Jerry Cotton Sonder-Edition 22 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 22 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Es begann in Chicago. Eine Serie von Morden, für die jedes Motiv fehlte. Dann geschahen in New York ähnliche Verbrechen. Phil und ich machten uns daran, nach Spuren zu suchen, die uns zu dem Killer führen würden. Doch das, was wir fanden, führte in die unterschiedlichsten Richtungen. Nach und nach konkretisierte sich bei mir eine schier unglaubliche Vermutung ...

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Seitenzahl: 190

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Mörder-Spiel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Film: »Straightheads«/ddp-images

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2761-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Das Mörder-Spiel

1963 startete der Bastei Verlag die Jerry Cotton Taschenbücher in Ergänzung zu der Heftromanserie, die zu diesem Zeitpunkt schon in der zweiten Auflage war.

Damals fragte der Klappentext der Taschenbücher noch: Wer ist G-man Jerry Cotton? Und gab auch gleich die Antwort:

»Er ist ein breitschultriger, gutaussehender FBI-Beamter, der sein Leben dem Kampf gegen Gangster gewidmet hat. Durch seinen Mut und seine Entschlossenheit hat er die Herzen von Millionen Lesern in mehr als 40 Ländern erobert.«

Die Jerry Cotton Sonder-Edition bringt die Romane der Taschenbücher alle zwei Wochen in einer Ausgabe.

Es ist eine Reise durch die Zeit der frühen 60er Jahre bis in das neue Jahrtausend.

1

Ich war noch keine zehn Minuten im FBI-Gebäude, als mich mein Chef, Mr High, zu sich rief.

Als ich sein Büro betrat, sah ich, dass er Besuch hatte. Es war Lieutenant Fulham von der City Police.

»Hallo, Shorty«, sagte ich, denn Fulham ist nicht allzu groß gewachsen.

»Hallo, Jerry!« Seine Miene blieb so sauer, als habe er in eine Zitrone gebissen.

Mit einem Blick über Mr Highs Schreibtisch stellte ich fest, dass er die Zeitungen vor sich liegen hatte. Anscheinend hatte sich Mr High mit dem Artikel über den Mord an Mary Willard beschäftigt, den ich auch schon gelesen hatte.

»Haben Sie schon die Blätter gelesen, Jerry?«, fragte Mr High.

Ich nickte. »Nicht unser Bier, glaube ich.«

Mr High runzelte die Stirn und meinte: »Am besten, Lieutenant, Sie erzählen Jerry das, was Sie mir bereits auseinander gesetzt haben.«

»Okay, Sir.« Lieutenant Fulham wandte sich an mich.

»Sie haben natürlich recht, Jerry. Wenn der Mord an Mary Willard ein Fall wie jeder andere wäre, hätte ich mir den Weg zum FBI gespart. Aber ich habe einen merkwürdigen Verdacht.«

»Schießen Sie los, Shorty!«

»Sie haben vom Killer gehört?«

»Und ob«, sagte ich. »Der Mann, den die Reporter den Killer nennen, hat in den letzten sechs Wochen in Chicago vier Menschen umgebracht. In einem fünften Fall hat man ihn auch im Verdacht.«

Fulham nickte. »Der Kollege, der die Sache in Chicago bearbeitet«, erklärte er, »ist ein alter Freund von mir. Wir haben ein paar Mal wegen der Fälle telefoniert, und ich habe alles darüber verfolgt, was ich erfahren konnte. Ich hatte so ein komisches Gefühl dabei. Jedenfalls – um es kurz zu machen –, die Ermordung von Mary Willard gleicht den anderen Verbrechen des Killers.«

Ich stieß einen Pfiff aus. »Sie meinen also, dass ihm der Boden in Chicago zu heiß geworden ist und dass er deshalb nach New York gekommen ist?«

»So ungefähr. Den wahren Grund werden wir erst erfahren, wenn wir den Killer geschnappt haben. Aber wenn es stimmen sollte, dass der Mörder von Mary Willard derselbe ist wie der Killer von Chicago, dann …«

Ich nahm ihm den Satz ab: »… dann fällt die Sache in die Zuständigkeit des FBI.«

Lieutenant Fulham fuhr fort. »Mein Freund in Chicago hat mir mitgeteilt, dass die zweite Erdrosselung nur ein Notbehelf war. Der Killer hatte bereits alle Vorbereitungen für einen Sprengstoffanschlag getroffen. Aber er wurde überrascht, und in dieser Situation erwürgte er sein Opfer.«

»Ein ausgekochter Bursche«, sagte ich grimmig.

