Jerry Cotton Sonder-Edition 237 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 237 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Der Film The Hero sollte alle Kassenerfolge des Kinogeschäfts übertreffen. Schon während der Dreharbeiten machte er sensationelle Schlagzeilen, als Gangster das Filmgelände stürmten, scharfe Schüsse in den Kulissen abgefeuert, der Produzent ermordet und Schauspieler bedroht wurden. Die Unterwelt wollte die Filmmillionen kassieren. Beim Endkampf, als auch das FBI mitmischte, erwies sich der Atlantik vor der Traumvilla des Stars Pardee als ein guter Ort zum Sterben ...

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Seitenzahl: 206

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Ein guter Ort zum Sterben

1

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Vorschau

Impressum

Ein guter Ortzum Sterben

Der Film The Hero sollte alle Kassenerfolge des Kinogeschäfts übertreffen. Schon während der Dreharbeiten machte er sensationelle Schlagzeilen, als Gangster das Filmgelände stürmten, scharfe Schüsse in den Kulissen abgefeuert, der Produzent ermordet und Schauspieler bedroht wurden. Die Unterwelt wollte die Filmmillionen kassieren. Beim Endkampf, als auch das FBI mitmischte, erwies sich der Atlantik vor der Traumvilla des Stars Pardee als ein guter Ort zum Sterben ...

1

Father Pete Fenta von der St.-Mary's-Gemeinde in Little Italy war allerhand gewohnt. Was die neunzehnjährige Anna Montori beichtete, verschlug ihm jedoch den Atem.

»Das kann nicht wahr sein!«, sagte er lauter als beabsichtigt, und die betenden alten Frauen vorne in der Bank verrenkten die Hälse und spitzten die Ohren.

Sie waren brandneugierig, etwas zu erlauschen. Nach ihrer Meinung konnte die Tochter des Bäckers Montori einen Priester sicher nur mit Sexgeschichten geschockt haben. Na ja, die heutige Jugend!

Die beiden Alten irrten sich. Father Pete flüsterte durch das Gitter des Beichtstuhls: »Dafür kann ich dir Lossprechung nicht geben. Du musst zum FBI gehen, Anna, oder du machst dich einer Todsünde schuldig. Das musst du der Bundespolizei melden.«

»Father, bitte! Al ist doch der Vater meines ungeborenen Kindes. Wir wollen heiraten!«

»Trotzdem. Nach dem, was du mir gesagt hast, ist er ein Mörder. Es handelt sich um schwere Verbrechen. Es ist ungeheuerlich.«

»Father, ich kann nicht zum FBI. Ich ...«

Eine MP-Garbe schnitt Anna das Wort ab. Der Killer war still und leise in die Kirche gekommen, die Uzi unter der Jacke verborgen. Er hatte in der dämmrigen, nach Weihrauch riechenden Kirche die Knie gebeugt, sich bekreuzigt und war im Mittelgang vorgeschritten. Gedämpftes Licht und die Kerzen am Altar machten Umrisse sichtbar.

Jetzt zuckte das Mündungsfeuer. Kugeln stanzten in den hölzernen Beichtstuhl. Anna Montori und das Kind in ihrem Leib starben, noch ehe Anna begriff, worum es ging. Father Pete streckte abwehrend die rechte Hand aus dem Beichtstuhl, dessen Türfenster ein Vorhang verhüllte.

»Dies ist ein Ort des Herrn!«, rief er.

»Krepieren sollst du!«, knirschte der Killer. »Du wirst gleich bei deinem Chef sein.«

Drei Kugeln waren noch im Magazin, und der Killer jagte sie heraus. Father Pete stöhnte auf. Seine blutige Hand verschwand. Die beiden alten Frauen in ihren schwarzen Kleidern saßen wie gelähmt da, als Anna tot aus dem Beichtstuhl fiel. Vier weitere Kirchenbesucher warfen sich auf den Boden.

