuzen.«

Ich nickte nur.

Aus den Augenwinkeln beobachtete ich den Jungmanager mit dem Cowboybenehmen, der sich vor Jake Muller aufgebaut hatte. Der Geschäftsführer hob höflich fragend die Brauen. Sein Gast sprach so laut, dass wir die Worte verstehen konnten.

»Ich will Zacopetti sprechen«, sagte er.

Einfach so. Als wäre der Gangsterboss ein beliebiger Barbesitzer, der im Hinterzimmer die Einnahmen hütete.

Muller bekam Schluckbeschwerden.

»Sir?«, fragte er steif.

»Ich will Zacopetti sprechen!« Jetzt klang die Stimme des Unbekannten noch ein wenig lauter und nachdrücklicher. »Joseph Zacopetti! Also bringen Sie mich zu ihm, okay?«

Der Geschäftsführer sah aus, als hätte man ihm das Ansinnen gestellt, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu einer Teestunde zu bitten.

»Ich weiß nicht, was Sie meinen, Sir«, sagte er. »Das ist ein Nachtlokal. Sie können etwas zu trinken bestellen, der Show zusehen ...«

Der Jungmanager schnaufte.

Seine Faust zuckte vor und packte Muller am Kragen der weinroten Smokingjacke. Phil und ich wechselten einen Blick, als der Geschäftsführer japsend etwas hervorstieß. Ein paar andere Gäste – nur wenige wegen der verhältnismäßig frühen Stunde – waren aufgesprungen. Ärger lag in der Luft, und kein New Yorker lässt sich gern in Ärger hineinziehen. Da nimmt er dann schon lieber in Kauf, sich eines krassen Falls von Zechprellerei schuldig zu machen.

Zwei texanische Touristen, ein älterer Gentleman mit blutjunger Freundin und ein Typ mit Tirolerhut, strebten der Tür zu.

Im Hintergrund des Lokals setzte sich Zacopettis Rausschmeißergarde in Bewegung.

Der Jungmanager mit den Cowboymanieren schüttelte Jake Muller wie einen Bettsack. »Ich will Zacopetti sprechen, du Miststück! Bring mich zu ihm, oder du musst dir dein Steak demnächst vorkauen lassen. Ich schlage dir nämlich die Zähne ein, du mieser ...«

Die Tür schwang auf.

Ich sah es aus den Augenwinkeln, während ich bereits meinen Stuhl zurückschob. Auch Phil war aufgestanden. Erstens interessierten wir uns für den Optimisten, der Zacopetti sprechen wollte. Zweitens konnten wir nicht zulassen, dass die Rausschmeißer des Golden Moon ihn in seine Bestandteile zerlegten.

Der Anblick des Mannes, der in der aufschwingenden Tür erschien, änderte unsere Absichten schlagartig.

Cattler!

Johnny Cattler in Jeans und Polohemd, blondgelockt und smart wie immer. Kein Mensch hätte dem netten blauäugigen jungen Mann etwas Böses zugetraut. Ich dachte an die kleine Josette, die ihr Leben lang unter den Folgen des Mordversuchs leiden würde, und spürte, wie sich meine Magenmuskeln vor Zorn zusammenzogen.

Johnny Cattler brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um die Situation zu erfassen.

Er konnte nicht wissen, was hier ablief. Aber er reagierte mit dem Instinkt einer Ratte. Blitzartig warf er sich herum. Zwischen ihm und uns drängelten sich Gäste, die das Lokal verlassen wollten. Ich knirschte mit den Zähnen. Unsere Kollegen draußen konnten einfach nicht damit rechnen, dass Cattler so schnell wiederauftauchen würde. Und die unbeteiligten Gäste schützten ihn. Wenn er es clever anfing – und er war clever –, hatte er eine gute Chance zu entwischen.

Ein kurzer Blick genügte, um mich mit Phil zu verständigen.

Mein Freund würde hier für Ordnung sorgen. Vermutlich genügte das Wort FBI, da sich Zacopettis Leute gemeinhin keine Blöße gaben. Ich spurtete zur Tür. Johnny Cattler hatte bereits das Foyer erreicht. Die beiden Texaner, die ich beiseiteschob, fühlten sich vermutlich in ihren Vorurteilen gegen den rauen New Yorker Lebensstil bestätigt, aber das konnte ich nicht ändern.

