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Der arabische Politiker Soulié wurde in New York erwartet. Er wollte eine Rede vor der UN halten. Eine Terrorgruppe in den USA hatte andere Pläne mit Soulié. Er sollte noch vor der Landung sterben. Phil und ich waren für die Sicherheit des Mannes verantwortlich. Doch ehe wir unseren Job antraten, hatten die Terroristen Soulié schon im tödlichen Visier. Das Kommando führte eine faszinierend Frau - die Cockpit-Piratin!
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Seitenzahl: 213
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Die Cockpit-Piratin
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Impressum
Die Cockpit-Piratin
Der arabische Politiker Soulié wurde in New York erwartet. Er wollte eine Rede vor der UN halten. Eine Terrorgruppe in den USA hatte andere Pläne mit Soulié. Er sollte noch vor der Landung sterben. Phil und ich waren für die Sicherheit des Mannes verantwortlich. Doch ehe wir unseren Job antraten, hatten die Terroristen Soulié schon im tödlichen Visier. Das Kommando führte eine faszinierend Frau – die Cockpit-Piratin!
1
»Jetzt brauche ich einen Drink«, flüsterte sie. Ihre Stimme klang undeutlich, weil sie die Lippen in seine Halsgrube presste. Seine Haut war feucht.
Er hob den Kopf. Sein breites, knochiges Gesicht hatte sich gerötet. Sie lächelte, als seine hellen Augen über ihr Gesicht tasteten, und mechanisch streichelten sie seinen Rücken.
»Du warst 'ne Wucht, Baby«, raunte er bewundernd.
Ihr Lächeln vertiefte sich.
»Und du erst«, hauchte sie. »Ich hätte es nicht gedacht, wirklich nicht ...«
Das stimmte sogar. Er war ein Mann wie ein Stier. Beinahe wäre es ihm wirklich gelungen, sie zu erregen.
»Ich bin zwar nicht mehr der Jüngste«, gab er zu, »aber ich achte darauf, dass ich nicht aus der Übung komme.« Er schnalzte mit der Zunge, als er kurz ihre nackte Brust berührte. Dann wälzte er sich herum und stellte seine Füße auf den Boden. Als er aufstand, ächzten die Federn des alten Feldbetts wieder erbärmlich. Er reckte die Arme, bis die Gelenke knackten, und blickte auf sie herab. »Für den Fall, dass Cobb uns nicht alles weggetrunken hat – was möchtest du?«
»Egal. Was du hast. Oder was du auch möchtest.«
Seine breiten Füße platschten auf dem rissigen Holzfußboden, der bestimmt seit Monaten keinen nassen Lappen mehr gesehen hatte. Er verschwand in der winzigen Teeküche.
Sie hörte die Tür des Kühlschranks quietschen und glitt schnell aus dem Bett. Im Vorbeigehen nahm sie ihr T-Shirt vom Stuhl und streifte es sich über. Sie trat ans Fenster, zog die Lamellen der Jalousie auseinander und spähte nach unten.
Der Anblick der beiden Streifenwagen auf dem Vorplatz erzeugte nur ein feines Kribbeln zwischen ihren Schulterblättern, das sofort wieder verschwand. Die Wagen schmorten in der Nachmittagssonne. Das Wappen des Milford County auf der langen Motorhaube war unter der grauen Staubschicht kaum auszumachen. Nur die Lampenbatterien auf dem Dachbügel glänzten wie blank geputzt.
»Bier oder Coke?«, rief Dick Sprague.
»Bier, wenn du eins mittrinkst«, gab sie zurück. Sie wandte sich vom Fenster ab.
Sprague erschien in der Tür, in jeder Hand eine beschlagene Bierdose.
Er grinste breit.
»Im Dienst trinke ich eigentlich nicht«, sagte er. »Aber heute ist ein besonderer Tag – so heiß.« Er betrachtete ihre Schenkel, die unter dem viel zu kurzen T-Shirt hervorschauten.
Sie klatschte in die Hände.
»Hepp«, sagte sie, und er warf ihr die Dose zu.
Sie fing sie auf und riss den Verschluss ab. Etwas Schaum quoll aus der Öffnung. Schnell setzte sie die Büchse an und nahm einen langen Zug. Auch Dick Sprague trank, wobei er den Kopf weit in den Nacken legte. Dann stellte er die Dose auf den Tisch und griff nach seiner Hose.
