Jerry Cotton Sonder-Edition 189 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 189 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Als Rocky Percone aus dem Gefängnis in Rikers Island entlassen wurde, bekamen fünf Männer das große Zittern. Sie hatten sich während seiner Abwesenheit mit seiner schönen Frau Rita vergnügt. Der eifersüchtige Rocky schwor, einen nach dem anderen umzubringen. Und er hatte einen mächtigen Verbündeten. Sein Bruder Percy war ein Gangsterboss. Nachdem die Mordserie begonnen hatte, erhielt ich den Auftrag, Rocky Percone zu stoppen. Da wusste ich noch ebenso wenig wie er von unserem gefährlichsten Gegner. Es war sein sechster Rivale ...


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Seitenzahl: 193

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Sein sechster Rivale

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Vorschau

Impressum

Sein sechster Rivale

Als Rocky Percone aus dem Gefängnis in Rikers Island entlassen wurde, bekamen fünf Männer das große Zittern. Sie hatten sich während seiner Abwesenheit mit seiner schönen Frau Rita vergnügt. Der eifersüchtige Rocky schwor, einen nach dem anderen umzubringen. Und er hatte einen mächtigen Verbündeten. Sein Bruder Percy war ein Gangsterboss. Nachdem die Mordserie begonnen hatte, erhielt ich den Auftrag, Rocky Percone zu stoppen. Da wusste ich noch ebenso wenig wie er von unserem gefährlichsten Gegner. Es war sein sechster Rivale ...

1

Sie lehnten beidseits der Kühlerhaube eines smaragdgrünen Lincoln Versailles, kehrten einander den Rücken zu und sicherten nach allen Seiten. Sie trugen Hüte und Regenmäntel, deren Taschen unergründlich schienen.

Die Hände konnten sie bis zu den Ellenbogen darin versenken. Und das taten sie nicht wegen des kühlen Windes, der vom East River herüberstrich. Sie waren das Empfangskomitee für Rocky Percone.

Sein Bruder hatte sie geschickt, und er war eine große Nummer in der Unterwelt Manhattans. Er wollte verhindern, dass Rocky Percone wahr machte, was er geschworen hatte: die sechs Nebenbuhler, die seine dreijährige Abwesenheit ausgenutzt hatten, einzeln vor die Mündung seines Revolvers zu holen und sie ins Jenseits zu schicken.

Im Gefängnis auf Rikers Island, dem New Yorker Staatsgefängnis, hatten die Wände Ohren. Für einen Mann wie Percy Percone war es ein leichtes gewesen herauszubekommen, was sein unberechenbarer Bruder nach der Entlassung plante.

Da auch die Polizei Zuträger hatte, mussten sie vorsichtig sein. Schließlich war Rocky Percone für sein Temperament bekannt. Und wenn er erfuhr, dass sein Bruder und Boss eher Wert darauf legte, alles zu vergessen und kein Aufsehen zu erregen, konnte es sein, dass ihn die Vernunft endgültig im Stich ließ.

Dann würde man eben, wie befohlen, Gewalt anwenden. Das vertrug keine Zeugen. Also kam es darauf an, rechtzeitig zu erkennen, ob sich noch andere für den entlassenen Strafgefangenen interessierten.

»Da ist er«, meinte Peter Mason, fast ohne die Lippen zu bewegen.

»Wen hat er da bei sich?«, fragte Ron Thornton und machte Front gegen die Fähre, die langsam mit abgeschaltetem Motor auf die Anlegestelle zutrieb.

An Deck stand die kleine Gruppe der Glücklichen, die ihre Zeit abgebrummt hatten und alle der Freiheit entgegenfieberten, worunter sie fast alle ganz handfeste Dinge verstanden, die sich um Frauen und Alkohol drehten. Man sah es ihren Gesichtern an. Nur einer machte eine Ausnahme: Rocky Percone. Sein gut geschnittenes Gesicht verriet eine finstere Entschlossenheit, die nichts Gutes für seine Zukunft verhieß.

