Jerry Cotton Sonder-Edition 221 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 221 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

"Es ist ein Skandal", sagte Mr. High. "Fünf hohe Offiziere des Pentagons haben sich innerhalb weniger Wochen umgebracht. Sie müssen diese grauenhafte Serie stoppen!" Mit diesen Worten sandte der FBI-Chef von New York Phil und mich nach Washington - und in ein tödliches Spiel!


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Seitenzahl: 157

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Skandal im Pentagon

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Vorschau

Impressum

Skandal im Pentagon

»Es ist ein Skandal«, sagte Mr. High. »Fünf hohe Offiziere des Pentagon haben sich innerhalb weniger Wochen umgebracht. Sie müssen diese grauenhafte Serie stoppen!« Mit diesen Worten sandte der FBI-Chef von New York Phil und mich nach Washington – und in ein tödliches Spiel!

1

Sie hielt die Hand des alten Mannes. Die Haut fühlte sich trocken an. Der Blick der blassen Augen belebte sich ein wenig. Sie lächelte, als er die Lippen bewegte. Er konnte nicht mehr sprechen, aber versuchte immer noch, ihr etwas zu sagen.

Nie hatte sie sich ihrem Vater so nah gefühlt wie jetzt, nachdem er auch die Sprache verloren hatte und sie seine geduldigen Ermahnungen nicht mehr hören musste.

Mit welcher Ergebenheit er sein Schicksal trug! Seit mehr als dreißig Jahren war er nun ein Wrack, eine leere Hülle, die in einem kahlen Zimmer vegetierte. Die Fotos an den Wänden waren vergilbt, die Orden hatten ihren Glanz verloren.

Sie drückte die knochige Hand, als sie draußen im Gang das leise Quietschen der Gummiräder hörte, das vom nahen Ende eines weiteren hoffnungslosen Tags im Veteranenhospital von Martinsburg, Maryland, kündete. Schon am Nachmittag, wenn die Sonne noch durch das Laub der alten Bäume im Park schimmerte, wurden die Insassen gewaschen, wie hilflose Kinder gefüttert und dann in ihre Betten gelegt. Die Seitengitter wurden hochgeklappt, und wenn einer unruhig schlief, wurde er festgeschnallt.

Sie blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten. Erst draußen würde sie weinen. Draußen, wenn sie in ihrem Wagen saß und nach Washington zurückfuhr.

Dort saßen diejenigen, die andere Männer in den Tod schickten. Männer, die für sie nur Figuren auf Bildschirmen darstellten. Männer, für die ein Krieg nur ein Computerspiel war.

Mit der gleichen Geduld, mit der ihr Vater sein Schicksal ertrug, hatte sie sich in der Bundeshauptstadt hochgearbeitet. Durchgeboxt. Vorgekämpft. In die Nähe der Männer, die über Leben und Tod anderer bestimmten.

Und selbst so verwundbar waren – wenn man die richtige Stelle bloßlegte.

Fregattenkapitän Arthur Wimble lief locker den sanft ansteigenden Waldweg hinauf. Die Sportanlagen für die Beschäftigten des Pentagon lagen inmitten eines Wäldchens zwischen dem Nationalfriedhof von Arlington und dem fünfstöckigen und fünfeckigen Bürokomplex, in dem das Verteidigungsministerium und der Generalstab ihren Sitz haben.

»Es ist wie eine Seuche«, sagte Arthur Wimble. »Fünf hohe Offiziere bringen sich um oder fahren sich mit ihren Autos zu Tode.«

Wimbles Stimme war weder etwas von der Anstrengung anzuhören, noch verunzierten dunkle Schweißflecke seinen hellgrauen Jogginganzug, während mir der Schweiß den Rücken hinabrann und in den Augen brannte. Meinem Freund und Partner Phil Decker schien es nicht besser zu gehen. Er schnaufte, während seine Füße über den harten Waldboden stampften.

»Wie eine Seuche«, wiederholte der Offizier, der zu Oliver Jaystons Stab gehörte.

Ich sagte nichts, weil Wimble keine Antwort zu erwarten schien.

Das Pentagon hatte in der Tat ein Problem. Innerhalb weniger Wochen waren fünf hohe Offiziere zu Tode gekommen. Allmählich wurde die Öffentlichkeit aufmerksam. Der Verteidigungsminister geriet unter Druck. Und Angst kroch durch die Flure des Pentagon.

