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Kein Geheimnis ist der Kampf der beiden Supermächte um die Vorherrschaft im Weltraum. Ein Geheimnis höchsten Ranges aber waren die amerikanischen Pläne für einen Satelittenkiller. Ausländische Agenten bedrängten den Sicherheitschef im Pentagon, Jeff Counter, ihnen die Pläne zu beschaffen. Erst boten sie Geld. Immer mehr. Unsummen! Dann drohten sie. Am Schluss wandten sie nackte Gewalt an. In diesem Augenblick griff eine Person ein, die alle fürchteten. Sie war schön wie die Sünde und kalt wie der Tod - die Mitternachtslady.
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Seitenzahl: 201
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Mitternachtslady
Vorschau
Impressum
Mitternachtslady
Kein Geheimnis ist der Kampf der beiden Supermächte um die Vorherrschaft im Weltraum. Ein Geheimnis höchsten Ranges aber waren die amerikanischen Pläne für einen Satelittenkiller. Ausländische Agenten bedrängten den Sicherheitschef im Pentagon, Jeff Counter, ihnen die Pläne zu beschaffen. Erst boten sie Geld. Immer mehr. Unsummen! Dann drohten sie. Am Schluss wandten sie nackte Gewalt an. In diesem Augenblick griff eine Person ein, die alle fürchteten. Sie war schön wie die Sünde und kalt wie der Tod – die Mitternachtslady.
1
Die Tür traf Loreen Kayser an der Schulter und schleuderte sie beiseite. Sie stieß einen gellenden Schrei aus.
»Achtung, Jeff!«
Klatschend fiel die Tür ins Schloss.
Der zweite Mann hatte die Apartmentwohnung betreten. Er stand kaum mehr als einen Schritt von Loreen entfernt, hielt eine 38er Automatic in der Faust, und der Lauf zielte auf ihren Kopf.
»Egal, was du früher auch für Wunderdinge vollbracht haben magst, Counter, du kannst nicht schnell genug sein, um die Kugel aufzuhalten, die deine Freundin töten wird!«
Der dunkelhaarige Mann, der sie mit der Waffe bedrohte, stieß die Worte wie einen einstudierten Text hervor. Die Schweißperlen auf seiner Stirn zeugten davon, wie nervös er war.
»Du hast gehört, was mein Freund gesagt hat«, keuchte im Wohnzimmer der Mann, der die Wohnung als Erster betreten hatte und gleich durchgestartet war.
Beim ersten Schrei von Loreen hatte Jeff Counter, ehemaliger CIA Agent, reagiert. Er hatte sich von der Couch auf den Teppich gleiten lassen und hielt seine Waffe schussbereit in der Faust, als der gedrungene rothaarige Mann den Wohnraum stürmte.
Nun stand der Kerl in der offenen Tür. Die Hand mit der Parabellum war so weit hinuntergesunken, dass die Waffe für Counter keine Gefahr mehr darstellte. Obgleich der Rothaarige in die Mündung von Counters 38er blickte, hatte sich sein Gesicht zu einem breiten Grinsen verzogen.
Counter wuchtete sich hoch. Starr blickte er an dem Rothaarigen vorbei auf Loreen, die von dem zweiten Mann in eine Position hinter dem Rothaarigen geschoben worden war. Der Dunkelhaarige klebte regelrecht an ihr. Im Grunde war kaum mehr von ihm zu sehen als die Waffe, die er an Loreens Kopf presste.
Die Situation war eindeutig. Der Rothaarige hatte wirklich gut lachen. Was immer Counter in diesem Moment unternahm, alles würde mit dem Tod von Loreen enden.
Die Männer waren Profis wie Counter. Nur standen sie auf der anderen Seite. Jeder wusste, worum es ging. Der Einsatz war hoch genug, um eine unschuldige Frau zu erschießen, wenn es einen Vorteil brachte.
