Jerry Cotton Sonder-Edition 188 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 188 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Der Fabrikant Derrisson hatte Schulden bei der Mafia. In seiner Angst bot er den Gangstern zum Ausgleich eine bakteriologische Geheimwaffe an, die sein Bruder erfunden hatte. Damit kriegte die Mafia eine Mordmethode in die Hand, die kein Arzt nachweisen konnte - eine tödliche Viruskrankheit. Durch einen Zufall erfuhr die junge Privatdetektivin Jenny Rigg von dem teuflischen Komplott. Sie benachrichtigte mich. Doch ich kam zu spät. Vor meinen Augen wurde Jenny entführt ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 182

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Die Privatdetektivin

Vorschau

Impressum

Die Privatdetektivin

Der Fabrikant Derrisson hatte Schulden bei der Mafia. In seiner Angst bot er den Gangstern zum Ausgleich eine bakteriologische Geheimwaffe an, die sein Bruder erfunden hatte. Damit kriegte die Mafia eine Mordmethode in die Hand, die kein Arzt nachweisen konnte – eine tödlich verlaufende Infektion. Durch einen Zufall erfuhr die Privatdetektivin Jenny Rigg von dem teuflischen Komplott. Sie benachrichtigte mich. Doch ich kam zu spät. Vor meinen Augen wurde Jenny entführt ...

1

Türschlösser, die ein Experte nicht knacken kann, sind noch nicht erfunden.

Mit einem fachmännisch geknackten Türschloss begann es. Meinem Türschloss! Als G-man habe ich schon öfter ungebetenen Besuch bekommen. Die Erfahrung zeigt, dass es sich meist um unerfreuliche Zeitgenossen handelt.

Als ich in jener Nacht gegen drei Uhr nach einem anstrengenden Einsatz mein Apartment betreten wollte, bemerkte ich trotz der Müdigkeit die feinen Kratzer auf den Metallbeschlägen. Außerdem verhakte sich der Schlüssel. Ich glitt einen Schritt zur Seite für den Fall, dass jemand durch das dünne Holz schießen wollte, und zog den 38er Smith & Wesson Special aus dem Schulterholster.

Vorsichtig öffnete ich die Tür.

Dunkelheit gähnte. Dazu herrschte absolute Stille, nur vom Geräusch eines tropfenden Wasserhahns unterbrochen. In Jahren kriminalistischer Arbeit entwickelt man einen gewissen Instinkt, ein untrügliches Gefühl für Menschen und Situationen. Ich hätte geschworen, dass Diele und Wohnzimmer meines Apartments leer waren.

Waren sie auch.

Leise schloss ich die Tür, warf einen Blick ins Bad und lauschte noch einmal angestrengt, bevor ich Licht machte. Die Deckenleuchte flammte auf – und ließ ein leeres Glas auf dem Tisch glitzern.

Meine Bourbonflasche stand daneben. Der Pegel war etwa um zwei Daumenbreiten gesunken. Energisch fasste ich den Revolver fester. Trotz der wilden Jagd auf einen schießwütigen Killer, die hinter mir lag, funktionierte mein Gedächtnis noch ausgezeichnet. Ich jedenfalls hatte mir diesen Whisky nicht durch die Kehle rinnen lassen.

Misstrauisch peilte ich zur Schlafzimmertür.

Wer immer in meine Wohnung eingedrungen war, hatte das sicher nicht getan, um sich einen Kentucky Tavern zu genehmigen. Also musste der Bursche dort drüben stecken. Schräg von links schlich ich an die Schlafzimmertür heran, stieß sie lautlos auf und spähte um die Ecke.

Die Nachttischlampe brannte.

Kein Mensch war zu sehen. Da mein Kleiderschrank zur modernen platzsparenden Sorte gehört, hielt ich es für ausgeschlossen, dass sich jemand darin versteckte. Lediglich das Bett wirkte zerwühlt. Auf merkwürdige Weise zerwühlt. Aber der Gedanke, dass jemand bei mir eingebrochen war, meinen Bourbon getrunken und sich anschließend zu einem Nickerchen zurückgezogen hatte, erschien mir denn doch ziemlich absurd.

Auf Zehenspitzen umrundete ich die Lagerstätte – und blieb wie angewurzelt stehen.

Meine rechte Schuhspitze berührte ein duftiges Nichts, das sich bei näherem Hinsehen als himmelblauer Büstenhalter entpuppte.

