Jerry Cotton Sonder-Edition 19 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 19 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Zwei Tote führten uns auf die Spur einer Erpresserband, aber so sehr wir uns auch bemühten, wir bekamen sie nicht zu fassen. Ein letzter Ausweg blieb uns noch, wir mussten jemand in die Bande einschleusen. Ich ging als G-man Jerry Cotton ins Gefängnis und kam kurz darauf als Jack Fenton, ein Spezialist für Erpressungen, wieder heraus ...

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Inhalt

Cover

Impressum

XXXXXXXXXX

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Film: »Im Dutzend zur Hölle«/ddp-images

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2469-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Wer zahlt – der lebt

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Ich saß an diesem Abend endlich wieder einmal vor meinem Fernseher und sah mir einen spannenden Film an.

»Verdammt«, knurrte ich, als es an meiner Wohnungstür läutete.

Ich riss sie auf. Mein erster Blick fiel auf eine Blutlache, die bis zu meiner Tür reichte. Und dann sah ich den Mann, der hier verblutet war. Gleichzeitig hörte ich die aufgeregte Stimme von Mr Sullivan, meinem Nachbarn, der am ganzen Leib zitterte und kaum ein klares Wort hervorbrachte.

»Mister Cotton, eine Leiche vor Ihrer Tür!«

»Das sehe ich.« Ich beugte mich einen Augenblick über den leblosen Körper. Es genügte, um mir Klarheit zu verschaffen, dass dieser Mann tot war. Ich drehte den Kopf, der schlaff auf die linke Seite gefallen war, und stieß einen erstaunten Ruf aus.

»Kennen Sie ihn?«, stammelte Sullivan aufgeregt.

»Es ist John Carmichel. Er hat das Delikatessengeschäft zwei Blocks weiter.«

»Schrecklich«, jammerte Sullivan. »Und genau vor Ihrer Tür! Haben Sie nichts gehört?«

Ich antwortete nicht auf die Frage, sondern bat ihn, hier zu warten und alles unverändert zu lassen. Inzwischen trat ich in meine Wohnung und rief die Mordkommission an.

Ich hatte keinen Schuss gehört, obwohl er unmittelbar vor meiner Tür abgefeuert worden sein musste. Es war unmöglich, dass sich Carmichel noch weit geschleppt haben konnte.

»Haben Sie denn etwas gehört, Sullivan?«, fragte ich zurück. »Bei mir war der Fernsehapparat so laut eingestellt.«

»Ich war gar nicht zu Hause«, murmelte er. »Als ich aus dem Lift trat, sah ich ihn liegen.«

Ich holte Sullivan einen Whisky, der ihm half, den ersten Schock zu überwinden.

»Haben Sie niemand unten im Haus getroffen?«, fragte ich. »Vermutlich ist der Mörder mit dem Lift hinuntergefahren.«

Sullivan schüttelte den Kopf.

Aber die Erwähnung des Lifts brachte mich auf eine Idee. Ich drückte auf den Knopf und holte mir die Kabine heran, die inzwischen schon wieder durch die Stockwerke geschwirrt war. Vielleicht hatte Carmichels Mörder eine Spur hinterlassen. Vielleicht gab uns ein Tropfen Blut einen Fingerzeig, dass der Mord im Lift geschehen war.

Doch obwohl ich den Lift genau absuchte, fand ich nichts außer Straßenschmutz und ein paar Fetzen Papier.

Inzwischen war die Mordkommission erschienen. Ich kannte Lieutenant Murphy, der sie leitete.

»Haben Sie ihn in Notwehr erschossen, Jerry?«, fragte Murphy.

Ich schüttelte den Kopf. »Habe keine Ahnung, wie er hierher kommt.«

»Sie kennen den Mann?«

Ich gab ihm den Namen von John Carmichel und erzählte Murphy, was ich über den Kaufmann wusste.

»Verheiratet?«, fragte der Lieutenant.

