Jerry Cotton Sonder-Edition 227 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 227 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Zwei Männer auf der Flucht vor gnadenlosen Menschenjägern: Eric Morgan, der kleine Ganove, und G-man Jerry Cotton, den sie für einen berüchtigten Gangstern hielten. Wir beide hatten keine Chance, mit dem Leben davonzukommen. Denn die Nacht, in die wir flüchteten, ließ uns keinen Ausweg. Es war die Nacht der Vollstrecker ...


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Seitenzahl: 203

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Die Nacht der Vollstrecker

1

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Vorschau

Impressum

Die Nacht der Vollstrecker

Zwei Männer auf der Flucht vor gnadenlosen Menschenjä‍gern: Eric Morgan, der kleine Ganove, und G-man Jerry Cotton, den sie für einen berüchtigten Gangster hielten. Beide hatten kaum eine Chance, mit dem Leben davonzukommen. Denn die Nacht, in die sie flüchteten, ließ ihnen keinen Ausweg. Es war die Nacht der Vollstrecker ...

1

Die Reißzähne blitzten weiß und mit tödlicher Schärfe. Schaumfetzen wehten aus dem geifernden Fang des Dobermanns. Tief aus seiner Kehle drang ein heiseres Grollen.

Ich erwachte, als es zum Bellen anschwoll. Es klang wie wütendes Gebrüll. Die Blutgier des außer sich geratenen Tiers, der entfesselte Urinstinkt des Tötens waren herauszuhören.

Die Phase zwischen Traum und Wirklichkeit dauerte nur Sekunden. Mit einem Schlag war ich hellwach, als ich begriff.

Aus einem Hund wurden drei oder vier. Ein heiserer Chor der Mordlust! Das Gebell ging in schrille Misstöne über.

Ich wusste, das waren auf den Mann dressierte Bestien, die ihr Opfer schon vor sich sahen. Und sie wurden fast verrückt, weil sie immer noch an der Leine gehalten wurden.

Vorsichtig, um in der unbekannten Umgebung nirgendwo anzustoßen, richtete ich mich von meinem Nachtlager auf. Es roch nach dem Öl und dem Rostschutz eingemotteter Gerätschaften. Mein Kopf wurde klar. Die Reißzähne waren das Traumbild gewesen, das die Wirklichkeit mir eingegeben hatte. Ein Schutzmechanismus, der funktionierte, trotz der mörderischen Strapazen, die Eric Morgan und ich hinter uns hatten.

Matte Helligkeit sickerte durch die beschlagenen Scheiben eines kleinen Fensters. Der Tag war wenige Stunden jung. Sie wollten uns vor Sonnenaufgang erwischen.

Die Gewissheit packte mich wie eine Eisenfaust.

Das wilde Gebell, das nicht enden wollte, wurde fast zur Nebensache. Die Tatsache, dass man uns aufgespürt hatte, war alles andere als ein Zufall. Dass so etwas passieren konnte, hatte ich nicht für ausgeschlossen gehalten. Denn andernfalls hätte ich mich nicht bereit erklärt, diesen Einsatz zu übernehmen. Aber irgendwo, in einem kleinen Winkel meines Denkens, hatte ich mir Zweifel bewahrt. Etwas derart Ungeheuerliches konnte nicht, durfte nicht geschehen.

Doch die Wirklichkeit war manchmal grausamer als jede Vorstellungskraft.

»Eric!«, flüsterte ich drängend. »Wach auf!«

Keine Antwort. Das Gebell zerrte wieder an meinen Nerven. Vorsichtig schlich ich über den rauen Steinfußboden und tastete mich an das andere Nachtlager heran. Wie meines bestand es aus Segeltuchplanen, die wir von den Geräten genommen und zusammengefaltet hatten.

Eric Morgan wach zu rütteln, war ungefähr so zeitraubend, wie einen Grislybären aus dem Winterschlaf zu wecken.