Polizei, FBI, die Zentrale Sicherheitsbehörde und die Nachrichtendienste der einzelnen Waffengattungen hatten wenig über Motive oder Hintergründe dieser rätselhaften Todesfälle beisteuern können. Immer wieder stießen sie bei ihren Nachforschungen auf Mauern des Schweigens. Niemand liebte sie, die Männer, die Zugang zu den Computern hatten und alles, oft auch das Geheimste, über die Menschen wussten, die im Pentagon arbeiteten.

Nur zwei Dinge standen bisher fest: Verbrechen schieden aus. Und keiner der so plötzlich Verschiedenen hatte für einen gegnerischen Geheimdienst gearbeitet oder war auf andere Weise in eine Spionageaffäre verwickelt.

Das waren Erkenntnisse, die ihre Taten in einem umso geheimnisvolleren Licht erscheinen ließen.

Nachdem sich zuletzt vor vier Tagen ein Oberstleutnant, dem eine steile Karriere vorausgesagt worden war, eine Kugel in den Kopf geschossen hatte, wandte sich der Verteidigungsminister an den Direktor des FBI in Washington, schaltete John D. High, den New Yorker FBI-Chef, ein.

»Es bedarf vorbehaltloser Ermittlungen, John«, erklärte der Direktor unserem Chef. »Wir brauchen zwei Männer, die man hier nicht kennt und die sich weder vom militärischen Brimborium noch von der Ausstrahlung der Macht beeindrucken lassen. Keine Leute, denen der Sumpf der Hauptstadt den Blick vernebelt.«

Das war gestern gewesen. Noch am Abend flogen Phil und ich nach Washington. Hier nahm uns Fregattenkapitän Arthur Wimble unter seine Fittiche. Ich gewann den Eindruck, dass Wimble seine Intelligenz und seinen Scharfblick hinter schneidigem militärischem Gehabe verbarg.

Arthur Wimble unterstand Oliver Jayston, dem Unterstaatssekretär, der für das reibungslose Funktionieren des größten Bürogebäudes der Welt, in dem jeder zweite amerikanische Steuerdollar verplant wird, politisch verantwortlich war. Wimble diente Jayston als Verbindungsmann zur Zentralen Sicherheitsbehörde, einer Sonderpolizei innerhalb des Pentagon.

Phil und ich sollten verdeckt und völlig unbeeinflusst arbeiten und unsere Berichte unmittelbar an Jayston, den Unterstaatssekretär, richten. Arthur Wimble sollte uns in jeder Weise behilflich sein, damit wir in dem undurchdringlichen Dschungel des Pentagon nicht verloren gingen.

Wimble würde uns mit Ausweisen versorgen und uns als Mitarbeiter der Verteidigungskostenbehörde ausgeben. Hinter dieser Funktion konnten wir uns vielleicht einige Zeit verbergen. Als G-men würden wir kaum mehr erreichen als unsere Kollegen in den vergangenen Tagen und Wochen.

Wimble kam an ein unbenutztes Handballfeld. Er lief auf der Stelle, reckte sich und begann dann eine Serie Rumpfbeugen, bei der er kraftvoll die Arme schwang. Phil und ich taten es ihm nach. Man kann nie wissen, wofür es gut ist, sich fit zu halten.

»Morgen nehme ich Sie auf einen Empfang bei Jayston mit«, verkündete Wimble, der rhythmisch die Luft ausstieß. »Da erleben Sie mal eine richtige Georgetown-Party. Es werden eine Menge interessante Leute da sein.«

Phil wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und legte noch einen Zahn zu bei seinen Übungen. Ich keuchte und versuchte, meine schmerzenden Muskeln nicht zu beachten.

»Ich bin gespannt, wer der Nächste ist«, schloss Wimble, als er lässig auf der Stelle hüpfte und die Arme ausschlenkerte. »Und ich möchte wissen, wie, zum Teufel, man jemand dazu bringen kann, sich umzubringen. Das möchte ich wirklich wissen.«

»Ich kann ohne dich nicht leben ...«

Susan Rigby lächelte. Sanft streichelte sie über den Rücken des Mannes, der neben ihr lag und immer noch schwer atmete. Seine Haut war feucht.