An einem verdatterten Portier und dem leicht geschürzten Garderobengirl vorbei rannte ich zum Ausgang.

Auf dem Gehsteig sah ich Cattlers blonden Lockenkopf im Licht einer Peitschenleuchte. Schräg gegenüber flogen die Türen eines flaschengrünen Mercury Cougar auf. Meine Kollegen Steve Dillaggio und Joe Brandenburg sprangen aus dem Wagen. Und Cattler, dem das ebenfalls nicht entging, zog sofort die richtigen Schlüsse.

Auf dem Absatz fuhr er herum.

Seine Hände zuckten in die Hosentasche, und im nächsten Moment glänzte eine kleine, flache Browning zwischen seinen Fingern.

2

Jan Kerenski verzog den Mund, weil das Wasser durchdringend nach Chlor schmeckte.

Der Spiegel warf das Bild seines hageren, zerknitterten Gesichts zurück. Jodflecken zierten die linke Braue und beide Jochbeine. Die Schwellungen in der Augenpartie waren unter der Wirkung der Eiswürfel zurückgegangen. Doch seine Lippen waren immer noch dick.

Kerenski fühlte sich lausig.

Daran änderte auch die Anwesenheit der blonden Lady nichts, die nebenan in seiner winzigen Bordküche Kaffee braute. Livia Clarence hieß sie. Die Gattin eines echten englischen Lords, also eine echte Lady. Und eine echte Klientin. Das hatte sie Kerenski versichert, als sie ihn in den Fahrstuhl schleppte. Doch auch eine echte englische Lady würde wohl kaum einem mickrigen New Yorker Privatdetektiv zehntausend Dollar in den Rachen werfen. Genau die Summe, die er brauchte, um nicht spätestens morgen Abend zum Krüppel zu werden.

Scheißleben, dachte Kerenski nach einem letzten Blick in den Spiegel.

Seinen berühmten Charme konnte er mit geschwollenen Lippen und schmerzendem Magen auch nicht anknipsen. Irgendwo hatte er einmal gelesen, dass alle englischen Frauen geborene Krankenschwestern seien. Auf Lady Livia jedenfalls traf diese Behauptung zu. Sie hatte Kaffee aufgebrüht. Sie hatte einen doppelten Whisky in Kerenskis kombiniertes Wohnoffice gestellt. Und sie schien entschlossen, nicht zu weichen und zu wanken, bevor er sich wieder besser fühlte.

Dankbar schlürfte er den Bourbon und betrachtete seine Klientin.

Blond, attraktiv und in der Tat sehr damenhaft. Etwa fünfunddreißig Jahre alt, schätzte er, sah aber jünger aus. Eine jener scheinbar so kühlen Blondinen, die normale, durchschnittliche Männer dazu bringen konnten, Helden, Verbrecher oder sonst etwas ganz und gar nicht Durchschnittliches zu werden.

»Geht es Ihnen besser?«, erkundigte sich die Lady mitfühlend.

»Hm«, machte Kerenski. Mit seinen geschwollenen, zerschlagenen Lippen fiel ihm das Sprechen schwer.

»Diese Kerle – waren das Gangster?«

»Ja«, sagte Kerenski nachdrücklich. Seinem Ansehen bei der zukünftigen Klientin konnte die Tatsache, dass er mit Gangstern zu tun hatte, bestimmt nicht schaden. Und dass die Kerle ihn zusammengefaltet hatten, spielte keine Rolle. Das Verhältnis war einer gegen vier gewesen. Die Lady wirkte realistisch genug, um zu wissen, dass nur Fernsehhelden ganz allein mit vier Gegnern fertig werden.

»Sie haben also keine Angst, sich mit Gangstern anzulegen?«, fragte die Lady.

Jan Kerenski schluckte trocken.

Die ehrliche Antwort auf diese Frage war: Er hatte Angst, sich mit Gangstern anzulegen. Wenn er an die vier Kerle dachte, hatte er sogar jämmerliche Angst. Genau das war ja der Grund dafür, dass er es sich auf keinen Fall mit einer Klientin verderben durfte, die vielleicht ein paar Dollars einbrachte.

