Jerry Cotton Sonder-Edition 241 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 241 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Die Fracht war tödlich: Nitroglyzerin. Der Truck, der den Sprengstoff zu einem Attentat nach New York brachte, stand im Dienst ausländischer Terroristen. Ich war dazu bestimmt, das teuflische Verbrechen zu stoppen. Meine Aussichten waren verschwindend gering. Denn die Verbrecher hatten eine Geisel, und am Lenkrad saß der Teufelstrucker!

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Seitenzahl: 184

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Der Teufelstrucker

1

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5

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7

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Vorschau

Impressum

Der Teufelstrucker

Die Fracht war tödlich: Nitroglyzerin. Der Truck, der den Sprengstoff zu einem Attentat nach New York brachte, stand im Dienst ausländischer Terroristen. Ich war dazu bestimmt, das teuflische Verbrechen zu stoppen. Meine Aussichten waren verschwindend gering. Denn die Verbrecher hatten eine Geisel, und am Lenkrad saß der Teufelstrucker!

1

Ein Mann, der so viele Jahre in diesem Beruf tätig war wie er, wusste, wann er verloren war. Sidney Montagnon war am Ende. Er würde in Libyen sterben. Es gab niemand in El Beida, der auch nur einen Finger für ihn gerührt hätte.

Er stand auf der falschen Seite. Er war Amerikaner.

Montagnon schaute nach rechts. Neben ihm in dem klapprigen alten Lincoln saß Trisha. Die tollste Frau, die er jemals besessen hatte. Die Frau, die er liebte und die ihn töten würde.

Er lächelte verkrampft. Aber wie konnte ein Mann anders lächeln, der wusste, dass ihn ein schwerer Tod erwartete?

»Sie werden mich foltern«, sagte er und versuchte, die 45er Automatic, die Trisha auf ihn richtete, nicht zu beachten.

Sie schaute geradeaus auf die schmale Straße, die sich an der Küste zwischen Benghasi und Tobruk entlangschlängelte. Ihr schönes Gesicht wirkte eckig. Hart traten die Wangenknochen hervor. Die Lippen waren schmal geworden. In ihren dunklen Augen gab es kein Feuer mehr.

»Sie werden mich foltern, bevor sie mich umbringen«, wiederholte Sidney Montagnon.

»Du hast einen Fehler begangen«, sagte sie leise. »Du hast Informationen weitergegeben, die du nur von mir bekommen haben konntest. Sie mussten darüber stolpern. Was erwartest du?«

Schweiß rann ihm übers Gesicht. In der Nacht hatte es etwas abgekühlt, aber es herrschten noch immer Backofentemperaturen.

Mit dem Hemdärmel rieb er sich den Schweiß aus dem Gesicht und zündete sich eine Zigarette an.

Er hatte einen Fehler begangen, weil er geglaubt hatte, dass seine Kollegen in den Staaten mit seiner heißen Information behutsam umgehen würden.

Von Trisha hatte er vor einigen Tagen erfahren, dass eine palästinensische Organisation ein blutiges Kommandounternehmen in den Vereinigten Staaten von Amerika plante. Einen so gewaltigen Anschlag, wie es ihn noch nie zuvor gegeben hatte.

Zwei Namen waren in diesem Zusammenhang gefallen. Er hatte sie durchgegeben. Anstatt in aller Ruhe abzuwarten, versuchte ein CIA-Mann, die beiden Männer kaltzustellen. Die Palästinenser starben dabei. In Libyen brauchte man nicht lange herumzurätseln. Als undichte Quelle kamen nur er oder Trisha infrage. Sie hatten ihn geschnappt.

Sidney Montagnon lachte auf, als er daran dachte.

Siebzehn lange Jahre arbeitete er für das FBI und die CIA. Immer war alles glimpflich für ihn ausgegangen. Niemals war ihm ein folgenschwerer Fehler unterlaufen. Und jetzt erwischten sie ihn, weil sich ein CIA Agent schnelle Lorbeeren verdienen wollte und ohne Rücksprache mit ihm einfach blindlings zugeschlagen hatte!