Wie oft hatte sie solche Worte schon gehört? Wie lange hatte sie gehofft, dass es noch einmal eine Zukunft zu zweit gäbe? Doch im Lauf der Jahre, die sie in Washington verbrachte, hatte sie gelernt, dass es außer ihr Zehntausende andere Frauen gab, die mit verheirateten Männern ins Bett gingen, um ihre eigene Einsamkeit zu bekämpfen. Dabei wurden die meisten immer weniger wählerisch.

Der Mann an ihrer Seite war jedoch etwas Besonderes. Hugh Sanders war General. Zwei Sterne zierten bereits die Schulterstücke seines Uniformrocks. Er gehörte zum Stab des SAC, des Strategischen Bombenkommandos, bei dem sie als Systemanalytikerin tätig war. Es hieß, dass ihm noch eine große Zukunft bevorstehe.

Vor drei Monaten war er einfach in ihr Büro gekommen, nachdem er sie zuvor wochenlang verstohlen beobachtet hatte, und hatte sie zum Essen eingeladen. Sie hatte sich geschmeichelt gefühlt, aber nur an ein neues Abenteuer geglaubt.

»Ich liebe dich«, murmelte er und berührte ihre Brust mit den Lippen.

Sie erschauerte. Vielleicht liebte er sie wirklich. Er war zweiundfünfzig und sah fabelhaft aus. Sie war sechsunddreißig. Der Altersunterschied machte nichts aus.

Susan, du träumst. Du liegst hier mit einem General im Bett und spinnst wie ein Teenager, der sich einen Popsänger geangelt hat. Mit einem General ist alles anders. Du musst dir ein Hotelzimmer mieten und warten, bis er sich zu dir schleicht. Er bleibt zwei Stunden bei dir, während sein Fahrer mit dem Wagen unten in der Hotelgarage wartet.

»Ich liebe nur dich«, versicherte Hugh. »Du musst es mir glauben.«

Sie schwieg und lächelte.

»Ich werde meine Frau verlassen. Mein Entschluss steht fest. Nächste Woche werde ich es ihr sagen. Gleich nach ihrem Geburtstag.«

Susan lächelte und streichelte seinen Rücken. Wer sagt denn, dass Träume nicht doch wahr werden können.

»Seid mal einen Augenblick ruhig!«, rief Deborah Sanders.

Im Wohnzimmer klingelte das Telefon. Wie lange schon? Die Kinder tobten auf dem Flur im Obergeschoss. Patty und Hugh junior zankten Floyd, den kleinen Nachzügler. Sie warf die Tür hinter sich zu und hob den Hörer ab.

»Hallo?«, fragte sie atemlos.

Es rauschte nur in der Leitung. Sie wollte schon wieder auflegen, als sie das Knacken hörte. Gleich darauf drang die Stimme an ihr Ohr. Sie klang zuerst etwas undeutlich.

»Ich kann ohne dich nicht leben ...«

Sie runzelte die Stirn.

»Hugh?«, fragte sie unsicher.

Als keine Antwort kam, strich sie über ihr Haar. Es war kurz geschnitten. Sie wusste genau, dass ihr die einzelnen Silberfäden darin gut standen. Sie war einundvierzig Jahre alt, klein und feinknochig. Ihre Hüften waren schmal wie die eines Jungen und sahen gut aus in den dunkelroten Cordjeans.

»Hallo!«, rief sie laut.

»Ich liebe dich ...«

»O Gott, Hugh!« Jetzt erkannte sie seine Stimme.

»Ich liebe nur dich ...«

Sie unterdrückte ein Lachen. Höchstens in der Intimität ihres Schlafzimmers hatte er ihr jemals so törichte Dinge zugeflüstert. An das letzte Mal konnte sie sich nicht mehr erinnern. Das musste vor drei oder vier Jahren gewesen sein, bevor sie noch einmal schwanger geworden war. Danach war er immer seltener in ihr Bett gekommen. Sie hatte seine Zurückhaltung für Schuldgefühle gehalten und versucht, sie ihm zu nehmen. Vergeblich, wie sie sich eingestehen musste.

»Ich liebe nur dich. Du musst es mir glauben.«

»Aber natürlich, Hugh«, sagte sie gerührt.