Das Gesicht des hochgewachsenen, breitschultrigen Killers war eine starre Grimasse. Er hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen. Jetzt wechselte er das Magazin aus. Er schaute zum Beichtstuhl. Ätzender Korditgestank überdeckte den Weihrauchduft, und der Pulverdampf wölkte sich.

Aus der Sakristei kam der Kirchendiener gelaufen. Er war ein alter, aber noch athletisch wirkender Mann. Er sah das Blutbad, stutzte und eilte in wildem Zorn, ungeachtet der Gefahr, dem Killer entgegen.

»Mörder!«, gellte es dem Gangster in die Ohren. »Dafür sollst du zur Hölle fahren.«

»Eher du«, sagte der Killer und richtete die MP auf den Küster. Doch sie hatte eine Ladehemmung. Ohne sich weiter aufzuhalten, flüchtete er. Der Küster verfolgte ihn aus der Kirche.

Geschockt kehrte er in die Kirche zurück, wo eine Frau hysterisch zeterte und ein Kind schluchzte.

Father Pete lebte. In blutbeschmierter Soutane kniete er neben Anna Montori. Er zeichnete ihr ein Kreuz auf die Stirn. Eine blutige Spur blieb, und er faltete die blutbefleckten Hände.

»Ego te absolvo a peccatis tuis in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Amen.« Er fügte hinzu: »Möge deine Seele den Frieden finden.«

Für Father Pete war der Friede jedenfalls gestorben, denn er war nun mit dem Wissen belastet, dessentwegen man Anna Montori ermordet hatte. Der Kirchendiener betrachtete ihn.

»Sind Sie schwer verletzt, Hochwürden?«

Jetzt erst dachte Father Pete an sich. »Ich glaube nicht, Giorgio. Ich hatte Glück.«

Die Ambulanz brachte ihn ins Bellevue Hospital in die Chirurgie. Wie sich herausstellte, hatte der Killer ihm den kleinen Finger der rechten Hand abgeschossen und ihm einen Streifschuss zugefügt. Davon abgesehen war Father Pete unverletzt geblieben. Ein wahres Wunder, wie seine Gemeindemitglieder sagten, wenn sie den von Kugeln zersiebten Beichtstuhl betrachteten. Man behielt Father Pete im Hospital, obwohl er sofort wieder nach Hause wollte.

Die Ärzte kannten da keinen Pardon.

»Sie haben einen Schock erlitten, Father«, sagte der Oberarzt. »Wenn wir Sie weglassen, klappen Sie am Ende noch irgendwo zusammen und erleiden einen Kollaps. Das kann tödlich enden. Sie bleiben über Nacht hier. Morgen sehen wir weiter.«

»Aber ... ich muss zurück in meine Kirche und zu meiner Gemeinde. Nach diesem unerhörten Anschlag muss ich am Platz sein und mein Priesteramt versehen. Außerdem bin ich Tatzeuge. Die Polizei will mich sicherlich sprechen.«

»Das regelt sich alles«, sagte der Oberarzt und drückte ihn ins Bett zurück. »Für die Seelen mögen Sie zuständig sein, Father, doch über Ihren Körper und Ihre Knochen bestimme ich jetzt aufgrund meiner ärztlichen Pflicht. Sie erhalten gleich eine Beruhigungsspritze. Was wollen Sie denn draußen? Hier im Krankenhaus haben Sie Ruhe. Der Wirbel beginnt noch früh genug für Sie.«

Das sah Father Pete ein. Er erklärte, bleiben zu wollen, und der Oberarzt ließ ihn in dem Einzelzimmer allein.

Zu dem Zeitpunkt wollte ich gerade Dienstschluss machen. Natürlich wussten wir von dem Mord in der St. Mary's Church. Ganz New York wusste es. Noch lagen die Ermittlungen jedoch in den Händen der City Police, und die Mordkommission unter Lieutenant Easton war am Tatort. Ein Mord, ob in einer Kirche oder sonst wo begangen, fiel nicht in den Zuständigkeitsbereich des FBI.

