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Scheich Khalef in New York! Die Fifth Avenue stand kopf. Pausenlos zog die große Begleitung des Ölmilliardärs durch Luxusgeschäfte und Nightclubs. Aber überall lauerten Feinde des Herrschers aus Nahost. Sie entführten schließlich einen Prinzen und mehrere Lieblingsfrauen. Phil und ich setzten unser Leben ein, um sie vor einem schrecklichen Schicksal zu bewahren. Denn Haremsdamen killt man nicht ...
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Seitenzahl: 207
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Haremsdamen killt man nicht
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Vorschau
Impressum
Haremsdamenkillt man nicht
Scheich Khalef in New York! Die Fifth Avenue stand kopf. Pausenlos zog die große Begleitung des Ölmilliardärs durch Luxusgeschäfte und Nightclubs. Aber überall lauerten Feinde des Herrschers aus Nahost. Sie entführten schließlich einen Prinzen und mehrere Lieblingsfrauen. Phil und ich setzten unser Leben ein, um sie vor einem schrecklichen Schicksal zu bewahren. Denn Haremsdamen killt man nicht ...
Im Nightclub Samum in der Nähe des UN-Headquarters verkehrten hauptsächlich Leute, für die eine Zeche erst ab tausend Dollar aufwärts beginnt. Arabische UN-Diplomaten verstreuten hier ihre Petro-Dollars. An guten Abenden steckten sie den Stripperinnen bündelweise Banknoten in den Ausschnitt, und die Portiers kriegten auch ihren Teil ab.
Ich hatte mich in einen Leihfrack gezwängt. Der 38er drückte unter der Achsel. Gerade brachte die Bauchtänzerin Sheila Gordon, die als Attraktion angekündigt war, ihren Auftritt. Die Musik hatte sich zu einem Stakkato gesteigert.
Sheila schüttelte und wackelte mit allem, was sie hatte, und das war eine Menge. Die letzten Hüllen fielen.
Nicht mal das sprichwörtliche Feigenblatt blieb. Die Gäste gerieten in Raserei. Sie klatschten und trampelten wie toll. Ein Übergewichtiger im Burnus, der ganz vorne an der Bühne auf seinem Sitzkissen saß, zitterte heftig und war so rot angelaufen wie ein gesottener Krebs. Seine wild rotierenden Sexualhormone mussten ihn hart an den Rand eines Schlaganfalls versetzt haben.
Sheila beugte sich mit provozierendem Lächeln noch weiter vor und dann zurück. Ich schluckte heftig. Nach der Vorstellung wollte ich den Tanz- und Stripstar in ihrer Garderobe sprechen. Dienstlich. Sheila hatte sich ans FBI gewandt und behauptet, eine staatswichtige Angelegenheit in petto zu haben.
Sie war schwarzhaarig, vollbusig und glutäugig, eine wahre Wuchtbrumme. Das Spotlight heftete sich auf ihren Körper. Langsam erlosch das Licht.
Da, im letzten hellen Schimmer, sah ich, wie ein kleiner Gegenstand Sheila seitlich am Hals traf. Sie zuckte heftig zusammen. Ihre Augen verdrehten sich. Das Licht erlosch vollends. Das aufgeputschte Publikum hatte in der Bombenstimmung nichts bemerkt.
Aber ich fürchtete um das Leben des Showstars. Ich musste schleunigst zu Sheila, flankte von der Galerie, auf der ich gesessen hatte, und rannte den Mittelgang entlang, vorbei an den reichen Klubgästen und den Girls an den Tischen. Was sich da im Dunkeln alles abspielte, konnte man höchstens ahnen.
Der Bühnenvorhang war gefallen. Im schwachen Lichtschimmer von der Seite stellte sich mir ein stämmiger Mann im Smoking in den Weg. Es handelte sich um einen Ordner.
»Anfassen gilt nicht, Mister!«, sagte er rau.
Er hielt mich für einen Gast, der die Kontrolle über sich verloren hatte und zu dem Star des Abends auf die Bühne eilen wollte.
»FBI«, erklärte ich.
