Jerry Cotton Sonder-Edition 222 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 222 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

McDougan war ein Spieler. Für ihn galt nur: Alles oder nichts! In Atlantic City verließ ihn sein Glück. Er verlor sein Geld bis auf den letzten Cent. Da machte ihm der Boss der Spielbank ein Angebot: "Töten Sie drei Männer, die ich Ihnen nennen werde - und ich zahle Ihnen eine Millionen Dollar!"


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Seitenzahl: 229

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Tödliches Dreieck

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Vorschau

Impressum

Tödliches Dreieck

McDougan war ein Spieler. Für ihn galt nur: Alles oder nichts! In Atlantic City verließ ihn sein Glück. Er verlor sein Geld bis auf den letzten Cent. Da machte ihm der Boss der Spielbank ein Angebot: »Töten Sie drei Männer, die ich Ihnen nennen werde – und ich zahle Ihnen eine Million Dollar!«

1

Wut und Angst erfüllten Johnnie McDougan. Ganz hinten im Kopf saß der kleine Teufel, der ihm sagte, dass alles in eine Katastrophe münden würde.

Seit drei Tagen spielte er im Rainbow Casino in Atlantic City. Seit drei Tagen war das Pech sein ständiger Begleiter. Obgleich das Ende abzusehen war, die Chips vor seinem Platz immer weniger wurden und ein Angestellter des Casinos mit seinem letzten gedeckten Scheck unterwegs war, um neue Chips zu holen, konnte er nicht aufhören. Ein unglückseliger Zwang trieb ihn zum Weiterspielen. Und eine innere Stimme redete ihm beharrlich ein, dass er auch dieses Casino zum Schluss als Gewinner verlassen würde.

Jede Pechsträhne musste einmal reißen. Nicht ewig konnte sich der kalte Mechanismus des Roulettekessels gegen ihn drehen.

Johnnie McDougan schwitzte. Vor einer halben Stunde noch hatten die Leute ihn gestört, die um den Tisch versammelt waren, an dem er als Einziger mit großen Einsätzen spielte. Jetzt nahm er sie kaum noch wahr. Jetzt sah er nur noch die Berge von Chips, die sich auf der Siebzehn türmten und die Nummer einkreisten. Er hörte das Raunen um sich herum nicht mehr. Er hörte nur noch das Rollen der weißen Kugel, das Klicken, wenn sie gegen einen Raster schlug, und das Klacken, wenn sie schließlich in ein Nummernfach kippte.

»Nichts geht mehr, Sir.«

Die blonde Frau, die den Kessel drehte, sprach mit monotoner Stimme. Auf ihrem fein geschnittenen, hübschen Gesicht gab es nichts als das einstudierte ständige Lächeln. Keine Spur von Gefühl oder Anteilnahme. McDougan hasste das Unbeteiligtsein. Selbst ein mitleidiges Lächeln, mit dem sie ihn zum Idioten gestempelt hätte, hätte er in Kauf genommen. Aber da gab es wirklich nichts, das etwas Abwechslung in die Monotonie des Spiels brachte.

»Vierunddreißig – Rot – pair – passe. Nichts auf der Nummer!«

Die Stimme hatte sich etwas erhoben. Ganz kurz huschte der Blick der blauen Augen zu McDougan. Dann griff der Rechen, den die schlanken Hände mit den gepflegten roten Nägeln hielten, nach den Chips, die die Siebzehn einkreisten, und zogen sie vom grünen Filz.

McDougan starrte in den kreisenden Kessel. Er spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Die Zahlen verschwammen vor seinen Augen.

»Sir.«

Die Stimme des Saaldieners riss ihn wieder hoch.

Mit gleicher Teilnahmslosigkeit, mit der die Blondine den Kessel drehte und die Kugel warf, schob der Mann ihm die letzten zweihunderttausend Dollar in Chips zu, für die McDougan den Scheck ausgestellt hatte.

McDougan blickte kurz auf.

»Das Limit ist aufgehoben«, sagte der Mann in der lilafarbenen Livree.

Stille um McDougan herum. Er spürte die Blicke der Leute auf sich, die den Tisch umlagerten und jedes Mal den Atem anhielten, wenn die Kugel rollte.

McDougan starrte auf die vier Plastikchips. Jedes hatte einen Wert von fünfzigtausend. Und jetzt ging es ohne Limit. Die Gedanken drehten sich in seinem Kopf. Ohne Limit. Er konnte den Verlust der letzten Tage mit einem Coup wettmachen und dazu noch einen Riesengewinn einstreichen. Alles war möglich – auch die totale Niederlage.

