Jerry Cotton Sonder-Edition 228 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 228 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

G-man Porters Auftrag war ein Himmelfahrtskommando. Darüber waren sich alle einig. Schon nach kurzer Zeit blieben seine Berichte aus. Und dann meldete sich ein unbekannter Anrufer beim FBI. "Wir haben Porter geschnappt", sagte er. "Für eine Million Dollar könnt ihr ihn zurückhaben." Mr. High hatte Zweifel. Lebte Porter überhaupt noch? Er entschied: "Wir zahlen keinen Cent für eine Leiche." Aber da war ich schon unterwegs, um Porter tot oder lebendig zurückzuholen ...


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Seitenzahl: 194

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Keinen Cent für ei‍ne Lei‍che

1

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Vorschau

Impressum

Keinen Cent für ei‍ne Lei‍che

G-man Porters Auftrag war ein Himmelfahrtskommando. Darüber waren sich alle einig. Schon nach kurzer Zeit blieben seine Berichte aus. Und dann meldete sich ein unbekannter Anrufer beim FBI. »Wir haben Porter geschnappt«, sagte er. »Für eine Million Dollar könnt ihr ihn zurückhaben.« Mr. High hatte Zweifel. Lebte Porter überhaupt noch? Er entschied: »Wir zahlen keinen Cent für eine Leiche.« Aber da war ich schon unterwegs, um Porter tot oder lebendig zurückzuholen ...

1

Es stank in der Wohnung. Von dem Moment an, in dem wir die Tür aufgebrochen hatten, konnte man nur mit angehaltenem Atem überleben.

Phil ging neben mir an der Wand in die Knie. Er hielt den 38er in beiden Fäusten und richtete den Lauf ins Halbdunkel.

Ein leises Klicken machte deutlich, dass er den Hammer nach hinten zog und einrasten ließ.

Ich sah in das angespannte Gesicht meines Freunds.

Phil nickte.

Er war okay und bereit, mich zu schützen, so gut es ihm möglich war.

Ich rannte den schmalen Gang entlang. Die Tür in der Wand war nur angelehnt. Ich stieß sie mit dem Fuß auf, zögerte einen Moment und hechtete in den Raum hinein.

Schwere Läden waren vor die Fenster geklappt. Es war nichts zu sehen. Mit der Schulter knallte ich gegen einen Tisch und riss ihn mit mir zu Boden. Ich landete auf der Seite, rollte mich nach links und hielt die Dienstwaffe schussbereit in der Hand.

Totenstille um mich herum.

Dann waren Phils Schritte zu hören.

Ich wollte etwas sagen, aber süßlicher Modergeruch hielt mich davon ab, den Mund zu öffnen.

Ich sprang auf. Meine Augen hatten sich so an das Dunkel gewöhnt, dass ich mich orientieren konnte. Ich sah das Fenster, hastete darauf zu und riss es auf. Mit beiden Händen stieß ich den schweren Laden beiseite.

Frische Luft strömte in den Raum. Ich sog den Sauerstoff wie ein Geschenk in meine Lungen ein.

Neben mir stand Phil. Er keuchte und kämpfte gegen die Übelkeit an, die ihn würgte.

»Verdammt, Jerry«, sagte er.

Ich drehte mich in den Raum hinein.

Der Mann lag halb über der zerschlissenen Couch. Ein Arm war über seiner Brust verschränkt und verdeckte die Einschusslöcher. Die andere Hand deutete gegen den abgewetzten Teppich.

Er musste schon seit einer Woche tot sein.

Es schüttelte mich. Man kann noch so viele Tote in seinem Leben gesehen haben, es nimmt einen doch immer wieder mit.

Ich löste mich vom Fenster. Die Luft in der Wohnung war wieder zu atmen. Zwei Türen standen offen, die zur Küche und die zum kleinen Schlafraum.

Ich durchstreifte die Räume und schaute mich um. Nichts.

Ich ging in den schmalen Flur zurück, während mein Freund Phil an die Couch mit dem Toten herangetreten war.

Ein leises Geräusch ließ mich zusammenschrecken. Ich blieb stehen und hob die Waffe, die ich noch immer in der Hand hielt.