»Ja«, sagte ich und dachte daran, dass die Ehe der Carmichels auf mich immer einen sehr glücklichen Eindruck gemacht hatte.

»Es sieht doch ganz so aus, Jerry«, stellte Murphy fest, während die Männer der Mordkommission mit Blitzlichtern und Messungen die übliche Routinearbeit durchführten, »als ob Carmichel zu Ihnen wollte.«

Auf diese Idee war ich auch schon gekommen. Carmichel hatte gewusst, dass ich G-man bin. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, was er bei mir gewollt hatte.

»Jemand wollte verhindern, dass Carmichel mir etwas anvertraute. Deshalb erschoss er ihn, bevor er an meiner Tür läuten konnte.«

»So muss es gewesen sein, Jerry.«

»Merkwürdig, dass ich keinen Schuss gehört habe.«

»Vielleicht hat der Täter einen Schalldämpfer benutzt«, meinte Murphy.

Das klang wahrscheinlich. Bei dem Lärm des Fernsehers hatte ich dieses Geräusch bestimmt überhört, obwohl ich für Schüsse von Berufs wegen einen sechsten Sinn habe.

Murphy wechselte ein paar Worte mit seinen Leuten, die die Spuren untersucht hatten. Dann kam er zu mir zurück.

»Sieht ganz so aus«, berichtete er, »als ob Carmichel die Treppen hinaufgelaufen ist. Er hat vielleicht 80 Sekunden für den Weg benötigt. Inzwischen muss der Mörder den Lift genommen haben. Er ließ ihn hier halten, und als Carmichel nichtsahnend um die Ecke kam und auf Ihre Tür zuging, lief er genau in den Tod.«

»So wird es wohl gewesen sein«, stimmte ich zu. »Wenn ich nur die geringste Vermutung hätte, was er bei mir gewollt hat.«

»Bestimmt eine mächtig faule Sache, in der er sich mit Ihnen privat beraten wollte. Das ist meine Idee. Aber da war jemand, der von diesem Gespräch eine Enthüllung befürchten musste.«

»Stimmt auffallend – nur: Was für eine Enthüllung? Wenn wir das wüssten, hätten wir auch den Mörder.«

Inzwischen hatten sie Carmichels Leiche auf eine Bahre gelegt und in den Lift getragen. Spuren gab es nicht.

Lieutenant Murphy verabschiedete sich.

»So long.« Ich winkte ihm zu und schloss die Tür hinter mir. In meiner Wohnung goss ich mir einen großen Whisky ein und dachte lange nach.

***

Mitten in der Nacht wurde ich von einem gellenden Läuten an meiner Wohnungstür aus dem Schlaf gerissen. Nachdem ich die Nachttischlampe angeknipst hatte, stellte ich fest, dass es drei Uhr morgens war, also nicht gerade die Zeit, in der man von Freunden besucht wird.

Ärgerlich trabte ich im Bademantel zur Tür. »Wer ist da?«, fragte ich.

»Polizei. Öffnen Sie, Mister Cotton!«

Es waren zwei Cops vom nächsten Revier, die vor der Tür standen.

»Kommen Sie herein!«, forderte ich sie auf, nachdem ich die Tür geöffnet hatte.

Die beiden verhielten sich ganz dienstlich. Ich kannte sie nicht, und allem Anschein nach hatten sie keine Ahnung, wer ich war.

»Gehört der rote Jaguar vor dem Haus Ihnen?«, fragte der eine der beiden mit strenger Stimme.

»Wenn Sie nichts dagegen haben.«

»Dann muss ich Sie bitten, mir den Kofferraum Ihres Wagens zu öffnen.«

Ich starrte den Uniformierten verblüfft an. »Und deshalb kommen Sie mitten in der Nacht? Was sollen solche Scherze?«

»Ziehen Sie sich an und kommen Sie mit!«, ordnete der Cop an.

»Wie lange haben Sie schon geschlafen?«, fragte der andere.

