1,99 €
Cash or death - Geld oder Leben! Das war der Wahlspruch dieser verdammten Kidnappergang. Die Opfer waren Töchter und Söhne der Superreichen. Die Gangster forderten grundsätzlich eine Million. Wer nicht sofort zahlte, erhielt die Leiche frei Haus. Dreimal mordeten sie. Elfmal sahnten sie ab. Unter der High Society von Los Angeles brach Panik aus. Mr High übertrug Phil und mir den Fall. Auf besondere Weise. Mit Einverständnis des Opfers starteten wir selbst ein Kidnapping dieses Kalibers, um die Gangster zu provozieren ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 200
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Mörder-Show am Sunset Strip
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
Vorschau
Impressum
Mörder-Showam Sunset Strip
Cash or death – Geld oder Leben! Das war der Wahlspruch dieser verdammten Kidnappergang. Die Opfer waren Töchter und Söhne der Superreichen. Die Gangster forderten grundsätzlich eine Million. Wer nicht sofort zahlte, erhielt die Leiche frei Haus. Dreimal mordeten sie. Elfmal sahnten sie ab. Unter der High Society von Los Angeles brach Panik aus. Mr High übertrug Phil und mir den Fall. Auf besondere Weise. Mit Einverständnis des Opfers starteten wir selbst ein Kidnapping dieses Kalibers, um die Gangster zu provozieren ...
Die Frau, die Donald Welsh auf der Party erwischt hatte, entsprach absolut nicht seinem Typ.
Welsh bevorzugte rassige, ausgekochte Frauen, langbeinige und hemmungslose Playgirls, denen nichts neu war und die alles mitmachten. Frauen wie Tessy Calloway, mit der er zwei Wochen herumgezogen war, bevor er die Newport-Regatta mitgesegelt hatte.
Du lieber Himmel, was hatten sie in den zwei Wochen nicht alles unternommen?
Strandpartys, bei denen zum Schluss Kleider und Wäsche aller Frauen auf einem Scheiterhaufen verbrannt worden waren. Einen Bootstrip, der um ein Haar mit einem Unglück an den Klippen von Point Fermin geendet hätte, weil sich alle mit den Frauen herumwälzten und niemand auf den Kurs achtete.
Die zwei Wochen waren eine endlose Kette von Partys und Orgien gewesen, und Tessy Calloway hatte allen beteiligten Frauen den Rang abgelaufen. Unermüdlich, mit Sex geladen bis in die Spitzen ihrer roten Haarmähne, trinkfest wie ein Vollmatrose, in ihrer erotischen Gier unersättlich, hatte sie mit Welsh vierzehn Tage und Nächte durchtobt.
Kein Wunder, dass er bei der Regatta keinen Blumentopf gewonnen hatte. Er war zu schlapp gewesen, ein Segel aufzuziehen.
Die Party heute hatte er in der Hoffnung besucht, Tessy wiederzusehen.
Er hatte sie wiedergesehen – in den Armen von Walt Eisner, und offensichtlich hatte sie sich dort verdammt wohl gefühlt. Gegen Walt Eisner kam Welsh nicht an. Walt schlug eine harte Rechte, und der alte Eisner besaß noch eine Menge Millionen mehr als Welshs Vater.
Welsh war dann an der Frau hängen geblieben, die jetzt neben ihm auf dem Beifahrersitz seines Mustang Mach I saß und pausenlos über Collegeprobleme redete. Sie hieß Cindy, eine blonde, blauäugige Neunzehnjährige in einem artigen Schulmädchenkleid mit einem schüchternen Zwei-Inch-Ausschnitt.
Welsh steuerte den Mustang vom Freeway 60 auf den Valley Boulevard.
Er taxierte, dass es nicht lohnte, Cindy in seine Wohnung mitzunehmen. Nach dem ersten Durchgang würde er kaum Lust auf eine zweite Runde mit ihr verspüren. Die Mühe, sie aus der Wohnung wieder rauszuwerfen, konnte er sich also sparen. Aus seiner Anfängerzeit kannte Welsh in den Hügeln über Los Angeles Plätze genug, die sich für das rasche Vernaschen eines Mädchens eigneten.