In seinem Windschatten hielt sich ein Mann, der mindestens zehn Jahre älter war und mehr als einen Kopf kleiner. Er war nicht annähernd so gut gekleidet wie seine Begleiter. Er stand verfroren im frischen Wind und lächelte krampfhaft.

Es gab ein kurzes Gedränge, als alle Passagiere gleichzeitig über die Gangway laufen wollten. Nur Rocky Percone hielt sich zurück. Die Haft war spurlos an ihm vorübergegangen. Er hatte sich offenbar durch Sport fit gehalten. Er war jetzt dreißig Jahre alt, vorbestraft wegen Hehlerei. Man hatte ihn mit der gesamten Beute aus einem Überfall auf ein bekanntes New Yorker Juweliergeschäft erwischt, als er sie wegschaffen wollte.

Jemand hatte die Polizei anonym angerufen. Das kam vor. Rocky Percone hielt es für zweitrangig. Es gab ein paar Männer, an denen ihm mehr gelegen war. Er verdankte ihnen Höllenqualen der Eifersucht. Denn er liebte seine Frau.

»Wer ist das?«, fragte Peter Mason.

»Ich verzische mich. Ich möchte nicht, dass es meinetwegen Stunk gibt – gleich am ersten Tag«, murmelte Rocky Percones Begleiter mit rauer Stimme. Er wollte weggehen.

Rocky hielt ihn fest.

»Es bleibt alles, wie wir es besprochen haben, Bill. Und versuche nicht, mich hereinzulegen. Sonst setze ich dich mit auf die Liste«, sagte er gefährlich leise. Ein Blick von ihm genügte, um seinen Begleiter zur Salzsäule erstarren zu lassen.

»Er soll sich mal bei Myers sehen lassen. Vielleicht kann ich etwas für ihn tun. Du brauchst dich nicht mehr um ihn zu kümmern«, entschied Mason und öffnete den Wagenschlag. »Steig ein, Rocky. Dein Bruder hat Sehnsucht nach dir.«

»Ich hole mir das Geld, das mir zusteht, später ab«, meinte Rocky Percone. »Jetzt habe ich andere Pläne.«

Mason und Thornton nahmen ihren unfreiwilligen Gast in die Mitte.

Sie bohrten ihm die Läufe ihrer Pistolen in die Rippen.

Rocky Percone holte tief Luft. »Ich werde wohl gar nicht mehr gefragt, wie?«

»Percy möchte dich sehen«, sagt Mason.

»Seit wann diese Ungeduld? Er hat sich in drei Jahren nicht einmal blicken lassen. Er hat sich nicht darum gekümmert, wer mich damals verpfiffen hat. Er hat nicht aufgepasst, dass meine Frau mir keine Hörner aufsetzt. Warum, zum Teufel, sollte ich Sehnsucht haben, mein Bruderherz aufzusuchen?«

»Er macht Hackfleisch aus uns, wenn wir dich nicht mitbringen. Also sei vernünftig. Besprich erst alles mit ihm. Er gibt den Ton an. Ohne ihn bist du nichts.« Thornton mochte Rocky Percone und hatte ein paarmal mit ihm zusammengearbeitet. Wenn der Mann nicht gehorchte, würde ihn Thornton so eiskalt abservieren, als hätte er ihn nie vorher gesehen.

»Aber Bill Warren muss mitkommen«, sagte er und machte eine Kopfbewegung zu dem Mann hin, der ziemlich schlotterte.

Sie wechselten einen Blick und verstanden sich auch ohne Worte. Wenn es dazu kam, Rocky Percone zu liquidieren, konnte man einen solchen Zeugen nicht frei herumlaufen lassen. Nur deshalb willigten sie ein.

Rocky Percone musste auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Mason setzte sich hinter ihn. Thornton übernahm das Lenkrad, und Bill Warren drückte sich in seine Ecke.