»Der richtige Fall für Sie, Jerry«, meinte Mr High ermunternd.

»Danke für die Blumen«, murmelte ich und fügte hinzu: »Ich werde jedenfalls alles tun, um dem Killer die Suppe zu versalzen.«

»Stellen Sie sich das nicht zu leicht vor, Jerry«, warnte Lieutenant Fulham.

»Wetten, Shorty«, sagte ich, »dass keine zwei Wochen vergehen, bis ich den Killer gefunden habe?«

»Ich gebe Ihnen sogar noch eine Woche zu, Jerry«, grinste Fulham. »Wenn Sie in drei Wochen den Killer überführt haben, gebe ich drei Flaschen Whisky für Sie aus.«

»Ich halte die Wette«, sagte ich. »Und für jeden Tag, den ich länger brauche, bekomme Sie eine Flasche mehr.«

»Gentlemen«, sagte Mr High nachsichtig. »Sie sind im Dienst.«

***

Ray Conolly war genau das, was man einen Playboy nennt. Er hatte von seinem Vater eine Fabrik geerbt, in der Zahnpasta und Mundwasser hergestellt wurden und die dank eines cleveren Geschäftsführers wie am Schnürchen lief.

Es gab keinen ausgefallenen und kostspieligen Zeitvertreib, an dem Ray nicht teilnahm. Die Girls umschwärmten ihn wie die Bienen die Blüten.

Aber an diesem Morgen wollte Ray das Frühstück nicht schmecken. Das lag daran, dass unter seiner Post ein Brief war, der keinen Absender trug, dessen Inhalt jedoch Dynamit war.

Ohne jede Anrede hieß es da: Wenn Sie nicht wollen, dass die Polizei etwas von der Van Burend Street erfährt, halten Sie 50.000 Dollar bereit! Sie erfahren telefonisch, wo Sie das Geld deponieren müssen.

Die Unterschrift des Briefes war lächerlich, sie lautete: Das unbestechliche Auge.

Ray Conolly war stocksauer und verwünschte, dass er sich je auf dieses Abenteuer eingelassen hatte.

Zwar waren 50.000 Bucks kein nennenswerter Betrag für ihn. Aber dass da einer von einem Geheimnis wusste, das er verborgen glaubte, trieb ihm den Angstschweiß auf die Stirn. Wenn die Polizei Wind davon bekam, dann war er geliefert!

Und dass diese 50.000 Bucks, die er ausspucken sollte, möglicherweise nur der Anfang einer anhaltenden Erpressung war, hielt er für möglich.

Nervös drehte er die Wählscheibe seines weißen Telefons. Die Auskunft, die er nach ein paar Minuten bekommen hatte, setzte ihn schnell in Trab. Er holte seinen Cadillac aus der Garage und ließ sich in den Verkehrsstrom von Chicago gleiten. Eine halbe Stunde später saß er im Büro von Sydney Wells, dem Inhaber einer Privatdetektei.

»Was ich Ihnen zu sagen habe, muss unter uns bleiben«, erklärte Ray dem dürren Wells, dessen Gesicht an den Kopf eines hungrigen Geiers erinnerte. Der Detektiv hatte nichts dagegen.

»Diskretion versteht sich.«

»Well- auch meinen Namen brauchen Sie nicht zu wissen.«

»Wie Sie wollen, Mister Conolly«, sagte das Geiergesicht.

Ray starrte den Detektiv an. »Sie kennen mich?«

»Ihr Bild ist etwas zu oft in den Zeitungen zu finden«, meinte Wells bescheiden.

»Schön. Da ist also nichts zu machen. Hören Sie zu! Ich soll erpresst werden.«

»Von wem?«. wollte der Detektiv wissen.

»Wenn ich das wüsste. Ist Ihnen Das unbestechliche Auge ein Begriff?«

Bedauernd zuckte der Detektiv mit den Schultern.