Barsche Männerstimmen drangen jetzt durch das Hundegebell. Wer immer da draußen aufmarschiert war, sie hatten Mühe, ihre Bestien noch länger zu bändigen.

Eric fuhr auf seiner Planenrolle hoch und riss den Mund auf.

Ich legte ihm die flache Hand darauf, bevor er einen erschrockenen Ton von sich geben konnte.

»Still«, zischte ich. »Vielleicht wissen sie noch nicht genau, wo wir stecken. Wenn sie die Viecher erst mal loslassen, sehen wir verdammt schlecht aus.« Ich war John Crawford, ein kleiner Gangster aus Chicago. Ich musste wie John Crawford sprechen.

Ich legte die Hand auf Erics Schulter und spürte, dass er zu zittern begann.

»Eine Polizeistreife, was?« Er keuchte die Worte hervor. »O Mann, der Typ in Chicago hat gesagt, hier wären wie so sicher wie in ...«

Ich unterbrach ihn mit einer energischen Handbewegung. »Sagen kann man viel. Und dass man übers Ohr gehauen worden ist, weiß man immer erst hinterher. Wir müssen jedenfalls sehen, wie wir hier rauskommen. Sieht so aus, als ob wir nicht mehr viel Zeit haben. Das Problem sind die Köter. Also nichts wie weg hier, bevor die Mistviecher uns im Nacken sitzen!«

»Das schaffen wir nie«, raunte Eric. Es hörte sich fast wie ein Wimmern an. »Die reißen uns in Stücke, wenn wir nur einen Schritt machen. Wir hätten uns eine Kanone besorgen sollen. Verdammt noch mal, warum haben wir uns keine Kanone besorgt?« Es fehlte nicht viel und er fing an zu schreien.

»Halt den Rand!«, knurrte ich. »Die Sache ist klar. Ich stelle fest, wo die Kerle mit ihren Kötern stehen. Und dann verschwinden wir zur anderen Seite hin.«

Eric Morgan richtete sich auf. Im Halbdunkel sah der drahtige kleine Mann grau und kläglich aus. Mit Gewalttätigkeiten hatte er nie etwas im Sinn gehabt. Und ausgerechnet er redete jetzt von einer Waffe. Das Weiße in seinen Augen schien zu flackern. Er hatte erbärmliche Angst.

»John«, flüsterte er, »das sind bestimmt Bluthunde da draußen. Wie wollen wir uns denn gegen so was wehren? Selbst wenn wir rauskommen, ohne dass sie uns sehen, die hetzen sie hinter uns her, und die erwischen uns so oder so.«

Ich packte ihn und rüttelte an ihm. »Hast du einen besseren Vorschlag?«

Er schüttelte den Kopf in stummer Verzweiflung.

»Na also.« Ich ging ans Fenster und musste mich auf die Zehenspitzen stellen, um etwas zu sehen.

Das Gebell versiegte plötzlich. Die Kerle dort draußen waren also in der Lage, Wutausbrüche und Friedfertigkeit ihrer vierbeinigen Geiferer genau zu steuern.

Ich spähte durch die beschlagene Scheibe. Zum Glück hatte ich mich am Abend vorher gründlich umgeschaut. Der Geräteschuppen, in dem Eric Morgan und ich untergekrochen waren, hatte zwei Ausgänge und war von Buschgruppen umgeben. Eine gepflegte Rasenfläche schloss sich an. Erst dann folgten die schmucken Gebäude des Golfklubs und des dazugehörigen Restaurants. Das Ganze war in eine waldreiche Umgebung eingebettet. Die Leute, die hier den Zeitvertreib suchten, liebten es ruhig und beschaulich, und sie konnten es sich leisten.

Bevor ich Einzelheiten erblickte, dröhnte eine Stimme. Jemand brüllte durch ein Megafon.