Zwei Damenstrümpfe samt sündigen Strapsen lagen auf dem Hirtenteppich. Ein Kleid war auch da. Hellrote Seide, die teuer aussah.

Wenigstens, dachte ich erschlagen, trug die Lady noch den Slip. Denn er fehlte in der ausgebreiteten Dessousausstellung.

Vorsichtig lüftete ich die Bettdecke.

Nur ein Stückchen, ich schwöre es. Der dunkle Haarschopf, der sich über mein Kopfkissen breitete, genügte mir völlig. Unverhüllte weibliche Schönheit beeinträchtigt das Denkvermögen bei einem Mann. Ich hatte das Gefühl, mein Denkvermögen dringend zu brauchen.

»Hallo!«, rief ich halblaut.

»Uuuh«, kam es schläfrig zurück.

»Aufwachen, Lady! Es gehört zwar nicht zu meinen Gewohnheiten, eine schöne Frau aus meinem Bett zu werfen, aber ...«

»Lass mich schlafen, Baby«, murmelte die Frau.

»Baby?«, erkundigte ich mich, weil mir nichts Besseres einfiel.

Jetzt endlich schienen die angenehmen Träume der Besucherin von der Erkenntnis gestört zu werden, dass sie in einem fremden Bett lag. Und dass ich nicht ihr Baby war, wen immer sie damit meinte.

Ruckartig fuhr sie hoch, wandte sich halb um, und dabei verrutschte die Bettdecke.

Heiliges Texas!

Ein Gentleman hätte sicher zur Tapete geschaut. Ich bin nebenbei G-man, also darauf trainiert, im Auge zu behalten, was ungebetene Besucher mit ihren Händen anstellen. Und Pistolen oder Revolver können bekanntlich auch von zarten Händen abgefeuert werden.

Ich bemühte mich, so schnell wie möglich festzustellen, dass die Frau keine Waffe in ihrer zarten Hand hielt. Und dass sie auch keine in der nicht vorhandenen Kleidung versteckt haben konnte – es sei denn, sie saß darauf.

Mit einem Ruck zog sie die Bettdecke unters Kinn, als ihr mein Blick bewusst wurde. Große grüne Smaragdaugen funkelten mich an, die Nasenflügel vibrierten.

»Sie sind kein Gentleman«, beschwerte sie sich.

Was zu viel ist, ist zu viel. Ich glaube, mir glückte ein sehr überzeugendes Stirnrunzeln.

»Würden Sie mir vielleicht verraten, was Sie hier suchen?«, fragte ich. »Und wer sind sie überhaupt!«

Sie zuckte die Schultern. Jedenfalls sah die Bewegung unter der Bettdecke nach Schulterzucken aus.

»Ich bin Privatdetektivin«, sagte sie.

In einem Tonfall, als wäre ihre Anwesenheit in meinem Bett damit völlig hinreichend erklärt.

Gleichmäßig brummend zog der schwere Truck durch die Nacht.

Pat Malloy blickte aus schmalen Augen auf die Straße, die sich in langen Kurven durch das Waldstück zog. Ronnie Ames, sein Beifahrer, schnarchte in der Koje vor sich hin. Malloy gähnte und warf einen Blick auf die Uhr. Im nächsten Moment zuckte er erschrocken zusammen.

Eine Gestalt taumelte auf die Fahrbahn.

Eine Gestalt, die so plötzlich zwischen den Bäumen auftauchte, als wäre sie aus dem Boden gewachsen. Die Scheinwerfer erfassten ein verzerrtes Gesicht und Arme, die haltlos durch die Luft ruderten. Malloy fluchte, trat auf die Bremse und riss das Steuer nach links.

Seine Blicke hingen an dem Mann, der in die Knie brach und zur Seite kippte, noch ehe der Lastzug stand.

»He!«, brummte Ronnie Ames aus dem Hintergrund. »Was ist denn ...?«

Malloy stieß den Wagenschlag auf und sprang auf die Straße. Mit drei Schritten erreichte er die reglose Gestalt und wollte in die Hocke gehen.

»Nein«, keuchte der Mann mit einer Stimme, die kaum zu verstehen war. »Nicht. Nein. Nicht ... anfassen ... Nicht ...«

Pat Malloy presste die Lippen zusammen und beugte sich vor.

