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Wir wussten, dass millionenschwere Heroinladungen aus Paris nach New York geschmuggelt wurden. Sie verseuchten unsere Stadt mehr und mehr. Wir wussten ebenfalls, dass ein gefährlicher Killer namens Jerry Conk bei diesem teuflischen Geschehen eine entscheidende Rolle spielte, und wir jagten ihn. New Yorker Cops erschossen ihn schließlich in Notwehr. Da schlüpfte ich in seine Haut, flog nach Paris - mit dem Erste-Klasse-Ticket des Mörders. Paris bereitete mir einen würdigen Empfang. Aber nicht mit seinen bezaubernden Frauen, dafür mit heißem Blei und der gnadenlosen Unterwelt der Seine-Metropole!
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Seitenzahl: 206
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Killer für Paris gesucht
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Vorschau
Impressum
Killer für Paris gesucht
Wir wussten, dass millionenschwere Heroinladungen aus Paris nach New York geschmuggelt wurden. Sie verseuchten unsere Stadt mehr und mehr. Wir wussten ebenfalls, dass ein gefährlicher Killer namens Jerry Conk bei diesem teuflischen Geschehen eine entscheidende Rolle spielte, und wir jagten ihn. New Yorker Cops erschossen ihn schließlich in Notwehr. Da schlüpfte ich in seine Haut, flog nach Paris – mit dem Erste-Klasse-Ticket des Mörders. Paris bereitete mir einen würdigen Empfang. Aber nicht mit seinen bezaubernden Frauen, dafür mit heißem Blei und der gnadenlosen Unterwelt der Seine-Metropole!
Als Jerry Conk den uniformierten Polizisten mit der Maschinenpistole sah, ahnte er, dass seinem üppigen Leben eine jähe Wende drohte. Wie in einer Vision sah Conk die grauen, kahlen Wände seiner letzten Gefängniszelle vor sich, erinnerte sich an den faden, eintönigen Geschmack des Essens, an die qualvollen Nächte unbefriedigter sexueller Gier. Er schauderte und biss sich auf die Unterlippe.
Conk blieb vor einem Schaufenster stehen, betrachtete die Auslage und wechselte die Richtung – die Straße hinauf und weg von dem Polizisten mit der Maschinenpistole.
Er beschleunigte seine Schritte. Wenn er entkommen wollte, musste er raus aus dieser Straße, die nur schmal war und nahezu menschenleer, eine richtige verdammte Mausefalle. Conk rechnete, dass er eine gute Chance hatte, seinen Häschern zu entwischen, wenn er die Second Avenue erreichte mit ihren Zugängen zu den Subwaystationen und den großen Supermärkten.
Dann entdeckte Jerry Conk die beiden Streifenwagen auf der Kreuzung, sah sechs Polizisten auf den Bürgersteigen. Damit wurden die Schlupflöcher der Second Avenue für ihn so unerreichbar wie der Mars. Er wechselte erneut die Richtung und ging zurück auf den einzelnen Polizisten zu.
Der Beamte sah nicht zu Conk hinüber. Er hielt den Blick auf ein Haus der anderen Straßenseite gerichtet, und vielleicht dachte er nicht einmal an Conk, sondern an die fällige Rate für seinen Privatwagen oder an den unausgestandenen Ärger mit seiner Frau. Conk hatte den Eindruck, er könnte unbemerkte an dem Polizisten vorbeikommen.
Als sie noch zwanzig Schritte trennten, schrillte von der Kreuzung her eine Trillerpfeife. Der Polizist fuhr leicht zusammen, drehte sich um, sah Conk an und erkannte ihn. Er hob die Maschinenpistole. Sein Daumen verschob den Sicherungshebel, und er öffnete den Mund, um Conk anzurufen und ihn aufzufordern, die Hände hochzunehmen.
Conk sah die Bewegung des Polizisten, gleichzeitig sah er vor sich seinen orangeroten Corvette Stingray, das volle Flaschenregal seiner Hausbar und die blonde Haarpracht seiner Freundin Neddy. Er roch Neddys Parfüm, und er fühlte die kühle Glätte ihrer Schenkel und Arme auf seiner Haut. Er dachte, dass die verdammte Kugelspritze in den roten Fäusten eines kläglich bezahlten Straßencops ihn für den Rest seines Lebens vom Stingray, den Flaschen der Hausbar und von Neddy abschneiden würde, wenn er jetzt aufgäbe.