Er hörte nicht oder wollte nicht hören. Statt lange mit ihm zu debattieren, stieß ich ihn hart zurück, dass er niederstürzte, und eilte auf die Bühne. Undeutlich sah ich Sheila am Boden kauern. Sie stöhnte.
»Licht!«, rief ich. »Schnell!«
Als nichts geschah, entfachte ich mein Gasfeuerzeug an. In seinem Schein schaute ich in die Augen einer sterbenden Frau, die voller Angst und Qual waren. Sheila hielt eine Hand auf ihren Hals gepresst.
»Hilfe!«, stöhnte sie. »Bitte, helfen Sie mir!«
Ich zog ihre Hand mit Gewalt vom Hals weg. Ein winziger Pfeil steckte neben ihrer Halsschlagader. Es war kaum zu glauben, dass er Sheilas Tod verursachte, und doch war sie nicht mehr zu retten. Denn der Pfeil war mit Curare vergiftet, dem Pfeilgift der Amazonasindianer. Ich merkte es an der Art, wie sich Sheilas Pupillen verkleinerten, wie ihre Muskeln erschlafften und sie schwer nach Luft rang.
Denn Curare ist ein Nervengift, das die Muskeln lähmt und durch Atemlähmung tötet. Ein Ritz in der Haut genügt, um selbst einen Jaguar zu erledigen.
Endlich flammte das Licht auf. Sheila lag, bis auf ein paar Glasperlen und Schmuck, nackt auf der Bühne.
Aber jetzt war sie kein Sexsymbol mehr, sondern ein Mensch, der mit dem Tod rang und diesen Kampf nicht mehr gewinnen konnte. Ich rief nach einem Arzt. Der Tumult draußen hatte nachgelassen und verstummte völlig.
Man merkte, dass etwas Außergewöhnliches im Gange war. Erst erschienen drei Männer vom Klubpersonal und mit ihnen Sam Feisal, der Besitzer, ein Omar-Sharif-Typ mit makellosem Anzug.
»Was haben Sie Sheila angetan?«, herrschte er mich an.
»Ich bin G-man.« Ich kannte Feisal, der ursprünglich mit Vornamen Sami geheißen hatte, vom Hörensagen. »Auf Miss Gordon ist ein Mordanschlag verübt worden. Sie muss schleunigst unter die eiserne Lunge.«
Sheila zupfte mich schwach am Ärmel. Während Feisal und seine Angestellten aufgeregt durcheinanderredeten, wollte Sheila mir noch etwas sagen. Ich beugte mich zu ihr nieder. Zunächst verstand ich nicht, was sie wollte.
Dann hörte ich ganz klar: «.... Mordanschlag auf Scheich Khalef ...«
Ein Zittern durchlief Sheilas Körper. Sie verlor die Besinnung. Ich begann sofort mit Mund-zu-Mund-Beatmung, bis ein dicklicher kleiner Mann erschien. Er stellte sich als Arzt vor. Ich zeigte ihm den winzigen Pfeil, den ich längst aus der Wunde gezogen hatte, und nannte das Wort Curare.
Die Brauen des Arztes rutschten nach oben. »Hier in New York City?«
»Ganz offensichtlich.«
Ich überließ es dem Doc, sich um Sheila zu kümmern, und konnte mich an die Verfolgung des Killers machen.
Das tödliche Geschoss war aus der Tür rechts von der Bühne gezischt. Dort ging es zu den Garderoben und der Schaltkabine des Ton- und Beleuchtungsmeisters, wie mir einer der Rausschmeißer erklärte.
Ich befahl Feisal, der inzwischen seinen Schock überwunden hatte, sämtliche Ausgänge zu sperren. Der Notruf an die City Police und die Ambulanz war schon ergangen. Ich eilte hinaus, gerade als Sheila Gordon ihren letzten seufzenden Atemzug tat. Danach versagten ihre Lungen den Dienst.
Ein Bodyguard Feisals breitete sein Jackett über Sheilas Blößen. Hinter mir hörte ich den temperamentvollen Nightclubbesitzer Befehle schreien. Er rief auf zur Jagd nach dem Killer. Es wurde auch Zeit, dass er schaltete.