Die Scheinwerfer des Dodge, der hinter ihnen fuhr, blendeten ihn. Montagnon verstellte den Rückspiegel.

Hinter der Kurve tauchten die Rücklichter des vorausfahrenden Land Rover auf.

Seine Gedanken überschlugen sich. Seit sie El Beida hinter sich gelassen hatten, suchte er verzweifelt nach einem Ausweg.

»Vielleicht werden sie dich ebenfalls töten«, wandte er sich an Trisha.

Sie lächelte. »Vielleicht. Ich habe dir die Namen unserer Männer in den Staaten genannt. Durch meine Schuld sind sie gestorben. Ich habe den Tod verdient.«

Montagnon drehte das Fenster herunter. Er schnippte die angerauchte Zigarette nach draußen. Vom Wind wurde sie angehoben und gegen die Windschutzscheibe des folgenden Dodge geschleudert.

Er lachte, als der Fahrer des Dodge ein wütendes Hupkonzert anstimmte.

»Gemeinsam haben wir noch eine Chance davonzukommen«, sagte er schließlich.

Trisha drehte sich zu ihm herum. Sie schüttelte den Kopf. »Nicht einmal, wenn ich es wollte. Und ich will es nicht. Du hast von Liebe gesprochen und mich nur benutzt. Weil ich dir vertraut habe, mussten zwei meiner besten Freunde sterben.«

Es war sinnlos. Er fragte sich, warum er es überhaupt versuchte, sie umzustimmen und auf seine Seite zu ziehen.

Sie hatte sich dem Terror verschrieben. Die Sache, für die sie eintrat, war ihr heilig. Nicht einmal ihren Henker würde sie hassen.

Trisha war nicht umzustimmen.

»Ich liebe dich noch immer!«

Sie antwortete nicht. Geschickt zündete sie sich eine Zigarette an, ohne auch nur für eine Sekunde die Waffe zu senken, die sie auf ihn gerichtet hielt. Die schwere 45er Automatic war entsichert. Ein schwacher Fingerzug reichte, um ein riesiges Loch in ihn zu reißen.

Und sie würde schießen, wenn es so weit war.

Der Land Rover vor ihnen verschwand hinter einer scharfen Haarnadelkurve. Hinter ihnen hatte der Dodge aufgeholt. Der Abstand betrug nur noch drei Yards.

Sidney Montagnon gab Gas. Sofort zog der Dodge nach.

Montagnon kniff die Augen zusammen. Er hatte beschlossen, sich nicht verhören und misshandeln zu lassen. Wenn er schon sterben musste, dann hier und jetzt.

Erneut beschleunigte er den alten Lincoln.

Bis zum Beginn der scharfen Kurve waren es fünfzehn Yards.

Die Tachonadel schnellte hoch. Schotter spritzte unter den Reifen auf.

»Was soll das?«, fragte Trisha. »Kannst du nicht schnell genug zu deiner Hinrichtungsstelle kommen?«

Er antwortete nicht. Er visierte die Kurve an wie ein Ziel und zog den Lincoln in die spitze Kehre.

Dann stemmte er mit einem Ruck den Fuß auf das Bremspedal.

Obgleich er darauf vorbereitet war, prallte er mit der Brust aufs Steuer.

Trisha wurde gegen das Armaturenbrett geschleudert. Sie drückte die 45er ab. Die Kugel trat Montagnon in den Oberschenkel.

Er warf sich auf Trisha. Blut rann aus ihrem Mundwinkel. Sie bewegte sich nicht mehr. Die Waffe hatte sie verloren. Sie lag auf dem Sitz neben ihr. Montagnon nahm sie an sich und duckte sich, das alles hatte gerade zwei Sekunden gedauert.

In diesem Moment tauchte hinter ihm der Dodge aus dem Schnittpunkt der scharfen Kehre auf.

Der Fahrer sah das Hindernis zu spät. Er konnte den Dodge nicht mehr herunterbremsen. Mit voller Fahrt fuhr er auf das Fahrzeug, in dem Montagnon lag.