Über dem nahen La Guardia Airfield kam eine Maschine herunter. Das Dröhnen des landenden Flugzeugs übertönte das Quietschen der Reifen, als der smaragdgrüne Lincoln wendete.

Thornton stieß auf die 31st Street, folgte ihr bis zu Jackson Avenue und brauchte lange, bis er auf dem Long Island war, dem Zubringer für den Queens Midtown Tunnel.

Dort gab es Ärger mit dem Kleingeld.

Mason fischte fünfzig Cent aus der Manteltasche und reichte die Münze nach vorn. Dabei passte er nicht auf seine Waffe auf. Rocky Percone schnappte zu und drückte dem Fahrer die Pistole in den Bauch.

Ron Thornton machte sich steif.

»Fahr ruhig weiter. Ich wollte sowieso nach Manhattan«, zischte Rocky Percone. »Und du, Mason, zuckst nicht mit der Wimper, sonst drücke ich ab. Los, Billy, nimm ihm die Kanone weg! Mach schon! Sonst gibt es ein Blutbad.«

Rocky Percone wirkte hektisch. Für ihn stand alles auf dem Spiel. Wenn er jetzt noch verlor, sah er nicht einmal mehr seine Frau wieder.

Die Polizei würde von seinen Racheplänen erfahren und ihn jagen. Sein Bruder würde zwei neue Männer auf ihn ansetzen und ihn als vogelfrei erklären. Gegen das, was ihm im Hexenkessel der Millionenstadt bevorstand, waren drei Jahre auf Rikers Island der reinste Erholungsurlaub.

»Ich hab den Ballermann«, meldete Bill Warren. Seine Stimme klang nicht besonders stolz.

Rocky Percone langte mit der Linken über die Rückenlehne und passte auf, dass ihm Mason nicht in die Quere kam. Thornton war damit beschäftigt, heil durch den Feierabendverkehr zu kommen. Die Sicht in dem verräucherten Tunnel war trotz der vielen Lampen mäßig.

Rocky Percone nahm die Waffe entgegen.

»Du legst sie doch nicht um, Rocky?«, erkundigte sich Bill Warren verzagt. Er sah sich wahrscheinlich bereits wegen Beihilfe auf dem elektrischen Stuhl.

»Kommt ganz darauf an«, erwiderte Percone scharf.

Mason, der ihn nur zu gut kannte, griff an. Er versuchte, Percone an der Gurgel zu packen und ihn festzuhalten, damit Thornton den Widerspenstigen mit ein paar gezielten Magenhaken zähmte.

Percone war schneller. Er schlug mit dem Lauf der Pistole über Masons Arm, der sofort wie gelähmt herunterhing.

Mason biss die Zähne zusammen, konnte aber ein schmerzliches Stöhnen nicht unterdrücken.

»Wohin geht die Reise?«, erkundigte sich Ron Thornton.

»Zu Harry Jackson. Er hat mich wenigstens gewarnt und mir erzählt, was meine Frau treibt, während ich meine Jahre abbrumme. Das nenne ich einen Freund.« Rocky Percone lachte bitter.

»Den kannst du streichen. Dein Bruder Percy hat ihn sich vorgeknöpft, weil er dich mit diesen Nachrichten verrückt gemacht hat. Sie haben ihm Zementgaloschen verpasst und ihn im East River versenkt.« Mason kicherte atemlos. »Genau vor dem Haus des Bürgermeisters! In einer mondhellen Nacht.«

»Wie wär's, wenn wir zu Rita fahren?«, schlug Thornton schnell vor, um Rocky Percone auf andere Gedanke zu bringen.

»Das geht jetzt nicht mehr. Dort würde mich der liebe Percy zuerst suchen«, lehnte der Bewaffnete ab. »Bieg ab in die Lexington. Für euch ist die Fahrt zu Ende.«

»Bau ja keinen Mist, Rocky!«, jammerte Bill Warren. Er sah ein wenig grün im Gesicht aus. Und das kam nicht von den Neonreklamen der 42nd Street, die sie entlangfuhren. Vom UN-Glaspalast aus stieg die Fahrbahn an.