Als sich der Mach I eine unbeleuchtete Straße in die San José Hills hinaufschraubte, hörte Cindy auf, von ihrem College zu erzählen.
»Wohin fahren wir?«, fragte sie.
»Zeig dir 'nen Platz mit 'nem wundervollen Blick auf Los Angeles«, antwortete Welsh.
Fünf Minuten später stoppte er auf einem von Sträuchern gesäumten Parkplatz, schaltete das Radio ein und wandte sich ihr zu.
»Treiben wir es miteinander, Baby?« Er legte einen Arm um sie.
Sie sträubte sich. »Was meinst du?«
»Rate mal!« Er zog sie an sich, presste die Lippen auf ihren Mund und zwängte seine Hand in ihren Ausschnitt.
Sie zappelte, versuchte, den Kopf zur Seite zu drehen und seine Hand festzuhalten.
»Du machst es spannend«, knurrte er und setzte brutal seine Kraft ein. Der Kleiderstoff knirschte und riss. Welsh drückte und knetete den glatten, festen Busen der jungen Frau.
»Hm, du hast 'ne Seidenhaut, Honey. Mach dir 'nen Vorschlag! Zieh den ganzen Krempel aus! Stoff stört beim Sport.« Er gab die Kleine versuchsweise frei.
Cindy nutzte die Chance, riss den Türgriff hoch, stieß die Tür auf und floh aus dem Wagen.
»Kleines Biest!«
Welsh sprang auf seiner Seite ins Freie, schnitt ihr den Weg ab und riss sie zu Boden.
Cindy schrie.
»Schrei ruhig, Baby! Hier hört dich niemand.« Er drückte sie auf den Boden und wälzte sich über sie.
Sie kämpfte, stieß mit den Beinen um sich, flehte ihn an: »Bitte, lass mich los! Bitte! Ich will nicht ... Ich habe noch nie ...«
Donald Welsh schloss ihren Mund mit wütenden Küssen und versuchte gleichzeitig, Rock und Slip herunterzureißen. Die Szene wurde mehr und mehr zu einer Vergewaltigung. Die verzweifelte Gegenwehr des Mädchens heizte Welschs Sinnlichkeit an. Okay, sie war nicht sein Typ, aber es ihr auf diese Weise zu zeigen, sie mit Gewalt zu nehmen, putschte seine Rücksichtslosigkeit zu nackter Brutalität hoch.
Der weiße Lichtkegel einer Stablampe erfasste sie beide. Ein grober Fußtritt in die Seite warf Welsh von der Kleinen herunter.
Entsetzt rollte er sich auf den Rücken, zog die Knie an und wollte aufspringen. Das Licht wanderte mit und nagelte ihn auf dem Boden fest.
»Ist er es?«, fragte ein Mann hinter dem Lichtkreis der Lampe.
»Denke, er ist es«, antwortete ein zweiter Mann. Von der Seite her trat er an Donald Welsh heran, stieß ihm die Schuhspitze in die Rippen. »Bist du der Sohn von Vincent B. Welsh?«
Welsh, die Arme zur Abwehr halb erhoben, würgte ein halb ersticktes »Ja« heraus.
Noch einmal traf ihn die Schuhspitze.
»Steh auf!«
Er gehorchte und gewann etwas Hoffnung. »Falls Sie von der Polizei sind, sollten Sie ...«
Weiter kam er nicht. Eine Faust packte ihn und zog ihn in die Dunkelheit jenseits des Lampenlichts. Donald Welsh stolperte, und in dieser Sekunde traf ein harter Schlag sein Genick.
Die Frau, die Vincent B. Welsh in den Armen hielt, war rund dreißig Jahre jünger als er, und sie entsprach genau seinem Typ.
Er bevorzugte junge, pralle Blondinen, die raffiniert und unkompliziert zugleich waren. Er erwartete, dass sie seine Fähigkeiten bewunderten und es zeigten. Dafür belohnte er sie großzügig, selten mit Geld, sondern meistens mit üppigen Geschenken.