Counters Schultern fielen nach vorn. Resignation breitete sich in ihm aus. Knirschend mahlten seine Zähne übereinander, als er die Waffe sinken und schließlich zu Boden fallen ließ.
»Jeff, ich ...«
Counter schüttelte den Kopf.
»Keine Angst, Darling«, sagte er, während er inständig hoffte, Loreen würde das alles in ihrem Zustand durchstehen.
Unter dem dünnen weißen Leinenkleid wölbte sich gut sichtbar ihr Leib. Jeder konnte auf den ersten Blick erkennen, dass sie bald ein Baby erwartete.
»Keine Angst«, wiederholte Counter beruhigend.
Der Rothaarige kicherte. Der Dunkelhaarige, der Loreen mit der Automatic bedrohte, stimmte mit einem abgehackten Lachen ein.
»Dein Freund weiß, worauf es ankommt«, sagte der Rothaarige. »Er hängt an dir und dem Kind, das du bald zur Welt bringen wirst. Also wird er nichts unternehmen, was dir schaden könnte, Loreen. Stimmt's, Jeff?«
Counter nickte, ohne den Kerl anzusehen. Sein Blick ruhte auf Loreen.
»Der Mann hat recht, Loreen. Ich weiß, was sie wollen. Ich werde es ihnen geben. Dir wird nichts geschehen.«
Sie nickte, doch ihre schreckensweiten Augen straften diese Kopfbewegung Lügen.
»Wir werden mit deinem Mädchen verschwinden, Counter. Du hast genau vierundzwanzig Stunden. Wenn sie verstrichen sind, will der Boss das Geschäft nicht mehr.«
Die Stimme des Rothaarigen klang sachlich kühl. Seine Augen waren wie zwei Eiskristalle, die schmalen Lippen bewegten sich beim Sprechen kaum.
»Vierundzwanzig Stunden, Counter. Haben wir uns verstanden? Ich meine, hast du begriffen, dass danach nichts mehr geht?«
»Dann legen wir deine schöne blonde Freundin um«, sagte der Mann, der Loreen bedrohte.
Der Kerl verstärkte den Druck seiner Waffe, dass Loreen leise aufstöhnte.
»Mein Gott, Jeff! Wer sind die Männer? Und was wollen sie von dir?«
Bevor Jeff Counter darauf antworten konnte, zog der Dunkelhaarige Loreen in den schmalen Flur zurück.
Unwillkürlich trat Counter einen Schritt nach vorn. Er war zu sehr auf Loreen konzentriert, um den Fuß des Rothaarigen zu sehen, der in seine Richtung schwang.
Counter wurde zwischen den Beinen getroffen. Stöhnend brach er in die Knie. Sekundenlang blieb er atemlos knien und versuchte, gegen den Schmerz anzukämpfen, der so heftig war, dass er ihn an den Rand einer Ohnmacht trieb.
»Bemüh dich nicht, Jeff«, sagte der Rothaarige höhnisch. »Wir finden allein raus. Morgen um fünf kriegst du einen Anruf. Um acht sehen wir uns dann wieder – oder auch nicht. Es kommt darauf an, wie sehr du an deinem Mädchen hängst und an dem Kleinen, den sie von dir bekommt. Enttäusche die Kleine nicht, Jeff. Sie setzt alle Hoffnungen in dich.«
Noch immer fehlte Jeff Counter die Luft, um antworten zu können. Von unbändiger Wut und Schmerzen gepeinigt, sah er, wie der Dunkelhaarige draußen im Flur einen hellen Wettermantel um Loreens schmale Schultern legte und sie aus der Wohnung hinausschob.
In der Tür wollte sich Loreen umdrehen. Ein Stoß in den Rücken beförderte sie nach draußen, bevor sie Jeff Counter einen letzten Blick zuwerfen konnte.
Sekunden später war auch der Rothaarige verschwunden. Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.
Atemlose Stille herrschte.