Conk riss mit der linken Hand seine Jacke auf. Er trug den Revolver nicht unter der Achsel, sondern am Gürtel. Die Finger seiner Rechten schlossen sich um den Griff.
Der Polizist starrte Conk entsetzt an. Vielleicht hatte er niemals zuvor auf einen Menschen geschossen, oder er hatte einfach nicht damit gerechnet, dass Conk Widerstand leisten könnte. Auf jeden Fall zögerte er eine verhängnisvolle Sekunde lang, den Finger zu krümmen.
Jerry Conk war sehr schnell. Die scharfen Peitschenschläge seines Revolvers zerrissen die Stille dieser unbedeutenden Nebenstraße zur Second Avenue.
Der Polizeibeamte stürzte nach vorne. Die Mütze flog vom Kopf, als würde sie von einer unsichtbaren Hand fortgeschleudert. Der Mann fiel mit dem Gesicht in den Rinnstein.
Conk rannte quer über die Fahrbahn. Von der Kreuzung schrillte zum zweiten Mal die Trillerpfeife. Der Motor eines Streifenwagens heulte auf. Mit durchdrehenden Reifen setzte sich das Fahrzeug in Bewegung. Nicht anders als ein losgelassener Jagdhund, der die Verfolgung eines Wildes aufnimmt.
Conk stürzte sich in eine Türnische. Er prallte mit der Schulter gegen die Tür, die verschlossen war und dem Anprall standhielt. Mit dem Revolverlauf zerschlug er die Glasfüllung, griff durch die Öffnung nach dem Drehknauf.
Der Streifenwagen erreichte die Höhe des Hauseingangs und wurde hart gestoppt. Seine Türen flogen auf. Zwei Polizisten sprangen heraus.
Conk feuerte. Ein Polizist ließ sich auf die Straße fallen, der andere ging hinter dem Wagenheck in Deckung. Er erwiderte Conks Schüsse, dem es im selben Augenblick gelang, die Tür zu öffnen und in den langen halbdunklen Hausflur zu flüchten.
Der Fahrer des Streifenwagens hatte sich aus dem Wagen gerollt und Conks Schüsse in Kauerstellung dicht an den Vorderrädern abgewartet. Jetzt richtete er sich auf, riss die Maschinenpistole aus der Halterung auf der Türinnenseite und rannte in Zickzacksprüngen über die Straße. Der Beamte hinter dem Wagenheck gab Feuerschutz. Mit der Maschinenpistole im Anschlag drang der Streifenwagenfahrer ins Haus ein.
Conk hatte im ersten Anlauf versucht, den Hof zu erreichen, aber die Tür am Ende des Flurs war verschlossen, ohne Glas und nicht aufzubrechen. Er rannte zurück zur Flurmitte, um über die Treppe in die oberen Etagen zu fliehen.
Die Gestalt des Streifenwagenfahrers zeichnete sich in der Türöffnung ab. Conk feuerte. Der Fahrer ließ sich gegen die Flurmauer fallen, und Conk glaubte, getroffen zu haben. Er warf sich herum und hetzte die Treppe hoch.
Der Polizeibeamte, den alle Kugeln verfehlt hatten, feuerte eine lange Serie. Ein halbes Dutzend oder mehr Kugeln trafen Jerry Conk in Kopf und Rücken. Sein Körper bäumte sich auf und erstarrte für eine Zehntelsekunde, bevor er rücklings die Stufen hinunterfiel. Hart schlug Conks Kopf auf den Steinboden des Flurs.
Vergeblich hatte ich den Jaguar in halsbrecherischer Slalomrallye durch New Yorks Verkehrsgewühl gejagt. Als Phil und ich die schmale Nebenstraße zur Second Avenue erreichten, war alles schon passiert.
Die Cops umstanden Jerry Conks Leiche.