Das Telefon klingelte, gerade als ich das Office verlassen wollte. Es war nach acht Uhr abends, und Phil hatte schon Feierabend gemacht. Mr. High bestellte mich zu sich. Der Chef hatte nur ein einziges Blatt Papier auf seinem peinlich sauberen Schreibtisch.

Ein Fernschreiben vom Police Headquarters.

»Die Schießerei in der St. Mary's Church fällt doch in unseren Zuständigkeitsbereich, Jerry. Die Ballistiker der City Police haben sich mächtig beeilt. Laut dem Untersuchungsergebnis ist die MP, mit der der Killer feuerte, schon einmal bei einem Bankraub in Connecticut verwendet worden. Damals wurde ein Bankangestellter damit erschossen.«

Ich studierte das Fernschreiben, das knappe, genaue Angaben machte. John D. Highs Künstlerfinger spielten mit dem silbernen Kugelschreiber, die einzige Emotion, die er sich gestattete.

»Das sind skrupellose Gangster«, sagte er. »Die junge Frau war im vierten Monat schwanger. Ich erwarte bald Ergebnisse von Ihnen, Jerry.«

»Ja, Sir. Ich bin schon unterwegs.«

Ich holte den Jaguar aus der Tiefgarage, wo seine 260 Pferdchen geruht hatten, informierte mich über Polizeifunk und fuhr bei Phil vorbei. Man hatte ihn vom FBI Office aus angerufen. Er stand gestiefelt und gespornt, also zum Einsatz bereit, an der Ecke. Der Wagenschlag fiel dumpf hinter ihm zu, und ich quetschte den Jaguar mit Sirenengeheul und Warnlicht durch den träge schleichenden Verkehr von Manhattan.

Es war Spätherbst, trüb, neblig und nieselig. Die Wolkenkratzer erschienen noch höher als sonst, die Straßen kälter. Wir fuhren nach Little Italy, wo wir Cleary Eastons Spurensicherungsexperten bei der Arbeit antrafen. Der Lieutenant selbst war schon weg.

Sein baumlanger Stellvertreter Ed Schulz erstattete uns Bericht. Ich sah den Beichtstuhl, die Kugeleinschläge und das Blut. Es war ein scheußlicher Anblick. Den Packard, mit dem der Killer geflohen war, hatte man natürlich nicht erwischt. Schwarze Wagen von der Klasse gab es in New York massenhaft. Die Zeugenaussagen waren längst aufgenommen, und es lohnte nicht, die Leute schon wieder zu befragen.

»Der Priester müsste mehr wissen«, sagte Sergeant Schulz. »Die Frau hat schließlich bei ihm gebeichtet. Bisher will er sich nicht sprechen lassen. Versucht ihr mal, ob ihr was aus ihm rausbekommt.«

»Was soll denn daran so schwer sein?«, fragte Phil. »Er wird wohl kein Interesse haben, die Schuldigen an dem Mord an seinem Beichtkind zu decken.«

»Du spielst auf das Beichtgeheimnis an, Ed«, erwiderte ich. »Ein katholischer Priester hat es unter allen Umständen zu wahren. Ganz gleich, worum es sich handelt. Er kann einem Menschen, der ihm ein Verbrechen beichtet, höchstens die Lossprechung verweigern und ihn ermahnen, sich den Behörden zu stellen. Anzeigen darf er ihn nicht.«

Phil fuhr auf. »Sollen wir deshalb einen brutalen Mörder laufen lassen? Das will ich sehen, ob sich dieser Father Pete weigert. In dem Fall gehe ich bis zum Kardinal von New York!«

Wir verließen die Kirche und fuhren zum Bellevue Hospital. Father Petes Zustand war unbedenklich. Doch er hatte eine Beruhigungsspritze erhalten und schlief. Ich fragte den Oberarzt Dr. Myers, ob sich der Priester zu ihm über das Verbrechen geäußert habe.