Counter richtete sich stöhnend auf, tat einen Schritt nach vorn und lehnte sich stützend gegen die Wand neben der Tür.
Alles, was geschehen war, kam ihm vor wie ein böser Traum. Völlig unwirklich. Erst als er zum Fenster taumelte und auf die vom kalten Neonlicht überflutete Straße hinabschaute, wusste er sicher, dass es kein Traum gewesen war.
Dort unten tauchten die beiden Männer zusammen mit Loreen auf. Sie hatten sie in die Mitte genommen und bewegten sich so eng neben ihr, dass sie nicht den Hauch einer Chance hatte, ihnen zu entfliehen.
Counter presste das Gesicht gegen die Fensterscheibe. Er fühlte sich leer und ausgebrannt und so hilflos, wie er sich zuletzt als kleines Kind vorgekommen war.
Obgleich er die Folgen hätte voraussehen müssen, hatte er seine Karte überreizt. Die Leute, mit denen er sich abgegeben hatte, ließen sich nicht beliebig lange hinhalten und ausnehmen.
Durch den Regen, der gegen die Scheibe peitschte, sah Counter nur verschwommen, dass Loreen Kayser einen letzten Blick zu diesem Fenster heraufschickte. Schon zerrte man sie in den Fond einer schwarzen Limousine, die sofort startete.
Counter sah die roten Rückleuchten im Dunstschleier des Regens kleiner werden und schließlich verschwinden, bevor er sich vom Fenster abwandte und sich in einen Sessel sinken ließ.
Erst in diesem Moment wurde ihm bewusst, worauf er sich eingelassen hatte. Es gab keinen Weg zurück. Entweder tat er, was man von ihm verlangte, oder man würde zuerst Loreen und anschließend ihn töten.
Counter kannte Mal Angelo und einige andere Leute, die mit dem Syndikat in Verbindung standen. Aber er hatte keinen Schimmer, wer wirklich an den Fäden zog. Das Syndikat war so verschachtelt, dass niemand sich auskannte.
Counter strich sich über die Haare. Tränen rannen über sein Gesicht, als er an Loreen dachte und an das ungeborene Kind.
»Sie werden sie töten«, sagte er leise zu sich. Mit dem Handrücken wischte er die Tränen weg. »Sie werden Loreen töten.«
Er nickte, stand aus dem Sessel auf und ging zur Hausbar. Counter trank und rauchte schon lange nicht mehr. Jetzt zündete er sich eine Zigarette an und schüttete sich das Whiskyglas so voll, dass die Flüssigkeit überschwappte, als er das Glas zum Mund führte.
»Ich werde einen Weg finden und ihnen zuvorkommen«, sagte er, als er das Glas wieder abstellte. »Ich werde es schaffen!«
Counter drückte die Zigarette aus und hob die Waffe auf, die er fallen gelassen hatte. Er wog das schwere Eisen in der Hand und legte es schließlich neben das Telefon. Seine Finger zitterten, als er die Wählscheibe drehte.
Sekunden verstrichen, bis sich jemand meldete.
»Mal Angelo!«, verlangte Counter mit fester Stimme.
»Ist nicht im Haus.«
Counter stieß ein abgehacktes Lachen aus. »Jeff Counter spricht. Sag Angelo, ich warte genau dreißig Sekunden. Wenn er sich bis dahin nicht gemeldet hat, hat er die Sache vermasselt. Dann kann er sich gleich einen Sarg kaufen.«
Am anderen Ende der Leitung stieß der Mann einen Fluch aus. Nicht mehr als zehn Sekunden verstrichen, dann meldete sich Mal Angelo.
»Bist du verrückt, Counter?«, fragte der Geldverleiher des Syndikats mit heiserer Stimme.