»Herhören, ihr Halunken! Wir wissen, dass ihr irgendwo da drin seid! Also macht kein Theater! Kommt raus, und streckt die Hände hoch! Ihr habt die Hunde gehört. Wollt ihr, dass wir sie loslassen?«

Ich versuchte, mich nach dem Schall der Stimme zu orientieren. Was ich durch das Fenster erkennen konnte, war zwar nur ein milchiges Bild, es funktionierte trotzdem.

Nur schemenhaft machte ich die Silhouetten auf dem Parkplatz hinter dem großen Gebäude aus. Die Hunde waren eine unruhig hin und her zerrende schwarze Masse. Ich konnte nicht einmal genau sagen, ob sie von zwei oder von drei Männern gehalten wurden. Bäume und Ziersträucher verschleierten mein Blickfeld. Doch es machte keinen Unterschied. Das Ausmaß der Gefahr richtete sich nicht nach der Zahl der Bedroher.

Ich drehte mich um. Wir mussten den Ausgang nach Süden nehmen. Ich sagte es Eric. Er nickte mit zusammengepressten Lippen. Seine Gesichtsmuskeln waren so sehr angespannt, dass in seinen Wangen Mulden entstanden.

»Erst mal versuchen wir, Abstand zu gewinnen«, erklärte ich. »Wenn das geklappt hat, verstecken wir uns und warten ab.«

»Aber die Hunde, John, die verdammten Hunde!« Trotz seines Flüsterns klang es wie ein Aufschrei.

Ich nickte und schaute mich um. Irgendetwas, was ich gesehen hatte, war mir vom Vorabend im Gedächtnis geblieben. Auf einmal schoss es mir wieder in den Sinn. Beile! In einem der vielen Regale lagen Beile. Die Platzwärter benutzten sie wahrscheinlich, um Büsche und Baumkronen zu stutzen. An einem Ort wie diesem durfte die Natur nicht ungehindert wachsen.

Ich holte zwei Beile und drückte eines davon dem kleinen Mann in die Hand, der mich für seinen Kumpel hielt. Ich hätte ihm in diesem Moment gern gesagt, wie die Dinge wirklich standen. Das ging nicht, das teuflische Spiel hatte gerade erst begonnen. Wenn ich es jetzt abbrach, würde ich an die Schweinehunde, die es sich ausgedacht hatten, nie herankommen.

»Wenn so ein Vieh wirklich auf dich losgeht«, sagte ich grimmig, »schlag ihm damit den Schädel ein!«

Eric nickte und blickte zu mir auf. Sein Gesicht war noch immer verkrampft, aber er atmete tief durch. Das ganz aus Stahl gefertigte Beil mit dem Hartgummigriff schien eine beruhigende Wirkung zu haben. Für Eric Morgan war es etwas, an das er sich klammern konnte.

»In Ordnung.« Er versuchte zu grinsen. »Packen wir's an, Partner!«

Ich zeigte auf den Ausgang an der Südseite des Schuppens. Beide Türen waren unverschlossen gewesen. Unser freundlicher Helfer in Chicago hatte das versprochen.

Unser Nachtquartier war gewissermaßen vorbereitet worden.

Auch das Wecken im Morgengrauen?

Wir verloren keine Zeit mehr. Lautlos drückte ich die Tür auf.

Wieder donnerte die Megafonstimme los, als hätte sie nur auf uns gewartet. »Tut nicht so, als wärt ihr taub, ihr Strolche! Glaubt bloß nicht, dass ihr abhauen könnt! Wir geben euch noch eine Minute. Wenn ihr euch dann immer noch nicht blicken lasst, geht's rund! Verlasst euch drauf!«

Noch halb in der offenen Tür, packte Eric meinen Arm und hielt mich zurück. »Warum sagt der nicht, wer er ist? Die Cops sind sonst nicht so komisch, oder?«

»Vielleicht sind es keine Cops.«

Die Möglichkeit war nicht abwegig. Es gibt in den Vereinigten Staaten jede Menge private Bewachungsunternehmen. Mietpolizisten für die Aufgaben, die die reguläre Polizei nicht wahrnehmen kann. Eric nickte nur. Er gab sich mit der Erklärung zufrieden. Wenn er die Wahrheit erfahren hätte, wäre ihm klar geworden, dass ich nicht derjenige war, für den ich mich ausgab.