»Gut drei Stunden«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Was wollen Sie eigentlich? Worauf soll das alles hinaus?«

»Das werden Sie noch rechtzeitig erfahren, Mister Cotton. Falls Sie es nicht schon selbst wissen.«

Sie ließen mich nicht aus den Augen, während ich mich anzog und ihnen auf die Straße folgte. Ich hatte beschlossen, erst einmal abzuwarten und ihnen meinen Dienstausweis erst dann unter die Nase zu halten, wenn es erforderlich wurde.

Sie machten es ganz wichtig. Einer von den Cops lief an meiner Seite, der andere hinter mir. Ich wette, er hatte sogar die Hand an seiner Pistole.

Ich zog den Wagenschlüssel aus meinem Sakko und öffnete den Kofferraum.

»Bitte, Gentlemen«, sagte ich einladend, während ich die Haube des Kofferraumes gelassen öffnete.

Was ich erblickte, gab mir mindestens den gleichen Schock wie den beiden Cops, die etwas Ähnliches schon vermutet hatten.

Zum zweiten Male innerhalb von fünf Stunden sah ich mich einer Leiche gegenüber. Der Mann im Kofferraum meines Jaguar war tot. Die bläuliche Färbung seines Gesichts ließ erkennen, dass er erdrosselt worden war.

»Wer ist das?«, stieß ich hervor.

»Das wollen wir gerade von Ihnen wissen«, sagten die Cops unheilvoll. »Wer ist der Mann?«

»Ich habe keine Ahnung«, sagte ich wahrheitsgemäß, während ich überlegte, wie die Leiche in meinen Kofferraum gekommen war.

»Und Sie wissen natürlich auch nicht, wie er da hingekommen ist?«, fragte einer der Cops.

»Nein, bestimmt nicht.«

»Wer verfügt außer Ihnen über die Schlüssel für den Kofferraum?«, fragte der andere Polizist.

Die Art ihrer Fragen ließ keinen Zweifel, dass sie mich mit ziemlicher Sicherheit für den Mörder hielten.

»Niemand außer mir«, sagte ich und wollte in die Tasche fassen, um ihnen meinen Dienstausweis zu präsentieren.

Aber dazu ließen sie es nicht kommen.

»Hands up!«, befahlen sie.

»Machen Sie keinen Unsinn! Ich bin G-man.«

»Auf den Leim gehen wir Ihnen nicht«, sagte einer der Cops. »Sie kommen jetzt mit aufs Revier, und dann werden wir sehen, was an Ihren Ausreden dran ist.«

So kam es, dass ich in dieser Nacht zum zweiten Mal die Freude hatte, Lieutenant Murphy zu sehen.

»Was ist denn mit Ihnen los, Jerry?«, fragte er, als er sah, dass die Cops mich nicht losließen.

»Mordverdacht«, erklärte einer von ihnen.

»Unsinn«, knurrte Murphy die beiden an. »überlegt ein bisschen, bevor ihr einen G-man unter Mordverdacht stellt!«

Sie blickten ziemlich betreten vor sich hin, als Murphy ihnen auseinander setzte, wer ich war. Jetzt rückten sie auch mit dem heraus, was geschehen war.

Sie hatten im Revier einen anonymen Anruf bekommen, dass in dem roten Jaguar, der einem Mr Cotton gehöre, eine Leiche zu finden sei.

Ganz hatten sie die Nachricht nicht geglaubt. Aber als sie stimmte, mussten sie mich natürlich für verdächtig halten. Ich konnte es ihnen nicht übel nehmen.

»Kennen Sie diesen Toten?«, fragte mich Murphy.

Aber diesmal musste ich es verneinen. Ich hatte ihn noch nie gesehen.

»Viele Leichen in Ihrer Nähe, Jerry«, sagte Murphy. »Sieht so aus, als ob die Gangster Ihnen einen Mord in die Schuhe schieben wollen.«

Der Arzt hatte die Untersuchung des Toten beendet. »Erdrosselt«, stellte er fest und bestätigte meine eigene Diagnose. »Ich würde als Zeit etwa Mitternacht annehmen.«

»Ihr Wagen steht natürlich schon den ganzen Abend vor dem Haus?«, wollte Murphy wissen.