»So nennt sich der Kerl in seinem Brief jedenfalls.«

»Kann ich mal sehen?«

»Tut mir leid«, wehrte Ray Conolly ab. »Ich erzähle Ihnen, worum es geht.«

»Warum gehen Sie eigentlich nicht zur Polizei, Mister Conolly?«

»Reden Sie keinen Unsinn, Wells!«, blaffte der Playboy. »Könnte mich jemand erpressen, wenn er nicht etwas wüsste, was nicht gerade an die große Glocke kommen soll? Merken Sie sich das eine: Die Polizei darf nichts erfahren, gar nichts. Dafür zahle ich gut.«

»Und was ist das für ein Geheimnis?« Das Geiergesicht legte seine Züge in die freundlichsten Falten, die ihm zu Gebote standen.

Aber Conolly dachte nicht daran, den Kreis der Wissenden zu vergrößern. »Das ist alles nebensächlich, Wells, verstehen Sie! Jemand schreibt mir, dass er 50.000 Dollar von mir haben will. Er deutet an, dass er etwas von mir weiß, das eigentlich top secret ist und das mich ruinieren würde, wenn … Sie verstehen? Und er kündigt an, dass er mich anrufen wird, um mir mitzuteilen, wie ich das Geld loswerden kann. Kapiert?«

»Das ist nicht schwer, Mister Conolly«, sagte Wells würdevoll.

»Okay. Sie oder Ihr bester Mann müssen mich bewachen und feststellen, wer sich hinter diesem unbestechlichen Auge verbirgt. Das ist alles, was ich von Ihnen verlange.«

Wells öffnete seinen verkniffenen Mund. »Das ist gerade genug, Sir. Es wäre einfacher, wenn wir wüssten, worum …«

»Schluss«, fiel Conolly ihm ins Wort. »Sie wissen, was ich von Ihnen will. Entweder Sie übernehmen den Auftrag, oder …« Er zog sein Scheckbuch und blickte Wells fragend an. »Welchen Vorschuss muss ich Ihnen anweisen?«

Wells machte die Sache spannend. »Eigentlich«, orakelte er, »nehme ich nur Aufträge an, in denen mir nicht auch der Kunde noch Rätsel aufgibt. Aber da Sie anscheinend zwingende Gründe haben …«

»Wie viel?«, fragte Conolly ungeduldig.

»Tausend«, antwortete der Privatdetektiv und ärgerte sich sofort, dass er nicht die doppelte Summe verlangt hatte.

»Sie sind nicht billig, Wells«, stellte Conolly fest, während er den Scheck ausfüllte.

»Dafür werde ich die Sache selbst in die Hand nehmen.«

»Das will ich stark hoffen«, bemerkte der Playboy, »und zwar sofort. Es geht für mich um …«

»Leben oder Tod«, ergänzte Wells schlagfertig.

»Ach was«, widersprach Conolly, aber sein Gesicht war bleich geworden. »Zuerst einmal um 50.000 Bucks. Und dann um das, was der verdammte Erpresser weiß. Nehmen Sie die Sache nicht zu leicht! Ich verlasse mich auf Sie. Und ich werde nicht kleinlich sein, wenn Sie dem Burschen das Handwerk gelegt haben!«

Das hoffte Sydney Wells auch. Er rieb sich zufrieden die Hände, nachdem er Conolly verabschiedet hatte.

2

Seit mich Mr High auf die Spur des Killers gesetzt hatte, war ich 48 Stunden nicht aus den Schuhen gekommen und hatte doch keine brauchbare Spur gefunden. Ich kam zu der Überzeugung, dass die Lösung des Falls in Chicago liegen musste.

Drei Stunden später saß ich in der Maschine nach Chicago. Während die Stewardess die Passagiere mit Kaffee versorgte, blickte ich von den Akten auf, die ich mir mitgenommen hatte.

Soviel stand für mich schon fest: Der Killer musste ein Mann sein, der so durchschnittlich und normal aussah, dass er niemandem auffiel.

In Chicago nahm ich mir ein Taxi und fuhr sofort zu Lieutenant Thompson, der die Mordfälle bearbeitete. Fulham hatte ihn über mein Kommen verständigt.

