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Die Stadt war fest in den Händen von Verbrechern. Machtlos mussten die Einwohner dem wüsten Treiben zusehen. Selbst der Bürgermeister duckte sich vor dem Schrecken. Und dem Staatsanwalt waren die Hände gebunden ... Da schickte Mr. High mich zum Aufräumen in die geplagte City. Ob er das auch getan hätte, wenn wir gewusst hätten, dass Spallone die Stadt im stählernen Griff hatte? Spallone, der Mann, der mit Killern und Kanonen spielte, mit Politikern und Prostituierten, mit Managern und Mafiosi - Spallone, der Dompteur des Syndikats!
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Seitenzahl: 191
Veröffentlichungsjahr: 2023
Cover
Der Dompteur des Syndikats
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Vorschau
Impressum
Der Dompteur des Syndikats
Die Stadt war fest in den Händen von Verbrechern. Machtlos mussten die Einwohner dem wüsten Treiben zusehen. Selbst der Bürgermeister duckte sich vor dem Schrecken. Und dem Staatsanwalt waren die Hände gebunden ... Da schickte Mr. High mich zum Aufräumen in die geplagte City. Ob er das auch getan hätte, wenn wir gewusst hätten, dass Spallone die Stadt im stählernen Griff hatte? Spallone, der Mann, der mit Killern und Kanonen spielte, mit Politikern und Prostituierten, mit Managern und Mafiosi – Spallone, der Dompteur des Syndikats!
Amy Robinson presste eine Hand vor den Mund, als die Tür zu ihrem Zimmer unter einem kräftigen Fußtritt zersplitterte. Sie hatte abgeschlossen, aber es war eine dünne Tür, und in Chico Manzaris Haus, das wusste sie längst, gab es keinen Platz, an dem eine Frau allein sein konnte.
Charles »Chico« Manzari stieg über die zerbrochenen Latten. Hinter ihm zwängten sich seine Leibwächter durch die Reste der Tür. Sid Levin mit seinem speckig glänzenden Pfannkuchengesicht rieb sich erwartungsvoll die Lenden.
Amy wich zurück, bis sie mit dem Rücken gegen den Schrank prallte. Wimmernde Laute drangen zwischen den fest zusammengebissenen Lippen hervor.
»Was hat das zu bedeuten?«, erkundigte sich Chico Manzari mit flacher, heiserer Stimme. Seine blassen Augen huschten über das Bett.
Dort hatte Amy ihre wenigen Habseligkeiten aufgestapelt, um sie in Plastiktüten zu stopfen. Ihre Sachen bestanden im Wesentlichen aus durchsichtiger, mit Spitzen und Rüschen besetzter Reizwäsche, knappen Höschen und einem goldfarbenen Bikini. Mit dem, was sie jetzt am Leib trug – ein blauer Pullover und ein gelber Rock – war sie vor vier Monaten hier angekommen.
»Sag schon, was hast du vor?«, fragte Chico Manzari, als sie ihn nur aus weit aufgerissenen Augen ansah.
»Bitte, Mister Manzari, lassen Sie mich gehen! Ich kann nicht mehr ...«
Sie verstummte, als sie das gemeine Grinsen in Manzaris hagerem Gesicht bemerkte.
»Was hast du mir nicht alles versprochen, Amy, als ich dich damals in Pittsburgh in der Gosse aufgelesen habe! Du warst fertig, Baby, und du wärst vor die Hunde gegangen ...«
»Ich kann nicht mehr«, wimmerte Amy.
»Du kannst nicht mehr? Aber abhauen kannst du? Mir in den Rücken fallen kannst du!« Manzaris Stimme stieg zu einem schrillen Kreischen an. Er schnippte mit den Fingern und trat zur Seite. »Du kannst gehen, wenn die Jungs mit dir fertig sind. Das heißt, wenn du dann noch gehen kannst.« Manzaris Stimme klang jetzt wieder kalt. »Und wohin du dann gehst, bestimme ich!«
Aus verschleierten Augen sah er Sid nach, der um das Bett herumging. Amy wich an die Wand zurück. Sid packte ihren Oberarm. Lachend wollte er sie zu sich heranziehen. Das Lachen erstarb, als sie ihm die geballte Faust auf den Mund schlug.