Ich huschte nach hinten hinaus und duckte mich unter einen Ulmenstrauch.

»Letzte Warnung!«, brüllte der Megafonmann. »Wenn ihr jetzt nicht pariert, Freunde, habt ihr selber schuld! Hölle und Teufel, das ist kein Scherz, was wir hier veranstalten!«

Das glaubte ich ihm aufs Wort. Ich winkte Eric zu mir heran. Sein Atem ging rasselnd, als er sich neben mich kauerte und sein Beil auf den Boden stützte.

Ich zeigte mit der freien Hand auf den Birkenwald, der in nur zwanzig Yards Entfernung begann und sich bis auf eine Hügelkuppe erstreckte. Ich ließ Eric zuerst losrennen. Er war wieselflink. Das Laufen hatte er gelernt. Bei seinen Einbrüchen und den erbärmlichen Überfällen auf kleine Läden hatte er nie Glück gehabt. Immer hatte ihm irgendjemand im Nacken gesessen, und regelmäßig war er eingebuchtet worden. Deshalb glaubte ihm auch keiner mehr, obwohl er Stein und Bein schwor, dass sie diesmal den Falschen erwischt hätten.

Er schaffte es bis in den Wald und ging in einer Bodenmulde in Deckung.

Ich folgte ihm und achtete beim Laufen darauf, dass ich das Beil mit der Klinge nach unten hielt. Wenn man stolperte, konnte man sich mit dem Ding glatt selbst umbringen.

Mit einem flachen Sprung warf ich mich neben Eric in die Mulde.

Atemlos beobachteten wir die freie Fläche zwischen dem Buschwerk hinter dem Schuppen und dem Rand unseres Wäldchens. Vom Parkplatz beim großen Gebäude aus hatten sie uns tatsächlich nicht sehen können.

Kein Laut war zu hören. Nirgends bewegte sich etwas. Alles wirkte auf einmal wie tot an diesem dunstigen, feuchtkalten Morgen. Man konnte glauben, dass die geifernden Hunde tatsächlich nur Bestandteil eines verrückten Traums gewesen waren.

Aber die tödliche Bedrohung war vorhanden. Lauernd. Mit dem stummen Grinsen des Überlegenen, der jeden Schritt seines Opfers vorausberechnet hat.

Jäh hetzten sie hinter dem Schuppen hervor, gestreckt und flach wie Windhunde. Doch sie waren pechschwarz und wirkten wie dahinhuschende Striche vor dem trüben Grau des Morgens.

Nur zwei Hunde.

Dobermänner!

Die Unbekannten waren nicht so einfältig, sofort die ganze Meute auf uns loszulassen. Sie sollten sich verrechnen. Das war mein Ziel. Und ich würde es erreichen.

Nur für einen Moment wurden die schwarzen Bestien unsicher. Unschlüssig hechelnd liefen sie an der Südseite des Schuppens hin und her. Ihre Blutgier war geweckt. Ich sah es an dem Verhalten der Tiere, die nichts mit einem harmlosen Haushund gemeinsam hatten. Sie waren darauf abgerichtet zu töten, waren vermutlich schlimmer als Wölfe.

Ich bedeutete Eric, das Beil mit der stumpfen Seite nach unten zu drehen.

Und fast im selben Moment hatten sie unsere Fährte aufgenommen.

Die weißen Fangzähne blitzten, als sie auf den Wald zujagten. Mein Traumbild war wieder da, jetzt beklemmende Wirklichkeit. Ich wusste nicht, ob der zitternde kleine Mann neben mir überhaupt fähig war, sich zur Wehr zu setzen. Innerlich richtete ich mich darauf ein, mit beiden Bestien kämpfen zu müssen.