Das konnte ich nur bestätigen.

»Ich wette«, sagte ich, »dass der Mann irgendwo erwürgt worden ist und dass man ihn später in meinen Wagen verstaut hat. Ob die Kerle im Ernst glaubten, dass sie mich verdächtigen können?«

»Warum nicht?«, meinte Murphy. »Schließlich ist auch ein G-man ein Mensch, der einmal in Verdacht geraten kann. Es war einfach ihr Pech, dass ich Sie genau genug kenne. Das konnten die Brüder natürlich vorher nicht wissen.«

»Sieht mir doch ganz so aus«, stellte ich fest, »als wollte irgendjemand mich ausschalten. Muss ganz schönes Dynamit sein, mit dem Carmichel zu mir kommen wollte. Sind Sie schon weitergekommen? Irgendwo ist da etwas mächtig faul!«

»Mrs Carmichel ist völlig zusammengebrochen«, berichtete Murphy. »Sie wusste, dass ihr Mann zu Ihnen gehen wollte. Aber sie hatte keine Ahnung, warum. Sie meinte nur, ihr Mann wäre seit ein paar Tagen außerordentlich nervös gewesen. Etwas Neues konnte sie uns nicht sagen.«

»Es stimmte also«, murmelte ich, »dass Carmichel zu mir wollte. Ob er etwas von einem Verbrechen wusste? Jedenfalls brachte man ihn zum Schweigen. Und mich wollte man außer Gefecht setzen, obwohl Carmichel kein Wort mit mir sprechen konnte.«

»Allmählich frage ich mich«, meinte Murphy, »ob es nicht doch das Klügste wäre, wenn Sie an unseren Ermittlungen teilnehmen.«

Einer von Murphys Leuten unterbrach unser Gespräch.

»Das haben wir in seiner Tasche gefunden«, berichtete er. Er hielt eine Luger-Pistole in der Hand.

Ich starrte darauf. Es war nicht so ungewöhnlich, dass ein Ermordeter eine Waffe in der Tasche hatte. Aber mir kam eine merkwürdige Idee. Ich nahm die Pistole vorsichtig in die Hand und öffnete das Magazin.

Während ich die Patronen Stück für Stück in meine Hand fallen ließ, blickte ich Murphy an. Wir zählten beide und stellten fest, dass eine Patrone fehlte.

»Untersuchen Sie sie genau!«, riet ich Murphy. »Ich gehe jede Wette ein, dass das die Waffe ist, mit der Carmichel erschossen wurde. Der Mörder hat noch keine Zeit gehabt, die verschossene Patrone wieder zu ergänzen. Und jemand hat inzwischen dafür gesorgt, dass ihn das gleiche Schicksal ereilt wie sein Opfer.«

»Rache?«, fragte Murphy zweifelnd.

Ich schüttelte den Kopf.

»Vorsicht. Der Mörder wusste zuviel. Das kostete ihn das Leben. Wir sind einer gewaltigen Teufelei auf der Spur. Der Fehler ist nur, dass wir keine Ahnung haben, was bei diesen Morden gespielt wird.«

2

Nach dieser unruhigen Nacht gönnte ich mir morgens eine Stunde länger Schlaf. Ich stand unter der Dusche und ließ das Wasser eiskalt auf mich herunterprasseln, als das Telefon schrillte.

Ich meldete mich und vernahm am anderen Ende eine kummervolle, kaum verständliche Stimme.

»Mister Cotton, hier ist Mrs Carmichel. Ich habe eine große Bitte an Sie.«

»Mein aufrichtiges Beileid, Mrs Carmichel«, antwortete ich, »natürlich helfe ich Ihnen.«

Ich merkte ihr die Erleichterung an, als sie fortfuhr. »Würden Sie wohl nachher bei mir vorbeikommen? Ich möchte Sie um Ihren Rat bitten.«

»In einer halben Stunde bin ich bei Ihnen.«

Um bis zu Carmichels Geschäft zu kommen, lohnte es sich nicht, den Jaguar flottzumachen. Der Rollladen des Geschäfts war heruntergelassen, das Geschäft war geschlossen. Ich klingelte an der Wohnung.