»Ich werde meine Frau verlassen ...«

Eine eiskalte Hand presste ihr Herz zusammen. Da stimmte etwas nicht. Sie spürte, dass sie nicht mit Hugh sprach, obwohl sie seine Stimme hörte.

»Wer ist da?«, fragte sie scharf.

Sie öffnete die Schublade der Kommode, auf der das Telefon stand, und schaltete das Tonbandgerät ein, das mit dem Apparat verbunden war. Hugh hatte ihr eingeschärft, jeden Anruf, der ihr irgendwie merkwürdig vorkam, mitzuschneiden. Hugh arbeitete in wichtiger Funktion im Pentagon.

Die Pause dehnte sich, dann setzte seine Stimme erneut ein. »Ich kann ohne dich nicht leben ... Ich liebe dich ... Ich liebe nur dich ... du musst es mir glauben ...«

Deborah wusste, dass Hugh diese Worte an eine fremde Frau richtete und dass er meinte, was er sagte. Ihre Augen brannten, während sich in ihrem Inneren eisige Leere ausbreitete. Sie hatte alles für Hugh geopfert, auch die eigene Karriere als Biologin. Sie war ihrem Mann gefolgt, wie es sich für eine Soldatenfrau gehörte. Nach Hawaii, in die Türkei, nach Europa und wieder zurück in die Staaten.

Sie war Mrs. Hugh Sanders geworden. Seit er beim Stab des SAC arbeitete, brauchte er ein ruhiges, ungestörtes Familienleben mehr denn je – hatte sie geglaubt. Die Nervenbelastung der Männer, die die mit Atombomben beladenen Flugzeuge dirigierten, musste enorm sein.

»Ich werde meine Frau verlassen. Mein Entschluss steht fest. Nächste Woche werde ich es ihr sagen. Gleich nach ihrem Geburtstag.«

Sie legte den Hörer ab. Sie verschmierte ihr Make-up, als sie mit dem Handrücken über ihre Augen wischte. Ihre Schritte waren fest, als sie ins Obergeschoss hinaufging.

Die Kinder konnte sie nicht täuschen. Sie wurden still. Die elfjährige Patty strich das lange braune Haar aus dem Gesicht und blickte sie von unten herauf an.

»Ist etwas mit Daddy?«, fragte sie.

»Mit Daddy? Nein.« Deborah sah durch das kleine Flurfenster. Es hatte zu regnen begonnen. Nach dem warmen Tag bildete sich sofort eine dünne Dunstschicht, die wie eine Decke über dem Fluss liegen würde. »Kommt, Kinder, wir fahren weg.«

»Zu Grandma nach Baltimore?«, fragte Hugh junior. Weil sein Vater den Neunjährigen vergötterte, hatte er sich eine altkluge Art angewöhnt. »Der Verkehr wird jetzt sehr dicht sein«, meinte er prompt.

»Wir fahren ein Stück den Fluss hinauf«, sagte Deborah. Sie drückte den kleinen Floyd an sich, als er sich an ihrem Bein hochzog. »Kommt, beeilt euch.«

»Müssen wir irgendetwas mitnehmen?«, fragte Patty, die praktisch veranlagt war.

»Nein, nein, nichts. Wir werden nicht lange unterwegs sein.«

Sie ging in die Garage und fuhr den großen Kombi heraus. Die Kinder stiegen hinten ein.

»Ich habe die Tür abgeschlossen«, verkündete Patty.

Deborah nickte nur. Sie setzte auf die Straße zurück, wendete und wirbelte dann das Lenkrad herum. Der schwere Wagen raste die Straße entlang, die am Fluss hinauf in die grünen Hügel Virginias führte. Es regnete nicht allzu stark, aber der Regen machte die frühe Dämmerung grau und trübe.

Sie schaltete die Scheinwerfer ein. Die Lichtkegel strichen über die Leitplanke. Die Straße stieg an. Der Fluss brodelte jetzt tiefer zwischen nass glänzendem Gestein. Kiefern und vereinzelte Ulmen ragten wie drohende Schatten über die enge Straße.

Die Kinder auf der Rückbank klammerten sich aneinander. Deborah begegnete Pattys Augen im Rückspiegel. Sie konnte das Gesicht nicht klar erkennen, weil Tränen ihren Blick trübten.