»Ihr Einsatz, Sir.«

Alles oder nichts!, hämmerte es in McDougan. Er nahm die vier Chips und schob sie auf die Siebzehn.

Zum ersten Mal zeichnete sich etwas wie eine menschliche Regung auf dem Gesicht der blonden Frau ab. Erstaunen, mit Mitleid gemischt, und ein Anflug von Zweifel.

»Zweihunderttausend Dollar?«

»Auf die Siebzehn!« McDougan nickte. Er lächelte. Ein warmes Gefühl erfüllte ihn. In diesem Moment wusste er genau, dass er gewinnen würde. Tausend Zahlen hätte dieser verdammte Kessel haben können. McDougan war bereit, seine Seele darauf zu verwetten, dass keine andere Zahl als die Siebzehn kommen konnte.

»Alle Stücke, so, wie ich sie platziert habe. Zweihunderttausend Dollar auf die Siebzehn.«

McDougan sah die blonde Frau an. Ihre Hände zitterten, als sie zum Drehkreuz des Kessels griffen und ihm neuen Schwung verliehen. Sie hat Angst, dachte McDougan. Sie weiß genau wie ich, dass keine andere Zahl als die Siebzehn kommen kann. Sie hat Angst!

McDougan zündete sich eine Zigarette an. In Gedanken überschlug er den Gewinn, der über den zwei Millionen lag, die er in den vergangenen drei Tagen im Rainbow Casino verspielt hatte.

Nur am Ende des langen, schmalen Gangs brannte eine Notbeleuchtung. Phil hielt sich hinter mir. Ich spürte seinen heißen Atem im Nacken und wusste, dass die Handfläche der Rechten, in der er die Dienstwaffe hielt, feucht war.

Drei Yards standen wir von der Tür entfernt, hinter der sich Lindsay in Sicherheit wiegte. Er konnte nicht ahnen, dass gleich zwei G-men in seinem Heiligtum auftauchen würden.

Langsam drehte ich mich zu Phil herum. Mein Freund verzog das Gesicht zu einem verkrampften Lächeln. Er nickte mir zu.

»Okay«, sagte er dumpf. »Guten Rutsch ins Jenseits, wenn Lindsay sofort schießt!«

Ich erwiderte sein Grinsen. Fröhlicher als Phils fiel es nicht aus.

Dass Lindsay schoss, befürchtete ich nicht. Der Kerl hatte noch nie zur Waffe gegriffen. Aber Lindsay war nicht allein. Wir kannten nicht alle Anwesenden und wussten nicht, wie es um ihre Nerven bestellt war. Es war ein Risikounternehmen, doch wir mussten es durchziehen. Um überhaupt eine Chance zu haben, mussten wir Lindsay und die anderen bei einer ungesetzlichen Handlung überraschen.

Mir war alles andere als wohl in der Haut, als ich noch einmal tief durchatmete.

»Okay, Phil!«

Ich visierte die nicht besonders stabil wirkende Tür an und trat zu. Es knirschte. Die Verankerung des Riegels brach aus dem Rahmen. Die Tür gab nach, wurde durch mein Gewicht aufgeschleudert, und ich stürzte in den angrenzenden Raum.

Grelles Licht um mich herum. Dazwischen überscharf die Umrisse von vielleicht zehn Männern und die fast kalt wirkende, helle Haut einige nackter Frauen.

Mehr konnte ich nicht sehen, denn schon landete ich auf dem Teppichboden.

Frauen kreischten, Männerflüche prasselten auf mich herab.

Dazwischen Phils sich überschlagende Stimme. »FBI! Macht keinen Unsinn!«

Ich drehte mich nach rechts und bekam die Hand mit der Waffe frei, die eben noch unter meinem Körper eingeklemmt gewesen war.

Ein Schuss peitschte auf. Ich sah den Mündungsblitz rechts neben der Studioleuchte. Darüber das verkniffene Gesicht eines kompakten kleinen Mannes. Klatschend grub sich das Projektil in die Wand neben der Tür, vor der Phil geistesgegenwärtig in die Knie gegangen war. Ganz sicher hatte diese Reaktion meinem Freund das Leben gerettet.