Er konnte keine Verletzung entdecken. Aber der Fremde war krank, das sah sogar ein Blinder. Ein Schweißfilm glänzte auf seiner Haut. Das Gesicht wirkte fahl und eingefallen, die Augen waren unnatürlich geweitet. Krampfhaft zuckten seine Hände und tasteten über das Straßenpflaster.

»Abi...«, formten seine bebenden Lippen. »Abigail ... Abi...«

»Ronnie!«, brüllte Malloy. »He, Ronnie! Komm her und ...«

Er stockte und starrte den Mann an.

Der Kopf des Kranken war zurückgefallen. Er atmete dumpf und rasselnd. Ein Zittern überlief ihn. Haltlos schlugen seine Zähne aufeinander, und im nächsten Moment erschlafften seine Glieder. Tief im Hintergrund seiner Augen schien etwas zu zerbrechen wie ein achtlos weggeworfener Spiegel.

Pat Malloy schauerte.

Er spürte eine Bewegung neben sich und drehte sich um. Ronnie Ames kratzte sich den runden Borstenschädel. Er starrte erst die Gestalt auf der Straße an und dann ihn.

»Was ist?«, fragte er ratlos.

Pat Malloy schluckte.

»Der Mann ist tot«, knurrte er, und seine Stimme klang so rau wie ein Reibeisen.

Eine knappe Stunde später beugte sich ein weißbekittelter Doc über den Leichnam.

Wie immer bei Todesfällen ungeklärter Ursache war die Mordkommission eingeschaltet worden. Der zuständige Lieutenant stand mit verschränkten Armen am Straßenrand und sah dem Polizeiarzt zu. Der Doc, ein kleiner grauhaariger Mann mit zerfurchtem Gesicht, richtete sich auf und runzelte ungläubig die Stirn.

»Gelbfieber«, sagte er.

»Verdammt!«, knurrte der Lieutenant. »Das bedeutet Seuchenalarm, Panikmache in den Zeitungen und eine Menge Ärger. Dass sich die Leute nicht an die Impfbestimmungen halten können. Ich glaube ...«

»Merkwürdig«, murmelte der Doc.

»Wieso? Kommt doch immer mal wieder vor, dass so etwas aus dem Süden eingeschleppt wird, oder? Wir hatten vor zwei Monaten einen ähnlichen Fall in Chicago und ...« Er stockte. Eine steile Falte erschien auf seiner Stirn, als er den Toten ansah. Langsam hob er den Blick. »Sie haben recht, Doc. Der Bursche sieht nicht so aus, als hätte er sich in letzter Zeit in subtropischen Breiten aufgehalten.«

»Eben. Und er ist der dritte. Das dritte Gelbfieberopfer, Lieutenant, und zwar innerhalb kürzester Zeit auf eng begrenztem Raum.«

»Und das bedeutet?«

Der Doc hob die Schultern und ließ sie wieder sinken.

»Wenn ich das wüsste«, sagte er langsam, »wäre mir bedeutend wohler in meiner Haut.«

Ein doppelter Bourbon passierte meine Kehle.

Nebenan sprang die Privatdetektivin aus meinem Bett und hoffentlich wieder in ihr Rotseidenes. Inzwischen wusste ich, dass sie Jenny Rigg hieß und aus Chicago stammte. Ihre Lizenz hatte ich unter dem Bett gefunden. Nebst einer dekorativen, leicht getönten Brille, die Jenny Riggs geheimnisvoll flirrenden Blick erklärte und zu ihren unentbehrlichen Requisiten gehörte.

Als die Schlafzimmertür aufschwang, fühlte ich mich der Lage halbwegs gewachsen.

Jenny in hellroter Seide, langbeinig, mit gekonnter Eleganz auf Stilettos balancierend, war immer noch ein aufregender Anblick. Das schwarze Haar floss ungebändigt um die schmalen Schultern. Die getönte Brille gab dem rassigen Gesicht einen sphinxhaften Zug. Ich goss einen Schuss Whisky in ihr leeres Glas, wies auf einen Sessel und wartete, bis die Besucherin in den Polstern lehnte.

»Und jetzt zur Sache«, forderte ich kategorisch.