»Deine Freunde haben sich Loreen geholt, Mal! Ich weiß nicht, wer dahintersteckt. Ich kenne nur dich und einige andere Männer. Du hast mir das Geld gegeben, das sie nun auf diese schmutzige Art und Weise zurückhaben wollen.«
»Ich weiß nicht, was du willst.«
»Wenn etwas schiefläuft, Mal, wenn jemand falschspielt, werde ich mich an dich halten. Und wenn es mich erwischt, wird jemand anders da sein, der dich zur Hölle schickt.«
Einige Atemzüge lang herrschte Stille in der Leitung.
»Okay, Counter«, sagte Mal Angelo dann. »Okay. Ich kenne die Abmachungen nicht. Halte du dich an deinen Teil, dann werden die anderen sich auch daran halten.«
»Das hoffe ich für dich, Angelo!«
Counter legte auf. Er fühlte sich nicht einmal besser, als er daran dachte, wie der übergewichtige Geldverleiher in diesem Moment schwitzte.
In diesem Spiel hatte er die schlechteren Karten. Die Trümpfe hatte die Gegenseite für sich reserviert. Und der größte Trumpf, der Joker in diesem Spiel, hieß Loreen Kayser.
Counter trat ans Fenster zurück. Der Regen hatte nachgelassen. Was jetzt auf die Stadt niederging, sah im Widerschein der Lichter aus wie feiner Staub, der sich langsam dem Asphalt entgegensenkte.
Counters Gedanken drehten sich im Kreis. Er hatte Mal Angelo ein Versprechen gegeben. Nun musste er jemand finden, der es einlöste, wenn es ihn erwischte.
Counter presste die Handflächen gegen die pochenden Schläfen. Er kannte mindestens tausend Leute in dieser verdammten Stadt, aber es dauerte Minuten, bis ihm jemand einfiel, der entschlossen genug und fähig war, seinen Platz einzunehmen, wenn es Loreen und ihn nicht mehr gab.
Irgendwie hatte Counter es im Gefühl, dass das alles mit einer Riesenkatastrophe enden würde.
Franco Portillo zerbiss nervös seine Havanna, während er zum beleuchteten Swimmingpool schaute, in dem eine rothaarige Frau ihre Runden drehte. Seit mehr als zehn Minuten schwamm sie stur von einem Ende des Beckens zum anderen, ohne dabei auch nur einen Blick in seine Richtung zu werfen. Sie gab ihm das Gefühl, dass er Luft für sie war.
Das war neu für ihn, denn solange sich Portillo zurückerinnerte, fiel ihm keine Frau ein, die ihm jemals widerstanden hatte.
Dabei war er kein besonders schöner Mann. Aber er war reich, besaß Einfluss und verfügte über Beziehungen, die eine Frau brauchte, wenn sie in dieser Stadt Karriere machen wollte. Von den Studios bis zu den großen Werbeagenturen gab es keine Tür, die Franco Portillo nicht aufstoßen konnte.
Er stand auf. Die Havanna ließ er achtlos neben sich auf den Rasen fallen. Er strich die Haare zurück, ging zum Beckenrand und blieb dort stehen.
Jetzt wandte die junge rothaarige Frau ihm zum ersten Mal das Gesicht zu. Angestrahlt von den bunten Unterwasserscheinwerfern, lag ein weltfremder Ausdruck auf ihren Zügen. Sie lächelte, hob die Hand mit einer müden Bewegung aus dem Wasser und winkte ihm zu.
»Ich brauche das, bevor ich zu Bett gehe, Franco«, sagte Brenda McCain mit sanfter, einschmeichelnder Stimme. Ihre vollen roten Lippen teilten sich, und eine Reihe weißer Zähne blitzte auf.
Wie ein Raubtier auf Beutefang, dachte Portillo und ließ sich am Beckenrand nieder.