Das Mädchen, an dem er gerade herumknetete, hieß oder nannte sich Gladys und hüpfte in irgendeiner Show des Sunset Boulevard. Sie seufzte, stöhnte, knabberte an Welshs haarigen Ohrläppchen und flüsterte und zischelte Wörter und kleine Sätze, die Welsh stolz machten.
»Baby, du machst mich verrückt! Himmel! Deine Hände. Nein, fass mich nicht so an! Das halte ich nicht aus! Oh, Baby, du bringst es so weit, dass ich aus dem Bett springe ...«
Das Telefon schrillte.
»Nein, nicht jetzt!« Gladys saugte sich an Welshs Mund fest.
Er reagierte flau, fasste ihre nackten Schultern und schob sie von sich weg. »Nur 'ne Sekunde, Honey!«
Der Apparat neben dem Bett war auf Welshs Geheimnummer geschaltet, die nur ganz wenige Leute kannten. Ein Anruf über diese Nummer war vermutlich wichtig.
Vincent Welsh wälzte sich auf den Rücken und streckte den nackten Arm aus. Er hob ab und hielt den Hörer ans Ohr. Gleichzeitig grinste er Gladys an und hielt sie mit seiner freien Hand unter Druck. Sie warf den Kopf hin und her, leckte über die geöffneten Lippen und signalisierte ihm, wie sie seine Aktivität genoss.
»Welsh!«, sagte er in die Muschel.
»Vincent B. Welsh?«, vergewisserte sich der Anrufer.
»Ja. Wer spricht?«
»Welche Antwort willst du hören? Meinen wirklichen Namen? O nein! Nenn mich COD. Das ist eine Abkürzung und sie steht für Cash or death – Bargeld oder Tod.«
Auf Gladys' Körper kam Welshs Hand zum Stillstand. »Was soll der Unsinn?«
»Kein Unsinn, Welsh! Vor zwanzig Minuten haben wir deinen Sohn Donald in unsere Gewalt gebracht. Für die Freilassung fordern wir eine Million Dollar. Bring das Geld übermorgen in den National Forest. Gebrauchte Scheine, verpackt in einem gut gesicherten Koffer. Morgen findest du in deiner Post eine Karte, auf der die Übergabestelle eingezeichnet ist. Und eine Warnung zum Schluss. Keine Polizei! Keine Privatschnüffler! Wir verlangen Barzahlung ohne Komplikationen, und wir nehmen unser Motto ernst. C-O-D ... Cash or death.«
»He, hören Sie, Mann!«, schrie Welsh. »Hängen Sie nicht ein! Hallo! Hallo! Sind Sie noch da?«
»Ich bin noch da«, antwortete der Anrufer, »und damit du uns glaubst, wird dein Söhnchen dir sagen, dass wir nicht spaßen.«
Welsh atmete keuchend.
»Donald!«, bellte er in die Muschel. »Donald, melde dich ...«
Er hörte die Stimme seines Sohns und erstarrte.
Donald sprach leise bis zur Unverständlichkeit. »Daddy, ich ... wurde überfallen, niedergeschlagen ... Daddy, bitte, gib ihnen das Geld ...«
Mitten im Satz wurde die Verbindung unterbrochen.
Vincent Welsh sah den Hörer an wie einen fremden Gegenstand. Langsam, mit einer Bewegung von besonderer Sorgfalt, legte er ihn in die Gabel.
Er schlug die leichte Bettdecke zurück und stand auf. Er war nackt. Ein fünfzigjähriger Mann auf immer noch stämmigen Beinen, mit einer zottig behaarten Brust. Mechanisch streifte er einen Morgenrock über und band den Gürtel zu. Auf nackten Füßen tappte er zum Barschrank und öffnete ihn.
Die Innenbeleuchtung schaltete sich ein. Welsh füllte ein Glas mit Whisky, trank.
Vom Bett her rief Gladys: »Vinnie, was ist geschehen?«
Welsh drehte sich um. Mit einem leeren Blick sah er das Mädchen an, die großen hellen Brüste, die ihn vor wenigen Minuten noch entflammt hatten.
»Bitte zieh dich an und fahr nach Hause«, sagte er höflich.