»Ich bin gespannt, Agent«, sagte Thompson, als wir uns in seinem Büro gegenüberstanden, »ob ihr vom FBI mehr findet als wir. Manchmal bin ich ganz schön sauer gewesen, wenn ich einen Fall an den FBI abgeben musste. Aber diesmal bin ich für jede Unterstützung dankbar.«

»Fair von Ihnen, Lieutenant, dass Sie das sagen. Ohne Ihre Hilfe wäre ich aufgeschmissen.«

Er nickte zufrieden. »Sie werden von mir über jeden Fall alles erfahren, was Sie wissen müssen. Hier – das sind die Akten.« Er zeigte auf einen beachtlichen Papierberg, der seinen Schreibtisch zierte.

»Nicht wahr?«, sagte ich ironisch. »Das ist ja eine abendfüllende Lektüre.«

»Ich stelle Ihnen mein Büro zur Verfügung, Agent«, erklärte Thompson. »Sie können hier zu jeder Tages- und Nachtzeit arbeiten. Aber sicher werden Sie erst einmal in Ihr Hotelzimmer wollen.«

»Kommt nicht in Frage«, erwiderte ich. »Ich bleibe gleich hier. Wenn Sie mich mit ein paar Sandwiches und einer Flasche Whisky versorgen, bin ich wunschlos glücklich.«

Thompson gab seiner Sekretärin die nötigen Ausweisungen; ich zog mein Sakko aus und rückte mir den Papierstapel näher.

»Halt«, sagte ich dann. »Bevor ich die gesammelten Werke der Polizei von Chicago lese, geben Sie mir erst zu jedem Fall ein paar Stichworte!«

»Okay«, erklärte Thompson, »nichts leichter als das!«

»Fall eins: Mike Gordon, Anfang sechzig. Liegt genau sechs Wochen zurück. Der Mann war Toilettenwärter in einem Hotel. Begab sich vom Spätdienst gegen zwei Uhr nachts in seine Wohnung. Wurde im Treppenhaus erwürgt aufgefunden. Sah erst nach einem Unfall aus, aber unser Doktor entdeckte die Würgemale am Hals. Keine Spuren zu entdecken.«

»Fall zwei: Demetrios Kolona, Mitte fünfzig, verheiratet. Grieche. Lebte seit zehn Jahren in Chicago. Angestellter bei einem Buchmacher. Wurde nachts auf dem Heimweg von seiner Stammkneipe in einer Nebenstraße erstochen.«

»Mordwaffe vorhanden?«

»Nein, Agent. Der Killer nahm sie mit. Der Verdacht fiel zuerst auf einen Kollegen, mit dem Kolona häufig Streit hatte. Aber der Mann hatte ein einwandfreies Alibi.«

»Dann also Fall drei, Lieutenant«, bat ich.

Thompson holte tief Luft. »Das war eine Frau. Estelle Warner. Seit ein paar Jahren geschieden. Verkäuferin in einem Warenhaus. Mitte Dreißig. Der Killer zertrümmerte ihr mit einem Kaminhaken den Schädel. Es muss geschehen sein, als sie gerade die Wohnung betreten hatte. Der Mörder erwartete sie und schlug von hinten auf sie ein. Den Kaminhaken ließ er zurück – sonst keine Spuren.«

»Was ließ Sie jetzt daran denken, dass diese drei Morde auf den gleichen Täter zurückgingen?«

»Alle drei Taten ließen, so sehr wir auch suchten, kein anderes Motiv erkennen als das: Mord um des Mordens willen.«

»Kann es nicht sein, dass doch ein Motiv dahintersteckt, das nur noch nicht erkennbar ist?«

Thompson legte seine Stirn in Falten. »Was sollte es sein? Welche Vorteile hat der Killer dadurch gewonnen, dass er Gordon, Kolona, Mrs Warner und Lawrence tötete – von Ihrem Fall in New York abgesehen?«

»Bleiben wir bei den Fällen. Was war mit Lawrence?«

»Tja, Lawrence. Das war eigentlich der interessanteste Fall. Der Mann war Busfahrer, wie überhaupt alle Opfer des Killers ganz herkömmliche, durchschnittliche Berufe hatten. Er wohnte in einem Vorort von Chicago, und zwar allein in einem bescheidenen hölzernen Bungalow. Es begann damit, dass die Nachbarn durch eine Explosion, die den Bungalow zu einem Trümmerhaufen machte, erschreckt wurden. Lawrence wurde unter den Trümmern gefunden – tot. Aber nicht etwa als Folge der Explosion, sondern er war vorher erwürgt worden.«