Montagnon warf sich herum, stieß die Fahrertür auf und ließ sich aus dem alten Lincoln fallen. Er wollte aufspringen, doch sein rechtes Bein gehorchte ihm nicht.

Keuchend rollte er über den Schotter der Straße, um aus dem Scheinwerferlicht des Dodge herauszukommen.

Er sah den Schatten eines Mannes, der aus dem Wagen aussteigen wollte. Die Tür klemmte. Deutlich war das Gesicht des Libyers an der Seitenscheibe zu sehen.

Montagnon riss die 45er Automatic hoch. Er drückte ab. Das Gesicht verschwand. Die Scheibe war blutverschmiert.

Auf allen vieren robbte Montagnon zum Dodge. Rauch quoll aus dem Kühler. Benzin lief aus und bildete ein Rinnsal auf der Schotterstraße.

Der Fahrer hing am Steuer. Mit starren Augen glotzte er auf den Lichtteppich, den der Dodge noch immer auf die Straße warf. Er war tot. Genau wie der zweite Mann, der bis zur Beifahrertür geschleudert worden war.

Übelkeit stieg in Montagnon auf, als er die Tür aufriss und den Fahrer aus dem Wagen zerrte. Er musste sich quer über den blutverschmierten Vordersitz legen, um an die Maschinenpistole heranzukommen, die zwischen den Sitzen lag. Er nahm sie an sich. Dazu drei Magazine und zwei der Handgranaten, die in einem Schuhkarton lagen.

Dann rollte er sich aus dem zerstörten Fahrzeug heraus, stürzte auf den Schotter und blieb für eine Sekunde atemlos liegen. Die Schmerzen in seinem Bein waren so stark, dass er am liebsten geschrien hätte.

Er richtete sich auf und schaute die Straße entlang. Er wusste nicht, wie weit der Land Rover vorausgefahren war. Es konnte nicht lange dauern, bis dem Fahrer auffiel, dass sich niemand mehr hinter ihm befand. Dann würde er wenden und zurückkommen.

Drei Personen saßen in dem Wagen, der mit einem Funkgerät ausgestattet war.

Montagnon humpelte auf die andere Straßenseite in den Schatten der Felsen. Er lehnte sich an die warmen Steine. Seine Gedanken jagten sich. Er wusste nicht genau, wo er sich befand. Aber wenn es ihm gelang, sich bis zur Küste durchzuschlagen, hatte er eine Chance. Zumal dann, wenn er ein Funkgerät besaß und einen Hilferuf aussenden konnte.

Montagnon klammerte sich an diese vage Hoffnung. Es gab nichts anderes, an dem er sich festhalten konnte. Er brauchte das Funkgerät aus dem Land Rover, und er musste verhindern, dass die Leute den Zwischenfall durchgaben.

Montagnon humpelte aus dem Schnittpunkt der Kehre heraus, bis er eine Stelle erreichte, von der aus er den weiteren Verlauf der schmalen Schotterstraße übersehen konnte. Fünfzig Yards entfernt befand sich die nächste scharfe Kurve. Hinter ihr war der Land Rover verschwunden.

Sekunden verstrichen. Dann zerschnitten Scheinwerfer die Dunkelheit, und der Land Rover tauchte auf.

Montagnon rückte tiefer in den Schatten. Er ließ die MP fallen und nahm eine Handgranate. Das erschien ihm sicherer.

Sekunden verstrichen. Der Land Rover verlangsamte die Fahrt. Die Scheinwerfer waren voll aufgeblendet. Sie konnten ihn nicht erfassen.

Dann stand der Wagen.

Montagnon hörte Gesprächsfetzen in einem arabischen Dialekt, den er nicht verstand. Er biss die Zähne zusammen, riss die Handgranate ab und zählte. Er richtete sich mit einem Ruck auf und warf die Granate.

Er sah sie nicht, weil er sich zu Boden fallen ließ und den Kopf zwischen den Armen barg. Aber er hörte sie auf den Schotter fallen und weiterrollen.

Eine Sekunde später zerriss eine ohrenbetäubende Explosion die Stille. Blech und Steine zischten wie Geschosse durch die Luft, streiften ihn und klatschten an den Felsen. An der rechten Schulter spürte er einen heftigen Schlag, dann dumpfen Schmerz.