»Warum, Vinnie? Wenn du Ärger hast, willst du mir nicht sagen, ob ich dir ...?«
»Raus!«, brüllte Welsh. »Und beeil dich!«
Während sich Gladys anzog, leerte Vincent Welsh das Glas, füllte es und lief langsam im Zimmer auf und ab. In kurzen Abständen trank er einen kleinen Schluck. Das Mädchen hatte er vergessen.
Minuten später und längst angezogen, wagte sie, ihn anzusprechen:
»Ich bin fertig, Vinnie. Soll ich wirklich gehen?«
Er hob den Kopf und sah sie an, als müsste er sich an sie erinnern.
»Natürlich«, sagte er und setzte friedlich hinzu: »Tut mir leid, dass uns der Spaß verdorben wurde. Nimm einen Wagen. Ich rufe dich an.«
»Ja, Vinnie«, antwortete sie artig. »Du musst den Wächtern Bescheid sagen. Sie lassen mich nicht hinaus.«
Wie viele sehr reichen Leute in Los Angeles ließ auch Welsh das Gelände seiner Villa von den Männern eines privaten Wachdienstes beschützen. Bei Nacht hielten sich drei Angestellte der Firma auf Welshs Besitz auf, und einer von ihnen beobachtete aus einem Pförtnerhaus die Einfahrt.
Vincent Welsh hatte den Chef der Firma zwei- oder dreimal gesprochen, als er mit ihm den Vertrag über die Bewachung aushandelte. Der Mann hieß Hugh Griffith, ein soldatischer, energischer Mann, der sich seit Bestehen des Vertrags zweimal jährlich bei Welsh anmeldete, um nach seiner Zufriedenheit mit dem Dienst zu fragen. Welsh hatte bei diesen kurzen Begegnungen Vertrauen zu Griffith gefasst.
Er stellte das Glas ab, ging zum Haustelefon und wählte die Nummer des Pförtnerhauses.
Eine Männerstimme meldete sich. »SWASH, Wachmann Dunlap. Wer spricht?«
»Welsh, Vincent Welsh. Kommen Sie in die Halle, und holen Sie meine Besucherin ab.«
»Bedauere, Sir! Ich darf meinen Platz nicht verlassen. Ich schicke Ihnen Wachmann Ravold, Sir!«
»Okay. Beeilen Sie sich!« Er winkte Gladys mit einer Kopfbewegung und ging voraus durch die dunklen Zimmer der großen Villa auf den Brentwood Hills. Im Vorbeigehen schaltete er die Lichter ein, in der Eingangshalle öffnete er einen Flügel der Tür.
Ein nachtkühler Luftzug traf ihn und ließ ihn frösteln. Die Auffahrt und der Park lagen im Dunkel. Das Licht, das aus der offenen Tür fiel, zeichnete ein Rechteck auf den Kies. Am Ende der Auffahrt waren die erleuchteten Fenster des Pförtnerhauses als gelbe Flecke zu sehen.
Der Kies knirschte unter Schritten. Eine Gestalt löste sich aus der Dunkelheit – ein uniformierter Mann. Er legte die Hand an den Mützenschirm.
»Guten Abend, Sir.«
»Kommen Sie herein!«, rief Welsh.
Die Uniform bestand aus einer dunkelblauen Hose und einem gleichfarbigen Hemd mit aufgesetzten Taschen. Auf der linken Brusttasche trug der Mann ein Wappen mit den Buchstaben S-W-A-S-H. Das Wappen zierte auch die Mütze über dem Schild. Welsh wusste, dass die Buchstaben eine Abkürzung des Firmennamens waren, aber er erinnerte sich nicht an den vollen Namen des Wachdienstes.
Der SWASH-Mann war bewaffnet. Ein offen getragener Revolver, ein Schlagstock und eine Stablampe zogen seinen Gürtel hinunter auf die Hüften. In der linken Hand hielt er ein kleines Walkie-Talkie.
»Wo erreiche ich Ihren Chef?«, fragte Welsh hastig.