Ein Lieutenant legte die Hand an die Mütze. »Wir haben noch nichts unternommen, G-man.«
»Nichts unternommen? Soviel ich sehe, haben Sie ihn erschossen!«
Der Lieutenant geriet ins Stottern. »Ich meinte in Bezug auf den Abtransport und die Feststellung der Todesursache.«
»Das FBI wünschte sich Jerry Conk lebend.«
Das Gesicht des Lieutenants verfinsterte sich. »Der Bursche schoss einen meiner Männer zusammen wie ein Stück Vieh und verletzte einen zweiten Beamten. Meine Leute handelten in berechtigter Notwehr, als sie in der gleichen Währung zurückzahlten!«
Phil ging neben Conks Körper in die Hocke und untersuchte die Taschen, aus denen er Brieftasche, eine Geldrolle, ein goldenes Feuerzeug und einen Schlüsselbund holte.
»Okay, Lieutenant«, sagte er, als er sich aufrichtete. »Sie haben neunundneunzig Prozent der Arbeit geleistet. Wir überlassen Ihnen auch das schäbige eine Prozent: Abtransport, Aufräumen und so weiter. Beim nächsten Mal benachrichtigen Sie uns, bevor Sie Ihre Armee aufmarschieren lassen! Dank Ihrer Gründlichkeit können einige Leute, die bei Jerry Monk Morde bestellt und bezahlt haben, weiterhin ruhig schlafen.«
Wir stiegen in den Jaguar. Ich wendete den Wagen und fuhr zur Second Avenue zurück. Erbittert warf ich einen Blick auf den Haftbefehl für Jerry Conk, den ich am Armaturenbrett festgeklemmt hatte. Keine vierundzwanzig Stunden war dieser Haftbefehl alt. Im Fahndungsrundtelegramm an alle Dienststellen der City und State Police war ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Jerry Conk als Zeuge für die Aufklärung mehrerer Morde wichtig war und dass er nach Möglichkeit unter der Mitwirkung von FBI-Beamten festgenommen werden sollte. Der Übereifer der Cops hatte eine wichtige Fährte verschüttet.
Phil untersuchte Conks Brieftasche. Er fand die Quittung eines Wohnungsmaklers über eine Mietvorauszahlung.
»Halte an der nächsten Telefonzelle«, sagte er. »Ich rufe den Makler an.«
Als er von dem Telefongespräch zurückkam, nannte er eine Adresse.
»Classon Point, 40 Patterson Avenue, Apartment G 19. Conk mietete diese Wohnung vor einem halben Jahr. Der Makler rühmte ihn als pünktlichen Mietzahler, obwohl das Apartment sechshundert Dollar kostete.
»Er ließ sich für einen Mord mit zehntausend Dollar honorieren. Eine Kleinigkeit bei solchen Einkünften, pünktlich die Miete zu zahlen.«
Patterson Avenue Nummer 40 war ein marmorverkleidetes Hochhaus mit automatischen Eingangstüren, einem uniformierten Portier, chromglänzenden Aufzügen und Blick über den East River für alle Wohnungen von der dritten Etage an aufwärts.
Phil blickte eine halbe Minute lang vom großen Fenster in Conks Wohnzimmer auf das Gewimmel der großen und kleinen Schiffe zwischen Rikers Island und College Point.
»Ich wünschte, ich könnte mir 'ne Sechshundert-Dollar-Miete leisten«, brummte er.
Dann machten wir uns an die Arbeit.
Wir durchsuchten Jerry Conks Wohnung gründlich. Conk hatte seine Laufbahn als Berufsmörder vor drei Jahren begonnen. Nach unseren Informationen hatte er immer allein gearbeitet und sich nie an einen einzelnen Auftraggeber verkauft. In die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den großen Rauschgiftgangs, die seit Jahren miteinander um das Monopol für die Belieferung des riesigen New Yorker Markts kämpften, hatte er vermutlich dreimal eingegriffen, jedes Mal gegen ein sehr hohes Honorar. Wahrscheinlich war es Conk gewesen, der Lydia Laux, die Frau des Hafenbosses Ed Laux, bei einem vorgetäuschten Verkehrsunfall in ihrem Wagen verbrannte. Ed Laux beherrschte den Hafen und konnte Rauschgiftimporte aus Übersee blockieren. Nach dem grässlichen Mord an seiner Frau verlor Laux die Nerven und verließ das Land.
Im Vergleich zu Lydia Laux waren die beiden anderen Aufträge Conks kleine Fische gewesen – ein schwarzer Heroinhändler in Harlem und die Besitzerin eines Nachtklubs in Brooklyn, deren Etablissement als Verteilerzentrale für diesen Stadtteil diente.