In einer Kurve hatte der Regen gelbbraune Erde auf die Fahrbahn geschwemmt. Deborah gab Gas. Die Antriebsräder drehten durch. Das Heck brach aus. Quer zur Fahrrichtung schlitterte der Kombi auf die Leitplanke zu. Die Pfosten standen nicht besonders fest im Erdreich. Unter der Wucht des Anpralls klappte die Planke einfach um, und der Wagen rutschte über die Kante.

Zu spät trat Deborah auf die Bremse. Sie schlug die Hände vors Gesicht.

»O mein Gott. Verzeih mir ...«

Wenn das eine typische Georgetown-Party war, überlegte ich, mochte ich typische Georgetown-Partys. Man konnte überall herumstromern und Leute anquatschen oder es auch bleiben lassen, man konnte essen und trinken, so viel man wollte.

Fregattenkapitän Arthur Wimble war kurze Zeit bei uns geblieben und hatte uns unauffällig auf die Leute aufmerksam gemacht, von denen man wissen sollte, wer sie waren.

Dazu gehörten ein prominenter Psychiater, ein paar Zeitungs- und Fernsehleute, ein europäischer Militärattaché, einige Diplomaten aus dem Nahen Osten, die kesse Witwe eines zu früh verstorbenen Politikers, ein grobschlächtiger Senator aus Minnesota und Hugh Sanders, ein drahtiger Zwei-Sterne-General mit dunklen, düster umschatteten Augen.

»In zwei Jahren spätestens hat er den dritten Stern«, hatte Wimble mir zugeflüstert, »und in vier Jahren wird er Direktor der CIA. Der Minister und der Präsident haben noch viel mit ihm vor.«

Oliver Jayston, der Gastgeber, wechselte einige unverbindliche Worte mit Phil und mir, bedankte sich formell für unser Erscheinen und beachtete uns fortan nicht mehr.

Wir hatten ihn am Vormittag, nach dem anstrengenden, schweißtreibenden Fitnesstraining, in seinem Büro im Pentagon kennengelernt. Jayston war Ende vierzig, ein Mann mit einem jungen Gesicht und steinalten Augen. Er wolle seinen Laden sauber halten, erklärte er mit Nachdruck.

Den Rest des Tages hatten wir in einem hermetisch abgeschlossenen Raum verbracht, wo wir alle Akten studieren konnten, die bisher im Zusammenhang mit den fünf umgekommenen Offizieren zusammengetragen worden waren. Unsere Ausweise waren darüber hinaus mit einem hohen Sicherheitsschlüssel ausgestattet, der es uns erlaubte, auch geheimes Material einzusehen. Und über Arthur Wimble würden wir Zugang zu allen elektronikgespeicherten Daten der Nationalen Sicherheitsbehörde bekommen, wenn es sich als notwendig erweisen sollte.

Schnüffelei war in einem solchen Fall unvermeidbar. Wenn man im Trüben herumrührt, steigt immer etwas aus der Brühe auf. Ein Oberstleutnant hatte Aufputschmittel genommen, die er sich von einer Krankenschwester aus den Beständen der Pentagon-Apotheke beschaffen ließ. Ein anderer Offizier war jahrelang wegen Syphilis behandelt worden, hatte die Krankheit aber verschwiegen und sogar Daten seiner Krankengeschichte gefälscht, die in seinen Personalakten gespeichert waren.

Ein Kapitänleutnant war Gewohnheitstrinker. Ein Flight Commander besuchte Spielcasinos. Für viele Angehörige des Offizierscorps mochte die Aufdeckung solcher Fehler und Schwächen immer noch Grund genug sein, zur Pistole zu greifen oder sich mittels eines selbst herbeigeführten Unfalls aus dem Leben zu stehlen.

Wenn das Aufdecken solcher Schwächen Grund für die Todesfälle war, musste es jemand geben, der diese Dinge ans Licht brachte.