»Er sagte mir nicht mehr und nicht weniger, als sie in den Nachrichten sowieso durchgeben. Glauben Sie, dass er den Mörder kennt, G-men?« Der kugelrunde Arzt mit dem rosigen Kindergesicht geriet in Aufregung. »Dann müssen wir aufpassen. Es könnte ein Mordanschlag auf der Station erfolgen. Diese Gangster schrecken vor nichts zurück.«

»Ich rufe im Police Headquarters an. Man wird zwei Beamte herschicken, die Wache halten, Doc. Bis sie eintreffen, verlegen Sie Father Pete heimlich in ein anderes Zimmer. Niemand auf der Station darf es merken.«

»Wofür halten sie mich?«, fragte Dr. Myers gekränkt.

Als wir wieder im Jaguar saßen, stellte Phil die berühmte Frage. »Was jetzt?«

»Dreimal darfst du raten. Anna Montori war im vierten Monat schwanger. Etwas hat sie so aufgeregt und durcheinandergebracht, dass sie schnurstracks zu ihrem Beichtvater rannte, um sich ihm anzuvertrauen. Sie wurde mit dem Problem allein nicht fertig. Nach allem, was wir bis jetzt von ihr wissen, ist Miss Montori eine nette, harmlose junge Frau gewesen. Trotzdem hat man sie im Beichtstuhl ermordet. Warum?«

»Der Killer hatte es eilig und konnte keine günstigere Gelegenheit abwarten. Er wollte Anna Montori an einer Aussage hindern – zum Priester im Beichtstuhl. Sie wusste etwas, was für ihn gefährlich war. Wir müssen uns an den Mann halten, von dem sie das Kind erwartete, und ihre Familie befragen.«

»Fahren wir zuerst mal zu der Familie«, entschied ich. »Bei Miss Montoris Angehörigen werden wir einiges über ihren Verlobten erfahren.«

In der Wohnung über dem Bäckerladen der Montoris herrschte eine herzzerreißende Stimmung. Anna hatte noch sechs jüngere Geschwister. Ihre siebzehnjährige Schwester Renata war die Älteste. In der geräumigen, bürgerlich eingerichteten Wohnung der Montoris befanden sich neben der Familie noch Verwandte, Freunde und Nachbarn. Es war ein ständiges Kommen und Gehen. Das Telefon klingelte immer wieder.

Eine alte Tante der Ermordeten nahm es ab und äußerte sich mit flüsternder Stimme. Man hörte Mrs. Montori in einem der Zimmer laut schluchzen und klagen. Der Bäckermeister Sergio Montori, Annas Vater, war ein korpulenter Mann Anfang vierzig. Seine Augen über den schweren Tränensäcken waren vom Weinen gerötet.

Wir wiesen uns aus. Ein jüngerer Montori-Verwandter hatte uns in die Wohnung gelassen. Renata Montori, die sich schon vorgestellt hatte, stand neben ihm. Sergio Montori erklärte sich einverstanden, uns allein zu sprechen. Er führte uns in sein enges, mit Papieren vollgestopftes Büro. Es roch dort intensiv nach kaltem Zigarrenrauch.

Renata, ein hübsches, blasses Mädchen mit Zöpfen, drängte sich mit herein. »Bitte, Papa, lass mich auch mit den G-men sprechen. Ich weiß vielleicht mehr als du.«

Montori runzelte die Brauen und schaute sie scharf an. Er nickte zum Einverständnis. Wir hatten kaum Platz zu viert. Montori setzte sich auf einen Drehstuhl und vergrub das Gesicht in den Händen. Er fing an zu schluchzen.

»Meine Anna«, klagte er. »Mein Töchterchen! Mit eigenen Händen könnte ich den Schuft umbringen, der sie ermordet hat. In einer Kirche kaltblütig erschossen, man stelle sich das vor! Ich weiß nicht, wer es gewesen ist. Wenn ich es wüsste, dann würde ich es sofort sagen. G-men, Sie müssen den Mörder und seine Komplizen fassen. Ich werde rasend bei dem Gedanken, dass sie frei herumlaufen.«

»Deswegen sind wir hier, Mister Montori«, sagte ich. »Beruhigen Sie sich.«

Das war Montori nicht möglich. Man konnte nicht vernünftig mit ihm reden.