Unsere Beweise gegen Jerry Conk betrafen nicht diese Morde, sondern die Ermordung einer älteren Lady in Florida, die vom Ehemann der Frau in Auftrag gegeben worden war, weil er eine knusprige Dreißigjährige zu heiraten wünschte, ohne auf das beträchtliche Vermögen seiner derzeitigen Frau verzichten zu müssen. Conk hatte die Frau ertränkt.
In Conks Schreibtisch entdeckte ich ein Tonbandgerät. Das Mikrofon war im Fuß einer Schreibtischlampe montiert. Ein Knopfdruck schaltete Lampe und Tonband gleichzeitig ein.
Ich winkte Phil heran, zeigte ihm Tonband und Mikrofon. »Conk schnitt Gespräche heimlich mit.«
»Glaubst du, er hätte Präsidentenberater werden wollen?«
Ich ließ das Tonband zurückspulen und drückte den Wiedergabeknopf.
Deutlich tönte Conks Stimme aus dem kleinen Lautsprecher des Geräts. »Wer schickt Sie?«
»Genügt diese Empfehlung?«, fragte eine Frauenstimme.
In der kurzen Pause hatte das Tonband das Knistern von Papier aufgezeichnet.
Dann fragte Conk: »Wie viel ist es?«
»Zehntausend Dollar«, antwortete die Frau. »Die Hälfte des Gesamthonorars. Die andere Hälfte wird Ihnen nach Erledigung des Auftrags ausgezahlt. In Paris.«
»Wo?«
»In Paris. Der Mann, den Sie für uns töten sollen, lebt in Paris, noch lebt er ...«
Phil drückte die Stopptaste. »Sie spricht Englisch mit einem Akzent. Sie ist Ausländerin – vermutlich ist Französisch ihre Muttersprache.«
Ich setzte das Tonband wieder in Gang. »Ich hoffe, sie informiert uns noch über sich.«
»... in Paris«, sagte die Frau. »Wir erwarten, dass Sie dafür sorgen, dass er auch in Paris begraben wird. Paris hat sehr schöne Friedhöfe.«
»Wie heißt er?«, hörten wir Conk fragen.
»Warum sollen wir Ihnen seinen Namen nennen? Wir zeigen Ihnen ein Haus. Sie werden hineingehen und den einzigen Menschen, den Sie darin finden werden, töten. Voilà!«
Conk lachte. »Miss, ich übernehme keine Arbeit, bei der ich die Zusammenhänge nicht überblicke. Wenn ich den Job so ausführe, wie Sie es wünschen, lese ich vielleicht am anderen Morgen in der Zeitung, dass ich den Präsidenten Ihrer Republik umgeblasen habe und dass ich von allen Polizisten der Welt, einschließlich der russischen und chinesischen Polizei, gesucht werde.«
Auch die Frau lachte. »Seien Sie unbesorgt! Der Mann ist kein Politiker, sondern Händler. Er wird eine riesige Heroinladung nach New York bringen. Als Bezahlung erhält er für dieses Heroin kein Geld, sondern einen Diamanten im Gewicht von zweiundsechzig Karat. Der Mann beabsichtigt, seine Partner zu betrügen.«
»Sie sind gut informiert, Miss.«
»Wollen Sie den Auftrag übernehmen?«
»Wie hoch ist der Wert eines Zweiundsechzig-Karat-Diamanten?«
»Ich weiß es nicht. Vermutlich einige Millionen.«
»Vier? Fünf?«
»Ja, irgendeine Summe dieser Größenordnung.«
»Finden Sie zwanzigtausend Dollar im Vergleich dazu nicht ziemlich schäbig?«
»Oh, ich verstehe. Nennen Sie Ihren Preis?«
»Fünfzigtausend! Dreißig als Anzahlung.«
»Ich weiß, dass Sie noch nie eine solche Summe für einen Mord bekommen haben, Jerry Conk, und die Ausführung dieses Mords ist für Sie ungefährlicher als zum Beispiel die Ermordung von Lydia Laux.«
Conks Stimme nahm einen bösen Klang an. »Woher wollen Sie wissen, dass ich Lydia Laux ...?«
Die Besucherin ließ ihn nicht aussprechen. »Wir haben nicht die Absicht, Ed Laux zu erzählen, wer seine Frau umgebracht hat. Ich akzeptiere Ihren Preis, Mister Conk, doch ich kann die Vorauszahlung erst in einigen Tagen erhöhen. Ich muss mir das Geld beschaffen.«
»Sind Sie Französin, Miss?«
»Ich besitze einen französischen Pass.«
»Gibt es in Frankreich keine Killer, die einen Job übernehmen?«
»Mehr als genug, aber wir wollen einen Mann, der kommt, tötet und das Land sofort und für alle Zeiten verlässt.«
»Schade! Ich wäre gerne einige Tage in Paris geblieben. Pariser Girls sollen absolut erstklassig sein – in der Liebe. Ich hätte gerne eine ausprobiert.«
»Dazu brauchen Sie nicht in Paris zu bleiben. Französinnen gibt es auch in New York.«
»Ich kenne keine.«
»Sie kennen mich, Jerry Conk.«
Einige Sekunden lang kam nur leises Rauschen vom Tonband.