Das Geräusch kam von rechts. Ich blieb neben der geschlossenen Tür stehen und gab Phil durch ein Zeichen zu verstehen, dass wir uns nicht allein in der Wohnung befanden.

Phil trat auf Zehenspitzen in den Gang und schaute mich fragend an.

Ich zuckte mit den Schultern. Ein unwahrscheinlich enges Gefühl war in mir. Ich dachte an den halb verwesten Toten, den wir auf der Couch gefunden hatten, und ich wollte einfach nicht daran glauben, dass sich noch jemand hier aufhielt. Aber es hatte das Geräusch gegeben.

Ich wartete einige Sekunden, dann hob ich den rechten Fuß und trat die Tür einfach ein. Im selben Sekundenbruchteil sprang ich zurück. Sicher war sicher. Als G-man kann man nur alt werden, wenn man in kritischen Momenten keinen Fehler beging.

Sekunden verstrichen. Dann hörte es sich an, als stürzte jemand zu Boden. Anschließend drang ein tiefes Stöhnen aus dem Raum.

Es war das Bad. Ich machte einen Satz in den kleinen Raum und drückte mich rechts an die Wand. In dem Spiegel über dem schmutzigen Waschbecken sah ich die junge Frau. Sie war nackt und lag vor der Wanne.

»Mein Gott«, sagte Phil hinter mir. »Mein Gott!«

Die Frau war sicher nicht älter als zwanzig Jahre, sah jedoch aus wie eine Greisin. Das Gesicht war eingefallen. Die Haut war grau, und die Lippen waren blutleer. Sie war völlig abgemagert. Die langen blonden Haare bedeckten strähnig ihre Brust.

Ich ging neben der blonden Frau in die Knie. Dann erst sah ich, dass ihr Arm über der Beuge abgebunden war. Eine Spritze lag auf dem Boden. In der Vene steckte noch die Kanüle, die rostig aussah. Am Ende ein einzelner Bluttropfen, der langsam zu trocknen begann. Ihr Atem ging schwer. Die Augen waren weit aufgerissen. Sie starrte mich an, aber ich war mir sicher, dass sie mich nicht sah.

»Den Rettungswagen, Phil!«

Phil machte auf dem Absatz kehrt und verschwand aus der Wohnung. Sekundenlang waren seine schweren Schritte noch auf der alten Treppe zu hören. Dann herrschte wieder Totenstille.

Es war eine makabre Situation. Im Wohnraum ein Toter, der dort sicherlich schon eine Woche lag. Im Bad die magere Blondine, die tagelang in diesem süßlichen Verwesungsgestank gelebt hatte und wahrscheinlich gar nicht begriffen hatte, was um sie passiert war, weil sie dauernd unter Drogen stand. Auf dem Boden vor der Badewanne lagen leere Morphiumampullen. Auf der Ablage unter dem Spiegel standen mehrere kleine Beutel mit weißem Puder. Heroin, daran konnte es keinen Zweifel geben. Das Heroin des Mannes, der tot auf der Couch lag. Auch das war sicher.

Der Mann war Jesse Anatol, ein Exilkroate. Er gehörte zu den Leuten, die für Don Canvetti tätig waren. Anatol war einer von Canvettis Großverteilern, die das Gift umpackten und an die kleineren Dealer weiterreichten.

Obgleich wir das nicht beweisen konnten, war es mehr als eine bloße Vermutung. Es war Gewissheit. Das allein zählte vor Gericht so lange nicht, wie man es nicht beweisen konnte.

Die blonde Frau bewegte die Lider. Ihre Beine zuckten. Sie schlug mit den Armen um sich. Nur für Sekunden. Dann wurde sie wieder still. Und dann geschah etwas, das ich nicht erwartet hatte. Ihr eingefallenes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. In diesem Moment wurde sie wieder so schön, wie sie es vielleicht früher einmal gewesen war, als sie noch nicht von dem Teufelszeug abhängig gewesen war.

»Kannst du mich hören?«, fragte ich und beugte mich dicht über sie. »Kannst du mich hören?«

Wieder bewegten sich ihre Lider. Die eben noch starren Pupillen wurden lebendig und rollten in meine Richtung.