Sheilas Kolleginnen und ein Akrobat im hautengen Trikot standen im Gang. Betreten schauten sie mich an.
»Habt ihr jemand gesehen?«, fragte ich. »Wer hielt sich bei dieser Tür auf?«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete der Akrobat. »Die ganze Zeit war das Licht aus.«
Das verriet mir genug. Der Killer musste sich entweder selbst Zutritt zur Schaltkabine verschafft oder einen Komplizen dort gehabt haben. Wenn ein Fremder den tödlichen Curarepfeil abgeschossen hatte, was ich annahm, brauchte er einen schnellen Fluchtweg.
»Wo ist der Hinterausgang? Gibt es noch weitere Ausgänge?« Ich zeigte die FBI-Marke.
»Da lang, G-man, dort ist der Hinterausgang. Dann gibt's noch den Lieferanteneingang auf der rechten Gebäudeseite. Was ist denn mit Sheila?«
»Sie ist tot«, antwortete ich knapp und drängte mich zwischen den spärlich bekleideten Tänzerinnen hindurch.
Ein schlauchartiger Gang führte zum Hinterausgang. Ich gelangte in einen schmutzigen Hinterhof, in den wenig Licht fiel. Der Unterschied zwischen hier und dem luxuriösen, orientalisch aufgemachten Nightclub war beträchtlich.
Ein Ausgang führte zur East 46th Street. Ich versetzte mich in die Lage des Killers. Schon hörte man Sirenengeheul von Polizei und Ambulanz, die heranjagten. Der Fluchtweg über die 46th Street war der schnellste und einfachste für den Killer. Genau deswegen hatte er sicher einen anderen genommen, denn dort würde man ihn sofort zu fassen versuchen.
Ich wandte mich zu der Mauer, die den Hof hinten abschloss. Ein Geräusch war zu hören. Undeutlich gewahrte ich einen Menschen über der Brüstung der neun Fuß hohen Mauer. Ein metallisches Schnappen und eine rasche Bewegung folgten.
Ich warf mich zu Boden, ohne nachzudenken, und machte eine Rolle zur Seite. Das rettete mir das Leben. Eine Maschinenpistole ratterte oben von der Mauer los und spuckte Mündungsfeuer. Die Geschosse hagelten durch den Hof.
Ein Bodyguard vom Nightclub, der gerade aus der Hintertür getreten war, schrie auf und brach verwundet zusammen. Ich rollte durch den Dreck und schoss mit dem 38er, den ich nicht losgelassen hatte, schräg nach oben. Ein Aufschrei ertönte. Doch es hörte sich mehr nach einem Schreckensruf als nach einem Schmerzensschrei an.
Meine Kugel musste dem MP-Killer haarscharf am Kopf vorbeigezischt sein. Er verschwand von der Mauer. Auf der anderen Seite hörte ich die hastigen Schritte von zwei flüchtenden Personen.
Ich stand auf und nahm Anlauf. Jetzt galt es, fix zu sein. Die Gangster hatten eine MP. Wenn ich Pech hatte, würden sie mich damit durchlöchern.
Als ich an der Mauer hochschnellte, fegte ein Patrol Car zur Einfahrt herein.
Meine Hände krallten sich in die obere Mauerkante. Ich schlug hart gegen den Beton. Der Leihfrack, den ich mir zur Tarnung im Nightclub Samum hatte anziehen müssen, platzte aus den Nähten.
Ich zog mich an der Mauer hoch, lugte hinüber, sah zwei Männer durch einen Torbogen auf die East 45th Street rennen und rollte mich über die Mauerkrone. Auf der anderen Seite war ein flacher Schuppen. Ich sprang auf den Boden hinunter, zog wieder den 38er und spurtete hinter den Gangstern her.
Sie stiegen gerade in einen goldfarbenen Cadillac mit Diplomatenkennzeichen, als ich aus der Einfahrt kam. Der eine Gangster hatte die Strickleiter mit den Leichtmetallsprossen, mit der sie über die Mauer gestiegen waren, unter den Arm geklemmt. Der Mann mit der Leiter sah durchschnittlich aus, die Pistole in seiner Rechten weniger.