Mit verweinten Augen und ratloser Miene öffnete mir Mrs Carmichel. Sie war Anfang 30, blond und hübsch.

»Ich bin Ihnen so dankbar, dass Sie kommen«, sagte sie und bat mich in die Wohnung.

Ich lehnte den Drink ab, den sie mir anbot, und blickte sie erwartungsvoll an.

»Johns Ende ist so schrecklich für mich«, begann sie. »Ich kann es noch gar nicht fassen, dass er nie mehr …«

Ihre Stimme versagte, und Tränen traten in ihre Augen.

»Sie können sicher sein«, sagte ich beruhigend, »dass alles getan wird, um seinen Tod zu sühnen. Es sieht so aus, als ob der Mörder bereits das gleiche Schicksal gehabt hat.«

»Aber warum hat er es getan? Warum nur? John hatte keine Feinde!«

»Mrs Carmichel«, sagte ich behutsam, »ich bin ziemlich sicher, dass Ihr Mann etwas wusste, was er mir um keinen Preis anvertrauen wollte. Haben Sie eine Ahnung, was es gewesen sein könnte?«

Sie hatte sich wieder gefasst.

»Das ist ja der Grund, warum ich Sie gebeten habe, Mister Cotton. Sie sind G-man. Sie können mir einen Rat geben. Sie verstehen mehr davon.«

Ich war mächtig gespannt, was sie mir zu sagen hatte. Sie machte es ziemlich umständlich, aber der Kern der Sache war, dass Carmichel in den letzten Wochen mehrfach Briefe bekommen hatte, die ihn in höchste Nervosität versetzten.

»Haben Sie eine Ahnung, wo die Briefe sind?«, wollte ich wissen.

»Ich will Ihnen zeigen, wo er seine Korrespondenz aufbewahrt. Natürlich weiß ich nicht, welche Briefe es waren. Aber vielleicht finden Sie es heraus …«

»Haben Sie der Polizei davon erzählt?«, erkundigte ich mich.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich war so durcheinander«, murmelte sie entschuldigend. »Außerdem«, sie zögerte einen Augenblick, »ich befürchtete, in den Briefen könne etwas stehen, das John in ein falsches Licht bringen würde. Aber dann habe ich mir überlegt, dass Sie am besten beurteilen könnten … John hatte Vertrauen zu Ihnen. Das ist die Hauptsache.«

Ich streifte Mrs Carmichel mit einem Blick. Wenn die Briefe wirklich etwas zu bedeuten hatten, dann war es leichtsinnig von ihr, sie hier liegen zu lassen. Vermutlich hatte nur die Anwesenheit der Cops in der letzten Nacht verhindert, dass die Gangster, die Carmichel umgebracht hatten, sich durch einen Einbruch die Briefe beschafften.

Ohne Zögern setzte ich mich an Carmichels Schreibtisch und wühlte mich durch einen beträchtlichen Stapel Briefe.

Carmichel war nicht sehr ordentlich gewesen. Die Briefe waren nicht abgeheftet oder nach dem Datum geordnet. Anscheinend hatte er unangenehme Briefe irgendwo in dem Stapel verschwinden lassen.

Plötzlich stieß ich auf eine Notiz, die aus dem Rahmen fiel. Auf einem Blatt stand nur eine Zeile, mit Maschine geschrieben. Letzter Termin 16. September.

Es war der heutige Tag. Heute war ein Ultimatum abgelaufen, das man Carmichel gestellt hatte. Im letzten Augenblick begab er sich zu mir. Und der Absender des Briefes musste ihn beobachtet haben.

Ich legte das Blatt beiseite und wühlte den Papierberg erneut durch. Jetzt ahnte ich schon, was hier gespielt wurde. Das sah mächtig nach Erpressung aus.