Mein Finger krümmte sich um den Abzug, als Phils Dienstwaffe schon aufbrüllte. Der Mann, der eben geschossen hatte, ruderte wild mit den Armen. Er versuchte, Halt an der Leuchte zu finden, und riss sie mit sich zu Boden. Mit einem lauten Knall zerplatzte die starke Birne.

»Keiner rührt sich von der Stelle!«

Ich war wieder auf den Beinen. Der Lauf meiner Waffe strich an den Personen vorbei, die wie versteinert dastanden und fragend zu Lindsay schauten. Er lehnte am offenen Fenster, und es sah so aus, als überlege er, ob er hinausspringen sollte oder nicht.

»Das sind sieben Stockwerke, Lindsay«, sagte ich mit kalter Stimme. »Das reicht sicherlich zum Sterben. Der Sturz dauert aber nicht lange genug, um ein letztes Gebet zu sprechen.«

Matt Lindsay war aschfahl im Gesicht. Seine Augen traten unnatürlich weit aus den Höhlen heraus. Die wulstigen Lippen waren zu einem Strich zusammengezogen.

»Alles umdrehen! Mit dem Gesicht zur Wand! Und dann streichelt die Tapeten!«

Phil trat weiter ins Zimmer hinein. Er bewegte sich so, dass er meine Schusslinie nicht kreuzte. Ich deckte ihn. Doch im Moment machte keiner der Anwesenden Anstalten, zur Waffe zu greifen.

Dabei war ich mir sicher, dass einige der Partygäste schwer gerüstet waren.

Sie stammten aus allen Gesellschaftsschichten. Geschäftsleute, Gangster, Zuhälter und Dealer waren hier versammelt. Lindsays Partys waren bis über die Landesgrenzen bekannt. Bei ihm konnte man Girls ersteigern, um sie in einer anderen Stadt als New York auf die Straße zu schicken. Es gab Rauschgift jeder Art. Und Vergnügen, bei denen es einem Normalverbraucher die Schamröte ins Gesicht trieb.

Bewegung kam in die Leute. Ich ließ sie nicht für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen. Niemand machte eine Dummheit. Die meisten kannten das Spiel. Sie reihten sich an der Wand auf, starrten auf das verwischte Blumenmuster der Tapete und warteten. Phil ging die Reihe entlang, fischte vier Kanonen aus den Taschen der Leute und warf sie auf das riesige Bett, das in der Mitte des Raums stand. Drei Frauen lagen noch drauf. Jung. Viel zu jung für die Dinge, die man mit ihnen vorgehabt hatte. Allesamt süchtig oder mit Problemen beladen, denen sie zu entfliehen versuchten. Keine von ihnen rührte sich. Dicht aneinandergedrängt verharrten sie auf dem Bett und schauten uns aus großen Augen an.

»Okay, Jerry.« Phils Stimme war anzuhören, dass ihm mehr als nur ein Stein von der Seele gefallen war. »Okay, ich verständige die Kollegen mit dem großen Wagen.«

Während sich Phil zum Telefon begab, trat ich dichter an den Mann, der reglos auf dem Teppich lag. Vorsichtig drehte ich ihn auf die Seite. Er hatte eine hässliche Wunde in der Brust. Das weiße Hemd war blutverkrustet, sein rundes Gesicht wirkte eingefallen und grau.

»Den Notarztwagen, Phil!«

Mein Freund hatte die City Police schon an der Strippe. Er forderte den Notarztwagen, den Mannschaftswagen und eine Handvoll Leute an. Als er auflegte, rieb er sich den Schweiß aus dem Gesicht.

Matt Lindsay wollte etwas sagen. Der überschlanke Mann mit den viel zu langen Beinen wollte sich von der Wand abstoßen, als Phil ihm einen Stoß versetzte und ihn gegen die Wand zurückschleuderte.

»Keinen Ton, Lindsay!«, knurrte mein Partner.

»Ich habe das verdammte Recht, meinen Anwalt zu verständigen!«

»Das kannst du vom Office aus machen«, sagte ich. »Ist allerdings rausgeschmissenes Geld. Diesmal hilft dir niemand mehr, Matt.«

»Das war ein Überfall«, sagte ein anderer. Ein schwergewichtiger kleiner Typ, der sicherlich eine Menge Geld dafür bezahlt hatte, um an dieser Party teilzunehmen. »Ich werde mich beschweren.«

»Halt's Maul!«, sagte Phil bedeutend heftiger, als er normalerweise reagiert. Er schaute auf den Mann auf dem Teppich, und seine Wangenknochen zuckten.