Er hob das Gesicht aus der Armbeuge und griff nach der MP.

Die rechte Seitentür des Wagens war herausgeflogen. Bewegungslos hing ein Körper ins Freie. Hinter dem Toten richtete sich ein zweiter Mann auf, rollte sich über die Leiche hinweg und ließ sich aus dem Wagen herausfallen.

Montagnon schoss, als der Mann auf der Straße landete. Die einschlagenden Projektile rissen ihn herum.

Zwei Männer hatte er ausgeschaltet. Von dem dritten war nichts zu sehen. Montagnon zögerte. Dann stand er auf. Humpelnd näherte er sich dem Wrack. Die MP hielt er schussbereit in den Fäusten. Er brauchte sie nicht mehr.

Auch der dritte Mann war tot.

Montagnon atmete auf. Er hatte es geschafft.

Er umrundete das Fahrzeug und öffnete die hintere Tür. Das Funkgerät stand unter der Bank. Es war unbeschädigt. Montagnon zog es heraus und stellte es an den Rand.

Die Schmerzen machten ihn beinahe wahnsinnig. Sein rechtes Bein ließ sich kaum noch bewegen. Er brüllte vor Schmerzen. Ein Stück Metall war ihm in die Schulter gefahren, hatte sein Schlüsselbein gebrochen und steckte noch im Fleisch.

Er dachte an den weiten, beschwerlichen Weg zur Küste. In diesem Moment war er sich beinahe sicher, dass er ihn nicht schaffen konnte.

In spätestens einer Stunde waren die Wagen überfällig. Dann würde man andere Männer schicken, um ihm den Weg zur Küste abzuschneiden.

Er musste von hier aus Verbindung zu seinen Leuten in den Staaten aufnehmen.

Mit zitternden Fingern stellte er das Gerät auf die richtige Frequenz ein.

»Delta Charly für Thunderbird«, sagte er mit schwerem Atem ins Mikrofon. »Delta Charly für Thunderbird. Kommen.«

Es knackte und rauschte im Äther. Atmosphärische Störungen, die jeden Empfang unmöglich machten. Montagnon drehte am Justierknopf, um die sich überlagernden Sender zu trennen.

»Delta Charly für Thunderbird. Mayday. Kommen.«

Sekunden verstrichen.

»Thunderbird für Delta Charly. Wir hören. Kommen.«

»Sie haben mich erwischt. Ich befinde mich auf der Höhe von El Beida und versuche, zur Küste durchzukommen. Schickt Hilfe! Ich bin schwer verwundet.«

»Geben Sie mehr Informationen, Delta Charly!«

Montagnon stöhnte. Er veränderte seine Haltung. Die Schmerzen wurden erträglicher.

»Die besagte Gruppe plant einen vernichtenden Schlag. Etwas, das es noch nie gegeben hat und mit dem auch niemand rechnet. Ihr müsst euch auf alles einstellen.«

»Wo?«

»New York City. Ich habe keine weiteren Informationen bekommen können, nachdem ihr die Palästinenser in den Tod getrieben habt. Das unbegreifliche Unternehmen hat mich reingerissen. Wenn ich je in die Staaten zurückkehre, lege ich den Kerl um, der auf eigene Faust und ohne Absprache mit mir gehandelt hat. Ich lege ihn um!«

Für einen Moment herrschte Stille.

»Thunderbird? Könnt ihr mich noch hören?«

»Alles verstanden, Delta Charly. Um Gegenmaßnahmen zu treffen, brauchen wir weitere Informationen.«

»Das ist unmöglich. Ich bin erledigt. Ihr müsst mich auffangen und in Sicherheit bringen. Habt ihr mich verstanden?«

»Verstanden, Delta Charly. Aber wir brauchen mehr Informationen.«

Bunte Kreise tanzten vor Montagnons Augen und zerplatzten in grellen Blitzen.