»Ich habe mit Anna geschimpft, weil sie ein Kind erwartete. Ich drohte ihr sogar, sie aus dem Haus zu jagen. Es war mir aber nicht ernst damit – ganz bestimmt nicht! Sie wollten ja auch heiraten. Ach, Anna, Anna, wenn sie nur noch am Leben wäre! Ob mit Kind oder ohne, verheiratet oder ledig, das ist doch so egal.«

»Mister Montori«, sagte ich eindringlich, »hat sich Annas Verlobter schon bei Ihnen gemeldet? Wie heißt er? Und wo können wir ihn finden?«

»Al war noch nicht da. Er ist ahnungslos. Es wird ein furchtbarer Schock für ihn sein, von ihrem Tod zu erfahren.«

»Das glaube ich nicht, Papa«, mischte sich Renata ein. »Dass Anna erschossen wurde, hängt bestimmt mit ihm zusammen. Weshalb sonst hätte man sie ermorden sollen?« Sie wandte sich an uns. »Sie müssen mir glauben, G-men, meine Schwester hat nie etwas Unrechtes getan. Sie beging nur den Fehler, auf Al Torrin hereinzufallen.«

Montori wurde sofort wachsam. »Halt den Mund, Renata! Das sind Familienangelegenheiten. Al hat schließlich in aller Form bei mir um Annas Hand angehalten und wollte sie heiraten. Wie kannst du es da wagen, ihn so zu beschuldigen? Er kann niemals am Tod Annas schuld sein. Das ist undenkbar.«

»Es ist vielleicht schockierend, jedoch nicht undenkbar«, sagte Phil. »Ich muss Sie bitten, uns mehr über den Verlobten Ihrer Tochter Anna zu erzählen, Mister Montori.«

Montori äußerte sich zögernd. Er war ein einfacher, rechtlich denkender Mann. Al Torrin, siebenundzwanzig Jahre alt und eine schillernde, zwielichtige Erscheinung, war ihm als Schwiegersohn keineswegs recht gewesen. Renata fiel ihm bald ungeduldig ins Wort, und so erfuhren wir hauptsächlich von ihr, dass Torrin vorbestraft war und man ihn in Little Italy als Mafioso kannte.

»Gehört er zu einer bestimmten Mafiafamilie?«, fragte ich.

Montori zog ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.

So unangenehm war ihm schon die bloße Erwähnung der Mafia.

»Er hielt es mit diesem und jenem«, erklärte er. »Sicher, er war im Gefängnis, und es heißt, dass er illegale Wetten annimmt. Aber was sollte ich machen? Anna kriegte ein Kind von ihm. Die beiden stellten mich damit vor vollendete Tatsachen. Ich kann noch immer nicht glauben, dass er etwas mit Annas Tod zu tun hat. Er wohnt in der Hester Street kurz vor den Seward Houses in einer Mietskaserne. Schon deshalb kann er nur eine ganz kleine Nummer in der Unterwelt sein.«

»In seiner Wohnung werden sie Al Torrin nicht antreffen«, sagte Renata. »Dort ist er nur zum Essen und Schlafen, und auch das nicht immer. Um diese Zeit dürfte er am Times Square herumhängen, wenn er nicht in irgendwelchen krummen Geschäften unterwegs ist.«

Montori starrte fassungslos Renata an.

»Wissen Sie vielleicht genauer, wo man ihn am Times Square auftreiben kann, Miss Montori?«, fragte ich. »Der Times Square ist groß.«

»In der Rocky Mountain Bar. Anna hat ein paarmal dort angerufen, wenn sie ihn dringend erreichen wollte.«

Ich verbarg meine Überraschung. Die Rocky Mountain hatte mit dem gleichnamigen Felsengebirge so viel gemeinsam wie eine Kakerlake mit einem Catcher. Sie war eine Unterweltbar der übelsten Sorte.

»Wie sieht Al Torrin aus?« Ich wollte Zeit sparen. Ins Office zu fahren und Torrins Akte einzusehen, hätte uns aufgehalten.