Stille trat ein, bis ein Mädchen zu weinen begann. »Ich will nach Hause, Mister.«

Sie war vielleicht siebzehn Jahre. Für dieses Alter war sie körperlich sehr entwickelt, aber ihr Gesicht war noch das eines Kindes, das mit Puppen spielt. Tränen rannen ihr über die Wangen. Die Schultern hoben und senkten sich unter einem trockenen Schluchzen.

»Ich will nach Hause, Mister!«

Ich nickte. »Es wird nicht lange dauern. Bestimmt nicht.«

»Ich brauchte Geld, um nach New Orleans zu kommen«, erwiderte das Mädchen. »Ich stamme aus New Orleans. Niemand hat mir gesagt, was hier läuft. Einige Bilder, hat er gesagt, keine unanständigen, nur einige Modeaufnahmen. Er hat mir etwas gegeben ...«

Sie brach ab, ließ sich auf das Polster des Betts fallen und barg ihr Gesicht in der Armbeuge.

»Verdammte Schlampe!«, fluchte Matt Lindsay. »Das glaubt dir doch niemand.«

»Ich glaube ihr, Lindsay«, sagte ich scharf. »Ich kenne einen Staatsanwalt, der ihr auch glauben wird. Ich kenne überhaupt eine Menge Leute, die lange Zeit darauf gewartet haben, dass ein Mädchen mit dem Finger auf dich zeigt. Gib dich nur keinen falschen Hoffnungen hin, Lindsay!«

In mir breitete sich etwas Ähnliches wie Zufriedenheit aus. Wir hatten Matt Lindsay. Diesmal steckte er so tief im Dreck, dass ihm niemand mehr da heraushelfen konnte. Und Lindsays Festnahme sollte der Anfang einer Kettenreaktion sein.

Einige Minuten verstrichen. Dann waren aus der Ferne die Sirenen der anrückenden Patrol Cars und des Notarztwagens zu hören.

»Nichts geht mehr«, sagte die Blondine am Roulettekessel, nahm die Kugel zwischen Daumen und Zeigefinger und warf sie schwungvoll gegen die geneigte Fläche des Kessels.

McDougan richtete sich auf. Nervös zerbiss er den Filter seiner Zigarette. Er reckte den Hals, um von seinem Platz aus den Lauf der Kugel besser verfolgen zu können.

Langsam drehte sie sich. Verteufelt langsam. Noch niemals hatte McDougan eine Kugel so träge über die Neigung des Kessels trudeln sehen. Er schwitzte. Schweiß rann ihm in die Augen und löste einen teuflisch brennenden Schmerz aus.

Die Siebzehn!, redete er sich ein. Dann sprach er laut zu dem Kessel und sah dabei so überzeugt aus, als glaubte er wirklich daran, den Lauf der Kugel durch irgendwelche Beschwörungsformeln beeinflussen zu können.

»Die Siebzehn! Komm, Baby!«

Das Klacken und Klicken dröhnte McDougan in den Ohren. In diesem Moment begriff er, dass der Lauf sein Schicksal bestimmte. Sein letztes Geld stand auf der Siebzehn. Wenn er verlor ...

McDougan brachte den Gedanken nicht zu Ende. Mitten aus der kreisenden Bewegung heraus stürzte die Kugel ab, schlug gegen das Drehkreuz, sprang nach oben weg und kippte in die Null.

»Zero! Nichts auf der Nummer!«

Diesmal klang es wie Hohn. McDougan starrte die Blondine an, die ihm kein Glück gebracht hatte. Er begann sie zu hassen. Sie und die anderen Leute, die den Tisch umstanden und nun in Diskussionen darüber verfielen, warum die verdammte Kugel gerade Zero getroffen hatte.

Er stand auf, nahm seine Zigaretten mit und wandte sich lächelnd vom Tisch ab. Seine Schritte waren schwer. Die Schultern fielen leicht nach vorn ab. Aber man sah ihm nicht an, dass er sich als ein gebrochener Mann auf die Bar zubewegte.

Es war aus mit ihm. McDougan gab sich keinen Illusionen hin. Zwei Millionen in drei Tagen verloren! Und keine Möglichkeit mehr, an anderer Stelle, in einem anderen Casino den Verlust wieder wettzumachen. Er war erledigt.