Unter der Hose, die auf einem Stuhl gelegen hatte, kam der breite Ledergürtel mit den Patronenschlaufen und dem offenen Holster zum Vorschein. Der gebogene Griff des schweren Revolvers ragte daraus hervor. Während er umständlich in seine Hosen stieg, machte sie einen Schritt auf ihn zu. Spielerisch glitten ihre Finger über die geriffelten Griffschalen.
Mit einer unvermutet schnellen und heftigen Bewegung riss er den Waffengürtel an sich. Seine Augen wurden schmal.
»So ein Eisen ist nichts für kleine Mädchen, Baby«, sagte er und schlang den Gürtel um seinen Bauch. Dann zog er das helle Khakihemd an und stopfte es in die Hose. Bevor er es zuknöpfte, gewährte er ihr einen letzten Blick auf die breite Brust mit dem wuchernden grauen Haar, auf das er offensichtlich genauso stolz war wie sie auf den schimmernden Sheriffstern auf der Klappe der Brusttasche.
»Wo willst du nachher hin?«, fragte er, um einen beiläufigen Tonfall bemüht. Als sie die Schultern hob, sagte er schnell: »Ich kenne da ein hübsches Motel nicht weit von der Bay entfernt. Das Wasser dort ist ideal für Wasserski und Surfen. Ich kann mal mit dem Manager reden. Aber hinbringen kann ich dich nicht.« Er grinste abgebrüht. »Meine Frau hat zu viele Freundinnen in diesem verdammten Kaff.«
Sie lachte. »Du bist wenigstens ehrlich.«
»Deshalb habe ich es auch nur zum Sheriff gebracht.« Er schnaufte. »Und dann verirrt sich eine tolle Frau hierher und landet in meinem Bett ...«
»Feldbett«, korrigierte sie ihn. Sie wusste, dass er mit seiner Frau und einer abgrundhässlichen Tochter ein Holzhaus zwischen zwei Prielen bewohnte, in denen er Krebse in breiten Netzen fing, wenn seine sonstigen Obliegenheiten ihm die Zeit dazu ließen. Die Saison war schon so gut wie vorbei. Und weil sich kaum noch Angler oder Jäger bis hier herunter verirrten, hatte Chief Richard »Dick« Sprague wieder reichlich Zeit für seine Krebse und die hübschen Frauen, die hin und wieder seinen Weg kreuzten.
An die drei Kerle, die hinten im Anbau in den engen Zellen saßen, schien er keinen Gedanken zu verschwenden. Am Montag würde der Richter kommen. Der würde schon bestimmen, was mit ihnen zu geschehen hatte.
Ein paar Wochen Arbeitslager für den Schwarzen, den sie in der Vorratskammer des Jachtklubs ertappt hatten, nachdem er sich an den Whiskyvorräten vergangen hatte. Der Vertreter aus Norfolk in Virginia drüben, der in angetrunkenem Zustand mit seinem Buggy ein auf den Strand gezogenes Fischerboot zuschanden gefahren und sich geweigert hatte, eine Kaution zu stellen, würde mit einer Geldstrafe davonkommen, hatte er ihr erzählt.
Womit Austin Smith zu rechnen hatte, stand in den Sternen.
»Was suchst du da, Sheila?«, fragte Sprague.
Sie hatte ihre schwere Reisetasche auf das Bett gewuchtet und begonnen, darin herumzuwühlen. Sie hatte längst gefunden, was sie suchte – ein braunes Pillenfläschchen mit der Aufschrift Aspirin. Sie hielt das Fläschchen in der hohlen Hand verborgen.
»He, Sheila, was suchst du?«
»Shileah«, sagte sie. »Ich heiße Shileah.« Sie hielt eine Zigarettenschachtel in die Höhe. »Ich habe keine Streichhölzer.«
Dick Sprague lachte dröhnend. Er platschte durch den Raum und riss die Tür zur Treppe auf.