Dann fragte Conk mit veränderter Stimme: »Was heißt das?«
»Laden Sie mich zum Dinner ein. Vielleicht werden Sie es dann erfahren.«
»In Ordnung. Gehen wir.«
»Werden Sie unseren Auftrag übernehmen?«
Conk lachte. »Selbstverständlich, allerdings nur gegen ein Fünfzigtausend-Dollar-Honorar, Süße! Davon lasse ich mir nichts abhandeln, auch wenn Sie mich noch so vielversprechend anlächeln.«
»Sie erhalten Ihr Honorar, und mein Lächeln hat nichts mit Geld zu tun. Sie gefallen mir, Jerry Conk – als Mann.«
Die Geräusche, die das Tonband aufgezeichnet hatte, verrieten nicht, ob Conk bei seinem plötzlichen Angriff über den Schreibtisch gesprungen oder um ihn herumgegangen war, aber als die Frau nach mehr als zwei Minuten wieder sprach, klang ihre Stimme atemlos, und der Akzent schlug stärker durch.
»Du wirst also am 24. mit dem Air-France-Flug 302 nach Paris kommen. Du wirst ...«
»Zum Teufel, erzähl mir die verdammten Einzelheiten später«, unterbrach Conk sie. Ein Knacken verriet, dass er an dieser Stelle das Tonband ausgeschaltet hatte.
»Der 24. ist übermorgen«, sagte Phil.
»Der 24.?«, fragte unser Chef John D. High. »Also übermorgen.« Er drückte den Knopf der Sprechanlage.
»Ja, Sir«, meldete sich Helen, seine Sekretärin.
»Rufen Sie beim Buchungsbüro der Air France an, und fragen Sie, ob für den Flug 302 am 24. ein Platz auf den Namen Jerry Conk reserviert wurde.«
»Sofort, Sir.«
Conks Tonbandgerät stand auf dem Schreibtisch.
Der Chef spielte die Stelle noch einmal ab, an der die Frau Conks Vermutung, er sollte für ein politisches Attentat angeheuert werden, zerstreute.
»Seien Sie unbesorgt! Der Mann ist kein Politiker, sondern Händler. Er wird eine riesige Heroinladung nach New York bringen. Als Bezahlung erhält er für dieses Heroin kein Geld, sondern einen Diamanten im Gewicht von zweiundsechzig Karat. Der Mann beabsichtigt, seine ...«
Mr High schaltete das Gerät ab. »Leider wissen wir nicht, wann dieses Gespräch aufgezeichnet wurde. Ich vermute, dass es vor ungefähr zwei Wochen geschah. Die große Heroinladung, von der Conks Besucherin spricht, dürfte schon geliefert und verteilt worden sein. Seit einigen Monaten läuft der Nachschub für den amerikanischen Markt nicht mehr ausschließlich über Marseille, sondern in steigendem Maß über Paris. Wenn es gelänge, den Mann zu finden, den Conk umbringen sollte, könnten wir dem internationalen und dem einheimischen Rauschgiftmarkt einen schweren Schlag versetzen. Wir unterbrächen eine wichtige Lieferverbindung und bekämen gleichzeitig einige unserer großen Haie an die Angel.«
»Informieren Sie die Franzosen, Chef«, schlug Phil vor.