Der andere Gangster war groß und hager, mit einem hohlwangigen, ausgemergelten Gesicht. Deutlich hob sich die metallisch schimmernde MP gegen seine schwarze Jacke ab.
Ich sprang in die Einfahrt zurück. Der Gangster jagte einen langen Feuerstoß herüber. Die MP ruckte in seinen Händen. Breitbeinig und mit zusammengebissenen Zähnen stand er da. Patronenhülsen klirrten über den Asphalt.
Der Gangster mit der Strickleiter war in den Caddy gestiegen. Ich duckte mich, peilte um die Ecke und schoss auf den Hageren, als sein Feuerstoß jäh abbrach. Der Gangster hatte schon den Wagenschlag aufgerissen. Er zuckte zusammen, jagte blindlings zwei Schüsse Einzelfeuer aus seiner MP und ließ sich auf meinen weiteren Schuss hin einfach in den Caddy fallen.
Ich sprang vor und schoss in Combatstellung hinter dem Caddy her, der mit quietschenden Reifen aus der Parklücke fegte und Richtung Third Avenue fuhr. Ich war mir sicher, dass ich einen Hinterreifen des Caddy getroffen hatte, erzielte aber keine Wirkung damit. Die Reifen waren schusssicher. Die Scheiben des Caddy bestanden aus Panzerglas, wie sich herausstellte, als ich eine traf.
Der Gangster-Cadillac schlingerte um die Ecke. Ich hatte das Nachsehen. Fluchend sah ich es ein. Jetzt jagte ein Patrol Car um die andere Ecke und stoppte wenige Yards vor mir mit schrillem Reifengequietsche. Die Cops hatten den Caddy nicht mehr gesehen. Doch sie sahen mich und die Waffe.
Ich blickte in die Mündungen von zwei Dienstrevolvern und hörte den unmissverständlichen Befehl: »Streck sie hoch, und lass deine Knarre fallen!«
Ich gehorchte. Von einem übernervösen Polizisten kann man genauso totgeschossen werden wie von einem Gangster. Ich erklärte, dass ich vom FBI sei.
»Das kann jeder sagen«, blaffte der Cop auf dem Beifahrersitz. »Bleib stehen! Ich komme zu dir!«
Er stieg aus. Der Streifenwagenführer rutschte herüber und hielt mich in Schach. So verstrich wertvolle Zeit. Der junge Patrolman hielt die Waffe auf mich gerichtet, klopfte mich nach Waffen ab und fand die ID Card in meiner Tasche.
Er warf einen Blick darauf und entschuldigte sich. »Wir müssen vorsichtig sein, Special Agent Cotton.«
»Okay, aber jetzt gebt endlich die Fahndung nach dem Gangstercaddy durch. Und fahrt hinterher. Ich steige ein.«
Ich setzte mich auf den Rücksitz. Der Sergeant, der am Steuer des Patrol Car saß, fuhr im Kavaliersstart los. Der Patrolman sprach nach meinen Anweisungen ins Mikro des Bordfunkgeräts.
»Goldfarbener Cadillac, Kennzeichen CD X 2012, mit zwei bewaffneten Gangstern an Bord fährt Third Avenue, Richtung unbekannt. Ich wiederhole ... Planquadrat abriegeln!«
Wir fuhren umher auf der Suche nach dem auffälligen Caddy. Doch wir fanden ihn ebenso wenig, wie die andern Patrol Cars es schafften, die aus allen Richtungen herbeifuhren und eine Ringfahndung durchführten. Dabei sperrte man einen ganzen Bezirk ab. Im Bedarfsfall wurde der Radius der Ringfahndung erweitert, oder es gab eine weitere Sperre hinter der ersten.
Es war alles vergebens.
Der Caddy gehörte, wie sich herausstellte, einem saudi-arabischen Diplomaten, der im Nightclub Samum zu Gast gewesen war. Der Chauffeur des Diplomaten hatte am Klubparkplatz auf ihn gewartet und war samt Caddy gekidnappt worden.