»He, Cobb!«, schrie er. »Cobb, du Nichtsnutz! Komm mal her! Und bring dein verdammtes Feuerzeug mit!«
Shileah öffnete die Pillenflasche und ließ zwei weiße Tabletten in ihre Hand fallen. Rasch verschloss sie die Flasche wieder und schob sie in die Tasche. Sie strich ihr langes Haar zurück, steckte eine Zigarette zwischen die Lippen und glitt zum Tisch hinüber, wo Chief Sprague seine Bierdose abgestellt hatte.
Auf der Treppe polterten schwere Schritte.
»Alles in Ordnung unten, Cobb?«, dröhnte der Sheriff.
Shileah zupfte ihr T-Shirt ein wenig herab. Sprague gab sich keine Mühe, seinem Deputy den Blick auf seine neueste Eroberung zu verwehren.
»Alles in Ordnung, Chief«, sagte Cobb. Er gab dem Sheriff ein Feuerzeug, ohne den Blick von Shileah zu wenden. Er hatte ein hageres Gesicht und dunkle harte Augen, die sie scharf musterten. »Ihre Frau hat angerufen und gefragt, ob Sie heute Abend zum Essen kommen.«
»Und was hast du gesagt?«
»Ich habe gesagt, Sie kommen.«
»Dann muss ich ja wohl«, sagte Sprague. Er drehte sich um und zwinkerte Shileah zu. »Aber wir haben noch Zeit, Baby. Vor neun brauche ich mich nicht sehen zu lassen.« Zu Cobb gewandt sagte er: »Ruf Larry im Bayside Motel an und lass ein Zimmer für Miss ...« Er wandte sich wieder um und sah Shileah fragend an.
»Ansara«, sagte sie.
»Hast du gehört, Cobb? Lass ein Zimmer für Miss Ansara reservieren.« Er knallte die Tür zu und kam auf Shileah zu.
Sie hatte die Bierdose aufgenommen und streifte das Kondenswasser vom Blech.
»Kehrst du noch mal zurück?«, fragte sie und senkte die Lider. Es war zu früh, viel zu früh ...
Er schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid, Baby, tut mir wirklich leid. Nach dem Essen wollten wir mit ein paar Nachbarn Krebse abkochen. Heute ist Freitag«, fügte er hinzu, als ob der Wochentag alles erklärte.
Dann würde Mrs. Sprague eben warten müssen, dachte Shileah. Sie ließ die beiden Tabletten durch die Öffnung in die Dose fallen. Das Bier schäumte sofort auf und quoll über den Rand.
Sie hielt dem Sheriff die Büchse hin und lächelte dabei.
»Morgen«, sagte Sprague und grinste vielsagend.
Sie lächelte. »Morgen. Sicher, morgen.«
»Sie können sich jetzt von Ihrer Tochter verabschieden, Mister Blyton«, sagte Jill Trent, um einen kühlen Tonfall bemüht. Sie ließ die heiße Hand des siebenjährigen Mädchens nicht los.
Das waren genau die Fälle, derentwegen sie nicht zum FBI gegangen war. Sie fühlte sich als das Werkzeug einer ohnmächtigen und zugleich allmächtigen Justiz, die endlich einen Schlussstrich unter einen jahrelangen Streit gezogen hatte, bei dem der schwächste, empfindlichste Teil – das kleine Mädchen an ihrer Seite – schließlich die Zeche bezahlen musste. Ein ganzes Leben lang.
Hank Blyton starrte sie an, als trüge sie die Verantwortung für das Gerichtsurteil, das das Sorgerecht für seine Tochter unwiderruflich der Mutter übertragen hatte. Einer Mutter, die in seinen Augen eine Hure und eine Schlampe war.
»Ich werde mich nie mit dem Urteil abfinden!«, knurrte Blyton heiser. »Verstehen Sie? Nie!«
Jill spürte genau, wie sich die kleine Hand verkrampfte. Sie warf dem Mann vom Büro des U. S. Marshal, der sie zu Blytons Haus begleitet hatte, einen hilflosen Blick zu. Die Lautsprecherstimme hoch über ihrem Kopf rief die Passagiere für den Flug nach New York zum letzten Mal auf, sich zum Ausgang A zu begeben.
»Bitte, Mister Blyton«, sagte sie.