»Wir haben nicht viel an Informationen zu bieten, Phil. Genau betrachtet, können wir der Sûreté nur mitteilen, dass am 24. ein amerikanischer Killer in Paris ankommen sollte, der nun nicht ankommen wird, weil ihn schon in New York sein Schicksal ereilte. Ich fürchte, unsere französischen Kollegen würden aus dieser Mitteilung schließen, wir erwarteten von ihnen einen Glückwunsch, weil wir den Killer daran gehindert haben, ihnen in Paris Ärger zu machen. Als höfliche Leute würden sie sich wahrscheinlich bedanken und den ganzen Fall zu den Akten legen.«
Die Rufanlage summte.
»Ich höre, Helen.«
»Für den Flug 302 wurde ein Erster-Klasse-Platz auf den Namen Jerry Conk gebucht, Sir«, sagte Mr Highs Sekretärin. »Das Ticket liegt zur Abholung beim Check-in-Schalter der Air France im Kennedy Airport.«
»Danke, Helen«, sagte Mr High und fuhr ohne Atempause fort. »Außer der Beziehung zwischen Liebenden ist kaum eine zwischenmenschliche Beziehung enger als die zwischen Mörder und Opfer. Jerry Conk hätte den Mann, den wir zu finden wünschen, mit absoluter Sicherheit zu sehen bekommen. Jerry, ich möchte Sie in Conks Rolle nach Paris schicken.«
»Sir, ich kann kein Französisch«, versuchte ich einzuwenden.
»Das konnte Conk auch nicht.«
»Ich sehe ihm nicht besonders ähnlich.«
»Sie haben mit ihm den Vornamen und sogar den Anfangsbuchstaben des Nachnamens gemeinsam. Er war nur zwei Jahre älter als Sie, Jerry, und er hatte die gleiche Vorliebe für schnelle Autos wie Sie.«
»Es beruhigt mich zu wissen, dass er wenigstens ein paar Vorstrafen mehr hatte als ich.«
Mr High lächelte. »Wollen Sie die Arbeit übernehmen, Jerry?«
»Warum soll ich nicht nach Paris fliegen, Chef, wenn Sie es wünschen? Die meisten Amerikaner sind völlig verrückt danach, Paris zu sehen und zu erleben. Allerdings fürchte ich, dass für FBI-Zwecke bei diesem Trip nicht viel herausspringen wird.« Ich wies auf das Tonbandgerät. »Erinnern Sie sich an den Schluss der Bandaufzeichnung, Chef?«
Er nickte.
»Aus bestimmten Gründen verschob Conk die Erörterung der Einzelheiten auf später, aber zweifellos wurden sie erörtert, und wir wissen nichts darüber. Ich werde mich in der Jerry-Conk-Rolle völlig falsch benehmen. Meine Auftraggeber werden den Tausch sofort merken und mich leerlaufen lassen. Für sie genügt es, keinen Kontakt mit mir aufzunehmen, und ich werde in Paris herumstehen wie ein Tourist aus dem tiefsten Westen, der den Anschluss an seine Reisegesellschaft verloren hat.«
»Auch möglich, dass die Tonband-Lady mit dem hübschen Akzent dasselbe Flugzeug für den Heimweg benutzt wie Conk«, sagte Phil, »und wir dürfen nicht vergessen, dass sie Conk gründlich kennt, sozusagen von Kopf bis Fuß.«
Der Chef spulte das Band zurück und spielte eine andere Stelle des Gesprächs ab.