Sid grunzte wütend. »Du verdammtes Miststück! Warum stellst du dich so an?«
Er holte aus. Sein behaarter Handrücken traf ihr Gesicht. Der Nasenknorpel brach, die Lippen platzten auf, und der Schmerz ließ die Tränen aus ihren Augen wie einen Sturzbach schießen.
Der Gorilla schleuderte sie aufs Bett. Amy wehrte sich nur schwach, als er ihren Rock herabzerrte und den Pullover zerfetzte. Dann warf er sich keuchend auf sie.
Fünf qualvolle Minuten vergingen. Dann rollte Sid Levin vom Bett. Während er die Hosen hochzog, sah er Tony grinsend an.
Tony Starks schluckte. Er wusste eindeutig, was Manzari von ihm erwartete. Für einen Augenblick stand ihm Sid mit seinem massigen Körper im Weg.
Amy Robinson nutzte diesen einen Augenblick, um noch einmal alle Kraftreserven in einen letzten verzweifelten Fluchtversuch zu setzen.
Sie sprang vom Bett. Ihr Mund war voll Blut. Durch die angeschwollene Nase bekam sie kaum Luft. Nur undeutlich sah sie durch ihre Tränen die Männer an der Tür. Dort gab es keine Fluchtmöglichkeit.
Sie fuhr zum Fenster herum. Der Rahmen war festgeschraubt. Nur das kleine Oberlicht ließ sich zum Lüften öffnen. In der dunklen Fläche spiegelten sich die Lichter der Lampen und die Gestalten der Männer.
Sie dachte nicht an die Tiefe jenseits der Fensterbrüstung, als sie sich gegen die Scheibe warf.
Das Glas barst unter ihrem Anprall. Inmitten eines klirrenden Scherbenregens stürzte sie aus dem Fenster.
Chico Manzari stieß einen schrillen Laut aus.
»Schnappt sie!«, kreischte er. »Ihr Idioten, greift sie euch ...«
Sid und Tony stürzten zur Tür hinaus. Manzari sprang über das Bett. Sein Fuß verfing sich in der zerwühlten Decke. Er stolperte und prallte gegen den Fensterrahmen.
Hoffentlich hat sie sich das Genick gebrochen, dachte er, als er den Kopf hinausschob.
Kühle Luft strich über sein Gesicht. Die Lichter vorn an der Zufahrt zum Hauptgebäude der Klubanlage reichten kaum bis an die Seite des Gebäudes, wo eine hohe Hecke den Fahrweg säumte, der hinter das Haus führte.
Aber Manzari sah den hellen Fleck unter dem Fenster, der sich jetzt bewegte. Nacktes Fleisch schimmerte in der Dunkelheit, als Amy Robinson wie ein verletzter Käfer auf die Hecke zu kroch.
Manzaris Hand zuckte zur Hüfte, wo die Pistole in der Klammer steckte. Doch er ließ die Waffe an ihrem Platz. Sid und Tony würden ihr den Rest geben. Jeden Moment mussten die beiden jetzt an der Seite des Hauses auftauchen.
Amys unbeholfen dahinkriechender Körper verschwand in der Hecke. Manzari hörte das Brechen von Zweigen. Er sah noch einmal den Schimmer heller Haut. Und dann stellten sich seine Nackenhaare auf.
Auf der anderen Seite der Hecke mahlte ein Anlasser. Sofort heulte ein Motor auf, und Kies prasselte unter die Radkästen, als das unbeleuchtete Fahrzeug davonraste.
Sid und Tony rannten über das dunkle Rasenstück. Sie gerieten in den hellen Lichtfleck, der durch das Fenster auf die Wiese fiel.
Sid hielt seinen Revolver in der Pranke. Als der Fahrer des unbeleuchteten Wagens die Ausfahrt erreichte und auf die Bremse trat, schimmerte blutrotes Licht durch das Laub der Hecke.
Sids Arm flog in die Höhe.
»Nicht schießen, verdammter Narr!«, schrie Manzari. Die Entfernung war viel zu groß.
Sid Levin ließ den Arm mit der Waffe sinken und wandte sein flaches Gesicht nach oben.
»Was sollen wir denn machen?«, fragte er ratlos.
Manzari antwortete nicht. Wortlos wandte er sich vom Fenster ab.
Earl Beasley, der Bezirksstaatsanwalt des Ohio County, West Virginia, stand vor der großen Karte seines Distrikts, die er mit Reißzwecken an die holzgetäfelte Wand seines Büros geheftet hatte.