»Das kommt auf die Kundschaft an«, erwiderte Rocky Percone kalt. »Ihr werdet mir nämlich verraten, wer die sechs Knaben waren, die sich so selbstlos meiner armen Frau angenommen haben.«

»Wir wissen nichts. Hast du Jackson nicht gefragt?«, sagte Mason schnell.

»Der kannte meine Frau, aber nicht die Typen aus unserem Viertel. Schließlich wohnte er nicht mehr in der Lower East Side. Er hat seinen Weg gemacht. Das wussten wir schon damals, als wir noch Kinder waren.«

Wenn Rocky Percone einen neuen Entschluss gefasst hatte, so verriet er ihn nicht. Er dirigierte seinen Fahrer nach Norden. Dann wurde er ausgesprochen einsilbig.

»Mann, was hast du vor?«, fragte Peter Mason nervös.

Rocky Percone antwortete nicht.

Schließlich verließ der Lincoln jede feste Straße und holperte über verwildertes Gelände nahe der Tenth Avenue, zwischen High Bridge Park und Inwood Hill Park, ganz am äußersten Zipfel von Manhattan, dort wo der Harlem River nach Westen bog, um in den Hudson zu gelangen.

Stillgelegte Fabriken, Mülldeponien und rostende Eisenbahnwaggons verschandelten das Gelände. Unkraut wucherte hüfthoch. Hierher verirrten sich nicht einmal die Heimatlosen der Stadt. Das Gebiet war höchstens ein Eldorado für Jugendbanden.

Rocky Percone ließ halten.

»Motor abstellen!«, befahl er.

Thornton gehorchte stumm.

»Wenn du Vernunft annimmst, kann noch alles gut werden«, sagte Peter Mason verzweifelt. »Wenn du uns abknallst, nimmt dein Bruder dich in die Mangel. Seine Geschäfte vertragen kein Aufsehen. Er will ja nur verhindern, dass du wild in der Gegend herumballerst. Sicher wird er dir ein paar gute Leute mitgeben, damit du die Kerle zur Rechenschaft ziehen kannst, die deine Frau, äh, belästigt haben.«

Rocky Percone knirschte mit den Zähnen. Dieser verdammte Italoamerikaner tat, als gäbe es nur seine Rita auf der Welt. Er war ihr hörig. Anstatt sie zu verprügeln, wie es die anderen Häftlinge taten, wenn sie nach ihrer Heimkehr die Familie ungebührlich vergrößert wieder antrafen, konzentrierte er sich auf seine Rivalen.

»Geht da hinüber!«, befahl Rocky kalt.

Mason und Thornton hatten brav die Hände hochgenommen und stolperten ein paarmal, weil das Gelände uneben war. Überall gab es tiefe Löcher und Schutthügel, vom Unkraut fast überwuchert.

»Rocky, ich warne dich zum letzten Mal. Überlege gut, was du jetzt tust!«, kreischte Peter Mason, als sie stehen bleiben mussten, eine Mauer im Rücken wie zwei Todeskandidaten.

Ron Thornton bekam kein Wort mehr heraus. Seine Hände zitterten.

»Ich will die Namen! Ich gebe dir genau drei Sekunden, Mason. Dann spuckst du aus, was ich wissen will, oder ich schieße – so, dass du ewig an mich denken wirst!«

Rocky Percone nahm unbarmherzig Zeit. Dann hob er die Waffe.

»Halt!«, jammerte Thornton. In seinem schwarzen Mantel, den er nicht zugeknöpft hatte, stand er auf einem Hügel und kämpfte um sein Gleichgewicht. Er wirkte wie ein riesengroßer Rabe. Er sah nicht annähernd so gefährlich aus, wie er in Wirklichkeit war. Er pflegte die Schmutzarbeit für die Gang zu erledigen. Auf sein Konto kamen zahllose Körperverletzungen und sechs Morde.