»Ist noch jemand im Haus, Franco?«
Portillo schüttelte den Kopf. »Alle haben sich brav verabschiedet, wie es sich gehört, Brenda. Ich habe auch das Personal weggeschickt. Die Leute kommen morgen etwas früher, um Ordnung zu schaffen.«
»Ich mag es nicht, wenn jemand über Personal verfügt, das ich bezahle«, antwortete die junge Frau ärgerlich. Mit kräftigen Schwimmbewegungen kam sie zum Beckenrand und hielt sich dort fest. »Hilf mir, Franco!«
Portillo ergriff die Hand, die Brenda McCain ihm entgegenstreckte. Er zog sie mit einem kräftigen Ruck aus dem Wasser. Erst in diesem Moment dachte er wieder daran, dass Brenda nackt zu schwimmen pflegte.
Portillo starrte auf den makellos gewachsenen Körper der großen rothaarigen Frau, für die es das Natürlichste der Welt zu sein schien, sich nackt vor einem Mann zu bewegen.
»Verdammt«, keuchte Portillo, »um ein Haar hätte ich vergessen, wie verteufelt schön du bist, Brenda.«
Unmutsfalten furchten die sonst glatte Stirn von Brenda. »Dabei ist es gerade fünf Jahre her, seit du mich in genau diesem paradiesischem Zustand in den Warner Studios mit Mike Rendall bekannt gemacht hast. Mike hatte damals versprochen, einen Topstar aus mir zu machen. Er hat sein Versprechen nicht gehalten. Du hast ihn gezwungen, mir für jede Nacht, die er mit mir verbrachte, zehntausend Dollar zu zahlen. Das machte damals eine halbe Million. Rendall bezahlte, und wir beide verlebten einen Traumurlaub auf Hawaii.«
Portillo nickte nachdenklich. Er erinnerte sich gut.
Er hatte Brenda in einer Bar kennengelernt. Eine Frau, die ihn mit ihrer Jugend und ihrer Schönheit gleich in ihren Bann geschlagen hatte. Tausend andere Frauen hätte er haben können. Er wollte sie. Sie machte es ihm nicht leicht. Nächtelang wartete er vor ihrer schäbigen Wohnung auf sie. Er musste mit ansehen, wie sie ihre Gunst anderen Männern schenkte und ihn übersah. Sie spielte so lange mit ihm, bis er einem ihrer Kavaliere von seinen Freunden auf die Finger klopfen ließ.
Von diesem Moment an gab es für Brenda keinen anderen Mann als ihn. Beide wussten sie, dass aus ihrer Beziehung nichts anderes werden konnte. Er war verheiratet. Zwar nicht glücklich, aber in seinen Kreisen trennte man sich nicht. Es war eine wilde Zeit gewesen. Wild und verrückt.
Portillo hatte nicht eine Minute vergessen. Auch nicht die Sache mit Mike Rendall, der dummen kleinen Mädchen eine Karriere vorgaukelte, nur um sie ins Bett zu kriegen. Er hatte Rendall die Sache mit Brenda gründlich versaut und ihr mit einer halben Million ein Startkapital in die Hände gespielt, aus dem sie eine ganze Menge gemacht hatte. Einige Nightclubs gehörten ihr. Sie war an mehreren Boutiquen beteiligt und spekulierte über einen bekannten Broker an der Warenterminbörse.
Sie war eine Frau, die es geschafft hatte. Im Grunde hatte sie sich kaum verändert. Sie war unberechenbar geblieben. Immer auf dem Sprung, immer auf der Suche. Portillo hatte den Eindruck, sie wäre ständig auf der Suche. Wonach, wusste sie selbst nicht einmal.
»Hast du das alles vergessen, Franco?«
Portillo wurde aus seinen Gedanken aufgeschreckt. Er schüttelte den Kopf.
»Natürlich nicht, Brenda«, antwortete er. Er streckte eine Hand nach ihr aus. Seine Fingerspitzen berührten ihre Brust.
Portillo sah es in ihren grünen Augen aufblitzen. Er kannte diese Reaktion von früher. Sie deutete an, dass sie es kaum noch erwarten konnte, in die Arme genommen zu werden.