»Ich wollte Sie sprechen, Agent Cotton. Sie sind der einzige New Yorker G-man, dessen Adresse ich zufällig kenne. Ins FBI-Büro konnte ich nicht kommen, weil ich Grund zu der Annahme habe, dass ich verfolgt werde. Also knackte ich Ihr Schloss, und weil Sie so entsetzlich lange ausblieben und ich so entsetzlich müde war ... Es sollte wirklich kein Anschlag auf Ihre Moral sein.«

Ich überging diesen Punkt. »Von wem verfolgt? Und warum?«

»Von wem, weiß ich nicht, und das Warum kann ich nur ahnen. Ich bin in eine Sache hineingeschliddert, die mir einfach zu heiß wird, Jerry. Zu heiß und ein paar Nummern zu groß.«

»Mafia?«, fragte ich ahnungsvoll.

Ihre Augen hinter der Brille verschleierten sich.

»Auch«, sagte sie gedehnt. Für mich klang das so, als behauptete jemand, eine Atombombe unter dem Stuhl sei »auch« ziemlich gefährlich. Man fragt sich, was, um Himmels willen, denn sonst noch kommt.

»Bitte der Reihe nach«, bat ich. »Sie betreiben ein Detektivbüro in Chicago?«

»Genau. Der Klient, für den ich arbeite, bot mir ein beträchtliches Honorar, damit ich einen bestimmten Mann als Verbrecher entlarve und samt Beweisen der Polizei in die Hände spiele.«

»Rache?«, fragte ich.

»Ja, Rache. Ein verständlicher Fall. Der Mann, um den es geht, hat meinem Klienten, einem prominenten Chemiker, den Ruf ruiniert, indem er ihm die Formel für ein neues synthetisches Rauschgift stahl und sie an Gangster verschacherte. Die Wahrheit ließ sich nicht beweisen, da der Verdacht sehr geschickt auf meinen Klienten gelenkt wurde. Er ist sich im Übrigen klar darüber, dass er kaum eine Chance hat sich zu rehabilitieren. Er will erreichen, dass Golding endgültig das Handwerk gelegt wird und ...«

»Golding?«, fuhr ich auf. »Etwa Christopher Golding? Das Hausgenie der Mafia?«

»Eben der«, sagte Jenny verblüffend ruhig. »Als ich ihn in Chicago aufgespürt hatte, siedelte er gerade nach New York über. Das war vor drei Wochen. Eine Woche später zappelte er bereits an meiner Angel und bot mir Herz, Nerz und den Luxus seiner Villa.«

»Leichtsinnig sind Sie wohl gar nicht«, sagte ich. Von der moralischen Seite der Sache schwieg ich lieber.

Anscheinend verriet meine Stimme, was ich vom kriegsmäßigen Einsatz weiblicher Waffen hielt. Jenny ließ die Brille auf die Nasenspitze rutschen und schoss mir einen eisgekühlten Blick zu.

»Vom Doppelbett war nicht die Rede«, stellte sie klar. »Man kann einen Mann durchaus zwei Wochen hinhalten und trotzdem dicht an ihn herankommen. Ich bin sehr begabt.«

»Vor allem, was das Talent angeht, sich in Gefahr zu bringen«, stellte ich fest. »Inzwischen werden Sie verfolgt, wenn ich das richtig verstanden habe.«

»Genau.« Jennys Gesicht wurde ernst, während sie mit dem Zeigefinger die Brille wieder an den richtigen Platz stupste. »Ein paar Kerle, die ich nicht kenne und die es recht geschickt anstellen. Ich habe keine Ahnung, was sie von mir wollen. Ich kann mir nur vorstellen, dass es mit Grigoretti zusammenhängt.«

Mir war zumute wie nach einer Holzhammernarkose.

»Grigoretti?«, echote ich. »Lancelot Grigoretti, der Mafiaboss?«

Genau den meinte sie.

Eines Tages, erfuhr ich, hatte sie Teile eines Telefongesprächs belauscht, das der Mafiawissenschaftler Christopher Golding in seiner frisch angemieteten Villa auf Long Island führte. Seine Notizen verbrannte er, aber die Schrift hatte sich auf dem Block durchgedrückt. Der Name Grigoretti, das Datum des kommenden Mittwochs und die Adresse einer Bar in Manhattan. Grigorettis Foto fand sich in einem Zeitungsarchiv. Die Bar gehörte ihm ebenfalls. Jenny hatte ihn dort im Gespräch mit einem zweiten Mann entdeckt und den Fehler gemacht, die beiden zu verfolgen, bis sie den Wagen aus den Augen verlor.