»Hallo, Kleine!« Ich berührte ihr Gesicht und strich ihr das strähnige blonde Haar in den Nacken. »Alles in Ordnung. Wir holen dich von hier weg.«

Keine Reaktion mehr. Das Gesicht war wieder uralt. Der nackte Körper zitterte. Ihre Hände schlugen wild auf die schmierigen Kacheln.

Für einen Moment dachte ich daran, dass jeder junge Mensch dieses Elend sehen müsste, wenn er zum ersten Mal nach der Droge griff. Einige würden vielleicht abspringen, bevor es auch für sie zu spät war wie für die arme magere Frau.

Phil kehrte zurück.

Ich stand auf. Die Frau hatte inzwischen das Bewusstsein verloren.

»Der Rettungswagen ist unterwegs«, sagte Phil. Er warf einen schnellen Blick auf die Frau. »Sie muss hier gewesen sein, als man Jesse Anatol erschossen hat, Jerry. Sie muss sich in der Wohnung versteckt gehalten haben. Der Mörder hatte es eilig, oder er wurde gestört. Auf jeden Fall hat er nicht im Bad nachgeschaut. Sie hat hier eine Woche, vielleicht noch länger zusammen mit einem Toten gelebt.«

Ich nickte, verließ das Bad und ging in den Wohnraum zurück.

Don Canvettis Mann war seit Tagen tot. Niemand hatte sich darum gekümmert. Das konnte nur heißen, Anatol sollte gar nicht in New York sein. Deshalb hatte man ihn nicht vermisst.

Schweiß stand mir auf der Stirn. Ich wischte ihn mit dem Handrücken ab.

Jesse Anatol musste unvorsichtig gewesen sein. Jemand hatte gewusst, dass er eine größere Menge Heroin im Haus aufbewahrte, hatte ihn besucht, ihn über den Haufen geschossen und in aller Eile an sich gerafft, was er mitnehmen konnte.

Wenn es wirklich so gewesen war, würde es unglaublich schwer sein, den Mörder Jesse Anatols zu finden.

Unten vor dem Haus hielt der Rettungswagen. Türen schlugen. Schritte wurden auf der Treppe laut. Wenig später traten zwei Sanitäter und der Doc in die Wohnung, die Jesse Anatols Ausweichquartier gewesen war. Er hatte sie immer nur dann benutzt, wenn es frische Ware zu verteilen gab.

Das hatten wir vor einer knappen Stunde von einem kleinen Dealer erfahren, der den Kollegen bei einer Razzia in Little Italy ins Netz geraten war.

Ich begab mich ins Bad.

Der Doc kniete neben der Frau. Er injizierte eine farblose Flüssigkeit. Dann stand er auf. Die Sanitäter setzten ihr eine Sauerstoffmaske auf und legten sie auf die Trage.

Ich schaute den jungen Doc fragend an.

Er zuckte mit den Schultern. »Es sieht nicht gut aus.«

»Was heißt das?«

»Es ist wahrscheinlicher, dass sie sterben wird, als dass sie am Leben bleibt. Wir können für sie nicht mehr tun, als ich jetzt getan habe.«

Der Doc fragte nach einer Zigarette. Ich gab ihm eine und brachte ihn ins Wohnzimmer zu Jesse Anatol.

»Für den kann ich nun wirklich nichts mehr tun«, sagte er.

Er war vertraut mit dem Tod in jeder Form. Der fürchterliche Anblick der Leiche konnte ihn weder schrecken noch beeindrucken.

»Wie lange liegt er schon hier, Doc?«

»Vielleicht eine Woche, vielleicht länger. Es ist heiß draußen, Agent. Die Autopsie wird es ergeben.«

Ich nickte. »Wohin bringen Sie die Frau?«

»West End Hospital.«

Er wandte sich ab und verließ nach den Sanitätern die Wohnung.

McHollister starrte auf meinen Ausweis, dann auf mich. Ein verächtliches, überhebliches Grinsen huschte über sein Gesicht. Er steckte sich umständlich eine Monte Cristo in Brand und stieß den Rauch in meine Richtung.