McDougan setzte sich auf einen Hocker. Im Spiegel der Bar konnte er die Leute beobachten, die seine Niederlage miterlebt hatten und ihn mit mitleidigen Blicken musterten.

»Whisky«, bestellte er, zündete sich eine frische Zigarette an und drehte das Päckchen unruhig zwischen den Fingern. Er nahm einen Schluck und versuchte, die Gedanken an die Zukunft abzustellen. Das gelang ihm erst, als sich jemand hinter ihn stellte und ihm die Hand auf die Schulter legte.

»Mal so, mal so, McDougan.«

McDougan drehte sich um. Er sah in das eingefallene Gesicht von Alan Dyburg, dem Casinobesitzer, und er entdeckte einen teuflischen Glanz in den kleinen Augen.

»Ein letztes Spiel, McDougan?«, fragte Dyburg.

McDougan lauschte der Stimme. Vergeblich suchte er nach einen Anflug von Schadenfreude. Er lachte auf, schob sein Glas beiseite und wollte aufstehen.

»Ein letztes Spiel, McDougan!«

Das war eine Aufforderung. McDougan starrte den kleinen, eleganten Mann aus zusammengezogenen Augen an. Dyburg scherzte nicht. Dyburg meinte es ernst.

»Eine Million, McDougan. Ein Blatt Black Jack. Das Casino stellt Ihnen die Summe zur Verfügung.«

»Sie sind verrückt, Dyburg.«

»Eine Million, McDougan.«

Er meinte es wirklich ernst, daran konnte es keinen Zweifel geben. McDougan schaute sich um. Sie waren die einzigen Gäste an der Bar. Irgendwann in den letzten Minuten musste Dyburg der Thekenmannschaft ein Zeichen gegeben haben.

»Zu welchen Bedingungen, Dyburg?«

»Wenn Sie gewinnen, verlassen Sie Atlantic City mit einer Million und können wieder neu anfangen.«

»Und wenn ich verliere?«

Dyburg zögerte einen Sekundenbruchteil. Dann griff er in die Innentasche seines Dinnerjackets und legte die Fotos von drei Männern auf den Tresen.

»Wenn Sie verlieren, McDougan, schulden Sie mir die Leichen dieser Männer!«

»Sie sind wirklich verrückt«, sagte McDougan mit leiser Stimme und schob die Fotos zurück. Selbst er war über dieses menschenverachtende Spiel empört.

»Ich kenne Sie«, antwortete Dyburg ebenso leise. »Drei Tage waren ausreichend, Erkundigungen über Sie einzuholen. Glauben Sie mir, ich kenne Sie wie einen eigenen Bruder. Es hat einmal eine Zeit gegeben, da hat man von Ihnen behauptet, dass Sie ein Killer sind. Vielleicht entspricht das nicht ganz der Wahrheit, McDougan. Aber Sie verstehen sich aufs Töten. Und Sie sind am Ende. Ich biete Ihnen, wenn Sie den Auftrag hinter sich gebracht haben, noch einmal eine Million.«

Vor McDougans Augen drehte sich das Flaschenregal. Sein Mund war trocken.

Er griff nach dem Whisky und kippte ihn auf einen Zug herunter.

»Ich könnte Sie betrügen, Dyburg.«

»Das werden Sie nicht tun.« Dyburg schüttelte den Kopf. »Wenn Sie sich mit mir an einen Tisch setzen, werden Sie sich an die abgesprochenen Regeln halten, genau wie ich mich daran halten werde. Eine Million Dollar. Wenn Sie gewinnen, vergessen Sie das Gespräch und verschwinden mit dem Geld. Wenn Sie verlieren, schulden Sie mir die Leichen von drei Männern. Und sobald Sie diesen Auftrag erledigt haben, erhalten Sie auf jeden Fall eine Million. Kein Killer hat jemals mehr bekommen. Sie sind ein Mann, der gegen jede Norm lebt, der immer mehr will als die anderen. Keiner wird jemals wieder einen solchen Preis kriegen, McDougan. Allein das müsste Sie schon reizen, den Job zu übernehmen.«

»Warum?«, fragte McDougan.

»Das ist meine Sache.«

»Wenn ich darauf einsteige, ist es auch meine.«

»Die Männer haben es verdient. Es sind Mörder. Reicht das?«

McDougan schüttelte den Kopf.

»Dann vergessen Sie unser Gespräch!«

»Warum erledigen Sie es nicht selbst?«

»Ich bin krank. Ich werde sterben.«

McDougan sah in das schmale Gesicht, sah die eingefallenen Wangen, die etwas zu graue Gesichtsfarbe und die Augen, die wie Irrlichter blitzten.