»Knapp sechs Fuß groß, sehnig und drahtig«, antwortete Renata wie aus der Pistole geschossen. »Öliges schwarzes Haar, das er zu einer affigen Entenschwanztolle gekämmt trägt. Er hat ein schmales Frettchengesicht, kleidet sich wie ein billiger Geck und hält sich für sonst was. Sollten sie ihn nicht an seinem Aussehen erkennen, dann schnuppern sie nur nach dem billigsten und aufdringlichsten Eau de Toilette in dem Schuppen. Al badet in dem Zeug, habe ich den Eindruck.«

»Renata!«, rief Montori. »Ich muss doch sehr bitten! Du sprichst vom Verlobten deiner Schwester.«

Renata kämpfte mit den Tränen. Aber sie sprach weiter. »Passen Sie auf, G-men. Al Torrin trägt immer ein Stilett im Ärmel, mit dem er besonders flink ist. Außerdem schleppt er bestimmt ein oder zwei Schießeisen mit sich herum. Und er hat Freunde in der Kaschemme.«

Dann war es um ihre Fassung geschehen. Aufschluchzend warf sie sich in die Arme ihres Vaters. Ihre Stimme klang schrill.

»Papa, begreifst du denn noch immer nicht, dass Al an Annas Tod schuld ist? Das war kein Zufall, dass sie ermordet wurde! Und wie hätte sie, außer durch Al, in so eine Sache geraten sollen? Warum sollte man sonst einen Killer auf sie ansetzen? Du siehst in diesem Scheusal Annas Verlobten. Aber er ist, so wahr mir Gott helfe, ihr Mörder! Auch wenn er den Finger nicht selber am Abzug hatte.«

Montori stand da. Sein Gesicht sah grau und verfallen aus. »Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Für mich ist das alles zu viel. Meine Tochter ist sehr aufgeregt, G-men. Sie weiß nicht, was sie sagt.«

»Das werden wir feststellen, Mister Montori. Falls sich Al Torrin bei Ihnen melden sollte, verständigen Sie bitte sofort das FBI.« Ich gab ihm ein Kärtchen mit Anschrift und Rufnummer.

Wir hatten den Montoris gleich zu Anfang unser Beileid ausgesprochen, und mehr konnten wir hier nicht tun. Wir verließen die Wohnung und eilten zum Jaguar.

Phil schaltete den Polizeifunk ein und fragte im FBI Office und beim Police Headquarters nach. Man hatte den Killer, der Anna Montori erschoss, noch nicht gefasst. Die Beschreibung, die wir von ihm hatten, war so vage, dass man ihn danach nicht identifizieren konnte. Große, breitschultrige Männer mit harten, kantigen Gesichtern gab es in New York wie Sand am Meer.

2

Eine knappe Viertelstunde später fuhren wir am Times Square entlang. Hier hatte das Laster Hochsaison. Grelle Neonreklamen priesen die Pornokinos, Peepshows und Top-and-bottomless-Bars an. Die einzige Moral am Ort war der Dollarkurs, und Gefühle konnte sich keiner leisten.

Ich hatte Mühe, einen Parkplatz für den Jaguar zu finden, und stellte ihn schließlich am Bryant Park ab. Vorm Parkeingang stand eine Sperre, und ein Schild der City Police warnte vor dem Betreten des Parks zur Nachtzeit.

Wir schlenderten zur Rocky Mountain Bar. Auf der Straße herrschte Gedränge. Zwei blutjunge Girls machten uns an.

»Hey, ihr Daddys, wir können euch was ganz Tolles zeigen! Da fliegt euch der Hut weg, und ihr wollt nie mehr auf die Mama!«

»Von wegen Daddys«, murrte Phil, als wir weitergingen. »Was man sich von den grünen Flittchen alles gefallen lassen muss!«

»Lass nur, Phil. Für die ist jeder über zwanzig ein Greis und jeder über dreißig scheintot.«

Dann standen wir vor der Rocky Mountain Bar. Der Portier war ein massiger Schwarzer.