Blytons rotgeränderte Augen füllten sich plötzlich mit Tränen. Er fiel auf die Knie und umklammerte seine Tochter. Jill warf einen schnellen Blick auf die Uhr. Wenigstens würde die Maschine pünktlich abfliegen. Die Mutter der kleinen Edith würde sie am LaGuardia erwarten, dann wäre sie die Verantwortung für das Mädchen los. Mit etwas Glück konnte sie um fünf Uhr im Office und um sechs bei Vic sein. Mein Gott, es würde eine elende Hetze bedeuten, aber die Hauptsache war, sie konnte mit Vic und dem Team nach Hampton fliegen. Die Jungs konnten jede Art von Ermunterung brauchen. Und sie hatte sich schon so auf das Wochenende mit Vic McGowan gefreut, obwohl sie kaum Zeit füreinander haben würden.
Der U. S. Deputy Marshal kam heran.
»So, Mister Blyton, das muss jetzt genügen. Tut mir leid, Kommen Sie, ich fahre Sie nach Hause.«
»Scheren Sie sich zum Teufel!«, schrie Blyton, warf sich herum und stürzte davon.
Edith sah ihrem Vater nach, bis er hinter einer Gangbiegung verschwand.
»Komm, Edith, wir fliegen jetzt nach New York. Deine Mom wartet auf dich.«
Brav lief das Mädchen neben Jill durch den Gang. »Miss, warum will meine Mom, dass ich bei ihr in New York lebe?«
»Das weiß ich auch nicht«, antwortete Jill, die mit ihren Nerven am Ende war. Die Fahrt zusammen mit dem völlig verzweifelten Vater zum Flughafen von Providence hatten sie zermürbt. Komisch, dachte sie, dass Fragen von kleinen Kindern Erwachsene oft wie Schläge unter die Gürtellinie trafen. »Sie liebt dich«, sagte sie und hielt diese Lüge für einen guten Einfall. »Deshalb will sie dich bei sich haben, verstehst du?«
»Ja, Miss«, sagte Edith artig.
Chief Sprague leerte die Dose mit einem langen, durstigen Zug. Dann zerquetschte er sie mit seiner Pranke, bevor er sie Richtung Papierkorb warf. Sie fiel daneben.
Shileah setzte sich auf das zerwühlte Feldbett, das üblicherweise dem Deputy vom Nachtdienst als Ruhestätte diente. Und gelegentlich dem Chief als Liebeslager. Das Telefon stand am Boden.
Sprague machte einen unsicheren Schritt auf sie zu. Sie sah von unten herauf verstohlen in sein Gesicht. Die Haut schien sich aufzublähen und von innen zu glühen. Sprague fasste mit einer Hand an seinen Hals. Dann taumelte er.
Shileah sprang auf. »Dick, um Gottes willen, Dick, was ist mit dir?«
Seine Beine gaben unter dem schweren Körper nach.
Shileah schob ihre Schulter unter seine Achsel. Er darf nicht hinfallen, dachte sie. Der Lärm würde den Deputy wie von der Feder gezogen nach oben schnellen lassen.
Der Sheriff schien mehr als ein kleiner Lastwagen zu wiegen. Sie brach fast unter seinem Gewicht zusammen. Sie drehte sich halb um ihre Körperachse und brachte den Sheriff so näher an das Bett heran. Dann konnte sie ihn nicht mehr halten.
Das Gestell krachte in seinen Verschraubungen, als der schwere Mann darauf fiel und dann wie ein verletzter Straßenhund dalag, die vorquellenden Augen auf sie gerichtet. Auf seinen Lippen bildeten sich weiße Schaumbläschen, als er sie bewegte.
»Arzt ... Doc Hagerty ...«
»Jaja. Ich sage Cobb Bescheid.« Sie kniete neben dem Bett und zog das Telefon zu sich heran. Mit einer Hand hielt sie die Gabel nieder, als sie mit der anderen den Hörer abnahm. Seine Augen waren ihr gefolgt und hingen jetzt an ihrem Gesicht.
»Mister Cobb?«, sagte sie. »Mister Cobb, dem Sheriff geht es nicht gut. Holen Sie Doc Hagerty! Ja, Doc Hagerty.«
Sie lächelte Sprague an, dessen Augen sich jetzt mit einem grauen Schleier überzogen.
»Cobb holt den Doc. Mach dir keine Sorgen.« Sie sah auf die Uhr. Es war zehn Minuten nach vier.