»Sie können jeden anderen engagieren und billiger bekommen.«

Alan Dyburg nickte und strich sich über die feuchtglänzende Stirn. »Ich kenne niemand so gut wie Sie. Ich weiß, man kann sich blind auf Sie verlassen. Sie sind ein verdammter Spieler, doch Sie haben noch niemals betrogen, und Sie sind noch niemals jemand etwas schuldig geblieben. Ich will Sie, oder vergessen Sie es!«

Er hat dich schon, dachte Johnnie McDougan. Aber noch nicht ganz. Ein einziges Spiel. Ein Blatt Black Jack. Eine Million und frei oder ein Killer und ebenfalls eine Million. Drei Tage Pech. Ein Mann kann nicht immer verlieren.

»Ein Blatt!« McDougan nickte. Das feine Lächeln von Alan Dyburg trieb ihm eine Gänsehaut über den Rücken. Der Mann war ihm an Skrupellosigkeit, an Missachtung von Geld und Menschenleben überlegen. »Ein Blatt, Dyburg. Hier an der Bar und sofort. Sie bringen zehn verschweißte Päckchen Karten. Ich suche eines aus.«

»Sie trauen mir nicht, McDougan?«

McDougan lachte auf. »Ich traue mir selbst nicht, Dyburg. Warum sollte ich ausgerechnet Ihnen trauen? Wenn ich es mir richtig überlege, Dyburg, dann hasse ich Sie. Versuchen Sie ein schmutziges Spiel mit mir, und Sie werden mit Sicherheit die vierte Leiche sein. Ich kenne jeden Trick. Vielleicht haben Ihre Informanten Sie nicht angelogen. Vielleicht bin ich ein Killer. Und noch etwas: Das ist Ihr Spiel und geht nach Ihren Regeln. Das andere ist mein Spiel. Das spiele ich ganz für mich allein, nach meinen Regeln.

Dyburg schüttelte den Kopf. »Eine Bedingung.«

»Welche?«

»Sie haben nicht länger als sechs Wochen, McDougan. Sie bekommen alles, was Sie brauchen. Geld spielt keine Rolle, nur Sie haben nicht länger als sechs Wochen.«

McDougan sah sein Gegenüber forschend an. »Mehr Zeit hat man Ihnen nicht gegeben, Dyburg? Sechs Wochen Leben, und Sie wollen sich nicht allein davonschleichen, sondern drei liebe Freunde mitnehmen?«

»Reden wir nicht darüber, McDougan! Machen wir unser Spiel!«

2

Stundenlang schwieg Matt Lindsay. Phil Decker, Joe Brandenburg, Zeerookah, Steve Dillaggio und ich wechselten uns bei der Vernehmung ab. Er war ein härterer Brocken, als wir ihn uns vorgestellt hatten. Aber nach sechs Stunden gab er auf. Da sah er endlich ein, dass es für ihn nur noch einen Weg aus dem Dilemma gab: Er musste mit uns zusammenarbeiten.

Die Aussage des Mädchens aus New Orleans lag vor, die Aussagen der anderen Frauen und die einiger Geschäftsleute, die an der wilden Party teilnehmen wollten und denen man dafür eine Menge Geld abgenommen hatte. Es war gespritzt und geschnupft worden. Man hatte eine große Menge Rauschgift in den Räumen gefunden. Dazu eine Kartei mit Mädchen, die seit einiger Zeit in der Stadt als vermisst gemeldet waren.

Lindsay hatte sie aus der Stadt geschleust und an Callgirlringe verkauft.

Als wir ihn nach sechs Stunden wieder in die Zelle bringen ließen, hatten wir, was wir wollten. Den Namen Bob Randlaw, seinen Aufenthaltsort und eine Liste von Stationen, die Randlaw in nächster Zeit im Auftrag der Mafia und anderer Organisationen anlaufen würde.

Ich trank den Rest des kalten schwarzen Kaffees aus dem Pappbecher.

»Wenn wir Randlaw schnappen«, sagte Phil, »und wenn es uns gelingt, auch diesen Mann zum Reden zu bringen, wackeln die Stühle einiger ganz großer Bosse.«

Genau das war unser Ziel: ein großer Schlag gegen das organisierte Verbrechertum, dem man in keinem Land der Erde richtig beikommen konnte.