»Was stellten Sie im Einzelnen fest?«

»Lawrence war nach Dienstende gegen Mitternacht nach Hause gekommen. Er hatte sich den Magen verdorben und daher zwei Stunden eher Schluss gemacht. Demgemäß kam er zwei Stunden zu früh. Der Killer hatte offenbar beabsichtigt, Lawrence mit einer Höllenmaschine hochgehen zu lassen. Der Killer stürzte sich auf Lawrence und erdrosselte ihn.«

»Wie erklären Sie sich, dass er die Höllenmaschine trotzdem noch in Gang setzte?«

»Dafür gab es nur Vermutungen. Entweder wollte er den Abbau seiner Apparatur aus Furcht vor Entdeckung vermeiden. Oder er war so in seine Idee verliebt, dass er sich einen solchen Knalleffekt nicht entgehen lassen wollte. Vielleicht hoffte er auch, den Mord durch die Explosion zu verschleiern. Das könnte ihm vielleicht ein Alibi geben. Aber das sind nur Vermutungen.«

»Fulham sprach noch von einem fünften Fall, bei dem Sie nicht sicher sind, ob er auf das Konto des Killers kommt.«

»Richtig. Er unterscheidet sich von den anderen dadurch, dass das Opfer ein Gangster war. Larry Smith hieß der Knabe. Er wurde im Hafengebiet erschossen aufgefunden. Tatwaffe aller Wahrscheinlichkeit nach ein Browning. Wir hätten gar nicht an eine Verbindung mit den Morden des Killers gedacht, wenn es nicht einen merkwürdigen Zufall dabei gäbe.«

»Da bin ich gespannt. Schießen Sie los, Lieutenant!«

»Smith galt unter den Gangstern als Experte für Höllenmaschinen und andere Spielereien mit Sprengstoff. Sein Tod erfolgte vier Tage nach dem Mord an Lawrence. Es ist natürlich möglich, dass Smith einer der üblichen Meinungsverschiedenheiten unter Gangstern zum Opfer fiel. Aber ebenso ist es denkbar, dass er mit dem Killer in Kontakt kam und dieser einen unbequemen Mitwisser, der ihm vielleicht Daumenschrauben setzen wollte, beseitigte.«

»Es wäre jedenfalls ein merkwürdiger Zufall, wenn Smith gerade vier Tage nach Lawrence daran glauben musste.«

»Richtig. Aber wir haben uns gehütet, diese Vermutung an die Presse zu geben. Uns langen vier ungeklärte Morde des Killers. Warum sollten wir uns wegen eines fünften, der nicht sicher einzuordnen war, die Presse auf den Hals laden? Die sind schon sauer genug, dass der Killer immer noch frei herumläuft.«

»Haben Sie schon an einen Zusammenhang zwischen der Ermordung von Larry Smith und dem New Yorker Auftauchen des Killers gedacht?«

Thompson starrte mich an. »Nein. Wieso, Agent?«

»Solche Einzelgänger, wie der Killer vermutlich einer ist, werden von den Gangs nicht gern gesehen. Wenn nun der Killer mit Smith sogar einen aus ihrer Zunft umgebracht hat, sind bestimmt sämtliche organisierten Gangster gegen ihn. Der Killer muss plötzlich nicht nur die Polizei fürchten, sondern auch noch die ganze Verbrecherwelt, mit der er doch wohl oder übel einmal in Kontakt gerät. Was tut er also? Er verlässt die bisherige Stätte seines Wirkens und geht nach New York.«

»Verdammt, Agent«, Thompson schlug mit der Hand auf den Schreibtisch. »Ich glaube, Sie haben recht.«

»Aber da der Killer das Töten genauso wenig lassen kann wie die Katze das Mausen, setzt er seine Mordserie nun in New York fort. Vielleicht spekuliert er sogar darauf, dass er damit zunächst einmal etwas aus der Schusslinie ist.«

»Klar«, stimmte der Lieutenant zu, »das klingt logisch. Hat den Vorzug, dass wir den Kerl hier erst mal los sind.«