»Mit dieser Geschichte«, hatte mein Freund Phil erklärt, als wir zu Oliver Jaystons Party fuhren, »können wir keinen Blumentopf gewinnen.«

»Das sollen wir auch nicht«, hatte ich geantwortet. »Wir sollen die Hechte im Karpfenteich spielen. Die Gentlemen in den schicken Uniformen wollen nur wissen, wer in der trüben Brühe herumrührt. Was dann geschieht, ist nicht mehr unser Problem.«

Jetzt ließ Phil mich allein. Er verzog sich mit einer silberblonden Partymieze, die nebenberuflich im Heerespersonalamt arbeitete, in den Garten. Dort hatte der Hausherr ein Zeltdach aufspannen lassen, nachdem es am Nachmittag zu regnen begonnen hatte.

Ich klammerte mich an einem Bourbonglas fest, das ich von einem vorbeischwebenden Tablett genommen hatte. Das Eis darin kühlte meine Hand, nicht aber mein Herz.

Mein Blick heftete sich auf eine schlanke Frau mit langem Haar, das wie poliertes Mahagoni schimmerte. Sie trug eine schlichte weiße Bluse und einen Hosenanzug von männlichem Zuschnitt, doch weder in einem Kleid noch in engen Jeans hätte sie weiblicher aussehen könne.

Sie war allein und stand etwas abseits. Ich beschloss, in den Nahkampf zu gehen.

Ihre kühlen graugrünen Augen sahen an mir vorbei, als ich mich heranschob. Arthur Wimble, der glaubte, mir Schützenhilfe leisten zu müssen, glitt neben mich.

»Hallo«, sagte er zu der Frau im Hosenanzug. »Kennen Sie Jerry Cotton schon? Jerry, das ist Kay Marshal.«

Kay Marshal nickte kühl. Sonst nichts. Wimble lächelte und zog sich wieder zurück.

Ich musterte ihr Gesicht. Es wirkte jung. Erst aus der Nähe bemerkte ich die Reife der Züge und die feinen Fältchen in den Augenwinkeln.

»Hi, Mrs. Marshal ...«

»Miss Marshal«, sagte Kay Marshal kühl.

»Das ist doch nichts Schlimmes«, meinte ich und bemerkte ihre leeren Hände. »Was halten Sie von einem Drink, Miss Marshal? Ich brauche nur mit den Fingern zu schnippen, dann kommt einer von Olivers Boys angetrabt.«

»Danke, Mister Cotton, ich besorge mir meine Drinks selbst, wenn ich welche haben will. Und wenn ich Wert auf Gesellschaft lege, mache ich mich bemerkbar.«

»Ich bin noch eine Weile hier«, sagte ich, weil ich das letzte Wort behalten wollte. Denn ich hatte eine Abfuhr erlitten, wie sie klassischer nicht sein konnte.

Kay Marshal wandte sich der Politikerwitwe zu. Ich sah mich um. Oliver Jayston stand mit vier anderen Männern um den Kamin herum. Der Zwei-Sterne-General und der Psychiater waren dabei. Ein aufgeschnappter Halbsatz weckte mein Interesse.

»... da rächt sich jemand für irgendetwas, ist doch klar«, sagte Dennis Hostetter, der Psychiater, mit volltönender Stimme.

»Daran haben unsere Experten auch schon gedacht«, entgegnete Jayston gereizt. »Aber wer?«

»Eine Frau, Oliver, eine Frau.« Der grauhaarige Psychiater lächelte. Seine grauen Augen blickten amüsiert in die Runde.

»Eine Frau?«, erkundigte sich Sanders, der General. »Wie kommen Sie auf eine Frau?«

Hostetter wandte sich dem Offizier zu. »Die Heimtücke, General. Nur eine Frau kann so heimtückisch sein.«

Sanders schüttelte den Kopf. Er wollte zu einer Entgegnung ansetzen, doch er wurde von seinem Adjutanten unterbrochen, einem hochgewachsenen Oberleutnant, der sich zu seinem Ohr hinabbeugen musste, als er ihm eine Meldung machte.

General Sanders erbleichte. Seine Augen zuckten.

»Sie entschuldigen mich, Gentlemen«, sagte er, verbeugte sich andeutungsweise und rannte vor seinem Adjutanten hinaus.

Das Gespräch stockte. Jeder suchte nach einem neuen Ansatz. Da spürte ich eine Berührung an der Schulter, und dann traf eine rauchige Stimme mein Ohr. Es war eine Stimme, die direkt auf empfindliche Nerven einwirkte.

»Hallo, Jerry! Das ist aber eine Überraschung!«