»Sehen Sie sich das County an«, sagte er, wobei er mich anstarrte, als beschuldigte er mich eines Verbrechens. Er deutete auf den nördlichen Zipfel des Bundesstaats West Virginia, der sich wie ein schmaler, spitzer Keil zwischen die Staaten Ohio und Pennsylvania zwängte. Beasley zeigte auf die Stadt am Ostufer des Ohio River. »Hier, das sind wir. Wheeling, Ohio County, West Virginia.«
Der Bundesstaat Ohio erstreckte sich westlich des Ohio River. Im Osten, nur fünfzehn Meilen entfernt, lag die Grenze zum Bundesstaat Pennsylvania. Bis Pittsburgh waren es nur siebenundfünfzig Meilen.
»Hier herrscht Goldgräbermentalität«, fuhr der District Attorney fort. »In Ohio und Pennsylvania sind Glücksspiele und Prostitution verboten. In West Virginia ebenfalls. Aber vor über zehn Jahren haben ein paar dumme oder korrupte Bürgerschaftsvertreter die Errichtung von Klubs zugelassen, in denen praktisch alles erlaubt ist. Also auch Glücksspiel und Prostitution. Damit fing es an. Seit der Zeit haben wir diese Brut im County, und wir werden sie nicht mehr los. Die Polizei ist korrupt, die Verwaltung mit Vertretern des Syndikats durchsetzt. Wir haben hier im Ohio County mehr Morde als im ganzen Bundesstaat West Virginia zusammen, und die Aufklärungsquote ist niedriger als irgendwo sonst in den Staaten.«
Earl Beasley öffnete ein Fach in der Schrankwand. Ein Fernsehapparat und ein Videorecorder wurden sichtbar. Beasley schaltete das Fernsehgerät ein.
Er war ein mittelgroßer, korrekt gekleideter Mann mit glattem, sorgfältig gescheiteltem Haar. Seine straffen Wangen waren scharf ausrasiert. Der Mund mit den dünnen Lippen war fest zusammengepresst, während er auf das Aufleuchten des Bildschirms wartete.
Earl Beasley war Anfang vierzig. Der Typ des jüngeren, ehrgeizigen Staatsanwalts, der Karriere machen würde, wenn es ihm gelang, die Gangster aus dem County zu vertreiben. Falls er es überlebte ...
Sein Vorgänger war gescheitert, weil er zu eng mit dem Syndikat zusammengearbeitet hatte, das er hatte bekämpfen sollen. Ich wusste, dass Beasley allein dastand. Er kämpfte auf verlorenem Posten.
Seine Assistenten waren junge, unerfahrene Leute, die intelligent genug waren, sich nicht in einem aussichtslosen Krieg verheizen zu lassen. Seit seinem Amtsantritt vor knapp fünf Jahren hatte der District Attorney versucht, gute und unbestechliche Detectives als Mitarbeiter zu gewinnen.
Drei Jahre hatte er gebraucht, um endlich einen geeigneten Mann zu finden. Als sich der Beamte eingearbeitet hatte und seine zähe Kleinarbeit dem Syndikat lästig wurde, war er ermordet worden.
Der Staatsanwalt drückte die Wiedergabetaste des Videorecorders. Auf dem Fernsehschirm erschien ein Bild. Es zeigte die Anfahrt zu einem protzigen weißen Haus, das auf einem Hügel lag. Schlanke Säulen trugen ein Vordach, unter dem sechs livrierte Diener warteten.
»Das ist der Country Club«, erläuterte Beasley. »Fragen Sie nicht, was es gekostet hat, die Kamera im Park zu installieren.«
In der Zufahrt erschien eine Fahrzeugkolonne. Die Cadillacs, Lincolns, Bonnevilles und Deltas wurden unter dem Vordach hart gestoppt. Bevor die Livrierten Gelegenheit erhielten, die Türen zu öffnen, flogen sie ihnen schon entgegen. Zuerst sprangen die Leibwächter heraus und bauten sich neben den Wagen auf. Mit ihren breiten Schultern drängten sie die Angestellten des Country Club zur Seite.
Die verborgene Kamera erfasste die Gesichter der Männer, die jetzt ausstiegen und sich unter dem Vordach des Klubgebäudes versammelten. Beasley nannte ihre Namen und führte zu jedem von ihnen einige Informationen auf.