»Und?«, fragte er, während er einen schnellen Blick auf seine mit Diamanten besetzte Cartieruhr warf.

Das bedeutete natürlich: Verschwinde, Fed! Ich habe keine Zeit und keine Lust, mit dir zu reden!

Mit dem Fuß zog ich mir einen Stuhl heran und setzte mich zu McHollister an den Tisch. »Schönen Gruß von Jesse Anatol. Wir haben ihn.«

McHollister war Geschäftsführer mehrerer Bars und Klubs, die Don Canvetti gehörten. Es war sicher, dass Canvetti sie nicht nur deshalb unterhielt, weil es ausgezeichnete Durchgangsstationen für sein Rauschgift waren. Alles ausnahmslos erstklassige Adressen in der Stadt, in denen die Oberschicht verkehrte. Dieses Niveau garantierte, dass ein Richter kaum dazu zu bewegen war, einen Durchsuchungsbefehl auszustellen. Er musste immer befürchten, damit vielleicht einem Vorgesetzten Schwierigkeiten zu bereiten, der sich in einer der Bars aufhielt.

McHollister schob seinen Cognacballon beiseite und stand auf.

»Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie reden, G-man«, sagte er freundlich.

Ich hatte ihm schon einige Mal gegenübergesessen und noch nie erlebt, dass er aus der Rolle gefallen wäre. Er war beherrscht, ein disziplinierter Schauspieler. Außerdem verfügte er über eine erstklassige Erziehung und war hochgebildet.

»Jemand hat uns berichtet, Jesse Anatol sei ein Großdealer Don Canvettis. Kennen Sie Canvetti auch nicht, McHollister?«

Er lächelte zuvorkommend. »Mister Canvetti ist mein Boss, G-man. Das ist allgemein bekannt.«

»Aber Jesse Anatol ist Ihnen nicht bekannt?«

»Nicht dem Namen nach, G-man. Vielleicht stellen Sie ihn mir vor. Möglicherweise erkenne ich ihn dann. Obgleich ich mir eigentlich nicht vorstellen kann, dass ich Leute kenne, die etwas mit Rauschgift zu tun haben, G-man.«

Er kannte meinen Namen sehr gut, doch er nannte mich niemals anders als G-man. Vielleicht wollte er damit nur bekunden, dass er mit Leuten wie mir, aus einem so »niedrigen Stand«, keinen persönlichen Kontakt pflegte.

»Anatol beginnt zu reden, McHollister«, bluffte ich.

Das war nicht unbedingt die feine Art, und vielleicht entsprach die Methode auch nicht ganz meinen Dienstvorschriften. Aber in diesem Fall heiligte der Zweck die Mittel.

»Anatol plaudert über Don Canvetti und dessen Beziehungen nach Manila, woher der meiste Stoff kommt, McHollister.«

»Dann sollten Sie sich doch am besten direkt an Mister Canvetti wenden, G-man.«

Ich grinste ihn an. »Ich mag Sie, McHollister. Deshalb wende ich mich zuerst an Sie. Sie sollen eine Chance erhalten, sich von Don Canvetti und seinen Geschäften zu distanzieren, bevor alles zu heiß wird. Man wird sehr schnell in eine Sache hineingezogen, McHollister ...«

Mit einer unwirschen Handbewegung schnitt er mir das Wort ab. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, zeigte er etwas ähnliches wie Gefühl. Nämlich Wut.

»Muss ich mir den Unsinn eigentlich anhören?«, fragte er und zwang sich zur Ruhe.

Ich schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht, McHollister.«

Er setzte sich wieder und trank einen Schluck.

Ich ließ ihn nicht aus den Augen. McHollister war kalt und glatt wie ein Fisch. Man kriegte ihn nicht zu packen. Jedes Mal, wenn man glaubte, dass man ihn hatte, rutschte er einem wieder durch die Finger.

»Okay, G-man. Dann stehen Sie auf und verschwinden Sie!«

Einige Gäste des Klubs waren auf uns aufmerksam geworden, denn McHollister hatte die Stimme erhoben. Als ich zur sanft geschwungenen Bar schaute, wusste ich, warum. Ich entdeckte Freddy Manninger, einen Reporter der Weekly News. Ein kleiner, schmieriger Zeitgenosse, der irgendwann einmal Schwierigkeiten mit dem FBI gehabt hatte und fortan keine Möglichkeit ausließ, um gegen die Bundespolizei zu polemisieren.