Nach ein paar Minuten anstrengender Suche stieß ich auf das nächste Blatt. Es unterschied sich nicht von dem anderen. Nur schien Carmichel es wütend zusammengeknittert und dann wieder geglättet zu haben.

Der Text war nicht weniger deutlich, aber ohne den geringsten Anhaltspunkt. Sie wissen, worum es für Sie geht. Seien Sie vernünftig!

Wenn noch weitere Briefe gekommen waren, dann musste Carmichel sie vernichtet haben. Denn ich fand nichts mehr.

Fragend blickte mich Mrs Carmichel an.

»Ihr Mann wurde offenbar erpresst«, sagte ich. »Wie hoch ist Ihr Bankkonto?«

Sie hatte die Auszüge zur Stelle. Anscheinend verwaltete sie die Finanzen.

Immerhin hatten die Carmichels die Kleinigkeit von 36.000 Dollar auf dem Konto, so dass sich der Fischzug für den Erpresser schon gelohnt hätte.

»Gibt es etwas im Leben Ihres Mannes, weswegen man ihn erpressen könnte? Eine Ungesetzlichkeit, etwas, dessen Bekanntwerden ihm Schwierigkeiten bereitet hätte?«

Ärgerlich krauste sie die Stirn.

»Das halte ich für ganz unmöglich. Ich kenne John seit acht Jahren. Aber ich wüsste nichts.«

»Und vorher? Was hat er Ihnen von seinem früheren Leben erzählt?«

Sie gab mir einen Abriss seines Lebens, aber das lieferte mir keinerlei Anhaltspunkt.

»Trotzdem«, sagte ich, »muss es irgendetwas gegeben haben. Wenn er Sie nicht eingeweiht hat, dann bedeutete es, dass er es auch vor Ihnen geheim halten wollte.«

Unter Tränen nickte sie. Sie tat mir leid. Aber es hatte keinen Zweck, dass ich vor ihr Verstecken spielte.

»Hören Sie«, erklärte ich ihr, »es könnte sein, dass der Erpresser den Versuch macht, in der nächsten Nacht diese beiden Briefe wiederzuholen. Es kann ja auch sein, dass er noch andere geschrieben hat, die Ihr Mann vernichtet hat. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder verständige ich die Polizei und sorge dafür, dass ein Posten vor Ihrer Wohnung aufgestellt wird. Oder ich komme am Abend hierher und warte auf den Burschen. Was ziehen Sie vor?«

Sie zögerte nicht eine Sekunde.

»Nicht die Polizei«, bat sie. »Zu Ihnen habe ich volles Vertrauen. Vielleicht gelingt es, den Kerl zu fassen.«

Mir war es recht.

Als ich in mein Office kam, fand ich eine Nachricht von Lieutenant Murphy vor. Ich sollte ihn anrufen. Das tat ich auch.

»Sie hatten recht, Jerry«, sagte er am Telefon. »Carmichel wurde mit der Luger erschossen, die wir bei dem Mann in Ihrem Kofferraum fanden. Unsere Sachverständigen haben es genau festgestellt.«

»Und wissen Sie schon, wer der Tote in meinem Jaguar ist?«

»Bisher noch nicht«, antwortete Murphy. »Aber wir haben schon eine Menge Ermittlungen laufen.«

»Wie ist es, Murphy«, fragte ich, »bin ich bei Ihren Ermittlungen dabei?«

Er geriet etwas in Verlegenheit.

»Offiziell können wir Sie nicht hinzuziehen, Jerry«, erklärte er, »das könnte so aussehen, als ob wir mit den Fällen nicht fertig werden. Aber mein Chef hat nichts dagegen, wenn Sie die Nase mit drin haben.«

»Okay«, sagte ich, »mehr wollte ich gar nicht. Die Verantwortung liegt bei Ihnen. Ich habe schon etwas Wichtiges bei Mrs Carmichel entdeckt.« Ich erzählte es ihm und legte dann auf. Anschließend meldete ich mich bei Mr High, und informierte ihn. Er hatte nichts dagegen, dass ich an den Ermittlungen teilnahm.