Charles »Chico« Manzari kontrollierte die Prostitution. Sein Bruder Aldo hatte das Glücksspiel unter sich. Ein fetter Kerl mit einem Mund voller Goldzähne hieß Joe Franchetto. Er war ein Vetter der Manzari-Brüder und beherrschte das Wuchergeschäft. Andere Männer in maßgeschneiderten Anzügen kontrollierten die Müllabfuhr im County, unterhielten Hotel- und Restaurantketten oder betrieben andere Geschäfte mit bürgerlichem Anstrich. Die schmutzigen Sachen – Rauschgifthandel und Gewaltkriminalität – überließen sie ihren nachgeordneten Gangstern. Aber sie kassierten ihre Anteile an Lagerhausdiebstählen genauso wie am Rauschgifthandel oder an Raubüberfällen.
Die Kamera schwenkte in die Zufahrt zurück und erfasste einen weißen Buick Eldorado, der gleich darauf unter dem Vordach hielt. Ein behäbiger Mann stieg aus und nickte den Gangstern gemessen zu, ohne einem von ihnen die Hand zu geben.
»Das ist der Bürgermeister«, erklärte Beasley. »Warten Sie, was jetzt geschieht.«
Der Buick Eldorado war wie die anderen Wagen zum Parkplatz hinter dem Haus gefahren worden. Der Platz unter dem Vordach war wieder frei, als die taubenblaue Limousine mit den vergoldeten Stoßstangen und getönten Scheiben in den Bereich der Kamera glitt. Behutsam bremste der Fahrer den schweren Wagen ab.
Der Bürgermeister nahm eine ehrerbietige Haltung an, als erwartete er den Gouverneur. Als die Limousine stand, sprangen zwei Leibwächter heraus. Sie trugen maßgeschneiderte Anzüge und makellose Hemden mit dazu passenden Krawatten.
Beasleys Atem ging schwerer, als der Boss ausstieg. Der Don! Der Boss des Syndikats, das den nördlichen Teil des Staats West Virginia im Würgegriff hielt.
Der Mann richtete sich auf. Er war groß. Breite Schultern spannten das weiße Dinnerjacket. Das hübsche fleischige Gesicht mit den vollen Lippen verzog sich zu einem Lächeln, als er dem Bürgermeister die Hand reichte und sie überschwänglich schüttelte.
»Das ist er«, sagte Earl Beasley. Seine Stimme klang rau. »Giulio Spallone. Er ist der Ehrengast beim jährlichen Herbstempfang des Bürgermeisters. Und er besitzt die Unverfrorenheit, seine ganze verdammte Gangsterverwandtschaft mit anzuschleppen!«
Spallone trat einen Schritt zurück. Als die Limousine, mit der er gekommen war, weiterfuhr, wurde er in seiner vollen Größe sichtbar. Er war siebenundvierzig Jahre alt, sah aber wesentlich jünger aus. Und er machte eine gute Figur.
»Ein Frauentyp«, stellte ich fest.
Beasley stieß einen verächtlichen Zischlaut aus. »Wahrscheinlich ist er impotent. Er ist Italiener – und unverheiratet!«
Ich unterdrückte ein Lächeln. Als ich Beasleys angespannten Gesichtsausdruck bemerkte, beschlich mich ein unbehagliches Gefühl.
»Ich will ihn haben«, sagte der District Attorney in verändertem Tonfall. »Ich muss ihn bekommen, verstehen Sie?«
Deshalb war ich hier. Deshalb hatte der Bezirksstaatsanwalt des Ohio County das FBI um Unterstützung gebeten. Doch ich fragte mich jetzt, ob ich genügend von den Hintergründen und persönlichen Verflechtungen wusste, um für einen Zeitraum von ungewisser Dauer einen Job im Büro des District Attorney annehmen zu können. Ein Gedanke meldete sich und ließ sich nicht vertreiben.
Hatte Earl Beasley ein persönliches Interesse daran, den Mann im weißen Jackett zur Strecke zu bringen? Wie bestimmend war sein Ehrgeiz über sein Handeln?
Natürlich hatte die FBI-Zentrale in Washington alle bekannten Tatsachen betrachtet, bevor sie ihre Hilfe zugesagt hatte.
Spallone und seine Familie beherrschten das County, das stand fest. Und jeder, der sich der Familie in den Weg stellte oder sich zu intensiv mit ihren Machenschaften beschäftigte, wurde beseitigt.