Man fand ihn Stunden später mitsamt dem Fahrzeug in einem Parkhaus in der Midtown. Der Chauffeur lag bewusstlos und mit einem Schädelbruch im Kofferraum. Er konnte auf der Intensivstation gerade noch gerettet werden.
Die Gangster hatten sich ihr Fluchtfahrzeug einfach dort beschafft, wo es am nächstliegenden gewesen war.
»Bei Scheich Khalef kann es sich nur um seine Hoheit Khalef al Amad al Abbas handeln, den Herrscher eines Wüstenemirats am Persischen Golf. Der Scheich trifft morgen«, Mr. High warf einen raschen Blick auf die Uhr, »oder vielmehr heute mit seiner Begleitung in New York City ein. Er will vor der UN eine Rede über den Golfkrieg und seine Lösungsmöglichkeiten sowie die politische Lage im Nahen Osten halten. Anschließend hat er vor, nach Rochester weiterzujetten, wo er sich in der Mayo-Klinik seine jährliche Generaluntersuchung unterziehen will.«
»Wie viele Personen begleiten den Scheich?«, fragte Phil.
»Achtzig bis hundert. Genau weiß man das nicht, denn sie reisen alle mit Diplomatenpässen und Sonderausweisen und kommen in der privaten Boeing des Scheichs.«
»Er hat eine eigene Boeing?«, fragte ich.
»Klar«, erwiderte Mr. High. »Und nicht die kleinste. Sie ist extra für Scheich Khalefs Zwecke eingerichtet und hat ein Flying Office an Bord, von dem aus er über Satellitenfunk jederzeit mit jedem Punkt der Welt in Verbindung treten kann. Vorausgesetzt, dass dort eine Empfangsstation vorhanden ist. Eine Bäder- und Massageabteilung ist ebenso vorhanden wie Video, Bordkino und andere Unterhaltungsmöglichkeiten.«
»Scheich müsste man sein«, murmelte Phil. »Ich sage es immer, ich habe den falschen Beruf gewählt.«
Wir hielten uns im FBI Field Office an der Federal Plaza auf und waren im kleinen Konferenzzimmer. Die Quarzuhr zeigte fünfzehn Minuten nach Mitternacht. Nach dem Mord an Sheila Gordon und der vergeblichen Killerfahndung hatte ich das FBI verständigt. Weil ich vor Ort im Nightclub Samum nichts mehr ausrichten konnte, fuhr ich ins Office.
Im Samum waltete der tüchtige Lieutenant Easton von der Mordkommission Manhattan seines Amtes. Auf »Cleary« Eastons erstklassige Arbeit konnte ich mich verlassen.
Sheila Gordon lag inzwischen schon im Leichenschauhaus.
»Scheich Khalef hat mehrere Frauen seines Harems, einige seiner älteren Söhne und auch kleinere Kinder dabei«, sagte Mr. High. »Sie werden bald Gelegenheit haben, den Scheich und seinen Anhang näher kennenzulernen, Phil. Ich will nämlich einen G-man zu Scheich Khalefs Schutz in seine direkte Umgebung abstellen, und das sollen Sie sein.«
»Da kannst du dich aus erster Hand über den Scheichberuf informieren, Phil«, frotzelte ich. »Lass dich bei Khalef al Amad anlernen.«
Mr. High blieb ernst. »Nach dem Mord an Sheila Gordon ist zu befürchten, dass für Scheich Khalef Lebensgefahr besteht. Es würde erhebliche politische Verwicklungen geben, wenn man ihn in New York ermordet. Ganz abgesehen davon würde das auch ein äußerst schlechtes Licht aufs FBI werfen. Also strengen Sie sich!« Es bewies den Ernst der Lage, dass Mr. High das extra erwähnte.
Wir suchten die Schwarze Lola auf, wie unser Computer im hausinternen Gebrauch scherzhaft hieß. Mittlerweile wussten wir, dass sich die Killer im Samum Nightclub genau ausgekannt hatten. Es stand sogar zu vermuten, dass sie noch einen oder zwei Komplizen innerhalb des Hauses gehabt hatten.