***

Ich hatte den ganzen Nachmittag vor mir und wollte ihn gut ausnützen.

Zuerst legte ich unserem Schreibmaschinenexperten die beiden Briefe vor. Er sollte mir verraten, mit was für einer Maschine sie geschrieben worden waren.

Mein Kollege Wills beäugte die beiden Sätze ein paar Mal mit der Lupe, zog dann Tabellen zu Rate, und es dauerte keine zehn Minuten, bis er mir eine präzise Antwort gab.

»Geschrieben ist das mit einer Underwood, Modell 1958. Sie hat einen kleinen Defekt, da, sehen Sie, Jerry, wo das e etwas hakt.«

Er zeigte mir, worauf es ankam, und wenn ich ganz genau hinsah, konnte ich es auch erkennen.

Dann machte ich einen Besuch, den ich mir schon in Carmichels Wohnung vorgenommen hatte.

Unter den Briefen, die ich gesichtet hatte, war auch das Schreiben eines alten Schulfreundes von John Carmichel gewesen. Der Mann wohnte nicht weit von New York. Sicher würde er mir etwas über Carmichels Leben erzählen können.

Ich klemmte mich hinter das Steuer meines roten Jaguar und verließ die City in westlicher Richtung.

Ich nahm den New Jersey Turnpike, der mich fast zwei Dollar an Maut kostete, mir aber als Express Highway eine Geschwindigkeit von rund 70 Meilen erlaubte.

Das waren zwar für meinen Jaguar nur kleine Fische, aber ich hütete mich, das Gaspedal noch stärker durchzutreten. Der Turnpike wendete sich dann in südliche Richtung, bis ich die Abfahrt nach Princeton, dem kleinen Universitätsstädtchen, erwischte.

Ich traf Albert Meredith und seine Frau Lucy zu Hause an.

Sie hatten die Nachricht von Carmichels Tod bereits in den Zeitungen gelesen und fragten viel. Ich sagte ihnen genauso viel, wie mir gut erschien.

Dann erkundigte ich mich nach dem Toten. »Sie kennen John Carmichel also seit Ihrer Schulzeit?«

»Ja. Wir stammen beide aus Ohio, und zwar aus einem kleinen Städtchen zwischen Dayton und Cincinnati.«

»Hatten Sie seitdem ständig Kontakt mit Carmichel?«

»Das ist zuviel gesagt – es sind immerhin über 25 Jahre seitdem vergangen. Wir verließen nach der Schule unsere Heimatstadt.«

»Wohin ging Carmichel?«

Meredith zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht mehr so genau. Immerhin – gelegentlich trafen wir uns – wenn wir zufällig wieder daheim waren. Sie wissen ja, wie so etwas ist.«

»Und was wissen Sie über ihn?«

»Ich erinnere mich, dass mir meine Eltern erzählten, dass er genau wie ich 1943 Soldat wurde. Nach dem Krieg hatte ich jede Verbindung mit ihm verloren. Dazu kam das Gerücht …«

Er zögerte einen Augenblick.

»Was für ein Gerücht?«

»Von den Toten soll man nur Gutes reden«, murmelte er. »Aber wenn Sie meinen, dass es für Sie nützlich ist: Kurz und gut, in meiner Heimatstadt ging das Gerücht um, dass er wegen Desertion ins Gefängnis gekommen wäre.«

Unwillkürlich stieß ich einen Pfiff aus.

»Bringt Sie das weiter?«, fragte Meredith gespannt.

»Wissen Sie das genau?«, erkundigte ich mich. »Es könnte genau der Punkt sein, der zu Carmichels Tod geführt hat. Was, meinen Sie, würden wohl die Kunden eines gut gehenden Geschäfts von dem Inhaber halten, wenn sie erfahren, dass er desertiert ist?«