»Es ist etwas, was niemand für möglich hält. Sie treffen noch Vorbereitungen. Ich kann nicht ...«

Er hatte nicht mehr auf die zerstörten Fahrzeuge geachtet. Als er die Schritte auf der Schotterstraße hörte, drehte er sich mit einem Ruck um.

Trisha war aus dem zerstörten Lincoln geklettert. Taumelnd lehnte sie am zusammengeschobenen Aufbau. Er spürte die tödliche Gefahr körperlich.

»Ende, Thunderbird. Ich melde mich ...«

Er sah, dass die Libyerin den rechten Arm hob. Der Mündungsblitz blendete ihn. Ein harter Schlag traf ihn und schleuderte ihn zurück.

Er streckte die Hände nach vorne und konnte sich an den Querstreben der Tür festhalten.

»Es ist aus, Thunderbird«, sagte er mit kaum noch verständlicher Stimme. »Jetzt haben sie mich ...«

»Delta Charly. Kommen!«

Der zweite Blitz blendete ihn. Er konnte sich nicht mehr festhalten. Er stürzte und riss das Funkgerät mit sich auf die Schotterstraße. Brüllend wälzte er sich auf die Seite.

»Delta Charly. Kommen!«

»Es ist aus, Thunderbird. Der verdammte Hund, der mich da reingerissen hat, hat Glück gehabt. Es ist aus. Ich kann ...«

Trisha tauchte vor ihm auf. Blut rann über ihr Gesicht. In den dunklen Augen flammten Blitze. Sie kam noch einen Schritt näher.

Montagnon versuchte sich aufzurichten. Es gelang ihm nicht. Aus weit aufgerissenen Augen starrte er auf die Frau, die nun sein Todesengel war. Ihre Bluse war zerrissen.

»Ich hätte es fast geschafft, Trisha«, sagte er leise. »Ich hätte dich erschießen müssen. Ich konnte es nicht.«

Ihr Gesicht wurde hart, als sie die 45er hob, die sie dem toten Fahrer abgenommen hatte.

»Du hast es vergessen, Amerikaner«, sagte sie mit dumpfer Stimme. »Du hast es nur vergessen!«

Vielleicht hatte er es wirklich nur vergessen. Montagnon wusste es nicht mehr. Er schaute sie an und schüttelte den Kopf, als sie abdrückte.

Der Frühling kam mit Regen. Seit Tagen ergossen sich die Wassermassen auf die Stadt. Der Hudson hatte den höchsten Stand seit fünfzig Jahren. In den Straßen staute sich das Wasser, das von der Kanalisation nicht mehr so schnell geschluckt werden konnte, wie es auf New York niederprasselte. Den ganzen Tag über hingen dicke dunkle Wolken am Himmel. Es wurde nie richtig hell in den Straßenschluchten.

»Das ist das Ende«, sagte Phil und grinste.

Er stand neben mir am Fenster und schaute in die trostlose Wasserwüste.

»Jemand liebt diese Stadt nicht mehr und will sie ersäufen. Und irgendwie kann ich das sogar verstehen.«

Ich schaute zur Uhr. Es war noch Zeit für einen Kaffee, bevor wir uns auf den Weg ins Gebäude der Vereinten Nationen machen mussten.

Sicherheitskonferenz. Koordination zwischen FBI, CIA und einigen militärischen Abschirmdiensten. Der Chef hatte Phil und mich eingeteilt. Weiß der Teufel, was wir beide verbrochen hatten. Es war der langweiligste Job, den ein Mann ausführen konnte. Das war eher etwas für alte Kollegen, die sich bei diesem Job langsam auf den bevorstehenden Ruhestand vorbereiten konnten.

»Ich gehe einen Kaffee holen«, sagte ich und drehte mich vom Fenster weg. Wenn man zu lange in die Trostlosigkeit schaute, wurde man schwermütig.

»Eine Flasche Whisky wäre besser«, erwiderte Phil. »Mit einigen Promille im Blut kannst du es besser vertragen, wenn du nachher von den anderen netten Kollegen aus anderen Institutionen hörst, dass das FBI eigentlich überflüssig ist und die G-men nicht über genügend Erfahrungen verfügen, um eine solche Aufgabe zu übernehmen.«

Grinsend verließ ich das Office.