Manninger war auf mich aufmerksam geworden. Er schwang seinen breiten Hintern vom Barhocker und kam zu McHollister und mir an den Tisch.

»Ich dachte, das wäre hier ein anständiger Klub, Jimmy«, wandte er sich an McHollister. »Seit wann verkehren die unteren Chargen der Polizei hier?«

McHollister grinste. »Der G-man sagt, Don Canvetti habe mit Rauschgift aus Manila zu tun. Das soll ein Mann namens Anatol behaupten, den die G-men geschnappt haben. Kannst du etwas damit anfangen?«

Manninger bohrte sich mit dem Zeigefinger im Ohr.

»Das könnte zumindest üble Nachrede sein, Jimmy«, sagte er zu McHollister. »Damit ist sonst gerade das FBI schnell bei der Hand. Man sollte wirklich etwas dagegen tun. Soll ich mit Don Canvetti reden? Morgen ist Redaktionsschluss.«

Ich war der Spielball der beiden geworden und konnte nichts dagegen tun. Ich konnte nur aufstehen und verschwinden, bevor ich einem Kerl wie Manninger noch mehr Munition für einen schmierigen Artikel lieferte.

»Wenn Sie mich brauchen, G-man«, schickte McHollister mir nach, »wenden Sie sich an meinen Anwalt. Ich würde Jesse Anatol wirklich gern kennenlernen.«

Ich verließ den Klub im Greenwich Village. Manningers dreckiges Lachen verfolgte mich, bis die Tür hinter mir ins Schloss fiel. Neben meinem Jaguar blieb ich stehen.

McHollister musste Anatol wenigstens dem Namen nach kennen. Wenn er nicht beunruhigt war, konnte das zwei Gründe haben. Entweder McHollister wusste genau, dass sich Anatol gar nicht in der Stadt aufhielt. Oder er hatte inzwischen von Anatols Tod erfahren.

Ich stieg in den Jaguar und startete.

Don Canvetti war uns auch jetzt nach Anatols Tod so fern wie immer, seit wir versuchten, ihm das unsaubere Handwerk zu legen. So wie die Dinge standen, hatten wir hier in New York kaum Aussicht, ihm beizukommen.

Unser vielleicht letzter Trumpf saß in Manila und leistete dort Wühlarbeit. Wir hatten lange nichts mehr von ihm gehört.

Doch das musste nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen sein.

2

Sie kamen mit den ersten Schatten der Nacht. Noch vor einer halben Stunde hatte es so heftig geregnet, dass man die Hand nicht vor Augen sehen konnte.

Der Rover stoppte in der breiten Auffahrt zum Apartmenthaus in den Außenbezirken von Manila. Das Wasser staute sich auf dem Asphalt. Es spritzte, als die breiten Reifen eine Lache durchquerten. Spritzwasser traf ihren weißen Wettermantel, als sie zusammen mit ihm aus dem Haus heraustrat.

»Können Sie nicht ...?« Sie brach mitten im Satz ab.

Brian Porter, der Mann neben ihr, stieß sie in die Seite und brachte sie mit diesem Stoß von den Beinen.

Rafaela Carrera stürzte in eine Wasserlache, drehte sich zur Seite, und die Worte, die sie zu Porter sagen wollte, blieben ihr in der Kehle stecken.

Die Seitentür des Rover wurde aufgestoßen. Zwei Männer in militärisch aussehenden Uniformen sprangen aus dem Wagen. Während sich der eine zu Brian Porter umwandte, hob der zweite Mann die MP, drehte den Lauf der Waffe zu Rafaela Carrera und eröffnete das Feuer.

»He, Porter!«

Porter war stehen geblieben und brauchte sich nicht umzuschauen. Er wusste, was geschah. Er hörte das Belfern der MP, und im selben Sekundenbruchteil setzten sich seine Füße automatisch voreinander.

Porter machte sich klein. Er schlug einen Haken. Der Feuerstoß aus der MP, der ihm nachgeschickt wurde, verfehlte ihn.