Nur noch zehn Yards waren sie entfernt. Schaumfetzen wehten von den Fangzähnen, und der heisere Atem war zu hören.

Ich spannte die Muskeln, packte das Beil fester und klopfte Eric mit der Linken auf die Schulter.

»Ganz ruhig bleiben«, sagte ich, denn mir fiel nichts Besseres ein. Ebenso gut hätte ich den Hunden freundlich empfehlen können, doch umzudrehen.

Noch fünf Yards ...

Ich spähte zum Geräteschuppen. Dort rührte sich nichts. Ich zögerte keinen Atemzug lang. Mit einem federnden Sprung schnellte ich aus der Mulde hoch. Ich dachte nicht daran, die Mordbestien im Liegen und damit fast hilflos zu empfangen.

Ich duckte mich. Es war, als ginge ein freudiger Ruck durch die schlanken schwarzen Leiber, als sie mich sahen. Sofort konzentrierten sich beide auf mich, das scheinbar leichte Opfer. Die blitzenden Fänge rasten auf mich zu.

Aus dem wilden Ansturm heraus setzten sie zum Sprung an.

Blitzartig riss ich meine Schlagwaffe hoch. Ließ sie mit sausendem Hieb schräg nach unten schwingen. Im selben Sekundenbruchteil warf ich mich nach rechts.

Einen winzigen Moment lang sah ich die Reißzähne der einen Bestie riesengroß vor mir. Dann, schon im Fallen, hörte ich den trockenen Laut des Hiebs. Die Bestie gab ein Winseln von sich. Mehr nicht.

Ich rollte mich ab und sprang sofort wieder auf die Beine. Denn ich rechnete mit dem Angriff des zweiten Dobermanns. Ich irrte mich.

Der pechschwarze Schatten schnellte mit einem heiseren Laut der Wut auf die Bodenmulde zu.

Verzweifelt riss Eric Morgan das Beil hoch. Viel zu langsam kam er hoch. Und er setzte erst in dem Moment zum Hieb an, in dem das Tier schon sprang.

Erics Hieb ging fehl. Er traf den Dobermann nur irgendwo in der hinteren Körpergegend. Eric schrie gellend auf. Der Hund ließ einen Laut hören, der wie heiseres Wut- und Schmerzgebrüll klang. Der Schlag hatte ihn aus der Bahn gebracht. Statt an der Kehle, bekam er den drahtigen kleinen Mann an der rechten Schulter zu fassen. Eric schrie abermals. Seine Stimme überschlug sich in panischer Angst.

Ich war schon unterwegs und warf das Beil weg, denn ich würde meinen Kumpel damit gefährden.

Schon im Sprung, sah ich Erics weit aufgerissene Augen. Er schrie noch immer. Über ihm war der zuckende schwarze Leib, der wie ein einziger Muskelstrang wirkte.

Ich packte mit beiden Fäusten zu, erwischte die Bestie im Nacken, rollte mich nach rechts und zerrte sie mit mir von Eric weg. Noch immer gellte sein Schrei und stach nervenzerfetzend in meine Trommelfelle. Eine Sekunde lang zappelten die Beine des Hundes in der Luft, als er mit dem Rücken über mir lag. Ich spürte die ungeheure Kraft und die Beweglichkeit des Tiers.

In meinem Griff steigerte sich die Bestie zu wahnsinniger Wut. Sie warf den Kopf hin und her und versuchte, sich meinem Griff zu entwinden und gleichzeitig nach mir zu schnappen.

Um Eric konnte ich mich nicht kümmern, nur seinen Schrei hörte ich noch immer. Ich musste diesen Wahnwitz beenden. Lange konnte ich nicht mehr durchhalten.

Ich bot alle Kraft meiner Armmuskeln auf und schleuderte den Hundekörper zur Seite weg. Durch den Schwung kam ich selbst mit auf die Beine. Der Hund versuchte, sich mit den langen Beinen von mir abzustoßen. Eine der Pfoten traf mich spürbar in die Magengrube.