Ein Gangster war zur Schaltkabine hinaufgestiegen und hatte den Licht- und Tonmeister mit der Waffe bedroht, gefesselt und geknebelt und sein Spielchen mit der Beleuchtung getrieben. Sein Komplize hatte sich zur Bühne geschlichen und, vermutlich mit einem kurzen Blasrohr oder einer Kompressionspistole, den Curarepfeil auf Sheila Gordon abgeschossen.
Nach vollbrachter Tat hatte der Killer kaltblütig beim Hinterausgang auf seinen Komplizen gewartet, der von der Schaltkabine herunterkam.
Einer der Gangster war angeschossen. Ich tippte der Schwarzen Lola die Personenbeschreibung im Klartext ein, überlegte, fügte noch Einzelheiten hinzu und drückte die Bestätigungstaste. Binnen einiger Nanosekunden hatte der Computer die Daten ausgewertet und mit den gespeicherten verglichen.
Eine Leuchtschrift erschien auf dem Bildgerät.
Wir beugten uns vor und lasen.
Jackson Albright Elam, genannt Jack the Death. 38 Jahre alt, weiß, geboren New York, Stadtteil Bronx. Profikiller. Befindet sich zurzeit auf freiem Fuß, Aufenthalt unbekannt. Arbeitet vorzugsweise mir Jonnie Manderley zusammen. Siehe Vorgang Manderley, J. – M. 48/63 22351.
Das war die Codenummer der Manderley-Daten. Ich informierte mich zunächst weiter über Elam, ließ ausdrucken. Während der Drucker noch ratterte, tippte ich den Manderley-Code ein. Die Rohrpost schoss uns Fotoabzüge von Elam und Manderley zu.
Es gab keinen Zweifel. Es handelte sich um die Mörder von Sheila Gordon. Manderley gehörte zum gleichen Kaliber von Schwerverbrechern wie Jack the Death, dem sein bleichsüchtiges Aussehen den Spitznamen eingetragen hatte.
»Jetzt müssen wir die zwei nur noch finden«, sagte Phil.
Wir begannen mit den Recherchen bei Polizeirevieren, V-Männern und Unterweltärzten. Die Uhrzeit spielte dabei für uns keine Rolle. Wen wir aus dem Bett klingelten, der sollte eben später weiterschlafen. Ich wollte Jack the Death und Manderley haben und erfahren, wer ihnen den Auftrag für den Mord an Sheila Gordon gegeben hatte.
Denn dass es einen Auftraggeber gab, war klar.
Um halb vier morgens, als gerade die Sonne aufging, parkte ich meinen Jaguar in der Nähe der Bowery. Mehrere Obdachlose schliefen in Hauseingängen und bei einer Parkbank ihren Rausch aus. Einer lag, mit Zeitungen zugedeckt, auf der Parkbank, der andere darunter.
Ich weckte den mit dem nobleren Schlafplatz. Dass er ihn erhalten hatte, bewies, dass er in seinen Kreisen Respekt genoss. Ich drückte ihm einen Dollar in die Hand.
»Pass auf meinen Wagen auf, ja? Wenn wir zurückkommen, erhältst du noch einen Dollar.«
»Ich werde die Karre hüten wie meinen Augapfel«, grunzte der Mann. »Tausend Dank, Gentlemen.« Er lüftete seine speckige Hutruine.
»Kauf dir von dem Buck was zu essen«, ermahnte ihn Phil in einer menschlichen Regung.
Der Bowerymann riss die Augen auf. »Was Festes essen? Das bringt mir glatt den gesamten Stoffwechsel durcheinander. Da kriege ich gleich einen Magendurchbruch. Nein, lieber nicht.«
Wir ließen ihn zurück. Mochte er es mit seiner Ernährung halten, wie er wollte. Die Adresse, an der Jack the Death höchstwahrscheinlich anzutreffen war, hatte ich mit viel List und Tücke erhalten. Wie nicht anders zu erwarten, besaß The Death viele Feinde, auch in der Unterwelt.
Einer davon, ein früherer Freund, den er mal betrogen hatte, hatte ihn verpfiffen. Auf den Ex-Freund des Killers waren wir wieder durch verschiedene Informationen gestoßen. Auf den Treppenstufen vor der Absteige, in der sich Jack the Death verkrochen hatte, lag wieder eine Gestalt. Ich drückte die Nachtglocke.