»Mister Griffith?«
»Haben Sie noch einen anderen Chef?«
»Mister Stade. Er führt die uniformierte Einsatzgruppe, Sir.«
»Nein, ich meine Hugh Griffith.«
»Seine Telefonnummer ist 275 – 4922. Falls Sie ihn unter dieser Nummer nicht erreichen, wird Ihnen ein automatischer Anrufbeantworter sagen, wo sich Mister Griffith aufhält.«
»Danke.« Welsh sah sich nach irgendeiner Möglichkeit um, die Nummer aufzuschreiben.
Der Wächter knöpfte seine Brusttasche auf, entnahm ihr eine Karte und hielt sie Welsh hin. »Die Nummer steht drauf, Sir.«
»Okay. – Miss Gladys verlässt die Villa und benutzt einen Wagen.«
»Jawohl, Sir!« Wieder wanderte die Hand an die Mütze und etwas zögernder setzte er hinzu: »Darf ich mir eine Frage erlauben, Sir? Hat einer von uns Ihnen Grund für eine Beschwerde bei Mister Griffith gegeben?«
Welshs Gedanken waren so auf den Anruf und Donalds Lage fixiert, dass er einige Sekunden nachdenken musste, um zu begreifen, was der Mann meinte. »Nein, durchaus nicht. Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen und Ihren Kollegen. Bitte, gehen Sie jetzt.«
Er schob Gladys aus der Tür, und der SWASH-Mann nahm ihren Arm. Welsh warf die Tür zu, hastete zum Telefon und wählte die Nummer.
Der Ruf summte dreimal. Dann wurde der Hörer abgehoben und Griffith meldete sich mit einem knappen »Ja«.
»Hier spricht Welsh, Vincent B. Welsh.«
»Guten Morgen, Mister Welsh!« Die Stimme, die gerade noch einen Hauch von Verschlafenheit verraten hatte, klang jetzt wach und gespannt. »Was kann ich für Sie tun, Mister Welsh?«
»Verzeihen Sie, wenn ich Sie um drei Uhr morgens anrufe, aber ich bin in einer schwierigen Lage und weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.«
Welsh, Herr eines Konzerns, Chef vieler tausend Angestellter, Millionär, geriet ins Stottern. Er spürte, dass kalter Schweiß auf seiner Stirn stand. Er rang nach Worten.
»Also, ich ... ich wurde angerufen«, stammelte er. »Vor zehn Minuten. Nein, warten Sie. Es kann jetzt eine gute Viertelstunde her sein. Ein Mann sagte, dass ... Also, es betraf meinen Sohn ...« Plötzlich löste sich die Blockade, und er konnte schnell und fließend sprechen. »Sie haben Donald entführt und verlangen eine Million Dollar bis übermorgen. Sie schicken mir eine Karte, auf der die Stelle eingezeichnet ist, zu der ich das Geld bringen soll. Falls ich nicht zahle oder die Polizei einschalte, wollen sie Donald töten.« Erschöpft schwieg er, als hätte er einen langen, anstrengenden Lauf hinter sich.
»Sind Sie sich sicher, dass ein Bluff oder ein schlechter Scherz ausscheidet?«, fragte Griffith nüchtern.
»Ja. Sie ließen Donald an den Apparat.«
»Benachrichtigen Sie die Polizei!«
»Meinen Sie wirklich, ich sollte mich an die Polizei wenden? Der Anrufer sagte ausdrücklich, dass Donald getötet würde, wenn ich die Polizei einschaltete.«
»Das sagen sie immer. Eine leere Drohung. Hören Sie, Mister Welsh, wollen Sie eine Million Dollar verlieren ohne die geringste Chance, jemals einen Cent davon wiederzusehen? Die Polizei wird Ihnen sagen, wie Sie vorgehen müssen, um Donald freizubekommen. Rufen Sie sofort an, und verlangen Sie Captain Robert Acher. Sie werden etwas Schwierigkeiten haben, zu dieser Stunde mit ihm verbunden zu werden. Man wird Ihnen einen Haufen untergeordneter Beamte anbieten. Bestehen Sie auf eine Verbindung mit Acher. Er ist ein großartiger Polizist. Soll ich zu Ihnen kommen, Mister Welsh? Wünschen Sie meine Unterstützung?«
»Vielen Dank, Griffith. Ich rufe Sie später noch einmal an. Sie werden nicht dafür bezahlt, meine Sorgen zu teilen.«
Er drückte die Gabel nieder, ließ sie hochschnellen. Minutenlang saß er, den Hörer in beiden Händen, reglos und unschlüssig.