Eric schrie und schrie.

Ich knallte den Hundeschädel gegen den nächstbesten Baumstamm. Der pechschwarze Körper erschlaffte in meinem Griff. Ich ließ ihn fallen und wollte zurück in die Mulde, um zu sehen, wie schlimm es um Erics Bisswunde bestellt war.

Die Mulde war leer. Ich riss die Augen weit auf. Ruckte herum. Und da sah ich ihn.

Er rannte in panischer Hast, und er sah nicht einmal, wohin. Die Arme hatte er hochgerissen. Er fuchtelte wie wild, als säße ihm der Hund noch immer im Nacken. Und dabei rannte er über die freie Fläche nach links weg, als gäbe es keinen besseren Fluchtweg. Er war blind vor Todesangst, das wusste ich. Ein Gewaltverbrecher war er nie gewesen, und so hatte er auch von den Ermittlungsbeamten nie derart menschenverachtende Gewalt erlebt.

Ich wollte ihn anbrüllen und zurückrufen.

Die Worte blieben mir in der Kehle stecken.

Hinter dem Schuppen tauchte ein Mann auf. Ich sah die Bewegung erst nur aus den Augenwinkeln heraus. Dann ruckte ich herum. Mir gefror das Blut in den Adern.

Der Mann, groß und bullig gebaut, blieb breitbeinig stehen und zog ein Schnellfeuergewehr an die Schulter – ruhig und sorgfältig, wie auf dem Schießstand. Trotz der Entfernung glaubte ich ein Grinsen in seinem schnauzbärtigen Gesicht zu erkennen.

Irgendwo in mir riss der Faden. Ich hatte fünfzig Yards zurückzulegen, um den Kerl zu fassen zu kriegen. Ich wusste, dass er Komplizen hatte. Dass sie mich wahrscheinlich abknallen würden, bevor ich auch nur die halbe Entfernung geschafft hatte.

Ich sprintete mit aller Kraft.

Der grinsende Kerl visierte behutsam an, setzte das Gewehr sogar einmal ab und hob es dann erneut an die Schulter.

Und Eric Morgan rannte und rannte.

Noch dreißig Yards! Das Blut raste in meinen Adern. Das Gefühl, es doch nicht zu schaffen, brachte mich fast um den Verstand. Der Bullige mit dem Schnellfeuergewehr bemerkte mich nicht einmal, so sehr konzentrierte er sich auf sein Zielen.

Noch zwanzig Yards.

Langsam krümmte er den Zeigefinger.

»Nicht schießen!«, brüllte ich. »Verdammt noch mal, nicht ...!«

Er zog durch. Das Gewehr hämmerte in Dauerfeuer. Drei, vier, fünf Kugeln wurden von bläulich weißen Mündungsblitzen ausgespien.

Unwillkürlich gerieten meine Schritte ins Stocken. Entsetzen packte mich. Ich sah, wie Erics magerer Körper von den Einschüssen durchgeschüttelt wurde, als hätte ihn eine unsichtbare Faust gepackt, die ihn im nächsten Moment achtlos zu Boden fallen ließ.

Noch zehn Yards.

Ich hatte keinen Gedanken mehr. Nur noch Zorn, ohnmächtigen Zorn. Meine Beinmuskeln federten wie von selbst.

Der Kerl drehte sich zu mir um. Jäh erstarb sein Grinsen, als er sah, wie nahe ich schon heran war. Er hatte nicht mit mir gerechnet. Wer erwartet schon, dass ein Unbewaffneter auf jemand losgeht, der ein Schnellfeuergewehr besitzt?

Er schaffte es noch, die Waffe anzuschlagen. Und er jagte auch noch eine Kugel aus dem Lauf – in dem Moment, in dem ich sprang. Das Blei sirrte haarscharf über mich hinweg.