Er schaute uns an und brummte: »Bullen haben hier keinen Zutritt. Oder soll das 'ne Razzia werden?«

Vielleicht kannte er uns. Vielleicht hatte er auch einen besonders guten Riecher, den sechsten Sinn zum Erkennen von Polizeibeamten.

Phil zeigte ihm diskret die FBI-Marke. »Du willst doch wohl keinen Ärger, oder? Sonst kannst du schnell wegen Behinderung zweier G-men beim Ausüben ihres Dienstes in einer Zelle landen. Ob dein Boss dir dann deinen Job freihält, ist die Frage. Ist Al Torrin drin?«

Der Portier schaute verständnislos drein, und Phil beschrieb ihm Torrin in knappen Worten.

»Ach, der schmierige Spaghetti«, sagte der Portier verächtlich. »Ich habe keine Ahnung. Seht selber nach!«

Damit wandte er sich ab, und wir waren Luft für ihn. Phil flüsterte ihm zu, er solle sich nicht einfallen lassen, unseretwegen eine Warnung nach drinnen zu geben. Gerade als wir die Bar, die zwischen einem Massagesalon und einem Pornokino lag, betreten wollten, gab es drinnen lautes Getöse. Schwere Schritte stampften, dann schoss ein Mann mit blutigem Gesicht und heraushängendem Hemd beinahe waagerecht aus der Tür. Hart stürzte er auf die Straße. Er fiel knapp vor die Räder eines Autos. Bremsen quietschten schrill.

Ein blondierter Muskelprotz erschien in der Tür. Hinter ihm bauten sich weitere Schläger und einige Prostituierte auf.

Der Blonde schüttelte die Faust zu dem Gestürzten hinüber. »Lass dich bloß nicht wieder blicken, du Stinker! Deine faulen Schecks kannst du anderswo anbringen. Ich betreibe hier ein seriöses Geschäft.«

Den letzten Satz sagte er schon im Abdrehen, sodass ich nicht erkennen konnte, ob er dabei rot wurde. Wir betraten die Bar. Bei Tageslicht wäre mancher rückwärts wieder hinausmarschiert. In der Schummerbeleuchtung fiel die Schäbigkeit des Etablissements und der Gäste drinnen jedoch weniger auf.

Ich wandte mich an eine Bardame mit supertiefem Ausschnitt. »Ich muss dringend Al Torrin sprechen.«

Nach ein bisschen Small Talk, bei dem ich durchblicken ließ, ich sei wegen einer heißen Sache da, was ja auch stimmte, schickte mich die Lady ins Hinterzimmer. Sie hielt Phil und mich für Mafiosi.

Torrin sei nicht da, erzählte sie uns, doch die Clique, in der er verkehrte, könnten wir antreffen.

Die Jungs im Hinterzimmer passten in jedes Verbrecheralbum. Geschniegelte Zuhälter, Rocker- und Skinheadtypen scharten sich ums Poolbillard. Andere spielten Videogames. Die laute Musik von der Bar drang gedämpft herein.

Ich hatte noch nicht einmal den Mund geöffnet, um nach Al Torrin zu fragen, als sich die achtzehn Gangster uns geschlossen zuwandten. Drei Mann blockierten die Tür hinter uns. Sie schauten alle wie die hungrigen Wölfe im Bronx Zoo beim Anblick eines Beutetiers. Der Portier hatte also doch nicht dichtgehalten.

Ein schwarzer Pimp baute sich vor mir auf und hakte die Daumen in den Schulterausschnitt seiner Brokatweste. Brillanten funkelten an seinen Fingern.

»Kennst du Sprichwörter, G-man?«, fragte er.

Ich schwieg.

»Das dicke Ende kommt allemal«, sagte er.

Die Gangster hoben die schweren Enden der Billardqueues. Man sah es ihnen an, dass sie darauf brannten, zur Abwechslung mal zwei G-men durch den Wolf zu drehen. Damit konnten sie später vor ihren Freunden und Miezen mächtig angeben. Hinter mir zischte ein Queue durch die Luft wie eine Keule.