Zu früh, viel zu früh ...
Wie lange würde Cobb sie in Frieden lassen? Bis sechs? Vielleicht bis sieben? Cobb war misstrauisch.
Chief Sprague ächzte. »Du ... du ... Warum?«
Ihre Lippen wurden steif. Spragues rechte Hand bewegte sich wie ein Gegenstand, der nicht zu ihm gehörte. Die Hand schob sich zur Hüfte, aber sie kam nicht an den großen Revolver heran, weil das Holster unter die Taille gerutscht war und Sprague auf ihr lag. Sie stemmte sich gegen seine Hüfte, brachte sie ein Stück hoch und zerrte dann den Revolver hervor. Spragues Bewegungen waren matt und wurden schwächer.
Shileah legte den Revolver in ihre Reisetasche und drapierte eine Bluse darüber. An Chief Dick Sprague verschwendete sie keinen Blick mehr.
Ihr fiel auf, dass immer noch die Zigarette zwischen ihren Lippen steckte. Das Feuerzeug war dem Chief aus der Hand gefallen, als die Droge seine Muskeln und Nerven zu lähmen begann. Sie hob es auf und zündete die Zigarette an. Aus dem Kühlschrank holte sie jetzt eine Dose Cola. Sie setzte sich auf einen Stuhl, rauchte und trank.
Sie dachte an Austin Smith, der unten in seiner Zelle hockte und noch nicht ahnte, was ihm bevorstand. Smith hatte sich auf dieser Halbinsel verkrochen und versucht, sich irgendwie durchzuschlagen, ohne aufzufallen. Dumm war, dass er sich in eine Schlägerei mit einigen Einheimischen eingelassen hatte. Das war sein Fehler gewesen. Die Menschen hier in der Inselwelt der Chesapeake Bay waren ein eigener Schlag. Die Jets nach Baltimore und Washington, D. C., zogen über ihre Köpfe hinweg, aber sie sprachen und lebten wie ihre Vorfahren vor zweihundert Jahren.
Austin Smith hatte sich vergessen und zwei Männer schwer verletzt, ehe es einem halben Dutzend Fischern, Sheriff Sprague und Deputy Cobb gelang, ihn zu überwältigen und einzusperren. Für die Schlägerei würde er trotz allem nicht viel bekommen. Ein paar Wochen Arbeitslager vielleicht. Doch der Chief hatte, wie es bei Fremden üblich war, die Prints des Fremden nach Washington ans FBI geschickt. Der Richter und der Chief würden eine böse Überraschung erleben, wenn sie die Antwort aus Washington bekämen. Gar nicht zu reden von den FBI-Bonzen selbst.
Shileah Ansara lächelte dünn, als sie die Zigarette in die Coladose steckte, wo sie zischend verlöschte. Sie stand auf und trat an das Feldbett. Dick Spragues Atem ging schwer. Speichel blubberte bei jedem kurzen Atemzug auf seinen Lippen. Sie hob ein Lid an, betrachtete die geweitete Pupille und wandte sich ab. Ganz nach Plan, dachte sie und zog sich endlich an.
Eine frische Brise hatte den Dunst vertrieben, der den ganzen Tag wie dicker, fetter Smog über Manhattan gelegen hatte. Der East River glitzerte silbrig. Ein gelbes Schiff der Circle Line schnitt einen Schaumstreifen ins Wasser.
Alle Zeichen deuteten auf ein schönes Wochenende hin. Nur würde ich, der G-man Jerry Cotton vom FBI New York, nichts davon haben. Seufzend wandte ich mich vom Fenster ab, als ich eine einschmeichelnde weibliche Stimme hinter mir hörte.
Jill Trent musste wie eine Katze herangekommen sein. Sie lächelte und hielt ein Tablett mit drei Kaffeebechern in der Hand.
»Hi, Jerry«, sagte sie.
Ich stand auf und holte einen Stuhl für sie.
»Wie war's in Providence?«, erkundigte ich mich.