Und dann hatte ich ihn. Unter meinem Rammstoß ging er zu Boden. Noch im Fallen schmetterte ich ihm mit brettharter Handkante das Gewehr weg. Er stöhnte und knurrte vor Schreck und Wut. Ich war als Erster wieder auf den Beinen, packte das Schnellfeuergewehr und rannte sofort zum Waldrand los.

Zehn Schritte schaffte ich.

Ein Schuss bellte hinter mir.

Augenblicklich streckte ich mich in die Waagrechte. Drei Yards weit schlidderte ich über den Grasboden.

Das Blei fauchte über mich hinweg und klatschte weit vor mir in einen Birkenstamm. Ich rollte mich herum und hatte das Schnellfeuergewehr im nächsten Atemzug im Liegendanschlag.

Der Schnauzbärtige hielt einen Colt-Revolver in den Fäusten und legte zum zweiten Mal auf mich an. Ich zog durch. Eine Kugel genügte. Sie schlug ihm in die linke Schulter und drehte ihn wie einen Kreisel. Sein Colt blaffte den Himmel an. Das Mantelblei stieg zu den grauen Wolken empor.

Ich wartete nicht ab, bis er zu Boden stürzte. Sofort rappelte ich mich auf und rannte hakenschlagend auf die Mulde zu, in der Eric Morgan und ich zuvor schon Deckung gefunden hatten.

Die Kugeln, mit denen ich rechnete, blieben aus. Wieder kehrte diese beklemmende Stille ein.

Ich beobachtete das Gelände vor mir. Der Verwundete war mühsam auf die Beine gelangt und wankte auf den Geräteschuppen zu. Ich hätte jede Menge Zeit gehabt, ihn wie einen Hasen abzuschießen. Und ich hätte ihm damit nur das heimgezahlt, was er Eric Morgan angetan hatte. Aber Unrecht bleibt Unrecht. Ich brachte es nicht fertig.

Der Mann schleppte sich in Deckung, und das Gelände war wie leer gefegt.

2

Etwa hundert Yards entfernt, schräg links von mir, musste Eric Morgan liegen. Ich konnte ihn nicht sehen, denn der Boden war zu wellig. Doch ich wusste, dass Eric nicht mehr am Leben war. Ich hatte gesehen, wie er von den Kugeln getroffen worden war.

Der Schütze hatte ihm nicht den Hauch einer Chance gegeben – keinen Warnruf, keinen Warnschuss, nichts. Er hatte den Fliehenden kaltblütig erschossen. Ein Vollstrecker von eigenen Gnaden. Der Zorn fraß in mir wie eine lodernde Flamme.

Wo blieben die anderen? Wo blieben die übrigen Hundebestien? Ich glaubte nicht daran, dass sie aufgeben würden. Sie verlegten sich aufs Belauern, wollten mich mürbe machen und meine Flucht vereiteln. Wenn es sich so verhielt, gab es nur eine einzige logische Schlussfolgerung: Sie würden versuchen, mir in den Rücken zu fallen, um mir dadurch den Weg abzuschneiden.

Ich dachte nicht länger darüber nach. Haargenau so würden sie es anstellen. Denn sie glaubten, dass ich in der Falle saß und vor Angst schlotterte. Sie hielten mich für einen einfältigen kleinen Ganoven, der nie in seinem Leben über Ladendiebstähle und Einbrüche hinausgekommen war.

Sie sollten ihr blaues Wunder erleben. Das schwor ich mir in diesem Moment. Ich presste die Zähne aufeinander, dass es knirschte. Mit meinem Beruf als Special Agent des FBI lässt es sich normalerweise nicht vereinbaren, dass man Wut empfindet oder sich gar davon leiten lässt.

Auch in diesem Fall würde ich mich danach richten. Aber im Augenblick fühlte ich mich wie John Crawford, der Kumpel von Eric Morgan. Ich hatte ihn sterben sehen, durch eine bodenlose Ungerechtigkeit. Es war glatter Mord. Ich sagte mir, dass es besser war, wenn ich jetzt keinen der Kerle in die Finger kriegte. Ich konnte im Moment nicht einmal vor mir selbst garantieren, dass ich mich beherrschen würde.