Der cremefarbene 450 SEL rollte die Fifth Avenue entlang wie ein Symbol des Reichtums und der Karriere, die sein Besitzer gemacht hatte.

Seine verschnörkelten Initialen, S und W, zierten die Autotüren. Auf dem Kühler prangten auf Plastikfolie zwei gekreuzte Maschinenpistolen und der muskelstrotzende Oberkörper des Actionstars Stuart Waverley. Der Kopf blickte grimmig auf den Betrachter.

E hatte einen stählernen Reif um die Stirn und trug einen unwahrscheinlich großen gezackten Schlagring auf seiner Faust.

So war Waverley in seinem Erfolgsstreifen Streetfighter aufgetreten. Mit MP und Schlagring hatte er ganze Heere von Feinden ausgerottet. Jetzt saß Waverley im Fond seines Luxusschlittens und tauschte mit seiner Freundin Sabek Shagarzi einen hingebungsvollen Zungenkuss aus.

Sabek war eine Augenweide, hinreißend gebaut, mit lang über die Schultern fallenden pechschwarzen Haaren und riesigen glutvollen Augen. Sie war Perserin und vor dem Khomeini-Regime in die USA geflüchtet.

Waverley, aus den teuersten Boutiquen, aber doch noch einigermaßen dezent gekleidet, maß fast sechseinhalb Fuß und hatte die Figur eines Preisboxers. Blondes Haar, eng stehende Augen und ein kantiges Kinn kennzeichneten sein Gesicht, das jeder Kinofan kannte.

Während der Mercedes in eine Zufahrt des Rockefeller Center abbog, verschwand Waverleys Hand unter Sabeks Nerzmantel. Nutland, Waverleys Agent und Produzent, saß links außen im Fond und kaute an seiner Zigarre. Aus Rücksicht auf Waverley und Sabek hatte er sie nicht angezündet.

Zwei Bodyguards saßen vorne, einer am Steuer. Die Trennscheibe war geschlossen.

»Kannst du denn nicht den Mantel ausziehen, Sabek?«, fragte Nutland. Er war mittelgroß, hatte ein Haarkränzchen um die Glatze, eiskalte Augen und war teuer gekleidet. »Muss verdammt heiß sein.«

Sabek kicherte, öffnete den Mantel, und man sah, dass sie darunter völlig nackt war. Nutland verschluckte beinahe die Zigarre. Der Mercedes rollte in einer Schlange von mehreren anderen Autos durch die Tiefgarage. Gleich musste man bei den Fahrstühlen halten, die die Besucher in die verschiedensten Geschosse beförderten.

»Goddam, zieh dich an!«, befahl Nutland.

»Warum denn?«, erkundigte sich Sabek mit gekonntem Augenaufschlag. »Reg ich dich auf? Oh, ich liebe das Kitzeln von Nerz auf nackter Haut. Es erregt mich fast so wie Stuarts Zärtlichkeiten.«

Waverley grunzte und bewegte die Hand.

Nutland hielt ihnen eine Standpauke. »Das ist gar nichts dagegen, wie sich Diane aufregen wird, wenn sie jetzt gerade anfährt oder diese Story morgen wieder in der Zeitung liest. Du weißt ja, was von eurem Gespräch im Rainbow Room abhängt, Stu. Du musst sie bei Laune halten. Außerdem fallen dem Fahrer schon beinahe die Augen raus, so glotzt er in den Rückspiegel. Man sollte wirklich meinen, ihr beide hättet genügend Gelegenheit zum Bumsen. Müsst ihr jetzt auch noch damit anfangen?«

Waverley rückte weg, und Sabek schloss ihren Mantel.

»Was, verdammt, hast du gegen Sex, Nuts?«, fragte Waverley seinen Agenten. »Ich rauche nicht, trinke nicht und schinde mich beim Bodybuilding wie ein Irrer. Ich fresse den ganzen Tag Proteine. Irgendwo muss ich damit hin. Außerdem machen wir keinen Sex, wir kosen nur miteinander.«