»Einer der Typen muss Verdacht geschöpft haben«, sagte sie. »Entweder der Mafiaboss oder der grauhaarige Bürstenschnittmensch, sein Geschäftspartner.«

»Geschäftspartner?«

»Reine Vermutung«, räumte sie ein. »Ich habe den Burschen nicht wiedergesehen. Ich hatte auch nicht den Eindruck, dass Golding misstrauisch war. Nur das Gefühl, verfolgt zu werden, bin ich nicht mehr losgeworden.«

»Und das hat Sie so in Panik versetzt, dass Sie jetzt den Schutz des FBI brauchen?«

Sie sah mich an. Ihre grünen Augen wirkten plötzlich erschreckend ernst. Langsam schüttelte sie den Kopf. »Nein, Jerry. Ich wusste ja von Anfang an, dass ich mich mit der Mafia einließ. Aber dann kam etwas anderes dazu. Etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Genau genommen nur ein einziges Wort, das ich Christopher Golding am Telefon aussprechen hörte.«

»Und was für ein Wort?«

»Todesvirus«, sagte Jenny Rigg. »Er sprach von einem Todesvirus, der wirksamer sei als jede Waffe.«

Ich hielt den Atem an, und für ein paar Sekunden wurde es so still, dass man auch einen kleineren Gegenstand als eine Stecknadel fallen gehört hätte.

Dick Scanner blieb stehen.

Finsternis hüllte ihn ein, undurchdringlich wie schwarze Watte. Scanner lauschte. Er war ein erfahrener Mann, der als hart und eiskalt galt. Doch in diesen Sekunden schlug ihm das Herz bis zum Hals. Schweiß prickelte auf seiner Stirn. Seine Finger schlossen sich fester um den Smith & Wesson 38 Special, während er lautlos weiterschlich.

B-Waffen, hämmerte es in ihm.

B-Waffen mitten in New York! B-Waffen in den Händen skrupelloser Gangster! Dick Scanner biss die Zähne zusammen. Immer noch glaubte er, die Worte zu hören, die er belauscht hatte, die Gesichter zu sehen, die unauslöschlich in sein Gedächtnis gebrannt waren.

Die beiden Ampullen in seiner Tasche wogen schwer wie Blei. Er wusste nicht, wie lange er schon durch diese verdammten Gänge irrte. Er wusste nur, dass er die Ampullen herausbringen musste. Um jeden Preis – denn sonst drohte eine Katastrophe!

Ein Geräusch ließ ihn zusammenzucken.

Ein winziges Geräusch in seinem Rücken. Scanner wollte herumfahren und schießen. Da war es schon zu spät. Etwas traf ihn krachend zwischen die Schulterblätter. Wie eine Stichflamme durchzuckte ihn der Schmerz. Ein zweiter Hieb streifte seine Schläfe. Stöhnend brach er auf die Knie und kippte vornüber.

»Knall ihn ab!«, hörte er eine kalte, ausdruckslose Stimme.

Grellweiß flammte Licht auf. Dick Scanner war nur halb bei Bewusstsein. Den Revolver hatte er verloren. Mühsam spannte er die Muskeln, wollte sich auf den Rücken wälzen. Doch er wusste verzweifelt genau, dass er keine Chance hatte.

Ein verzerrtes Gesicht über dem klobigen Schalldämpferaufsatz einer Pistole.

Das war das Letzte, was er in seinem Leben sah. Der Gangster hob die Waffe, zielte und zog durch. Dick Scanner konnte sich nicht mehr wehren.

Aus, dachte er noch. Dann ging alles im jähen Krachen der Explosion unter.

2

Todesvirus ...

Das Wort klang in mir nach, und ich muss gestehen, dass es ein verdammt unangenehmes Gefühl in meiner Magengrube weckte. Vor allem, da es im selben Atemzug mit den Namen Grigoretti und Golding gefallen war, nicht etwa im Zusammenhang mit dem Regisseur eines überdrehten Spionagefilms.

Christopher Golding war Wissenschaftler.

Grigoretti hatte ihn – so sah es jedenfalls aus – nach New York geholt und wollte sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort mit ihm treffen. Warum?, fragte ich mich. Bestimmt nicht, um das Liebesleben der Maikäfer zu diskutieren.

Viren.