Eins der letzten Opfer war ein Journalist aus Pittsburgh. Er hatte Enthüllungen über Verbindungen zwischen der Spallone-Familie und den Behörden des Ohio County angekündigt. Bevor sein Bericht erscheinen konnte, hatte man seine Leiche aus dem Ohio River gefischt.
»Schauen Sie ihn an«, sagte Beasley gepresst. »Er hat sie alle in der Hand. Vom Bürgermeister bis zu seinen verkommenen Vettern. Wie ein Dompteur!« Spallone begrüßte seine Vettern. Als er Chico Manzari die Hand gab, sagte der Bezirksstaatsanwalt: »Chico ist die Schwachstelle. Ich weiß, dass er für den Tod von mindestens vier Frauen verantwortlich ist, die in seinen Bordellen gearbeitet haben. In allen Fällen war er selbst dabei, als die Frauen getötet wurden. Natürlich gab es nie Zeugen, die irgendetwas gegen ihn vorgebracht hätten. Aber jetzt habe ich ihn, jetzt bekomme ich ihn ...«
»Haben Sie genug für einen Haftbefehl?«, fragte ich.
»Ich habe eine Zeugin, Cotton!« Der Staatsanwalt schaltete das Fernsehgerät aus und kam auf mich zu. »Um ein Haar hätte er sie auch erwischt. Vor meiner Nase!«
»Dann sperren Sie ihn ein!«, schlug ich vor.
»Das werde ich tun, Cotton. Bei Gott, ich werde es tun!« Beasley wippte auf den Fußballen und steckte die Hände in die Hosentaschen. »Sobald mir die Zeugin zur Verfügung steht«, sagte er dann. »In etwa zwei Wochen. So lange werde ich mit ihm spielen. Katz und Maus. Bis er nicht mehr ein und aus weiß und sich zu Spallone flüchtet. Dahin will ich ihn bringen.«
Ich sah dem District Attorney ins Gesicht. Seine hellen Augen glänzten.
»Wollen Sie mir dabei helfen, Cotton?«, fragte er.
»Deshalb bin ich hier«, antwortete ich.
Verdammt, ich hätte aufstehen und gehen können. Es war ein freiwilliger Job. Ich hätte nicht einmal eine Begründung abgeben müssen. Aber ich war nun mal hier und schon zu sehr in die Sache eingestiegen. Ich hatte die Akten studiert und Vorbereitungen getroffen.
»Sie haben kaum eine Chance, in den inneren Kreis der Bande einzudringen«, sagte Beasley. »Doch man wird versuchen, Sie zu kaufen oder Ihre Schwachstellen aufzudecken. Wenn sie denken, sie hätten Sie in die Ecke gedrängt, schlagen Sie zu, Cotton. Liefern Sie mir Spallone!«
Giulio Spallone bedeutete Chico Manzari mit einer beiläufigen Handbewegung, Platz zu nehmen, während er sich über eine schwammige Blondine beugte, die auf dem schweren Ledersofa lag. Sie hatte ein Bein hochgestellt, sodass der Saum des gelben Kleids in die Höhe gerutscht war und einen weißen Schenkel den Blicken preisgab.
Behutsam nahm er der Frau das leere Whiskyglas aus der Hand und stellte es auf den Glastisch.
»Lass uns einen Augenblick allein, Cora«, sagte er mit sanfter Stimme.
Cora hob den Kopf. Sie streifte Chico Manzari mit einem Blick ihrer verschleierten blauen Augen, sagte träge »Hi, Mister Manzari« und bedachte Spallone mit einem Lächeln, das kokett wirken sollte, wegen des verschmierten Make-ups jedoch zu einer Grimasse verunglückte.
»Darling, immer muss ich verschwinden, wenn deine Freunde kommen«, klagte sie. Ihre Zunge bewegte sich schwer. »Darling ...«
Spallone zwang sie am Arm in die Höhe. Er lächelte strahlend wie ein Eroberer, als er sie durch den Raum führte. Sie war fast so groß wie er. An der Tür drehte sie sich noch einmal um und winkte Chico Manzari schlaff zu.
Manzari rührte sich nicht. Er hielt es für geraten, mit keiner Geste und keinem Wort zu erkennen zu geben, was er oder sein Bruder und die anderen von Spallones Beziehung zu dieser Frau hielten.