Die Frauenstimme sagte: »Warum sollen wir Ihnen seinen Namen nennen? Wir zeigen Ihnen ein Haus. Sie werden hineingehen und den einzigen Menschen, den Sie darin finden werden, töten. Voilà!«
Er schaltete das Gerät ab. »Diese Sätze deuten darauf hin, dass Conk nicht sehr viele Informationen gegeben werden sollten, und ich glaube, dass sich die Besucherin trotz ihrer intensivierten Beziehungen daran gehalten hat. Selbstverständlich können Sie, Jerry und Phil, recht behalten, und die andere Seite bemerkt den Rollentausch sofort. Trotzdem möchte ich den Versuch unternehmen. Auch die geringste Chance, den Heroinhandel zu treffen, darf nicht ausgelassen werden. Im schlechtesten Fall belasten wir die Spesenkasse des FBI mit den Kosten für einen Rückflug Paris-New York. Den Hinflug haben die Heroinhändler schon bezahlt.«
»Okay, Chef, ich werde mich auf Conks reservierten Platz setzen. Wird es eine offizielle Mission sein, über die die französischen Behörden noch informiert werden?«
Mr High verzog die Mundwinkel. »Sie müssen den Flug am 24. benutzen, Jerry. Alles andere wäre sinnlos, aber bis übermorgen lässt sich die Zustimmung der französischen Regierung nicht erwirken. In solchen Angelegenheiten müssen die offiziellen Kanäle benutzt werden – FBI-Zentrale Washington, Außenministerium, US-Botschafter in Paris und so weiter und so weiter. Es kann länger als eine Woche dauern, bis die Franzosen ihr Oui geben. Fliegen Sie los, Jerry!«
»Okay.«
»Falls Sie diesen Mann zu Gesicht bekommen, können wir die Sûreté jederzeit bitten, ihn zu verhaften. Unser Botschafter kann sich dann immer noch bei der französischen Regierung entschuldigen. Natürlich müssen Sie unbewaffnet fliegen, doch seit den verschärften Kontrollen würden Sie ohnedies von keiner ausländischen Fluggesellschaft mit einem Revolver unter der Achsel an Bord gelassen. Hals- und Beinbruch, Jerry!«
Die Stewardess sprach Englisch mit dem gleichen reizvollen Zwitscherakzent der Tonband-Lady. Sie führte mich zu meinem komfortablen Erster-Klasse-Sitz, schnallte mich eigenhändig an und nannte mich »Monsieur« Conk, nicht Mister. Meinen Namen kannte sie aus der Passagierliste.
»Soll ich Ihnen für den Flug einen Platz an der Bar reservieren, Monsieur Conk?«, fragte sie. »Selbstverständlich erst nach dem Start.«
»Danke. Mit Vergnügen. Ich hoffe, Sie haben einen guten Mixer an Bord.«
Ich bin völlig unfähig, die Qualität des Blicks zu beschreiben, den sie mir zuwarf – eine Mischung aus Leuchtfeuersignal und den Lichtreflexen auf einer gezückten Degenklinge.
»Ich besorge die Bar, Monsieur, und ich habe gelernt, eine Flasche Cola sachgerecht über Eiswürfel zu leeren.«
Sie wandte mir ihre niedliche Kehrseite zu und widmete sich einem anderen Fluggast – einer steinalten, barbarisch geschminkten Lady, deren Schmuck bei jeder Bewegung klirrte und klingelte wie die Ausrüstung eines afrikanischen Medizinmanns bei einem Fruchtbarkeitstanz.
Die Flugkontrolle von Kennedy Airport ließ den Jumbo der Air France die üblichen zwei Stunden auf irgendeiner Warteposition schmoren, bevor sich endlich eine Lücke im Verkehrsgewühl des Luftraums fand, in der sie Flug 302 unterbringen konnte. Als die Maschine abhob, ging ein einhelliger Seufzer der Erleichterung durch den Jet. Der Kapitän meldete sich, begrüßte seine Fluggäste zuerst auf Französisch, dann auf Englisch, und ich hätte mich nicht gewundert, wenn anschließend die Marseillaise gespielt worden wäre.
Die Stewardess ging durch den Mittelgang. »Dinner servieren wir in zwei Stunden, Mesdames, Messieurs. Die Bar steht Ihnen für einen Aperitif zur Verfügung.«
Als ich in die kleine Bar des Jumbojets kam, stand die Stewardess schon hinter der Theke. »Cola, Monsieur Conk?«
»Nein, ich möchte etwas Französisches.«
»Einen Fine?«
»Was ist das?«
»Cognac.« Sie nahm eine Flasche aus der Halterung und füllte eine Spur des Inhalts in ein riesiges Ballonglas. »Sie müssen das Glas mit den Händen wärmen, bevor Sie trinken.«
Die Bar füllte sich rasch. Es waren nur knapp zwei Dutzend Erster-Klasse-Passagiere an Bord. Zeitweise hielten sie sich geschlossen mit nur zwei oder drei Ausnahmen in der Bar auf. Vier Frauen waren darunter, und von ihnen hatten nur zwei das Alter, das Conks Besucherin haben musste – so zwischen Mitte zwanzig und Mitte dreißig. Eine von diesen beiden Frauen sprach einen deutlichen Texasslang und war so charmant wie ein Shorthornrind. Außerdem befand sich ihr Shorthornstier in Gestalt eines breitbrüstigen, lautstarken Viehzüchters mit an Bord, und er nahm nur sehr selten die Pranke von ihrer Schulter.