Zeerookah kam mir entgegen. Mein indianischer Kollege rückte seinen seidenen Binder gerade.

»Ich habe gehört, ihr geht in Pension«, sagte er. »Ich habe einen Bekannten mit Haus und Garten in Queens. Er sucht immer einige Rentner, die sich etwas dazuverdienen wollen. Unkraut jäten und so.«

»Wenn du deinen Skalp behalten willst, Rothaut, dann zügle deine spitze Zunge!«, knurrte ich. »Objekt- und Personenschutz sind ehrenvolle Aufgaben für verdiente G-men.«

Er grinste. »Ich habe gehört, man rechnet euch die Woche auf den Urlaub an. Was, verdammt, geht uns das eigentlich an?«

»Weiß ich auch nicht«, antwortete ich. »Vielleicht kennt einer der hohen Politiker Phil und mich und hat uns angefordert. Kannst du einen Dollar für Kaffee wechseln?«

Er konnte. Er gab mir vier Quarter und entfernte sich lachend. Ich fluchte leise in mich hinein und ging zum Kaffeeautomaten. Es war wirklich kein aufregender Job, den Mr High uns da aufs Auge gedrückt hatte.

2

Claire Ramis setzte sich an den Ecktisch neben dem Fenster. Sie bestellte sich einen Kaffee. Unauffällig schaute sie aus dem Fenster. Zwischen den Gischtfahnen, die die vorbeifahrenden Wagen nach sich zogen, sah sie den weißen Chevy auf der anderen Straßenseite.

Sie war sich sicher, dass sich der Wagen schon seit Stunden hinter ihr befand. Auch die beiden Männer im Chevy hatte sie schon einmal gesehen. Vor zwei Tagen auf einer Party, die eine Freundin nach ihrem Filmdebüt gegeben hatte und wegen der sie eigens aus Texas nach New York gekommen war. Keiner der Männer mit dem arabischen Aussehen hatte sie bislang angesprochen. Sie beobachteten sie nur, wie man es mit einem Gegner tat, bevor man ihn angriff.

Der Kaffee kam. Claire Ramis gab Milch und Zucker hinzu. Sie wollte nicht an den Chevy und die beiden Männer denken. Sie versuchte sich einzureden, dass sie sich getäuscht hatte. Es gelang ihr nicht. Je länger sie darüber nachdachte, umso sicherer war sie sich, dass die Männer sie meinten.

Aber warum hatten sie in den vergangenen zwei Tagen niemals versucht, an sie heranzutreten? Wenn sie etwas von ihr wollten, mussten sie doch Verbindung mit ihr aufnehmen.

Was konnten sie von ihr wollen? Sie war eine kleine Sekretärin aus Corpus Christi. Sie hatte einen langweiligen Job und freute sich schon jetzt auf ihr Baby, das sie in fünf Monaten bekommen würde. Dann konnte sie den Job an den Nagel hängen. Wenigstens für einige Zeit – und solange wie Chuck Halston, ihr Verlobter, seinen Job behielt.

Es waren schlechte Zeiten. Auch in Texas. In den vergangenen Monaten hatten einige Kollegen Chucks ihren Truck schon verkaufen müssen, um über die Runden zu kommen.

Claire trank einen Schluck Kaffee. Auf der anderen Straßenseite stieg ein Mann aus dem weißen Chevy. Er rannte geduckt über die Straße.

Claire Ramis hielt den Atem an. Sie zitterte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die Tür des Coffeeshops, die jetzt aufgeschoben wurde.

Der Mann aus dem Chevy betrat den trockenen Raum. Er ging zur Theke, ohne einen Blick in ihre Richtung zu werfen. Er bestellte sich einen Kaffee und ließ sich ein Päckchen Zigaretten geben.

Als Claire Ramis die Tasse hob, zitterten ihre Finger so sehr, dass sie Kaffee auf die weiße Decke verschüttete. Sofort war die Kellnerin bei ihr und behob den Schaden mit einer weißen Serviette.

»Tut mir leid«, sagte Claire Ramis.