Spallone schloss die Tür. Mit geschmeidigen Schritten kam er auf Manzari zu, drückte ihm kurz die Schulter und zog sich dann hinter seinen Schreibtisch zurück, der wie ein Bollwerk zwischen ihnen stand und die Autorität des Bosses zu unterstreichen schien.
Giulio Spallones Brauen zogen sich zusammen und bildeten einen Strich über den tief liegenden Augen. Manzari konnte den Ausdruck in ihnen nicht deuten, als Spallone ihn musterte.
»Was machen die Geschäfte?«, erkundigte sich Spallone.
Chico Manzari grinste, als er den dicken Umschlag aus der Tasche zog und auf den Schreibtisch legte. »Bestens. Nächste Woche mache ich unten bei Cameron den neuen Klub auf. Ich habe ein paar Mädchen, sage ich dir ...« Er unterbrach sich, weil er spürte, dass Spallone kein Interesse für seinen Bericht aufbrachte.
»Was ist an dem Gerücht dran, dass der District Attorney einen neuen Detective bekommen soll?«, fragte Spallone.
Manzari überspielte seine Überraschung. »Und wenn schon, Giulio! Der Bursche rennt sich die Hacken ab ...«
»Warum erfahre ich so etwas nicht von dir, Chico?«
»Ich habe keinen Draht zum Büro des D. A. Das weißt du. Aldo und ich haben unsere Leute im Police Department und in der Verwaltung. Für das Gericht ist Joe zuständig. Er gibt doch immer damit an, wie er es mit all den Typen rings um das Gericht kann.«
»Ich habe die Information weder von Aldo noch von Joe«, sagte Spallone. »Von euch kommt nichts. Ihr werdet träge. Und eines Tages erscheint der richtige Mann, und dann, schnapp, geht die Falle zu!«
Manzari lachte sorglos. »Hast du etwa Angst vor einem Schnüffler, der direkt für Beasley arbeiten soll? Beasley hockt über seinen Akten. Und was kommt dabei heraus? Nichts, Giulio, und dabei wird es bleiben.«
»Chico, zu deinen fatalen Fehlern gehört es, dass du andere Menschen unterschätzt. Weißt du, woran das liegt, Chico? Nein? Das liegt daran, dass du dich überschätzt. Du betreibst ein paar schicke Klubs, hast ein hübsches Haus, aber du bist das geblieben, was du immer warst – ein kleiner Zuhälter.«
Chico Manzaris Gesichtsmuskeln verkrampften. Er deutete auf den Umschlag, der immer noch auf der Tischplatte lag. »Da drin sind zehntausend Dollar. Zehntausend! Von einem kleinen Zuhälter! Warum nimmst du sie? Gib sie mir zurück, und ich gebe sie jemandem, der dafür Beasley umlegt. Oder seinen neuen Detective. Oder beide.«
Spallone seufzte. »Du wirst es nie begreifen, Chico. Beasley ist ein harter, intelligenter Gegner. Ein gefährlicher Gegner.«
Chico Manzari nickte nachdrücklich. »Deshalb verstehen wir nicht, dass du ihn unbehelligt lässt, Giulio. Was wirst du tun, wenn wir alle, ich, Aldo, Joe und die anderen, der Meinung sind, dass Beasley ausgeschaltet werden muss? Wirst du es tun? Oder nicht? Weil du eine Schwäche für ...«
Manzari zuckte zusammen, als Spallone die flache Hand auf die Tischplatte schlug.
»Ich werde ihn ausschalten, wenn ich der Meinung bin, dass es nötig ist!«, sagte Spallone hart. »Er ist ein gefährlicher Gegner, aber wir kennen ihn, Chico. Das ist unser Vorteil. Deshalb werden wir das letzte aller Mittel bei ihm auch erst einsetzen, wenn es kein anderes Mittel mehr gibt. Deshalb will ich alles über den neuen Detective wissen. Alles, Chico, und ich will es von dir wissen.«
»Und dann? Willst du ihn auch zu den Fischen schicken?«, erkundigte sich Manzari lauernd.
»Vielleicht hat er eine Schwäche«, meinte Spallone.