Rechts von Porter befanden sich die Büsche, die den Parkplatz vom Haus trennten. Mit einem gewaltigen Hechtsprung schnellte Porter durch die Büsche. Im Flug drehte er seinen Körper mit einer Behändigkeit, die ihm auf den ersten Blick niemand zugetraut hätte. Im selben Moment griff er unter den Regenmantel. Die Hand kam mit einer 45er wieder zum Vorschein.

Genauso schnell wie Porter durch die Büsche gehechtet war, kam er wieder auf die Beine. Er drehte sich herum und feuerte, noch bevor der Schatten eines Verfolgers zu sehen war.

Dreimal bäumte sich die schwere Waffe in seiner Faust auf. Ein Schrei mischte sich in die Schussgeräusche. Dann folgte ein dumpfer Fall, als jemand zu Boden stürzte. Zuletzt hörte Porter noch einen Fluch.

Er wartete nicht ab. Er hatte gesehen, dass sie zu viert waren. Er musste annehmen, dass der Oberst Leute geschickt hatte, die sich in der Gegend auskannten, zumindest genauso gut wie er selbst. Einer aus seiner Abteilung musste geredet haben! Eine andere Erklärung fand Porter nicht dafür, dass sie ihn hier in den Randgebieten von Manila ausgemacht hatten.

Sie wollten ihn lebend. Was das für ihn bedeutete, darüber musste Porter nicht nachdenken. Ihn lebend in die Hände zu bekommen, das hieß, dass er für einige Tage in einem Keller verschwand, dass man ihn auf die Art des Obersts vernahm und dass sie schließlich auch alles aus ihm herauskriegten, was sie wissen wollten. Und das bedeutete das Ende der Gruppe, die er in Manila um sich geschart hatte. Das bedeutete den Tod einiger anderer Männer.

Porter rannte auf die Reihe der geparkten Fahrzeuge zu. Er verschwand zwischen einem Dodge und einem alten VW Bus. Keuchend duckte er sich zwischen die Fahrzeuge. Seine Augen waren starr auf die Büsche gerichtet, durch die er eben entflohen war. Von dort erwartete er wenigstens einen seiner Verfolger.

Mehrere Sekunden verstrichen. Es blieb ruhig. Niemand erschien auf dem Parkplatz. Keiner der Leute vom Oberst beging den Fehler, vor den Lauf der 45er zu laufen.

Porters Gedanken jagten sich. Er musste von diesem verdammten Parkplatz herunter. Er musste die Stadt erreichen und eine Meldung nach New York oder Washington durchgeben. Die Leute drüben mussten Bescheid darüber wissen, dass in Manila einiges schiefgelaufen war. Er hatte sich in letzter Zeit nicht gemeldet, aber noch Informationen loszuwerden.

Porter drückte sich dicht an dem VW Bus vorbei und ging am Heck in die Knie. Seine Augen versuchten die Dunkelheit zu durchdringen, die sich hier in den Tropen beinahe von eine Minute auf die andere über das Land gesenkt hatte.

Die Ruhe zerrte an seinen Nerven. Schweiß stand ihm auf der Stirn, rann abwärts, füllte seine Brauen und drang schließlich brennend in die Augen.

Rafaela Carrera war tot. Die Hunde hatten nicht eine Sekunde gezögert, die Frau zu erschießen, obgleich sie wissen mussten, dass sie die Tochter einer angesehenen politischen Persönlichkeit war. Doch was hieß das schon in diesem unruhig gewordenen Land? Eine einflussreiche Persönlichkeit der Politik zu sein, das war schon lange keine Lebensversicherung in Manila mehr. Im Gegenteil, das konnte auch heißen, dass man schon auf irgendeiner Abschussliste stand.

Der Regen setzte unvermittelt und mit der gleichen Heftigkeit wie vor einer Stunde wieder ein. Binnen weniger Sekunden war Brian Porter nass bis auf die Haut. Er zog den Kopf zwischen die Schultern. Seine Muskeln spannten sich an. Er musste verschwinden! Jede Sekunde, die er länger blieb, war eine zusätzliche Chance für die Leute des Obersts.