Die zweite Frau war ein bekannter Fernseh- und Filmstar und schied damit ebenfalls aus.
Eine Menge Gespräche wurden in der Bar geführt. Jeder wollte von jedem wissen, was er in Europa vorhatte. Ich sprach zuerst mit einem UN-Beamten, der später, als er sich einen Schwips zugelegt hatte, mir Adressen in Paris zuflüsterte, wo es die hinreißendsten Sachen zu sehen und zu erleben gebe. Als er anfing, die Einzelheiten zu schildern, setzte ich mich von ihm ab. Vorher hatte er mir erzählt, dass sein Job bei den Vereinten Nationen der kulturellen Förderung unterentwickelter Länder diene.
Die Stewardess mit dem Zwitscherakzent verabreichte mir einen neuen Cognac, und sie füllte aus derselben Flasche das Glas des Mannes auf dem rechten Nachbarhocker.
»Besser als Bourbon, oder?«, fragte der Mann und hob sein Glas.
»Anders«, antwortete ich.
Er lachte. »Verdammt, dass sie jedes Mal nur einen Fingerhut austeilt. Ich heiße Arry Patch.«
Ich schätzte ihn auf ungefähr dreißig. Er trug einen blauen Blazer mit Goldknöpfen und einem Fantasiewappen auf der linken Brustseite. Sein Gesicht war so sonnengebräunt, dass er die letzten Wochen nicht im novembertrüben New York verbracht haben konnte. Er sagte einige Sätze auf Französisch zu der Stewardess. Die junge Frau errötete und füllte unsere Gläser nach.
»Sie findet es barbarisch, alten Cognac wie Wasser zu trinken«, sagte Patch lachend.
»Hört sich an, als sprächen Sie gut Französisch, Mister Patch.«
»Leidlich! Früher habe ich einige Monate für die US-Botschaft in Paris gearbeitet. Trotzdem können Sie von mir keine interessanten Adressen erfahren, mein Freund. Außerdem ist Paris in dieser Beziehung längst von Bangkok und Kopenhagen überholt worden.«
»Was machen Sie jetzt, Mister Patch?«
»Geld und Ferien, immer abwechselnd. Geld, wo ich es machen kann, und Ferien, wo es mir gefällt.«
»Zuletzt haben Sie Ferien gemacht?«
»Richtig. In Kalifornien.«
Die Stewardess bat uns, für das Dinner unsere Plätze aufzusuchen. Arry Patch saß auf der anderen Seite.
Runde dreißigtausend Fuß über dem Ozean wurde den Erster-Klasse-Passagieren ein französisches Dinner von acht Gängen und zwei Stunden Dauer serviert. Als wir endlich beim Mokka anlangten, überflog die Maschine schon die Azoren.
Wie bei jedem West-Ost-Flug geriet das Zeitgefühl total durcheinander. Längst fiel Tageslicht in die Maschine. Kurz vor der Landung teilte uns der Kapitän die Ortszeit mit – zwei Uhr nachmittags.
Wir landeten in Orly. Arry Patch und ich begegneten uns in der Tür.
»Viel Glück«, sagte er.
Fünf Minuten später verquirlten die Drehkreuze des Flugsteigs die zwanzig Erster-Klasse-Passagiere mit den zweihundert Flugteilnehmern aus der Touristenklasse, und ich verlor Arry Patch ebenso aus den Augen wie die hysterische Lady mit dem klirrenden Medizinmannschmuck oder das Shorthornrind-Girl aus Texas.
Und nun? War ein Erkennungszeichen vereinbart? Sollte sich Conk zu einem Treffpunkt begeben, eine Telefonnummer anrufen?
Aus vierhundert Flughafenlautsprechern sagte eine Mädchenstimme: »Mister Jerry Conk aus New York, Flug 302, wird gebeten, sich am Abfertigungsschalter C der Air France im Westflügel zu melden. Ich wiederhole. Mister Jerry Conk ...«
Ich passierte Pass- und Zollkontrolle, fand den Air-France-Schalter, sprach eine der Frauen an.
»Meine Name ist Conk. Ich wurde ausgerufen.«
»Wir haben einen Brief für Sie, Monsieur.«