Wirksamer und gefährlicher als eine Waffe.

Und die Biester waren Waffen! B-Waffen! Biologische Kampfmittel! Verboten und international geächtet. Dass nicht sein kann, was nicht sein darf, ist bekanntlich ein Irrtum.

»Verstehen Sie jetzt, dass ich kein Risiko eingehen wollte, Jerry?«, fragte Jenny Rigg eindringlich.

Ich nickte nur.

Meine Gedanken wirbelten. Als ich zum Telefon griff, war ich mir bewusst, dass ich mich möglicherweise lächerlich machte. Ein zufällig aufgeschnapptes, vielleicht missverstandenes Wort. Im Grunde war es nur der Ernst in Jenny Riggs grünen Augen, der mir unter die Haut ging. Einen großen Einsatz konnte ich wegen ihrer vagen Hinweise nicht ankurbeln. Aber wenn die Sache kein Schwindel war, sondern ein heißes Eisen, dann hatten wir es mit einer der gefährlichsten New Yorker Mafiaorganisationen zu tun. Und dann hing Jennys Leben an einem seidenen Faden.

Ich wählte die Nummer meines Freundes und Partners Phil Decker.

Er hatte den gleichen kräftezehrenden Nachteinsatz hinter sich wie ich. Statt mit dem üblichen »Hallo« meldete er sich mit einem Fluch, bei dem der Teufel errötet wäre. Dann allerdings schaltete er sofort auf Alarmbereitschaft, weil er sehr genau wusste, dass ich ihn in dieser Situation nicht ohne triftigen Grund aus dem Schlaf geklingelt hätte.

»Todesvirus«, wiederholte er. »Grigoretti und Golding. Mensch, Jerry, so fantastisch, wie das klingt, muss es einfach eine Ente sein!«

»Mein Gefühl sagt mir ...«

»Jeremias Cottons berühmte Ahnungen!« Phil stöhnte. »Okay, ich tanze mit dem Walkie-Talkie an und checke deine Tiefgarage. Wenn sich herausstellt, dass du auf unschuldige blaue Augen hereingefallen bist, kostet dich das eine Kiste Whisky, das verspreche ich dir jetzt schon.«

Ich sparte mir den Hinweis, dass es sich um grüne, durchaus nicht unschuldige Katzenaugen handelte.

Jenny hatte stumm zugehört. Ich holte das Walkie-Talkie aus dem Schrank und schaltete auf Empfang. Die Kollegen vom Bereitschaftsdienst, überlegte ich dabei, würden mich sicher ebenfalls für verrückt erklären. Aber verdammt noch mal, ich hatte ein mieses Gefühl bei der Sache. Und normalerweise kann ich mich auf meinen Instinkt verlassen.

Zwanzig Minuten später drang Phils Stimme aus dem Walkie-Talkie.

Er hatte in der Tiefgarage Stellung bezogen, wo mein Jaguar parkte. Nichts Ungewöhnliches, meldete er. Außer dass der Dauerregen draußen allmählich in Schneegestöber überging. Um das festzustellen, brauchte ich nur aus dem Fenster zu schauen.

Jennys Verfolger, falls sie existierten, würden sich kalte Füße holen.

Dachte ich jedenfalls. Die Privatdetektivin hatte einen weißen Zottelpelz über das Rotseidene gezogen und ihr langes schwarzes Haar unter einer Baskenmütze verborgen. Die getönte Brille verbarg den Ausdruck ihrer Augen. Nur die Art, wie sie die Schultern hochzog, verriet unbestimmte Furcht. Ich lächelte beruhigend.

»Sie bleiben in der Diele«, ordnete ich an. »Ich werde zunächst mal auf dem Flur nachsehen. Wir nehmen nicht den Fahrstuhl, sondern die Hintertreppe.«

»Glauben Sie denn wirklich ...?«

Sie verstummte und biss sich auf die Lippen.

Nach allem, was sie mir erzählt hatte, lag schließlich auf der Hand, was ich glaubte. Über das Walkie-Talkie vergewisserte ich mich, dass Phil noch an seinem Platz war. Dann schob ich den Revolver griffbereit in den Hosenbund, öffnete die Wohnungstür um einen Spalt und lauschte.

Nichts rührte sich.