»Und noch einen anderen Vorzug.«

»Der wäre?«

»Dass wir vielleicht in der Unterwelt von Chicago, wenn wir es nur richtig anfangen, ein paar Hinweise bekommen. Sie haben doch bestimmt ein paar Burschen an der Hand, die Ihnen gelegentlich einen Tipp bringen?«

Während wir unser Vorgehen besprachen, läutete das Telefon. Thompson nahm den Hörer ab. »Ja«, sagte er, nachdem er sich gemeldet hatte, »ich werde ihn fragen.«

Er bedeckte die Sprechmuschel mit der Hand und blickte fragend zu mir herüber. »Das Hilton Hotel ist an der Strippe«, berichtete er. »Sie wollen wissen, ob Ihr Zimmer reserviert bleiben soll.«

Ich starrte ihn verblüfft an. »Hören Sie«, sagte ich, »ich habe kein Zimmer bestellt. Weder im Hilton noch in einem anderen Hotel. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich die Nacht durcharbeiten will.«

Thompson zog die Stirn in nachdenkliche Falten. »Vielleicht hat das FBI das Zimmer für Sie bestellt«, meinte er. Er nahm die Hand von der Muschel.

»Hören Sie«, fragte er, »wann ist das Zimmer für Mister Cotton bestellt worden und von wem?«

Während er auf die Antwort wartete, zerbrach ich mir den Kopf, wer da wohl für mich Quartier gemacht hätte. Gespannt blickte ich auf Thompson.

»Moment«, sagte er gerade, um mir dann zu berichten. »Der Anruf ist heute Nachmittag gekommen.«

Ich trat zu Thompson und nahm ihm den Hörer aus der Hand. »Hier Cotton«, sagte ich, »ich habe bei Ihnen kein Zimmer bestellt. Aber ich bin neugierig; wer mich bei Ihnen angekündigt hat.«

»Kann ich verstehen, Agent«, sagte die Stimme am anderen Ende, und ich merkte an der Anrede, dass mein unbekannter Zimmervermittler genau im Bilde war. »Aber der Anrufer hat nur gesagt, er sei ein Freund von Ihnen.«

»Freund ist mächtig übertrieben«, sagte ich. »Verfügen Sie ruhig über das Zimmer! Aber untersuchen Sie es vorher, ob nicht irgendwo eine Höllenmaschine eingebaut ist!«

Ich hörte gerade noch den erschrockenen Aufschrei des Hotelportiers, ehe ich auflegte.

Thompson blickte mich neugierig an.

»Wenn der Killer wirklich ein Einzelgänger ist«, sagte ich, »dann kann er Gedanken lesen, oder er ist Hellseher. Sonst hätte er nicht bereits ein Zimmer für mich reservieren lassen, als ich gerade in die Maschine nach Chicago stieg.«

3

Auch nach seinem Besuch bei dem Privatdetektiv fühlte sich Ray Conolly noch nicht recht wohl in seiner Haut. Aber der eiskalte Schrecken, den ihm der Brief eingeflößt hatte, war geschwunden.

Als er vom Lunch aufstand, überzeugte er sich durch einen Blick, dass Wells in seiner Nähe war. Das beruhigte den Playboy außerordentlich.

Er stattete zunächst einer seiner Freundinnen einen Besuch ab, spielte dann eine Partie Golf und fuhr in seine Wohnung. Vorher ging er noch zu seiner Bank, um die 50.000 Dollar abzuheben. Wells hatte ihm befohlen, sich so zu verhalten, als ginge er auf die Erpressung ein.

Da Conolly nicht kleinlich mit seinen Abhebungen war, erregte auch das kein besonderes Aufsehen beim Bankkassierer.

In seiner Wohnung verschloss der Playboy die Scheine in einem kleinen Safe und goss sich einen Gin ein, einen doppelten, versteht sich. Aber er hatte den Drink kaum heruntergekippt, als schon das Telefon ging.

»Da sind Sie ja, Conolly«, sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung, nachdem er sich gemeldet hatte.

»Wer spricht da?«, fragte der Playboy.

»Das wissen Sie sehr gut«, war die Antwort. »Ich sage Ihnen jetzt, wie Sie die 50.000 Bucks loswerden.«

»Was wollen Sie überhaupt von mir?«, wehrte sich Conolly in einem letzten Aufbäumen gegen das Unvermeidliche.