Daraufhin öffnete sich eine Luke in der Tür.
»Was'n los?«, krächzte der Nachtportier.
»Das fabelhafte FBI«, antwortete Phil und schob ihm die ID Card unter die Nase. »Mach blitzschnell auf und verkneif dir alle Faxen, oder du wirst es büßen!«
»J-j-ja, s-s-sofort.«
Der Nachtportier war wegen unseres Besuchs ganz tattrig. Er legte mehrere Sperrvorrichtungen zurück und öffnete die Tür. Wir sprachen leise mit ihm. Zunächst gab der Nachtportier an, Jack the Death nicht zu kennen. Als ich ihm sagte, dass ihn diese Lüge leicht wegen Beihilfe für einen gesuchten Mörder in die Klemme bringen könne, frischte sich sein Gedächtnis auf.
»Ach, den meinen Sie«, sagte er, als ob es mehrere Jack the Death in der Absteige gäbe. »Der ist im vierten Stock oben, Zimmer 406, nein, 407. Aber seid vorsichtig! Sein Freund ist bei ihm. Sie hatten 'nen Doc da. Dem einen geht's wohl ziemlich schlecht.«
»Wer ist sein Freund? Manderley?«, fragte ich.
»Weiß ich nicht, ob er so heißt. Der andere nennt ihn Mandy.«
Wir befahlen dem Portier, die Klappe zu halten. Phil deutete über die Schulter auf den Betrunkenen auf der Treppe.
Der Portier zuckte mit den Schultern. »Ach, das ist Mister Miller, der schläft öfter im Freien.«
Es stank in der Bude nicht ganz so schlimm wie auf der Müllkippe von Brooklyn. Wir stiegen die Treppen hoch, denn nachts schaltete man den alten Käfigaufzug ab, um Strom zu sparen. Jack the Death hatte sich dieses Loch mit Bedacht für den Fall ausgesucht, dass er mal untertauchen musste. Ohne seinen rachsüchtigen Ex-Freund hätte das auch geklappt.
Wir blieben vor der Tür von 407 stehen. Hinter der Tür gegenüber schnarchte einer wie ein mittleres Sägewerk. Durchs Schlüsselloch und den Türspalt schimmerte Licht. Wir zogen die 38er. Ich nickte Phil zu. Vorsichtig drehte ich am Türknopf. Im nächsten Moment schepperte es drinnen im Zimmer.
Die Gangster hatten sich mit Schnüren und Flaschen eine ebenso einfache wie wirksame Alarmvorrichtung gebaut für den Fall, dass jemand an der Tür herumprobierte.
Ich sprang zurück und trat den Absatz mit aller Kraft in Schlosshöhe gegen die Tür.
Die Tür flog auf. Phil flitzte geduckt über die Schwelle und hechtete zur Seite. Ich sah jemand, den ich zunächst für eine Frau hielt, auf der rechten Seite des Zimmers auf der Couch hochschnellen, eine flache Automatic in der Faust. Aus dem Augenwinkel sah ich Jack the Death aufrecht, Schulter und Seite verbunden, im Metallrahmenbett sitzen und die MP hochreißen.
The Death und die Person in Frauenkleidern hatten bei Licht gedöst. Ihre Schrecksekunde war kurz. Ich sprang zur Seite, und abermals ratterte die MP und stanzte in Hüfthöhe hässliche Löcher in die Wand im Flur und in die Tür, hinter der der Schnarcher abrupt verstummte.
Phil rollte sich um die eigene Achse über den Boden und feuerte. Jack the Death erhielt die dritte Verwundung in dieser Nacht. Die Automatic blaffte hässlich.
Ich stand neben der Tür an die Wand gepresst und schoss einmal gezielt auf die Hand der Person mit blonden Haaren, rot geschminkten Wangen und Frauenkleidern. Die Hand zuckte zurück wie an der Schnur gerissen. Die Automatic flog durchs Zimmer.