Porter visierte die schwache Peitschenlaterne ausgangs des Parkplatzes an. Die andere Abfahrt befand sich hinter ihm im Dunkeln. Es gab nur diese beiden Wege von dem verdammten Parkplatz, der zum Nebengebäude durch eine hohe Mauer eingegrenzt war. Der Weg durch die Büsche zurück war ihm mit Sicherheit schon abgeschnitten. Mindestens einer der Kerle würde neben dem Rover warten und dort auf ihn lauern, wo der Mann lag, den er erwischt hatte.

Porter stieß sich vom Asphalt ab. Er schlug einen wilden Haken nach links und wechselte die Seite des Platzes. Er rechnete damit, dass man hinter ihm her schoss.

Nichts geschah. Als er zwischen zwei anderen Fahrzeugen wieder Deckung bezog, herrschte noch immer Totenstille, die an den stärksten Nerven zerren konnte.

Wo, verdammt, waren sie? Hatten sie es aufgegeben, nachdem die Frau gestorben war und es einen aus ihren Reihen erwischt hatte? Waren sie von den Bewohnern des Apartmenthauses gestört worden?

Porter konnte sich weder das eine noch das andere vorstellen. Er lebte zu lange in dieser Stadt, um sich irgendwelchen Illusionen hinzugeben. Wenn die Leute des Obersts einmal einen Mann ausgemacht hatten, den sie schon lange wollten, ließen sie sich auch nicht dadurch abschrecken, dass es einen von ihnen erwischt hatte. Und die Bewohner dieses Bezirks mischten sich niemals ein, wenn irgendwo geschossen wurde. Selbst die Polizei erschien nicht besonders schnell auf der Bildfläche, falls man sie überhaupt alarmiert hatte.

Also lauerten sie irgendwo in der Dunkelheit und warteten nur darauf, dass er einen Fehler beging.

Porter rieb sich den Schweiß von der Stirn. Seine Rechte umklammerte den Griff der 45er so heftig, dass die Knöchel seines Handgelenks weiß hervortraten. Obgleich die Waffe einen sehr schnellen, auf ihn abgestimmten Abzug hatte, zog er den Hammer zurück, um womöglich noch schneller zu sein, wenn es darauf ankam. Sekundenbruchteile hatten schon oft über Leben und Tod entschieden.

Er hatte die Wahl zwischen einem der beiden Ausgänge. Oder er konnte noch einmal versuchen, durch die Büsche zu entkommen.

Das Herz schlug ihm bis zum Hals hinauf. Er zwang sich zur Ruhe. Eine nervöse Entscheidung konnte niemals richtig sein. Und auf sein Glück hatte sich Porter nie verlassen. Nicht während seiner Zeit bei der französischen Legion, nicht bei seinen verschiedenen Einsätzen als Söldner überall auf der Welt. Sein Handeln war immer von kalter Überlegung gelenkt worden. Damit war er bisher gut gefahren.

Rechts und links an den Ausfahrten war nichts zu sehen. Auch die Seite des Platzes zum Apartmenthaus war ruhig. Nichts zeichnete sich ab, was auch nur im Entferntesten auf eine Gefahr hindeutete.

Sekunden verstrichen.

Dann hatte Porter alle Möglichkeiten gedanklich durchgespielt und sich für den Rückweg durch die Büsche entschieden. Wahrscheinlich erwarteten sie ihn an dieser Stelle am wenigsten.

Porter richtete sich zwischen den beiden Fahrzeugen auf. Er rieb sich mit dem Mantelärmel die Feuchtigkeit aus dem Gesicht. Er wollte gerade wieder auf die andere Seite des Platzes überwechseln, als die Scheinwerfer eines einfahrenden Wagens die Dunkelheit durchschnitten.

Blitzschnell kauerte sich Porter zusammen und hielt die Luft an. Er starrte dem Porsche entgegen, der nicht weiter als zwei Schritte von ihm entfernt stehen blieb. Deutlich machte Porter den Schatten einer Frau aus, die den Wagen steuerte und suchend den Kopf drehte, als hielte sie nach einem geeigneten Parkplatz für den Wagen Ausschau.