»Machen Sie keine Geschichten, Ray! Und rechnen Sie nicht etwa auf Wells! Für Ihre Unverschämtheit müssten Sie eigentlich l0.000 mehr zahlen.«

»Was ist mit Wells?«, fragte Conolly atemlos.

»Er wird Ihnen nicht mehr helfen können – das genügt. Und jetzt hören Sie gut zu! Fahren Sie mit den 50.000 sofort in den Grant Park, und gehen Sie ins Natural History Museum! Sie müssen sich beeilen, denn es wird um fünf Uhr geschlossen. Stecken Sie das Geld im zweiten Saal bei der Halle der Steinzeit in das Ledersofa, das dort steht! Ich werde in der Nähe sein und Sie beobachten. Stellen Sie es vernünftig an, dass es nicht auffällt! Und hüten Sie sich, der Polizei einen Hinweis zu geben! Denken Sie an die Van Buren Street! Wenn etwas schief geht, sind Sie geliefert. Das wissen Sie. Noch eine Frage?«

Conolly begann zu begreifen, dass alles bitterer Ernst war und nicht ein Traum, aus dem er plötzlich erwachen würde.

***

Ich hatte die ganze Nacht die Akten über die Morde des Killers studiert und nach einem Anhaltspunkt gesucht, der Lieutenant Thompson vielleicht entgangen sein konnte. Aber ich war auch jetzt nicht viel klüger als zuvor.

Ich fühlte mich noch leidlich munter, als Lieutenant Thompson gegen neun wieder in seinem Büro auftauchte. Wir setzten uns in seinen Wagen und klapperten der Reihe nach die Orte ab, an denen der Killer zugeschlagen hatte.

Als wir damit durch waren, ohne dass sich irgendwelche neuen Aufschlüsse ergeben hätten, kam mir eine Idee.

»Macht es Ihnen etwas aus«, fragte ich Thompson, »wenn wir noch einen Umweg über den South Michigan Boulevard machen? Wir können im Hilton einen Kaffee trinken.«

Thompson hatte natürlich nichts dagegen.

Wir setzten uns in die Hotelhalle, und ich bestellte mir einen doppelten Mokka, um mich etwas aufzumöbeln.

Dann stand Thompson auf, um sein Büro anzurufen, und ich schlenderte zum Portier. Ich hatte Glück. Der Mann, mit dem ich gestern telefoniert hatte, war gerade wieder im Dienst.

»Hat jemand nach mir gefragt?«, wollte ich wissen.

Er starrte mich an. »Verzeihung, Sir, aber ich weiß nicht …«

»Jerry Cotton«, stellte ich mich vor. »Ich wollte mir gern einmal das Zimmer ansehen, das mir entgangen ist.«

»Sie sind das also, Agent«, staunte er. Dann warf er einen Blick in die Kartei. »Sie haben Glück, das Zimmer ist noch frei. Der nächste Gast trifft erst am späten Abend ein. Es ist Nr. 621.«

Er legte einen Schlüssel vor mich hin. Ich warf einen raschen Blick in die Runde. Niemand schien mich zu beobachten.

Ich stieg in den nächsten Lift. Er brachte mich ins 6. Stockwerk.

Ich fand mich an der Kreuzung mehrerer Gänge wieder, deren dicke Teppiche jeden Laut dämpften.

Ein Hinweisschild zeigte mir, dass Zimmer 621 rechts liegen musste. Ich gelangte zu dem Zimmer und blickte mich noch einmal um, bevor ich mit dem Schlüssel die Tür öffnete. Nichts Verdächtiges war zu bemerken.

Dann stand ich in dem Zimmer, das mir mein geheimnisvoller Gönner zugedacht hatte. Als ich auf das Bett blickte, konnte ich nach der durcharbeiteten Nacht ein Gähnen nicht unterdrücken.

Ich wusste, dass irgendein Geheimnis hinter dieser Zimmerbestellung stecken musste. Ich kam nur nicht dahinter, was es war.

Ich trat zum Fenster zu, schob den Vorhang beiseite und blickte hinaus. Gegenüber ragte eine breite und scheinbar endlose Front von Wänden mit Tausenden von Fenstern empor, wie es in Citystraßen üblich ist.