»Meinst du, dann hätte Beasley ihn genommen?«
»Beasley hat nicht die Möglichkeiten, die wir haben«, beschied Spallone ihn. »Finde es heraus. Und streng dich an. Beasley hat es auf mich abgesehen. Doch bevor er an mich rankommt, wird er dich zur Strecke bringen.«
»Mach dir keine Gedanken, Giulio«, sagte Manzari. Er stemmte sich aus dem Sessel. Aber er ließ sich zurückfallen, als er den Blick bemerkte, mit dem Spallone ihn musterte.
»Ich habe gehört, dass du Schwierigkeiten mit einem deiner Mädchen hattest«, sagte Spallone.
Manzari spürte, wie ihm das Blut in den Hals stieg. »Schwierigkeiten? Mann, ich habe immer Schwierigkeiten. Die sind üblich in meinem Geschäft.« Zum Teufel, woher wusste Giulio Spallone von dieser Krähe, die ihn ausgenutzt hatte und die er über die Klinge springen lassen wollte?
»Du hast zu viele Schwierigkeiten, Chico. Wie kommt das? Und jetzt hast du Probleme mit einem Girl, von dem du nicht weißt, wo es steckt. Hat Beasley die Kleine?«
»Wie kommst du auf den?«, fragte Manzari aufbrausend. »Da steckt doch Joe dahinter! Verdammt, Giulio, ich habe mehr Schwierigkeiten mit Joe oder meinem Bruder Aldo als mit meinen Girls oder allen Kunden und der Polizei zusammen!«
»Kann es sein, dass Beasley das Mädchen hat?«, fragte Spallone in eisigem Ton.
»Natürlich nicht!«, antwortete Manzari. »Irgendein geiler Freier hat sie mitgeschleppt, als sie ihm vor die Füße fiel. Wahrscheinlich glaubte er an ein Geschenk des Himmels. Vermutlich nicht lange.« Er lachte hektisch.
»Wo ist sie geblieben?«
»Wo, wo! Vielleicht hat der Freier die Kleine vor einem Krankenhaus abgelegt, jenseits der Staatengrenze. Sonst hätte ich was erfahren. Oder sie verkriecht sich, wenn sie noch kriechen kann. Wenn sie noch nicht tot ist, sorge ich dafür, dass sie nicht mehr reden kann!«
»Tu es, Chico. Tu es in deinem Interesse und im Interesse deiner Vettern. Und halte mich von jetzt an über alle ungewöhnlichen Vorkommnisse auf dem Laufenden. Über alle, Chico.« Ein Lächeln erhellte plötzlich Spallones Gesicht. »Und jetzt, mein lieber Chico, reden wir nicht mehr vom Geschäft. Leistest du uns zum Abendessen Gesellschaft? Cora legt großen Wert darauf, meine Familie besser kennenzulernen.«
Chico Manzari schluckte. »Es tut mir leid, Giulio, ich habe noch eine Besprechung, die ich nicht aufschieben kann. Es geht um ...«
»Du brauchst mir nichts zu erklären, Chico«, sagte Spallone. Das Lächeln war aus dem Gesicht verschwunden, und die Augen glitzerten kalt. »Geh zu deinen Nutten. Aber pass auf, dass du keinen Fehler machst!«
Der Tanz auf dem Drahtseil begann für mich an einem dunstigen Tag, als ich die ausgetretenen Steinstufen zur City Hall von Wheeling, Ohio County, hinaufstieg.
Mein erstes Gespräch mit Earl Beasley, dem District Attorney, lag zwei Wochen zurück. Wir hatten die Zeit zu Vorbereitungen benutzt, aber mir war bewusst, dass das Netz unter meinem Seil verdammt dünn war und ein paar Riesenlöcher aufwies.
Bevor ich das Gebäude betrat, blickte ich an der grauen Sandsteinfassade hinauf. Über dem Eingang flappte die amerikanische Flagge in der schwachen Brise, die vom Fluss heraufwehte. Der Anblick versetzte mir einen Stich. Denn die Fahne wehte über dem Rathaus einer Stadt, in der Gangster das Sagen hatten.
In der düsteren Halle roch es nach Staub und Reinigungsmitteln. An den Wänden hingen bronzene Plaketten mit den Namen der Polizisten, die im Dienst ihr Leben gelassen hatten. Es waren zu viele Namen, denn es waren die ehrlichen Cops, die es erwischt hatte.
Die Kriminalabteilung lag in den oberen Stockwerken. Ich wollte mich gerade der Treppe zuwenden, als mich ein scharfer Ruf stoppte.
»He, Mister!«