Wenn er morgen eine Anzahlung leistete, ersparte er sich möglicherweise das Krankenhaus. Er grinste, nahm noch einen Schluck Whisky und versuchte, heldenhaft auszusehen.

»Stimmt«, sagte er. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, was Sie mit Gangstern zu tun haben, Mrs. Clarence.«

»Lady Livia«, verbesserte sie ihn kühl. »Nun, ich habe nicht direkt mit Gangstern zu tun. Doch ich fürchte, dass meine Nichte solchen zweifelhaften Gentlemen in die Hände gefallen ist. Sie heißt Maxine West und ist achtzehn Jahre alt. Lord Clarence und ich schenkten ihr die Reise nach New York als Belohnung für die bestandene Abschlussprüfung. Und da Maxine Journalistin werden möchte, wollte sie die Gelegenheit nutzen, um eine Reportage über die sozialen Verhältnisse und das organisierte Gangstertum in Manhattan zu machen.«

Großer Manitu, dachte Kerenski erschüttert.

Er ahnte, was auf ihn zukam. Die blaublütige Nichte aus England war nicht die erste zukünftige Journalistin, die in New York auf die Nase fiel.

»Maxine hat sich in einer Dachbude eingemietet und das mittellose Hippiegirl gespielt?«, fragte er.

»Ja«, sagte Lady Livia.

»Und dann hat sie versucht, wie Harun-al-Raschid ohne Bart in die Unterwelt einzudringen?«

»Ich vermute es«, sagte Lady Livia. »In ihrem letzten Telefongespräch mit ihrem Verlobten, dem Earl of Fenton, machte sie gewisse Andeutungen über verschwundene Mädchen. Und über einen Gangsterboss, den sie interviewen wollte. Offenbar hatte sie einen jungen Mann kennengelernt, der bereit war, ihr bei ihrer Journalistenkarriere zu helfen. Natürlich ahnte er nicht, wer sie wirklich war.«

Natürlich nicht, dachte Kerenski.

In diesem Punkt hatte die Lady zweifellos recht. Wenn er sich nicht sehr irrte, musste Maxine West einem Zuhälter in die Hände gefallen sein. Und Zuhälter, sofern sie bei Verstand waren, vergriffen sich nicht an den Nichten englischer Lordschaften.

»Sie wollen also, dass ich das Mädchen wiederfinde«, stellte Kerenski fest. »Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass ich keinerlei Erfolg garantieren kann. In New York verschwinden jeden Tag Mädchen. Die Chancen, es aufzuspüren, sind leider sehr gering.«

»Ich weiß.« Die Lady nickte. »Deshalb sind Lord Clarence, der Earl und ich ja persönlich gekommen, um die Dinge in die Hand zu nehmen. Wir benötigen lediglich ein wenig Hilfe, weil wir uns in New York nicht auskennen. Charlie – das ist der Earl of Fenton – hat den Gangster bereits gefunden, dessen Namen Maxine nannte. Aber der Mann wird möglicherweise nicht bereit sein, Charlie Auskünfte zu geben. In diesem Fall wäre es dann Ihre Aufgabe, mehr über den Burschen zu erfahren. Natürlich wissen Lord Clarence und ich, dass wir bei der Bemessung des Honorars eine Gefahrenzulage berücksichtigen müssen.«

»So ist es«, stimmte Kerenski zu. »Außerdem müssten Sie mir einen Vorschuss zahlen. Denn sonst stände ich Ihnen spätestens morgen Abend nicht mehr zur Verfügung, sondern würde im Krankenhaus liegen.« Er zuckte resignierend mit den Schultern. »Das Vorspiel konnten Sie ja selbst beobachten. Ich habe Schulden! Und zwar bei Leuten, die ihre Außenstände nicht von Rechtsanwälten eintreiben lassen.«

»Wie schrecklich«, sagte Lady Livia mitfühlend.

»So ist das Leben. Dürfte ich jetzt den Namen des Gangsters erfahren, um den es geht?«

»Zacopetti«, sagte Lady Livia in völliger Seelenruhe. »Joseph Zacopetti.«

Jan Kerenski war zumute, als hätte ihn ein Pferd getreten.

Er starrte die Lady an.

»Zacopetti?«, wiederholte er. »Sagten Sie Zacopetti?«

»Allerdings. Sie kennen ihn?«