Als Franco Portillo sie an sich ziehen wollte, wich sie zurück. »Nicht, Franco. Es ist nicht gut, alte Zeiten heraufzubeschwören. Es wird niemals wieder so, wie es gewesen ist.«
Portillo schaute sie entgeistert an. Er brauchte einige Sekunden, bevor er begriff, dass Brenda ihn mit ihrer Bewegung und zusätzlich mit ihren Worten abwies, und das alles mit einem so aufreizenden Lächeln auf ihrem schönen Gesicht, wie er es lange von keiner Frau mehr gesehen hatte.
»Was soll das, Brenda?«, fragte er mit heiserer Stimme. »Du hast die anderen nach Hause geschickt, um mit mir allein zu sein. Versuch nicht, mir Theater vorzuspielen! Sag mir, was du willst! Du bekommst es. Nur sag nicht, dass es zwischen uns beiden nichts mehr gibt als ein paar verwaschene Erinnerungen, die sich nicht aufzufrischen lohnen. Was willst du, Brenda?«
Diesmal wich Brenda nicht zurück. Sie zitterte, als Portillo seinen Arm um sie legte und sie folgte ihm, als er sie an sich zog. Ihre Lippen öffneten sich unter seinem fordernden Kuss. Im nächsten Augenblick ließ sie sich stöhnend neben ihn auf den Rasen gleiten.
»Genau wie damals«, sagte Portillo. »Wie damals, Brenda.«
Seine Lippen senkten sich auf ihren straffen Busen, den sie ihm willig entgegen hob. Minuten verstrichen, in denen nur ihr keuchender Atem zu hören war. Dann, als seine Hände fordernder wurden und über ihren flachen Leib nach unten strichen, drehte sich Brenda erneut von ihm weg. Mit katzengleichen Bewegungen stand sie auf und schleuderte sich die langen roten Haare in den Nacken.
»Ich frage mich, ob du noch immer der gleiche Mann von damals bist, Franco. Ein Mann, der einen anderen dazu zwingen kann, eine halbe Million Dollar für einige schöne Stunden mit mir zu zahlen.«
Auch Portillo erhob sich.
»Verdammt«, stieß er wild hervor. »Sag mir, was du willst, Brenda McCain! Verlange es, und ich werde es möglich machen!«
»Alles, Portillo?«
»Alles, wenn es mich nicht ruiniert.« Portillo strich sich über die Haare. Unter seinem schweren Atem hob und senkte sich sein Brustkorb. »Ich hätte nicht nach Los Angeles kommen dürfen. Ich habe gewusst, dass ich mit dir wieder da anfangen würde, wo wir aufgehört haben. Was verlangst du?«
»Ich brauche Hilfe, Franco! Leute, die sich für mich notfalls in Stücke schießen lassen würden. Leute, die keine Fragen stellen und alles tun, was ich vielleicht von ihnen verlangen würde. Verstehst du?«
Portillo verstand gar nichts, aber er nickte ernst. »Ich bin so ein Mann, Brenda. Du kannst über mich verfügen. Was soll ich tun?«
»Hast du eine Waffe, Franco?«
Portillo zuckte zusammen. Früher hatte er eine Waffe getragen und sie auch benutzt. Heute besaß er Geld und Macht. Er hatte festgestellt, dass Geld und Macht wirkungsvollere Waffen waren als ein Schießeisen.
Brenda lachte auf. »Wenn du jemand für mich erschießen solltest, Franco, würdest du es tun?«
Portillo rieb sich die Augen. »Darüber sollte man keine Witze machen, Brenda.«
Noch bevor Brenda den Kopf schüttelte, wusste Portillo, dass sie keine Witze machte. Brenda McCain meinte es ernst.
»Würdest du jemand für mich erschießen, Franco?«, wiederholte sie ihre Frage mit einer Ruhe, die Portillo frieren ließ.
»Wahrscheinlich würde ich es nicht selbst tun, Brenda«, antwortete er.