Lindsay war der Anfang. Randlaw sollte die zweite Station sein. Danach würden die Kollegen in verschiedenen Städten Überstunden machen müssen.

Aber noch hatten wir Randlaw nicht.

McDougan mischte das Blatt, Dyburg hob ab und strich noch einmal wie beschwörend mit den Fingern über die obere Karte, als McDougan den Packen mitten auf die Theke legte.

McDougan starrte die Karten an. Seine Finger zitterten, als er die ersten fünf Karten blind vom Stapel nahm und beiseiteschob.

»Okay, Dyburg«, sagte er dann mit betont fester Stimme.

»Okay.«

Erneut tasteten seine Finger an die Karten heran. Vorsichtig hob er die erste ab und legte sie vor Dyburg auf die Bar.

»Kreuz drei«, sagte er, nahm sich selbst eine Karte und deckte das Herz Ass auf. Seine Augen leuchteten, als er Dyburg einen schnellen Blick zuwarf. Doch im Gesicht des schmalen Mannes gab es nichts zu entdecken, was dessen inneren Zustand widerspiegelte. Dyburgs Gesicht war wie eine starre Maske.

»Karte, McDougan.«

Zu der Kreuz drei kam die Pik sieben.

McDougans Hände begannen wieder zu zittern, Dyburg lächelte. Er strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

»Karte, McDougan.«

Kreuz Ass für Dyburg.

McDougan schwitzte. Einige Tropfen rannen in seine Augen und brannten höllisch. Er selbst musste nur ein lausiges Bild zum Ass kaufen, um einen Black Jack zu bekommen und Dyburgs Karte zu schlagen. Ein einziges Bild, dann war er um eine Million reicher, dann musste er nicht in tödlicher Mission reisen.

Ein einziges Bild!

McDougan deckte auf. Herz acht! Das waren neunzehn auf seiner Seite, oder, da man das Ass auch als eine Eins bewerten konnte, nur neun Punkte. McDougan legte die nächste Karte um.

Herz König! Genau die Bildkarte, die ihm zu seinem Ass gefehlt hatte, um als Sieger aus der Partie hervorzugehen.

Zusammen mit Dyburg stand er von der Bar auf. Diesmal erwiderte er das feine Lächeln des Casinobesitzers.

»Sie haben Glück«, sagte McDougan mit einem schneidenden Unterton. »Treiben Sie es nicht auf die Spitze, Dyburg! Das Glück ist wie eine launische Frau und kann einen Mann schnell verlassen.«

»Sechs Wochen, McDougan«, sagte Dyburg, wandte sich ab und verschwand zwischen den Spieltischen.

Bob Randlaw stand an dem langen Pult mit den unzähligen Formularen. Das hohlwangige Gesicht spiegelte das stete Misstrauen des immer etwas geduckt gehenden kleinen Mannes, der auf den ersten Blick so vertrauenerweckend aussah, dass Mütter ihm ihre Lieblingskinder anvertraut hätten.

Ein Umstand, der ihm zu einer Karriere als Spezialkurier verholfen hatte.

Spezialkurier! Es war ein schönes Wort für eine überaus hässliche Tätigkeit.

Phil und ich hatten mit allem gerechnet, nur nicht mit einem Besuch Randlaws in der Chase Manhattan Bank. Drei Tage waren wir ihm auf den Fersen gewesen. Es hatte hundert Möglichkeiten gegeben, ihn festzunehmen. Aber nachdem er uns so sicher war, hatten wir ihn an der langen Leine laufen lassen. Immerhin war es möglich, dass er uns zu Leuten führte, die wir noch nicht kannten. Nichts dergleichen war passiert.

Bis vor drei Stunden. Da übernahm Randlaw an der Grand Central Station eine Ladung, verschwand damit im Waschraum und tauchte wenig später wieder auf. Mit einem Aktenkoffer in der Hand und mit mindestens zwanzig Pfund Heroin am Körper. Eine Ladung, die wahrscheinlich aus Miami nach New York gekommen war. Randlaw sollte sie hier an die Großdealer verteilen.

Bei solchen gefährlichen Aufträgen pflegte Randlaw zu humpeln. Dann schob er die linke Schulter so weit nach vorn, dass er wie ein Krüppel aussah und man Mitleid mit ihm hatte.

Ich kannte ihn inzwischen genau. Phil und ich hatten ihn studiert. Seit Lindsays Verhaftung waren wir hinter ihm her und warteten auf unsere große Chance.