Endlich wählte er die Nummer des Polizeihauptquartiers von Los Angeles.
»Police Headquarters.«
»Captain Acher«, sagte Welsh leise, ermannte sich, sagte laut und energisch: »Hier spricht Vincent B. Welsh. Ich verlange, mit Captain Robert Acher zu sprechen. Es handelt sich um ein Kapitalverbrechen.«
Menschenleer lag die Straße in der grellen Sonne. Auf der anderen Seite, von mir getrennt durch die Fahrbahn und ein paar Schritte voraus, ging Phil.
In der Nähe, wahrscheinlich in der Parallelstraße, fielen Schüsse – eine lange Serie aus einer Maschinenpistole.
Langsam lief ich vorbei an den Fassaden der zwei- und dreistöckigen Häuser – gewöhnliche Vorstadthäuser mit Außentreppen und Kellerschächten, Fensterläden und Garageneinfahrten, Balkonen und vorspringenden Erkern.
Gemütliche, ein wenig altmodische Mittelstandshäuser, von denen jedes einzelne einem Killer mühelos ein Dutzend Deckungsmöglichkeiten bot.
Das nächste Haus hatte einen hellblauen Anstrich. Mülleimer standen links vom Treppenaufgang.
Ich bemerkte die Bewegung hinter dem Fenster neben dem Eingang. Ohne das Tempo zu ändern, ging ich weiter. Dann, auf einer Höhe mit dem Fenster, fuhr ich herum, grätschte die Beine, riss den 38er aus dem Holster, schlug an und ...
Nein, ich krümmte den Finger nicht. Hinter dem Fenster stand eine blonde, langhaarige Frau und vor ihr ein Kind.
Dann blitzte Mündungsfeuer auf, und ich sah meinen Irrtum ein.
»Nummer 14, Sie sind tot«, dröhnte die Stimme des Übungsleiters aus dem Lautsprecher. »Die Lady ist ein Terrorist mit Perücke, das Kind eine gewaltsam genommene Geisel.«
Ich schob meinen Revolver ins Holster zurück.
Zehn Schritte voraus erstarrte Phil für einen Sekundenbruchteil, wirbelte herum, feuerte zweimal.
Kein Kommentar aus dem Lautsprecher. Phil steckte seine Waffe ein. Steifbeinig wie ein nach langem Ritt vom Pferd gestiegener Gary Cooper ging er weiter. Fünf Sekunden später wurde er aus dem Spalt einer Garagentür von einem als Gärtner verkleideten Aufständischen erschossen.
Über dem Lautsprecher höhnte der Kursleiter: »Ihre Beerdigung, Nummer 15, findet in drei Tagen statt.«
Phil kam die Straße hinauf, diese Straße aus Pappmaché, Kunststoff und bemaltem Sperrholz, denn »erschossen« worden waren wir in einer Freilichtkulisse der Universal Filmstudios.
»Die Bedingungen sind unfair«, sagte er missmutig.
Wir pflückten uns gegenseitig die Nummern vom Rücken.
»Aufstandsunterdrückung! Straßenkampf! Den Job habe ich nicht gelernt.« Er schüttelte den Kopf. »Wir werden erbärmliche Noten bekommen.«
»Reg dich nicht auf, alter Junge«, tröstete ich ihn. »Wenn die großen Bürostrategen, die diese Übungen ausgearbeitet haben, Ausweichen, Deckung und waffenloses Reagieren verbieten und uns nur die Wahl lassen zwischen Draufhalten und Stillhalten, müssen wir schnell ins Gras beißen. Soll ich mir angewöhnen, auf ein als Geisel benutztes Kind zu schießen, weil hinter ihm ein Terrorist steht?«
Wir setzten uns auf eine Mauer aus Styroporblöcken und sahen der nächsten Einsatzgruppe zu.