Weil ich The Death nicht sah, rief Phil: »Okay, Jerry.«
Ich rannte vor. Phil lag halb über dem Killer und rang mit ihm um die MP. Der verwundete Jack the Death konnte ihm nicht viel Widerstand leisten. Ein Messer blitzte in der unverletzten Hand der Person auf der Couch.
Ich hechtete über den Tisch weg, packte die Messerhand mit der Linken und versetzte der Person eins mit dem 38er. Die Couch war meinem Ansprung nicht mehr gewachsen. Sie krachte unter uns zusammen. Die Person strampelte, kreischte und wehrte sich mit allen Kräften. Die blonde Perücke verrutschte dabei.
Jetzt sah ich, dass ich einen Mann vor mir hatte. Es war Manderley, in einschlägigen Kreisen und von seinem Freund Jack the Death Mandy genannt.
Der Gangster wehrte sich wie ein Tiger, obwohl ihm mein Schuss die rechte Hand geprellt hatte. Ich brachte ihn unter mich und setzte einen Judogriff an, der ihn wehrlos machte. Phil hatte Jack the Death mittlerweile überwältigt. Obwohl wir einen Heidenkrach verursacht hatten und in der Absteige sogar geschossen worden war, regte sich keiner.
Ich legte Manderley-Mandy Handschellen an. Phil durchsuchte das Zimmer nach weiteren Waffen, damit wir keine unliebsame Überraschung erlebten, und ich hielt The Death in Schach. Phil ging nach unten, um das nächste Polizeirevier, die Ambulanz und das FBI zu verständigen.
Ich sagte den beiden Gangstern schon die Haftformel auf. Jack the Death spuckte auf den Boden. Mörderischer Hass brannte in seinen tief liegenden Augen.
»Dreckiger Fed!«, fauchte er. »Wie habt ihr mich gefunden? Nur das will ich wissen.«
»Das ist Dienstgeheimnis, Elam«, antwortete ich kalt. »Wer hat dir den Auftrag gegeben, Sheila Gordon zu ermorden? Antworte!«
The Death leckte sich über die spröden Lippen.
»Den Mord kannst du mir nicht anhängen«, sagte er, aber es klang unsicher.
»Und ob es Beweise gibt«, sagte ich. »Hier zum Beispiel. Was haben wir denn da?«
Ich öffnete den Diplomatenkoffer, den Phil vorher bei seiner Waffensuche unterm Bett vorgeholt hatte. Darin lag eine Luftpistole mit Matchvisier. Damit musste der Killer den tödlichen Curarepfeil abgeschossen haben. Die Luftpistole war dafür präpariert. Das Geräusch, mit dem sie abgeschossen worden war, hatte ich bei dem Lärm im Nightclub Samum nicht gehört.
Der Killer verzog das Gesicht. Seine Schultern sackten nach vorne. Er gab das Spiel verloren und fluchte bitter und gemein.
»Hätte ich den Scheißjob nie gemacht«, sagte er. »Ich übernahm den Auftrag vom Robber, weil der ihn nicht selber ausführen konnte. Von ihm stammten sämtliche Informationen. Er gab mir und Mandy Nachschlüssel und eine genaue Skizze vom Nightclub. Ich habe den Robber nie persönlich gesehen. Er rief mich in der Telefonzelle einer Bar an.«
»Der Robber ist auch ein Profikiller?«
»Sicher. Manche sagen, er sei der beste Mann in der Branche. Ein Einzelgänger, der sich, falls er Helfer braucht, sie selber anwirbt oder besorgt. Er ist so tödlich wie eine Überdosis Strychnin.«
Mir war der Name Robber im Moment kein Begriff. Viele Killer arbeiteten mit Decknamen, und Spitznamen waren in der Unterwelt gang und gäbe. Es war nicht alltäglich, dass ein Killer einen Mordauftrag weitervergab, konnte aber aus triftigen Gründen schon einmal geschehen. Ich war geneigt, Jack the Death zu glauben.
Damit fiel er als weiterer Informant für uns aus, denn er wusste nicht, von wem der Robber seinerseits den Auftrag erhalten hatte. Der Killer musste ins Hospital. Seinen Freund Manderley nahmen wir mit zum FBI.