»Bob Ruster«, stieß Thornton hervor. »Aber er hat sich nur knapp eine Woche lang mit Rita abgegeben.«

»Mensch, Ruster gehört zu uns. Bist du verrückt?«, schrie Peter Mason. »Der Boss lässt dich aufknüpfen.«

Percone schoss ohne Warnung. Die Kugel schrammte dicht vor Mason in den Boden. Der Knall ließ ihn verstummen.

»Vielleicht frage ich dich mal zur Abwechslung, damit ihr euch nachher nichts vorzuwerfen habt«, meinte Percone aufreizend langsam.

Er zählte wieder. Man konnte leicht heraushören, wie ernst es ihm war. Außerdem rechnete er wohl damit, dass Mason nicht nachgab. Jedenfalls schoss er sofort, nachdem er »drei« gesagt hatte.

Die Kugel erwischte Mason nur knapp an der Wade und verschonte den Knochen. Doch es entstand eine stark blutende Fleischwunde.

Als sein Hosenbein nass wurde, gab Peter Mason auf.

»Ich packe aus. Aber anschließend nimm dich in Acht. Sobald ich wieder eine Kanone zwischen die Pfoten bekomme, weiß ich, wen ich beehre.« Er sprach die Drohung aus, weil er zu stolz war, um eine Niederlage widerspruchslos hinzunehmen. »Lew Harper.« Er versuchte, das verwundete Bein zu schonen und nicht an die Verletzung zu denken. Sie schmerzte nicht allzu sehr. Er stand unter Schock. Wenn sich die Aufregung legte, würde er sich mehr auf seine Verletzung konzentrieren können. Hauptsache Rocky Percone drehte nicht völlig durch und gab ihnen den Rest. Zuzutrauen war ihm alles.

Rocky hatte nicht annähernd die kühle Intelligenz seines Bruders und war deswegen immer ein Handlanger geblieben. Einer, der mit fröhlicher Unbekümmertheit in die dicksten Schwierigkeiten marschierte und manchmal sogar heil wiederauftauchte. Eigentlich ein Kerl, mit dem man Pferde stehlen konnte, wenn nicht gerade seine hübsche Frau ins Spiel kam.

»Weiter! Jetzt du!«, verlangte Rocky Percone. Er wirkte wie ein Lehrer, der Vokabeln abfragte, bei jedem Namen zuckte er jedoch zusammen wie unter einem Peitschenhieb. »Das sind erst fünf Namen«, stellte er schließlich fest. »Wer ist mein sechster Rivale gewesen?«

»Es gab keinen sechsten. Nicht dass ich wüsste«, beteuerte Peter Mason. »Du weißt, dass ich die Wahrheit liebe.«

»Er hat recht. Jackson, dein Gewährsmann, muss sich geirrt haben. Vielleicht hat ihm jemand einen Bären aufgebunden. Wir würden es wissen. Rita ist oft zu uns ins Hauptquartier gekommen, wenn sie Geld brauchte. Percy, dein Bruder, hat für sie gesorgt wie für seine eigene Familie. Es hat ihr an nichts gemangelt, glaube uns! Und zu Weihnachten, Mann, haben wir alle gesammelt. Das hat für einen Nerzmantel gelangt, glaub es oder glaub es nicht!« Ron Thornton legte sich mächtig ins Zeug.

Endlich gab sich Rocky Percone zufrieden.

2

Über dem Fluss hing Morgennebel. Manhattan lag noch in bleischwerem Schlaf. Auf der fernen Queensboro Bridge, deren Beleuchtung orangene Farbtupfer in die weiße Watte zauberte, herrschte kaum Verkehr. Wer seine fünf Sinne beieinanderhatte, lag in den Federn.