Brenda nickte. Sie trat ihm einen Schritt entgegen und blieb so dicht vor ihm stehen, dass ihre Brustspitzen sein Hemd berührten. Ihr warmer Atem traf sein Gesicht. In ihren grünen Augen lag wieder jenes begehrliche Flackern, das ihn um den Verstand brachte.
»Ich mag dieses Spiel nicht, Brenda.« Seine Stimme klang rau und kratzig.
»Ich will den Mann kennenlernen, den du mit einem Mord beauftragen würdest, wenn ich dich darum bitte, Franco. Das ist alles. Ist das zu viel verlangt?«
Schweißtropfen perlten von Portillos Stirn, rannen über sein Gesicht, über seinen Hals und versickerten im Hemdkragen.
»Du wirst nichts damit zu tun haben, Franco. Du nennst mir den Namen des Mannes und sagst mir, wo ich ihn treffen kann, okay?«
»Ich muss wissen ...«
Weiter kam Portillo nicht. Brenda schlang die Arme um seinen Nacken, presste sich an ihn und verschloss seine Lippen mit einem langen Kuss.
»Gehen wir ins Haus, Franco«, sagte sie, als sie sich von ihm löste. »Ich weiß, dass du mir keinen Wunsch abschlagen kannst. Ich weiß, dass du ein Mann bist, der seine Versprechen einlöst. Komm mit. Ich will herausfinden, ob du auch sonst der gleiche Mann geblieben bist, den ich einmal geliebt habe.«
2
Nach mehr als einer Woche hatte die Staatsanwaltschaft die Leichen von Loreen Kayser und Jeff Counter freigegeben.
Die Beerdigung fand auf einem Friedhof in Montebello statt. Ein ungewöhnlich heißer Mittag. Wer es einrichten konnte, hielt sich im Schatten auf. Aber Trauer war nicht der einzige Grund für die kleine Gemeinde, die sich eingefunden hatte, um von zwei Menschen Abschied zu nehmen, deren sinnloses Sterben bislang niemand richtig begriffen hatte.
Lieutenant Ken Walker und Sergeant Derringa standen abseits des aufgeworfenen Erdhügels. Lustlosigkeit stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
»Sinnlos«, sagte Derringa und zog sich die zu weite Gürtelhose über den beginnenden Bauchansatz. »Total sinnlos. Oder glaubst du, die Mörder, die die beiden auf dem Gewissen haben, lassen sich hier blicken und schlagen sich anklagend vor die eigene Brust?«
Walker verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen. Mit einer fahrigen Bewegung nahm er seinen Hut ab, rieb sich den Schweiß von der beginnenden Glatze und setzte den Hut wieder auf.
»Scheiße«, sagte er und drückte damit das aus, was Derringa blumenreich umschrieben hatte. Gleichzeitig nickte er in die Runde. »CIA-Leute, FBI und vielleicht noch welche von deren übergeordneten Vereinen, Derringa. Also so viele wache Augen, dass wir getrost schlafen können, verdammt.«
Derringa kramte nach den Zigaretten. Er zündete sich ein Stäbchen an und kümmerte sich nicht um den vorwurfsvollen Blick, den Walker ihm zuwarf. Wütend stieß er den Rauch in die flirrende Hitze und zog mit dem Hacken Rinnen in den staubigen Boden, der seit vielen Wochen kein Wasser mehr gesehen hatte.
»Verschwinden wir«, sagte Derringa.« Wir sind ohnehin nur noch pro forma in diesem Fall. Hauen wir ab, Ken.«
Walker nickte. In dem Moment, als er sich abwenden wollte, hielt die dunkle Limousine auf dem staubigen Weg am Kopfende des aufgeworfenen Grabs. Zwei Männer stiegen aus, rückten sich die Hüte zurecht, umrundeten den Wagen und holten einen großen Kranz aus dem Kofferraum. Weiße und rote Rosen in einer Vielzahl, wie Ken Walker sie lange nicht mehr gesehen hatte.