Jill verzog das Gesicht. »Scheußlich, kann ich nur sagen.«
Sie stellte die Kaffeebecher auf den Schreibtisch. »Wo steckt Phil?«
»Im Einsatzraum, Lagebesprechung.«
»Ich denke, ihr habt Wochenendbereitschaft.«
»Richtig. Bis Sonntagnachmittag. Dann haben wir die Ehre, einen Teil des Empfangskomitees für Jeschko Soulié zu bilden.«
»Ist das nicht der arabische Politiker ...?«
»Genau der.«
»Man kann sich seine Freunde nicht immer aussuchen«, stellte Jill fest. »Er galt doch einmal als Terrorist, oder irre ich mich?«
»Das war einmal. Inzwischen betreibt er die Annäherung an den Westen. Er gilt als gemäßigter Politiker, was ihm die Anhänger der radikalen Opposition vorwerfen. Sie wollen ihn gern aus dem Weg räumen, um ihren im Untergrund tätigen Gesinnungsfreunden ein Zeichen zur Aufmunterung zu geben. Das besagt jedenfalls die Analyse der CIA. Und unsere Lagebeurteilung sieht auch nicht gerade rosig aus.«
»So?«
»Ja. In den Staaten leben einige Hundert als radikal und militant geltende Anhänger einer Opposition, die die Abkehr vom Westen betreibt. Der Ausbildungsstand und die Logistik dieser Leute gilt als vorbildlich. Sie sind als Studenten in die Staaten gekommen. Viele von ihnen haben hier an Militärakademien studiert. Als es an die Rückkehr in die Heimat ging, sind sie hier in den Untergrund gegangen.«
»Und warum kommt Soulié nach New York?«
»Die UN hat ihn eingeladen. Er soll Gelegenheit erhalten, seine Politik zu erläutern. Vielleicht macht er Eindruck auf einige andere arabische Staaten. Wir organisieren einen ganz kleinen Bahnhof. Er trifft auf dem Floyd Bennet Field ein und genießt bis dorthin den Schutz der Navy. Aber das ist topsecret.«
»Warum erzählst du es dann einer schwatzhaften Frau?« Jill lächelte, als sie an ihrem Kaffee nippte. Sie konnte hinreißend lächeln. Ihre Beine hatte sie übereinandergeschlagen. Sie trug heute – wie meistens – einen Rock. Sie hatte Beine wie eine Revuetänzerin.
Ich hatte meinen Becher geleert und machte mich jetzt über den dritten her, den sie meinem Freund und Partner Phil Decker zugedacht hatte.
»Phil mag keinen kalten Kaffee.« Ich lächelte. Jill erwiderte das Lächeln nicht. »Du siehst mitgenommen aus, wenn ich mir die Bemerkung gestatten darf.«
»Ich fühle mich auch so. Gestresst. Ich wollte euch bitten, ein Auge auf die Blytons zu richten. Ich habe da so ein Gefühl ...« Sie erzählte von Hank Blytons Reaktion, als sie bei ihm aufgekreuzt war, um die kleine Tochter abzuholen. »Es hat ihn schwer getroffen, glaube ich.«
»Und du glaubst, er könnte durchdrehen?«
»Er ist schon durchgedreht, wenn du mich fragst.«
»Befindet er sich in psychiatrischer Behandlung?«
»Ich hatte nur den Auftrag, das Kind zu holen!«, sagte Jill aufbrausend.
»Ist ja schon gut, Jill.«
»Ach, entschuldige. Und sei nicht so herablassend! Ich habe das Mädchen geholt und der Mutter übergeben. Ich habe mir die Mühe gemacht und bin am zuständigen Revier vorbeigefahren und habe darauf bestanden, dass ein Vermerk ins Schichtbuch kommt. Das Haus, in dem die Mutter lebt, wird im Rahmen des Sonderstreifendienstes während der nächsten Tage angefahren.«
»Du hast eine Menge getan«, sagte ich.