Das hätten Phil und ich auch gern getan. Doch ein Anruf hatte uns aus den wohltemperierten Diensträumen des FBI gerissen. Eine heisere Stimme hatte uns mitgeteilt, wo wir Harry Jackson finden konnten. Seinen eigenen Namen mochte der Anrufer nicht preisgeben. Ich hatte seine Stimme auf dem Tonband. Danach konnten wir ihn notfalls identifizieren, aber nur, wenn er uns über den Weg lief.

Verschiedene Tatsachen standen zunächst dem Impuls entgegen, auf der Stelle etwas zu unternehmen. Erstens sagte mir der Name Harry Jackson gar nichts. Zweitens war nicht sicher, ob das FBI überhaupt zuständig war. Und drittens hatten wir eine lange Nacht mit vielen Störungen hinter uns.

Phil befragte den Computer, und die »Schwarze Lola« spuckte prompt die gewünschten Informationen aus, die uns aufhorchen ließen. Harry Jackson, neunundzwanzig Jahre alt, Weißer, mittelgroß, hundertfünfzig Pfund schwer, keine besonderen Merkmale. Von Beruf Lehrer, wohnhaft in Denver, Colorado, verheiratet, zwei Kinder. Seit dem 16. September wurde er in New York vermisst, nachdem er hierhergekommen war, um in der Lower East Side, Allen Street, die Stätten seiner Jugend zu besichtigen und zu erfahren, was aus dem Kumpanen von einst geworden war. Das hatte seine Frau zu Protokoll gegeben, die auch die Anzeige erstattet hatte.

Der Verdacht, dass der arme Jackson Opfer eines Kapitalverbrechens geworden war, lag auf der Hand. Lehrer reißen nicht von zu Hause aus, ohne die Probleme gründlich zu diskutieren.

Um eine Erpressung konnte es sich nicht handeln. Die finanziellen Verhältnisse des Verschwundenen waren bescheiden, aber geordnet. Kriminelle Neigungen waren nicht verzeichnet. Er hatte eine weiße Weste. Immerhin stammte Jackson aus der übelbeleumdeten Lower East Side. Möglicherweise war der arme Jackson bei dem Versuch, seine Jugenderinnerung aufzufrischen, in eine böse Falle geraten. Vielleicht war einer seiner ehemaligen Spielkameraden Harry Jackson zum Verhängnis geworden.

Ich rief die City Police an und erhielt die notwendige Unterstützung. Hilfe wurde versprochen. Schließlich brauchten wir Taucher, die sich mit den Strömungsverhältnissen des East River auskannten.

So fanden wir uns zu ungebührlich früher Stunde auf dem Wasser wieder, in dicke Parkas gehüllt, fröstelnd und übermüdet.

Die Polizeitaucher, die lange Zeit fast unverständliche Karten gewälzt hatten, verschwanden in der trüben Flut.

Wir suchten dort, wo Jackson nach Aussage des anonymen Anrufers über Bord gegangen war: vor Gracie Mansion, dem Wohnsitz das amtierenden New Yorker Bürgermeisters, also in dem Flussabschnitt, der zwischen Roosevelt Island und dem Ward's Insel Park liegt.

Das Gelände war ausgezeichnet abgesperrt und durch allerlei Bojen und Flaggen abgegrenzt.

Gerade hatten wir einen ersten Bericht an Mr. High, unseren Chef, abgesetzt, da wurden die Taucher fündig.

Einer der Männer forderte den Haken der Winsch an, um seinen Fund hochhieven zu können.

Die Uniformierten der Flusspolizei spurten mit bewundernswerter Präzision, und sehr bald sahen wir etwas, was wir eigentlich nur aus Filmen kannten. Allenfalls unser Oldtimer Neville mochte Derartiges in den Dreißigerjahren gesehen haben.

Zuerst tauchte ein Fass auf, ziemlich verrostet, mit steinhartem Zement gefüllt und beschwert. In der grauen Masse steckte ein Mensch, der wohl mehr als eine Woche auf dem schlammigen Grund verbracht hatte. Er trug einen klatschnassen dezent gestreiften Anzug und ein ehemals weißes Hemd mit Krawatte. Sämtliche Taschen waren nach außen gekehrt und offensichtlich leer, sodass wir uns damit abfanden, keine Personalpapiere finden zu können.