Die junge Serviererin lächelte. »Aber das macht doch nichts. Ist Ihnen nicht gut?«

»Es geht schon wieder«, antwortete Claire. »Ich bin schwanger. Manchmal wird mir übel. Es geht wirklich schon wieder. Vielen Dank.«

Sie schaute an der Blondine vorbei auf den Mann, der sich wieder vom Hocker erhob und sich streckte. Sein Jackett fiel auseinander. Eine Sekunde nur.

Deutlich konnte Claire das Holster mit der Waffe sehen. Der Mann verließ das Café, ohne sich umzudrehen. Während der ganzen Zeit hatte er sie nicht beachtet. Dennoch verstärkte sich in ihr das Gefühl, dass die Männer eine Bedrohung für sie waren. Sie hatte sie auf der Party gesehen. Deutlich hatte sie den Mann wiedererkannt.

»Ich bringe Ihnen einen frischen Kaffee«, sagte die blonde Serviererin freundlich.

»Ja danke.« Claire Ramis nickte. Sie schaute aus dem Fenster. Der Mann hastete über die Straße und war wenig später wieder im weißen Chevy verschwunden.

Angst schlich sich ein. In diesem Moment dachte sie an den G-man, den sie auf Sarahs Party kennengelernt hatte – Jerry Cotton.

Sie zögerte. Vielleicht erinnerte er sich gar nicht mehr an sie, obgleich sie mehrmals zusammen getanzt und sich ausgezeichnet unterhalten hatten. Vielleicht lachte er sie aus und hielt sie für eine überspannte Texaspflanze, wenn sie ihm erzählte, dass jemand hinter ihr her war und sie sich bedroht fühlte.

Sie ließ es sich durch den Kopf gehen, bis die Serviererin den frischen Kaffee brachte.

»Kann ich von hier aus telefonieren?«, fragte sie.

»Eine Stadtnummer?«

»Das FBI.«

»Sie hat telefoniert«, sagte Abdul Ben Dai. Er saß am Steuer des weißen Chevy und warf seinem etwas kleineren Partner einen fragenden Blick zu.

Jafir Achdar zuckte mit den Schultern. »Das hat nichts zu bedeuten. Ich war drin. Sie hat mich nicht einmal angesehen.«

»Wir waren auf der Party.«

Jafir Achdar lachte. »Zusammen mit Amerikanern, Engländern, Chinesen, Mexikanern und anderen Arabern. Niemand war angemeldet. Eine Opendoorparty. Jeder kommt und geht, wann er will. Jeder bringt mit, wen er will. Vergiss es!«

Abdul Ben Dai versuchte es zu vergessen. Er war nervös und zündete sich eine Zigarette an. Dann startete er den Chevy und zog ihn langsam vom Bordstein weg.

»Was soll das?«, fragte Achdar.

»Ich stelle ihn auf die andere Seite neben den Eingang. Dann kann man den Wagen vom Café aus nicht mehr sehen. Es ist egal, wo wir stehen. Warum, verdammt, meldet sich Trisha nicht?«

»Die haben in Texas alle Hände voll zu tun«, antwortete Achdar. »Wir bekommen Nachricht, wenn es so weit ist.«

Abdul Ben Dai fuhr den Chevy zur nächsten Kreuzung, wendete und fand einen freien Parkplatz in unmittelbarer Nähe des Eingangs. Er kuppelte aus und ließ den Motor im Stand laufen.

»Es ist kalt«, sagte er. »Es wird Zeit, dass wir von hier verschwinden.«

»Noch eine Woche«, erwiderte Achdar. »Und wenn wir von hier verschwinden, dann wird die Welt über uns reden. Niemals ist von einer anderen Gruppe ein größerer Schlag geführt worden. Gegen das, was wir vorhaben, war das Todeskommando auf das amerikanische Headquarters in Beirut ein Spaziergang.«

Ben Dai nickte. Er schwitzte und rieb sich den Schweiß von der Stirn. Die Haare gingen ihm aus. Er trug sie kurz, doch das half nichts. Jeder konnte schon jetzt sehen, dass er in wenigen Jahren eine Glatze haben würde.