Hinter mir in der Diele hörte ich Jennys flache Atemzüge. Mein inneres Alarmsystem war auf Gefahr geschaltet. Aber ich erwartete die Gefahr nicht hier oben, unmittelbar vor meiner Tür, und vor allem nicht so plötzlich, konsequent und heimtückisch.

Meine Finger umschlossen den Revolvergriff, als ich über die Schwelle glitt und nach links und rechts spähte.

Der Flur lag leer im orangefarbenen Halbdämmer der Notbeleuchtung. Die gläsernen Fahrstühle schimmerten. Auf der anderen Seite fiel das Streulicht einer Straßenlaterne durch ein Fenster auf den Treppenabsatz. In den Hochhäusern von Manhattan existieren Hintertreppen nur der baupolizeilichen Vorschrift wegen. Benutzt werden sie so gut wie nie. Auch Gangster pflegen, solange sie sich unbemerkt glauben, ihre Opfer nicht ausgerechnet dort zu erwarten.

Ich wollte mich umwenden und Jenny ein Zeichen machen.

In derselben Sekunde hörte ich rechts vor mir ein leises Schaben. Die Tür dort führte nicht in eine Wohnung, sondern verbarg ein Schränkchen für Putzeimer, Sicherungskästen und vor allem Feuerlöscher. Nicht abgeschlossen, versteht sich. Denn wenn es brennt, kann man nicht erst zum Hausmeister rennen. Ich hatte die Nische vergessen. Jetzt fiel sie mir glühend heiß wieder ein. Auf dem Absatz wirbelte ich herum, riss den 38er hoch – und musste erkennen, dass es schon zu spät war.

Etwas fiel mir vor die Füße.

Etwas Kleines, Blitzendes, das in winzige Scherben zerklirrte. Gasampulle, schoss es mir durch den Kopf. Ganz kurz hatte ich eine schattenhafte Bewegung gesehen. In der Nische kippte scheppernd ein Putzeimer um. Gleichzeitig stieg eine gelbliche Dunstwolke auf, die sich in Sekundenschnelle ausbreitete.

»Vorsicht!«, schrie ich.

Erstickt und tief in der Kehle, um nicht atmen zu müssen. Instinktiv hatte ich mich herumgeworfen und stolperte auf meine Tür zu. Jenny wollte ebenso instinktiv auf den Flur stürzen. Ich stieß sie in die Diele zurück. Der Zusammenprall kostete einige Sekunden.

Gepolter ließ mich den Kopf wenden.

Wie ein Gespenst tauchte der Kerl mit der Gasmaske aus den gelben Schlieren. Eine Luger mit aufgeschraubtem Schalldämpfer lag in seiner Faust. Ich sah ihn den Finger krümmen und wusste verdammt genau, dass mir keine Zeit blieb, in der Wohnung unterzutauchen.

»Tür zu!«, schrie ich, zuckte halb herum und feuerte.

Der Mündungsblitz der Luger blendete mich. Doch ich hatte mich rechtzeitig in die Hocke fallen lassen. Glutheiß streifte mich die Kugel an der Kopfhaut. Der Gangster schrie, von einem Schultertreffer halb herumgerissen. Mein Schädel dröhnte. Vor meinen Augen kreisten Feuerräder. Undeutlich nahm ich wahr, dass Jenny immer noch nicht die Tür schloss. Der Gangster stöhnte dumpf und schwankte. In dieser Sekunde hätte ich vielleicht eine Chance gehabt, ihn zu überrumpeln. Aber er trug eine Gasmaske, und ich brauchte Atem.

Die Luft um mich war klar. Das gelbe Teufelszeug wirkte jedoch offenbar auch in feinster Verteilung.

Ich versuchte noch, mich nach rechts zu werfen, um mich in der Wohnung zu verschanzen. Zu spät!

Von einer Sekunde zur anderen verwandelte sich mein Gehirn in Watte. Die Beine knickten unter mir weg. Statt Blut kroch flüssiges Blei durch meine Adern. Ich zielte auf den Gasmaskenmann und wollte durchziehen. Plötzlich spürte ich meine Hände nicht mehr.

Der 38er polterte auf den Spannteppich.

Das nächste dumpfe Poltern rührte von meinem eigenen Sturz her. Doch die Bewusstlosigkeit überfiel mich so schnell, dass ich den Aufprall schon nicht mehr wahrnahm.

Schneeflocken wirbelten an dem hohen, schmalen Fenster der Villa vorbei.