»Man ist hilflos. Das Urteil ist ein glattes Fehlurteil. Das Kind hätte beim Vater bleiben müssen.«
»Jill ...«
»Es wurde nur deshalb der Mutter zugesprochen, weil die Verhandlung in New York stattfand. Hank Blyton ist nach Rhode Island gezogen, weil er dort einen guten Job erhalten hat und seine Familie aus New York wegholen wollte. Er wusste nicht, dass seine Frau nie die Absicht hatte, ihm zu folgen.«
»Verstehe.«
»Sie hat ihm was vorgemacht, verstehst du? Und vor Gericht hat sie behauptet, er habe sie verlassen. Aber was rege ich mich auf! Ich bin nicht das Gericht. Manchmal glaube ich, ich sollte mein Jurastudium wiederaufnehmen und eine Laufbahn am Jugend- oder Familiengericht einschlagen. Na, vielleicht tue ich es eines Tages.« Sie stand auf. »Ich muss mich beeilen, Jerry. Ich fliege mit Vic und den Boys nach Hampton. Sie nehmen dort an einem Schwimmwettkampf teil.«
Ich stand ebenfalls auf. »Grüß Vic, unbekannterweise«, sagte ich. Vic McGowan, der Coach einer Schwimmmannschaft der New York University, war Jills Schwarm. »Fliegt ihr Linie?«
»Nein, Charter. Vic hat da was organisiert. Galaxy Air. Haben ein gutes Angebot gemacht, glaube ich.«
»Dann guck dir die Maschine lieber an, bevor du einsteigst«, unkte ich.
»Du kannst mir meinen Trip nicht madig machen, Jerry. Grüß Phil. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende.«
»Dito.«
»Und vergesst mir die kleine Blyton nicht!«
2
Jill atmete auf, als der blaue Dodge-Bus vor einem Nebengebäude des Newark Airport hielt und der Fahrer die Schiebetüren öffnete. Laut durcheinander redend, sprangen die jungen Leute heraus. Vic verschaffte sich energisch Platz, um ihr die Hand zu reichen, aber Paul Torrey, ein hünenhafter Athlet mit ausladenden Schultern, kam ihm zuvor. Paul Torrey konnte kaum älter als einundzwanzig sein. Sein dunkles Haar war wie bei allen aktiven Mitgliedern des Teams kurz geschnitten. Er hatte tief liegende Augen, in denen verhaltene Leidenschaft schwelte. Verwirrt ließ sie sich von ihm aus dem Bus helfen, und sie nickte ihm dankend zu.
»Das war nett, Paul, danke.«
Vic zog sie zur Seite, etwas aus dem Getümmel heraus.
»Mein Gepäck«, sagte sie atemlos.
»Die Jungs sind ganz wild darauf«, sagte Vic. »Komm mit. Wir gehen schon zur Abfertigung.«
Das Büro der Galaxy Air bestand aus einem Warteraum mit einfachen Holzbänken und drei winzigen verglasten Bürokäfigen. Im vorderen Raum, der auch vom Warteraum einzusehen war, flimmerte ein Fernsehmonitor mit den Nummern der aufgerufenen Flüge.
Lärmend zog das ganze Team hinter Vic und Jill her.
Vic hielt ihr die Tür geöffnet, und sie betrat den Warteraum. Ihr Blick fiel auf drei junge Männer, die in lässiger Haltung nebeneinander auf einer Bank saßen. Ihre großen Reisetaschen oder Segeltuchsäcke lagen am Boden.
Eine Angestellte in einem knallgelben Kostüm kam aus dem mittleren Büro.
»Ich bin Susan Bredeck, und Sie sind sicher Mister McGowan.« Sie lächelte Vic an.
Alle Frauen lächeln, wenn sie Vic sehen, dachte Jill Trent erheitert. Vics Äußeres ließ in ihm einen Sonnyboy, sogar einen Playboy, vermuten. Er war groß und schlank. Die breiten Schultern verrieten den ehemaligen Leistungsschwimmer. Sein schmales, scharf geschnittenes Gesicht mit dem dünnen Mund und der geraden Nase sah ungemein männlich und unverschämt gut aus.
Jill kannte ihn besser. Sie wusste, dass er ein ernsthafter, eher zur Nachdenklichkeit neigender Mann war. Seine Freizeit widmete er dem Schwimmteam der New York University. Diese Aufgabe verlangte viel Enthusiasmus, denn Schwimmen war in einer Stadt wie New York nicht gerade populär. Entsprechend knapp waren die Trainingsmöglichkeiten, und die bisher nicht gerade üppigen sportlichen Erfolge ließen die Gelder auch nicht reichlicher fließen, die man brauchte, wenn man sich an Wettkämpfen beteiligen wollte. Wettkämpfe wiederum waren für ein Team lebensnotwendig, weil sie Vergleichsmöglichkeiten brachten und Herausforderungen darstellten. Es war ein Teufelskreis.