Jetzt hatten wir ihn. Mit einem Koffer voll heißem Geld und mindestens zwanzig Pfund Heroin am Körper stand er in der Chase Manhattan Bank.

Das Zeug würde ihm mindestens zwanzig Jahre Gefängnis einbringen. Bei seiner Konstitution konnte er eine solche Knastperiode niemals durchstehen. Er würde alles tun, um die zu erwartende Strafe zu drücken und einen Handel mit der Staatsanwaltschaft abzuschließen. Er würde genauso singen, wie Lindsay gesungen hatte. Dann konnten wir endlich zum ganz großen Schlag gegen das organisierte Verbrechen ausholen.

Ich dachte daran, als ich den mageren kleinen Mann aus den Augenwinkeln beobachtete. Er stand etwas gelangweilt da. Die Schlange vor dem Schalter schien ihn nicht aufzuregen.

Zweimal hatte er in meine Richtung geschaut. Doch ich war mir sicher, dass er mich nicht kannte und nicht wusste, dass ich hinter ihm her war.

Phil stand mit einigen anderen Kollegen draußen. Die City Police war ebenfalls eingeschaltet. Sie hatte einige Fahrzeuge auf der Straße postiert. Eine reine Sicherheitsmaßnahme für den Fall, dass in der Bank etwas schiefging und Randlaw sein Heil in der Flucht suchte. Auf ein Feuergefecht mit ihm konnten wir uns nicht einlassen. Wir brauchten ihn lebend. Er musste uns die Informationen liefern, die uns noch fehlten, um mit der Hexenjagd auf die großen Bosse beginnen zu können.

Wir hatten alles getan. Es war ein gutes Gefühl in mir. Beinahe schon der Anflug von Triumph, der sich immer dann einstellt, wenn man besser ist als jemand, der bislang verächtlich auf einen herabgesehen hat.

Bob Randlaw war so gut wie erledigt.

Johnnie McDougan betrachtete seine Erscheinung in der spiegelnden Scheibe der Hauptkasse. Wenn er nicht selbst gewusst hätte, wer er war, hätte er sich nicht wiedererkannt.

Berufsoffizier, reicher Ehemann, Spieler und zwischendurch Maskenbildner – das waren die Stationen seines Lebens gewesen. Die Ausbildung als Maskenbildner kam ihm nun zugute.

Die schwarze Perücke saß genauso einwandfrei wie der elegant kurz geschnittene Backenbart, der die scharfen Linien seines Gesichts noch unterstrich. Der graue Anzug war auswattiert. Er gab ihm optisch mehr Umfang, als er in Wirklichkeit besaß. Seine kräftigen, immer etwas nervigen Finger steckten in hellbraunen Schweinslederhandschuhen. Die Dunhill-Pfeife, die er lässig im rechten Mundwinkel trug, verlieh ihm das Aussehen eines blasierten Engländers, der sich zum Geschäftemachen in der Bank aufhält.

Niemand konnte ihm ansehen, dass sein Geschäft Mord war.

Er wandte sich vom Kassenschalter ab. Es standen noch viele Leute vor ihm in der Schlange. Es würde eine Zeit lang dauern, bis er einige der großen Banknoten wechseln konnte, die Dyburg ihm mit auf die Reise gegeben hatte.

McDougan begab sich in die Mitte der Halle, lehnte sich an einen Stützpfeiler und schaute sich um. Seine blauen Augen waren durch farbige Kontaktlinsen nun dunkelbraun. An die Dinger hatte er sich erst gewöhnen müssen. Mit dem ekelhaft brennenden Schmerz, die sie ihm zu Anfang bereiteten, hatte er sich schnell abgefunden. Schneller als mit dem Mordauftrag, der ihn nach Manhattan rief.

Drei Männer standen auf seiner Todesliste. Geschäftsleute, die weit über die Staatsgrenzen New Yorks hinaus einen guten Namen hatten. Angehörige einer Gesellschaftsschicht, der er bis vor vier Wochen angehört hatte. Bis zu jener Nacht im Rainbow Casino, die er niemals wieder aus seinem Gedächtnis würde streichen können. Er hatte seinen Meister gefunden. Jemand, der es geschafft hatte, aus dem Spieler Johnnie McDougan einen Killer zu machen.

Noch war es nicht so weit, aber an diesem Nachmittag sollten die Würfel fallen.