Tatsächlich hatten die Täter alles getan, um eine Identifizierung zu verhindern. Die Ähnlichkeit mit dem verschwundenen Lehrer war nicht mehr allzu frappierend, sodass wir uns damit abfinden wollten, auf das Ergebnis der Obduktion zu warten.

So viel Aufwand für ein so mageres Ergebnis erschien mir mehr als unwirtschaftlich. Deshalb kam ich auf den Gedanken, den Toten von seinem Ballast zu befreien, nachdem der Polizeifotograf das Ganze in allen Einzelheiten verewigt hatte.

Zwei Cops machten sich an die Arbeit und schafften es in Rekordzeit, die Füße des Unglücklichen freizulegen. Die Schuhe sahen wirklich schlimm aus. Aber in einem entdeckte ich ein winziges Schildchen mit dem Namen des Geschäfts, in dem die Fußbekleidung erworben worden war. Es handelte sich um eine Firma aus Denver.

In den Strümpfen des Mannes fand sich außer drei größeren Dollarnoten ein Zettel mit einer Anschrift. Der Zement hatte ein wenig für Schutz vor dem zerstörerischen Wasser gesorgt, und mit Hilfe einer Lupe konnte ich die Maschinenschrift endlich entziffern: Rocky Percone, Telefon 3421817, Allen Street, Nummer 261.

»Es handelt sich zweifellos um Profiarbeit«, stellte Phil zufrieden fest.

»Ich weiß zufällig, dass Rocky Percone etwas mit dem schönen Percy zu tun hat«, sagte ich. »Er ist sein Bruder. Und Percy leitet eine Gang von Räubern, Totschlägern und Zuhältern in der Lower East Side.«

»Womit unsere Marschroute abgesteckt wäre«, meinte Phil.

»Meine ja, deine lass dir bitte erst vom Chef absegnen«, sagte ich und schickte Phil auf die Brücke, damit er Mr. High anrief.

Mein Freund und Partner kam mit der Botschaft zurück, der Fall sei wichtig genug, um von uns beiden bearbeitet zu werden. Nach Aussage eines Häftlings auf Rikers Island, plane Rocky Percone, gerade auf Bewährung freigesetzt, einen Rachefeldzug gegen die Liebhaber seiner Frau. Rita Percone habe dem Abwesenden gewaltige Hörner aufgesetzt, was wiederum Jackson seinem Jugendfreund brühwarm anlässlich eines Besuchs im Gefängnis mitgeteilt hatte.

Der Kreis schien sich zu schließen.

»Jemand wollte verhindern, dass Harry Jackson seinem Jugendfreund nach dessen Entlassung die Kerle zeigte, die ihn mit seiner Frau betrogen haben«, folgerte ich.

»Wenn wir also die Frau von Percone aufsuchen, erfahren wir die Namen ihrer Liebhaber, stoppen den Rachsüchtigen und retten sechs Menschenleben. Im Umfeld der so agilen Lady ist auch der Mann zu finden, der Jackson erschossen, einzementiert und im East River versenkt hat – mit der Aussicht, dass die Leiche niemals gefunden werden würde.« Phil ergänzte mühelos meine Überlegungen und führte sie weiter. Wir waren eben ein eingespieltes Team.

»Worauf warten wir hier eigentlich?«, fragte ich.

Die Spurensicherung konnten wir getrost unseren bewährten Fachleuten überlassen. Wir ließen uns an Land absetzen und gingen zu meinem roten Jaguar, der in einer Hochgarage an der 96th Street East stand, einem Trumm von Betonklotz, dessen Fahrbahnen sich spiralenförmig über sechzehn Decks wanden. Das Gebäude beherrschte diesen Teil der Skyline von Manhattan und war erstaunlicherweise bislang von aufwendigen Reklameinschriften verschont geblieben.