Glücklicherweise nahm Vic diesen Teil seiner Aufgabe nicht übermäßig ernst. Sein Ehrgeiz, es mit dem Team zu etwas zu bringen, war vorhanden. Aber er neigte nicht zu Übertreibungen. Trotzdem hätte sie es manchmal lieber gesehen, wenn er ihr etwas mehr von seiner Freizeit gewidmet hätte. Er arbeitete als Assistent in der Bibliothek der Universität, womit er ein paar Dollars verdiente. Der Job war eigentlich ein Halbtagsjob, aber er brachte oft mehr als vierzehn Stunden am Tag in der Bibliothek zu, weil er dort am ehesten Ruhe und Zeit für seine Dissertation über die Wertungsprinzipien in Ralph Emersons Prosaschriften fand.
»Wie viele Personen sind Sie jetzt?«, erkundigte sich Susan Bredeck. »Sie haben zwölf angegeben. Bleibt es dabei?«
»Wir sind dreizehn«, sagte Vic und lächelte Jill an.
Welch ein Glück, dachte sie, dass ich nicht abergläubisch bin.
»Na, wenn das man gut geht«, unkte Billy Evans prompt.
Die Frau von Galaxy Air lächelte unentwegt. Sie winkte in die Richtung, wo die drei jungen Männer auf der Bank saßen. Sie standen auf und kamen näher. Sie trugen Jeans und Turnschuhe, leichte Hemden und weite Jacken. Wie Uniformen, schoss es Jill durch den Kopf. Einer der drei, ein Junge mit beinahe weiblich anmutenden, weichen Gesichtszügen und seidigen Wimpern, schob sich in den Kreis.
»Dieser Gentleman und seine Freunde müssen unbedingt heute noch nach Salisbury, Maryland, unglücklicherweise sind alle geeigneten Charakterflüge ausgebucht. Weil Ihre Maschine nicht ganz ausgelastet ist, und Salisbury auf dem Weg liegt, wollte ich Ihnen den Vorschlag machen, die Gentlemen mitzunehmen. Die Swearingen Metro verfügt über zwanzig Sitzplätze, die Sie ja alle bezahlen. Die Gentlemen sind bereit, den Preis für einen eigenen Charterflug mit Pilot – vierhundertfünfzig Dollar – zu bezahlen, während wir Ihnen für die Zwischenlandung keine Extrakosten außer den Landegebühren in Salisbury in Rechnung stellen.«
Jill sah den jungen Mann mit den seidigen Wimpern an. Er bemerkte ihren Blick und lächelte. Ich habe heute meinen guten Tag, dachte sie amüsiert. Jetzt interessieren sich schon drei Männer für mich, von denen zwei immerhin wesentlich jünger sind.
Vic zögerte.
»Mensch, Coach!«, schrie Billy Evans. »Die Bucks können wir brauchen! Dann machen wir am Sonntag einen drauf!«
Einige andere stimmten lebhaft zu. Vic sah Jill an.
»Lass mich raus«, sagte sie. »Ich bin nur euer Gast.« Sie hatte darauf bestanden, ihren Anteil am Flug – siebzig Dollar – in die Kasse des Teams zu zahlen, obwohl Vic argumentiert hatte, der Flugpreis wäre in jedem Fall angefallen, ob sie nun mitflog oder nicht.
Vic richtete seinen Blick auf den Jungen mit den seidigen Wimpern.
»Ich heiße Stone, Herb Stone. Das sind meine Freunde Kip und Shackwood. Wir wären ja mit Linie nach Baltimore oder Washington geflogen, aber es ist fraglich, ob wir dort am Wochenende einen Piloten für den Hüpfer über die Bucht gefunden hätten.«
»Tja«, meinte Vic unschlüssig.
»Mensch, Coach, vierhundertfünfzig Dollar!«, schrien zwei, drei Jungs gleichzeitig.
»Unsere Eltern erwarten uns«, sagte Herb Stone bescheiden.
»Na schön«, meinte Vic. »Gebt uns dreihundert Dollar und bezahlt die Landegebühr in Salisbury. Das ist nur fair.«