In diesem Sommer waren in der Regierung Anzeichen von Hysterie erkennbar. Gewisse Kreise fürchteten Neuauflagen der 68er und 69er Aufstände, die wie Steppenbrände in vielen Städten gewütet und eine Menge Schutt und Asche verursacht hatten.
Die Regierung beschloss ein Trainingsprogramm, nicht nur für die Nationalgarde und die uniformierte Polizei, sondern auch für die bewaffneten Angehörigen von Bundesbehörden. Phil und ich blieben nicht davon verschont, und da die Erfinder des Programms größten Wert auf realistische Übungsbedingungen legten, waren wir nach Los Angeles geflogen und absolvierten einen Straßenkampf- und Antiterrorkurs in den täuschend echt aussehenden Stadt- und Straßenkulissen der Filmgesellschaft.
Die Gruppe, die jetzt die Straße durchkämmte, bestand aus Angehörigen der Californian Police Academy, einer Schule, die Nachwuchs für den kriminalistischen Dienst ausbildet. Sie trugen hellblaue Trainingsanzüge. Keiner war älter als fünfundzwanzig und jeder sah aus, als könnte er eine Goldmedaille bei der nächsten Olympiade gewinnen. Zwei Frauen gehörten zu ihnen, beide blond, beide in Trainingsanzüge gepackt. Sie waren hübsch und sexy. Nicht einmal, als sie anfingen, mit großkalibrigen Kanonen um sich zu schießen, verloren sie ihren anziehenden Reiz.
Phil und ich hatten den deprimierenden Eindruck, dass die Academy-Gruppe ihre Aufgaben viel besser löste, als wir es zustande gebracht hatten.
Der Trainingsleiter bellte Lob über sein Megafon. »Das war gute Arbeit, Leute!«
Die Academy-Polizisten kamen zurück, die Frauen winkten uns zu. Wir hatten gestern in der Kantine an einem Tisch gesessen.
»Seid ihr tot?«, fragte die Frau, von der ich wusste, dass sie von ihren Freunden Liz gerufen wurde.
»Uns hat es gleich beim ersten Durchgang erwischt«, antwortete Phil. »Lassen Sie sich trotzdem von uns zu einem Orange Flip einladen?«
Sie nahmen an. Wir schlenderten durch das riesige Freigelände zu den Hallen, in deren Nähe auch die Kantinen lagen. Offene Elektrobusse, vollgepackt mit Touristen und ganzen Schulklassen, bewegten sich durch die Filmstadt. Seit die Fernsehkrise die Filmproduktion der großen Gesellschaften gedrosselt hatte, waren weite Teile für die Besichtigung freigegeben worden, und die Gesellschaften versuchten, ein paar zusätzliche Dollars zu machen, indem sie den Besuchern Filmtricks und Stuntmenshows vorführten.
Wir setzten uns an einen Tisch in der Kantine 6. Phil und ich holte die Drinks von der Selbstbedienungstheke.
»Sie haben uns noch nicht gesagt, für welche Firma Sie arbeiten«, sagte Liz nach dem ersten Schluck.
Bevor Phil oder ich antworten konnten, überdröhnte das Lautsprechersystem alle Gespräche im Raum.
»Mister Jerry Cotton und Mister Phil Decker! Bitte kommen Sie sofort zu Ausgang 4! Ich wiederhole. Mister Jerry Cotton und ...«
»Das gilt uns«, sagte ich und stand auf. »Tut mir leid, aber ...«
Liz und ihre Kollegin winkten ab.
»Viel Glück! Vielleicht sehen wir uns morgen!«, rief sie.
Am Ausgang 4 trat ein uniformierter Polizist auf uns zu. »Agent Cotton? Agent Decker?«
Wir bejahten.
»Ich habe den Auftrag, Sie zu Captain Robert Acher zu fahren.«
Er führte uns zu einem Polizeiwagen. Wir stiegen ein, und er fuhr an.
»Wer ist Captain Acher?«, fragte ich.