Ich fuhr meinen Wagen aus der Parkbox, und wir folgten dem Franklin Roosevelt Drive, immer entlang der geschwungenen Küste der Felseninsel Manhattan. Nach mehr als fünf Meilen schwenkte ich auf die East Houston Street ein und erreichte zwölf Häuserblocks weiter die Allen Street.

Nummer 261 entpuppte sich als komfortables Apartmenthaus, sicherlich eine Spur zu teuer für das Gehalt eines G-man. Ein brauner Baldachin mit goldenen Troddeln führte vom Bürgersteig bis zum gläsernen Portal. Ein Mann in einer Fantasieuniform empfing uns und zeigte sich von unseren Dienstmarken nicht sonderlich beeindruckt. Er näselte nur »Einen Augenblick bitte« und griff zum Telefon, um uns anzumelden.

Mrs. Percone geruhte, uns zu empfangen.

Wir durften uns dem gepflegten Fahrstuhl anvertrauen, der uns geräuschlos und angenehm gemächlich in den dritten Stock hinaufbeförderte. Er ließ sich in nichts mit den Raketen der Warenhäuser und Hotels vergleichen, die einen so schnell ans Ziel brachten wie die Förderkörbe der Kohlengruben von Pittsburgh.

Der Korridor war mit einem teuren und geschmackvollen Teppichboden ausgelegt, dessen allegorische Darstellungen ich nicht lange genug würdigen konnte, weil uns Mrs. Percone bereits in der Tür ihrer bescheidenen Behausung erwartete.

Mir blieb bei ihrem Anblick eine Sekunde die Luft weg.

Da stimmte von den Beinen bis zur Frisur einfach alles. Sie hatte schwarze Locken, die ein hübsches rundes Gesicht umschmeichelten. Die ausdrucksvollen dunklen Augen waren die einer erfahrenen Frau, die dezent geschminkten Lippen ebenfalls, aber der Ausdruck des Gesichts spiegelte eine scheinbar kindliche Naivität wider. Der üppige Busen spannte die weiße Bluse, die so einfach gehalten war, dass sie schon wieder raffiniert wirkte. Der Schmuck bestand aus wenigen auserlesenen Stücken.

»Suchen Sie mich?«, fragte die Schöne unschuldig.

Wir wiesen uns aus, sie zog es vor, uns auf dem Flur abzuwimmeln. Doch ich hielt es für angebracht, einen Blick in das Apartment zu werfen.

»Wir besprechen das alles besser in Ihrer Wohnung«, sagte ich und ließ ihr keine Wahl.

Als wir in der Tür zum Wohnzimmer standen, schnappten wir ein zweites Mal nach Luft. Das war der würdige Rahmen für dieses Luxusweibchen. Schwellendes Leder, teure Felle, ein imitierter Kamin und überall geschmackvoll ausgesuchte Kleinigkeiten wie Vasen oder Bilder, Plastiken und Gläser.

Kein Wunder, dass Rocky Percone dieses traute Heim samt Ehefrau mit Klauen und Zähnen verteidigte. Da konnte jeder ins Träumen geraten.

Rita Percone erwies sich als ein freundlicher, aufgeschlossener Mensch. Ich musste den ersten Eindruck, den ich gewonnen hatte, schnell revidieren. Wahrscheinlich hatten mir die Informationen, die ich aus der Zentrale über ihr Vorleben bezogen hatte, einen bösen Streich gespielt.

Ihre Bücherwand war wesentlich größer als ihre Hausbar, und das wollte in diesen Tagen schon etwas heißen. Darüber hinaus hatte sie die Werke bedeutender Zeitgenossen nicht nur zur Dekoration herumstehen, sondern zitierte aus dem Stegreif Faulkner, Dos Pasos und Hemingway. Von ihm hatte es ihr besonders der Absatz angetan, in dem er seine Auffassung von Gut und Böse darlegt: »Gut ist das, wonach man sich gut fühlt.