Ich überzeugte mich noch einmal, dass sich auf dem Gelände zum Geräteschuppen hin nichts rührte. Dann drehte ich mich auf der Gürtelschnalle und kroch nach Süden aus der Mulde. Ich legte den Vorderschaft des Gewehrs in den Winkel zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, klemmte den Trageriemen unter die anderen Finger und zog die Waffe nach bewährter Infanteristenart mit mir.

Flach auf den Boden gepresst, robbte ich immer tiefer in den Wald. Je mehr ich mich vom Waldrand entfernte, desto dunkler wurde es. Das trübe Licht des frühen Morgens reichte noch nicht aus, um durch die dichten Baumkronen zu dringen.

Nach etwa zwanzig Yards verharrte ich hinter einem Birkenstamm, lag flach und ruhig und legte das linke Ohr auf den mit modrigem Laub bedeckten Boden.

Ein leichtes Vibrieren war zu vernehmen, hervorgerufen durch Erschütterungen, die noch ziemlich weit entfernt sein mussten. Fünfzig Yards mindestens und bestimmt nicht mehr als hundert. Sollte ich weiterrobben? Lieber nicht. Das Rascheln des Laubs würde zu hören sein. Und wenn der Kerl einen Hund bei sich hatte, würde dieser nur umso eher die Witterung aufnehmen.

Was immer mir aus der Dunkelheit des Waldes heraus blühte, ich musste es auf mich zukommen lassen.

Das Warten hatte einen weiteren Vorteil. Meine Augen gewöhnten sich an die Lichtverhältnisse.

Und plötzlich sah ich die Silhouette.

Ein einzelner Mann. Vorsichtig schleichend bewegte er sich von Baumstamm zu Baumstamm und horchte immer wieder, ob sich etwas rührte. Ich schätzte, dass er noch vierzig Yards entfernt war. Trotz aller Vorsicht bewegte er sich zügig. Ich hielt den Atem an.

Nach zwei Minuten wusste ich, dass er allein war. Natürlich, einen von ihnen hatte ich verwundet. Und vielleicht war nur noch ein dritter vorhanden, der dafür sorgen konnte, dass ich von zwei Seiten in die Zange genommen wurde.

Der Mann war jetzt auf dreißig Yards heran. Ich stellte fest, dass er keinen Hund bei sich hatte. Wahrscheinlich reichte es ihnen, dass sie zwei ihrer vierbeinigen Tötungsmaschinen verloren hatten. Weitere wollten sie nicht aufs Spiel setzen.

Der Mann hatte mich noch immer nicht entdeckt, auch nach weiteren zehn Yards nicht. Garantiert nahm er an, dass ich in meiner Mulde hockte und ein Stoßgebet nach dem anderen zum Himmel schickte.

Ich konnte ihn jetzt deutlich erkennen. Er war etwa so groß wie ich und trug einen Stetsonhut. Fransen an seiner Lederjacke ließen vermuten, dass er etwas für Cowboys übrig hatte. Er trug einen Hüftgurt mit Patronen in den Lederschlaufen. Aus dem Holster ragte der Griff eines Colts, und in den Händen hielt er eine einläufige Pump-Action-Schrotflinte. Der Mann war von leicht untersetzter Statur. Unter dem Schatten der breiten Hutkrempe war zu erkennen, dass er einen grau melierten Spitzbart hatte. Er bewegte sich geduckt und mit federnden Bewegungen wie ein heranschleichendes Raubtier.

Mein Vorteil war, dass ich dunkle Kleidung trug. Abgerissene Klamotten, mit denen ich fast wie ein Tramp aussah. Aber das Zeug tarnte mich. Langsam, lautlos und unbemerkt drehte ich das Gewehr in meinen Händen und verbarg es senkrecht hinter dem Baumstamm.

Bis auf fünf Yards ließ ich ihn herankommen. Dann riskierte ich nichts mehr.