»Chef der Kriminalpolizei von Los Angeles. Es läuft eine große Sache, Sir. Eine Entführung. Sie wollen eine Million Dollar für den Sohn von Vincent B. Welsh.«
»Ich hoffe, Mister Welsh ist zahlungskräftig.«
»Das ist er«, bestätigte der Polizist, »aber die Entführer haben nicht die geringste Aussicht, auch nur einen Dollar zu erhalten.«
»Warum nicht?«
»Weil Captain Acher die Sache in die Hände genommen hat.« Stolz klang aus seiner Stimme. »Lieber würde sich der Captain als Streifenpolizist zur Highway Patrol versetzen lassen, als dass er sich in einem großen Fall geschlagen gäbe.«
Nach diesem Satz war ich ziemlich neugierig auf Captain Robert Acher.
Für einen Captain war Robert Acher ungewöhnlich jung, zweiundvierzig Jahre. Seine Körpergröße lag ein paar Inch unter dem Durchschnitt. Er trug das dunkelblonde Haar kurz geschnitten. Sein glattes Gesicht zeigte Sonnenbräune, und der blaue Anzug saß auf seinem breitschultrigen, leicht quadratisch wirkenden Körper wie eine maßgeschneiderte Uniform.
Der Captain stand auf dem Podium im großen Vortragssaal des Polizeihauptquartiers von Los Angeles. Neben ihm saß William Bing, Chef des FBI-Distrikts Los Angeles. Im Saal hatten sich rund fünfhundert Beamte der verschiedenen Kriminaldienste versammelt. Phil und ich waren ebenfalls in diesen Saal geführt worden.
Captain Acher informierte über die Situation. Er sprach energisch, präzise und so laut, dass er auf das Mikrofon um seinen Hals hätte verzichten können. In beiden Händen hielt er einen großen Zeigestock.
»Alle Informationen sind absolut vertraulich«, schmetterte er. »Keine Weitergabe an die Presse! Bei Zuwiderhandlung droht Dienstentlassung.« Er machte eine kleine Pause, bevor er hinzusetzte: »Das ist keine leere Drohung. Ich feuere jeden Mann eigenhändig, der nicht hundertprozentig mitarbeitet. Wir haben fünfhundertzwei Beamte aus der Stadt Los Angeles, dem Staat Kalifornien und einigen Sheriffdistrikten zusammengezogen. Das FBI hat neunzig Agents zur Verfügung gestellt, darunter mehrere Leute, die zurzeit einen Kursus absolvieren. Mit fünfhundertzwei hochqualifizierten Männern muss es uns gelingen, den Fall bis Donnerstag Mitternacht zu lösen.«
Er wandte sich der großen Leinwand hinter sich zu, auf der jetzt das Bild eines dunkelhaarigen, jungen Mannes mit einem verwöhnten, mäßig sympathischen Gesicht erschien.
»Das ist Donald Welsh, Sohn des Industriellen Vincent B. Welsh. Er wurde in der vergangenen Nacht gegen zwei Uhr auf einem Parkplatz in den San José Hills von drei, wahrscheinlich vier Männern überfallen und entführt. Welsh befand sich in Begleitung der neunzehnjährigen Cindy Marfield ...«
Das Bild auf der Leinwand wechselte. Wir sahen ein blondes Mädchen, dessen blaue Augen erschreckt in den Saal starrten. An der Stirn und der linken Wange hatte ihr Gesicht frische Schrammen.
»... die er auf einer Party getroffen und mitgenommen hatte. Cindy Marfield blieb von den Entführern unbehelligt. Die Schrammen erlitt sie nach ihren eigenen Angaben beim Kampf mit Donald Welsh, der sie zu vergewaltigen versucht haben soll.«
Ein knappes Schulterzucken des Captains deutete an, dass er an die Vergewaltigung nicht so recht glaubte.
»Eine halbe Stunde nach der Entführung wurde Vincent B. Welsh angerufen und ...«
Der Captain brauchte knapp zwanzig Minuten, um uns alle Einzelheiten des bisherigen Ablaufs klarzulegen, und er belegte jeden Vorgang mit Fotos, die er auf die Leinwand projizieren ließ. Wir sahen den Wagen des jungen Welsh, die Welsh-Villa, ein Foto des Vaters, ein Bild der Landkarte, die am Morgen mit der Post eingetroffen war, und so weiter.