»Kennst du die Leute, Derringa?«
Derringa, der sich schon zum Gehen abgewendet hatte, blieb stehen und schaute mit zusammengekniffenen Augen gegen die grelle Sonne. Nach zwei Sekunden nickte er.
»Robert Bloody und Ray Hunter«, sagte er. »Wir hatten schon mit ihnen zu tun, bevor das Syndikat zur FBI-Sache erklärt wurde.«
Walker stieß einen leisen Fluch aus. Misstrauisch beobachtete er die beiden Männer, die den riesigen Kranz andächtig zur offenen Grabstätte trugen. Vorbei an den Leuten von CIA und vorbei an den Special Agents des FBI. Sie schauten keinen an, hielten die Köpfe gesenkt und legten den Kranz auf den Erdhügel. Sorgsam glätteten sie die Schleifen, blieben für einen Moment stehen, nahmen die Hüte ab, und es hatte den Anschein, als sammelten sie sich zu einem stillen Gebet für Jeff Counter und Loreen Kayser.
»Dafür gehörten sie schon eingesperrt«, knurrte Derringa. Unwillkürlich tastete seine Rechte zur Waffe, die er am Gürtel trug.
Ken Walker wollte etwas antworten, kam aber nicht mehr dazu.
Zuerst erwischte es Bloody. Das war, als noch niemand begriffen hatte, was sich hier abspielte. Dann wuchs schon ein kleines Loch in der fliehenden Stirn des größeren Ray Hunter.
Bloody knickten die Beine ein. Er sackte lautlos in sich zusammen. Ray Hunter warf die Arme in die Luft. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in die flirrende Hitze, bevor es ihn zurückschleuderte und er in die Gruft fiel, die für Counter ausgehoben worden war.
Nichts war zu hören gewesen.
Bewegung kam in die Agents von CIA und FBI. Zwei Sekunden nachdem Hunter und Bloody gestorben waren, hatten sie die Grabstelle verlassen. Sicherlich hatten die beiden Organisationen in diesem Fall nicht zusammengearbeitet. Bestimmt hatte man nicht abgesprochen, was bei einem solchen Zwischenfall zu unternehmen sei. Aber sie handelten mit traumwandlerischer Sicherheit und verteilten sich geschickt auf dem Friedhof.
Ken Walker und Derringa blieben stehen. Als sich Derringa an der Jagd beteiligen wollte, hielt Walker ihn am Jackenärmel fest. Mit einer wütenden Handbewegung deutete er auf die umliegenden Hochhäuser. Es gab mindestens vier Wohnsilos, von denen aus man den Friedhof einsehen konnte.
»Sinnlos«, sagte Walker und schüttelte den Kopf. »Er hat von irgendeinem Fenster aus geschossen und ein Gewehr mit Schalldämpfer benutzt. Selbst wenn binnen weniger Minuten die ganze Gegend abgeriegelt werden könnte, würde es keine Chance geben, den Burschen zu schnappen. Wenigstens so lange nicht, wie wir nicht einmal wissen, wie er aussieht. Also beruhige dich, Sergeant.«
Derringa beruhigte sich schnell wieder. Er folgte Ken Walker zu den ausgehobenen Gräbern und beschränkte sich darauf, den wenigen Trauergäste klarzumachen, dass ihnen nichts passieren konnte.
Eine halbe Stunde später war die Fahndung angelaufen. Zwei Stunden später wurde sie abgebrochen. Obwohl man ein großes Aufgebot an Männern auf diesen heimtückischen Meuchelmord angesetzt hatte, zeichnete sich nicht die geringste Spur ab. Der Mörder hatte aus einem der Hochhäuser heraus geschossen und war untergetaucht, bevor die Polizei mit der Suche begonnen hatte.
Der Fall Counter, der schon zu einer Katastrophe geworden war, zog immer größere Kreise.