Jerry Cotton Sonder-Edition 244 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton Sonder-Edition 244 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Das FBI New York glich einem wütenden Bienenschwarm. Die Highway-Wölfe hatten wieder zugeschlagen. Abermals war einer der riesigen Trucks samt Ladung verschwunden. Abermals fanden wir nur die Fahrer - tot. Phil und ich wurden auf diese Gangsterbande angesetzt, ich hinter dem Steuer eines Trucks. Und dann drehten wir den Spieß um. Mit unseren Schwerlastern jagten wir die schnellen Sportflitzer der Wölfe, kreisten dieses verdammte mörderische Rudel ein ...

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Seitenzahl: 196

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Inhalt

Cover

Highway-Wölfe

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Vorschau

Impressum

Highway-Wölfe

Das FBI New York glich einem wütenden Bienenschwarm. Die Highway-Wölfe hatten wieder zugeschlagen. Abermals war einer der riesigen Trucks samt Ladung verschwunden. Abermals fanden wir nur die Fahrer – tot. Phil und ich wurden auf diese Gangsterbande angesetzt, ich hinter dem Steuer eines Trucks. Und dann drehten wir den Spieß um. Mit unseren Schwerlastern jagten wir die schnellen Sportflitzer der Wölfe, kreisten dieses verdammte mörderische Rudel ein ...

1

Wildhüter Tom Bradford setzte das Fernglas an die Augen. Er identifizierte die kreisenden Vögel als Indianergeier. Die Art ihrer Flugbewegungen verriet ihm, dass sie über einem Aas kreisten.

Bradford lenkte seinen offenen Jeep vom Parkstreifen zurück auf die Fahrbahn des Highways.

Der Pulk der Vögel schwebte westlich der Autobahn über dem hügeligen Land. Bradford schätzte die Entfernung auf drei Meilen.

Sie kreisen über dem alten Steinbruch, dachte er. Am besten komme ich über die aufgegebene Zufahrtsstraße ran.

Er fuhr langsam, um die Geier nicht aus den Augen zu verlieren. Von Zeit zu Zeit wurde sein Jeep von Trucks überholt, riesigen mammutähnlichen Sattelschleppern, bemalt und beschriftet wie Zirkuswagen, mit Wimpeln und Lampengirlanden geschmückt, mit den Bildern von Bikinischönheiten beklebt. Auf den Türen der Fahrerkabinen prangten die Namen, auf die stolze Besitzer ihre Saurierlaster tauften.

Bradford erreichte die Stelle, an der der Highway die Zufahrtsstraße zum Steinbruch unterbrach. Bei der Trassierung des Highways war der Steinbruch schon nicht mehr genutzt worden. Die Highwayverwaltung hatte sich damit begnügt, Holzbarrieren zu installieren und Warnschilder aufzustellen: Straße geschlossen.

Die Holzbarriere lag in Trümmern.

Bradford stieg aus, hob ein Bruchstück auf.

Die Bruchstelle war nicht frisch. Die Barriere musste vor Tagen zertrümmert worden sein.

Langsam ließ er den Jeep auf die alte Straße rollen. Vorsichtig wich er den größten Schlaglöchern aus. Nach einer halben Meile stieg die Straße steil an. In sechs engen Kehren schraubte sie sich hoch. Erst in ihrem letzten Drittel verlief sie eben. Bradford sah die rötliche Wand der Steinbruchfelsen vor sich.

Lautes Kreischen der kreisenden Vögel warnte die Artgenossen am Boden. Mit klatschenden Flügelschlägen, schwerfällig wie überladene Flugzeuge, hoben ein gutes Dutzend Geier ab, schraubten sich hoch.

Bradford nahm sein Gewehr aus der Halterung, entsicherte es. Dichtes Gebüsch überwucherte die Einfahrt zum Steinbruch. In einer breiten Schneise waren die wild gewachsenen Sträucher niedergewalzt wie von einem Panzer.

Verwesungsgeruch schlug ihm entgegen.

Bradford schluckte. Er trat vorsichtig auf, als müsste er sich an ein Wild schleichen. Dann sah er die Gestalt und blieb stehen.

Der Tote war ein Mann. Er lag mit dem Gesicht nach unten, die Arme seitlich ausgebreitet.

Er trug eine schwarze Lederjacke, blaue Nietenjeans und weiche, halbhohe Stiefel. An Stellen, an denen die Geierschnäbel den Stoff zerfetzt hatten, zeigte sich weiße Unterwäsche.

Er war schwarzhaarig, aber der ungeschützte Kopf war für die Geier am leichtesten zu erreichen gewesen.

Tom Bradford sicherte sein Gewehr, ging zum Jeep und nahm das Mikrofon der Sprechfunkanlage.

»Bradford an Sheriff's Office!«, sagte er. »Bitte kommen!«

Die Verbindung war schlecht, Rauschen und Stimmengewirr, das aus dem Sprechfunkverkehr der Truckfahrer stammte. Achtzig Prozent aller Trucks waren mit Sprechfunkeinrichtungen ausgerüstet, und die Fahrer vertrieben sich die endlosen Stunden hinter dem Steuer durch nahezu pausenloses Palaver mit Kollegen in Reichweite der Sendekapazität.

Das Sheriff's Office meldete sich.

»Ich habe einen toten Mann gefunden«, sagte Bradford. »An der Straße zum alten Steinbruch. Planquadrat 32.«

Sheriff McCallum kam nicht allein. Er brachte zwei Beamte des Highway-Patrol-Kommandos mit.

Bradford blieb bei seinem Wagen, während der Sheriff und die Polizeibeamten den Toten durchsuchten. Nach kaum fünf Minuten kehrte McCallum zurück. Bradford schien es, als brächte der Sheriff den Verwesungsgeruch mit. Hastig zündete er sich eine Zigarette an.

»Mord«, sagte McCallum. »Zwei Kugeln in den Rücken, eine in den Kopf. Das lässt sich trotz der Geier erkennen.«

In den Händen hielt er eine lederne Brieftasche. Er öffnete sie. Auf der Innenseite war in Goldbuchstaben eine Widmung eingeprägt.

»Von Seattle bis San Diego – Lissa!«, las der Sheriff vor.

Unter einer Plastikhülle steckte ein Führerschein.

Laut wie die Widmung las McCallum den Namen: »Patrick O'Lough. Ein Ire wie ich. Den Namen kenne ich. Steht auf der Vermisstenliste. Fuhr einen Truck für eine Spedition in New York und verschwand vor einer Woche.«

»Und der Truck?«

»Verschwand zusammen mit seinem Fahrer. Na ja, den Fahrer haben wir wieder.« Er sah sich um, wies auf die niedergewalzten Sträucher. »Der Truck war auch mal hier.« Er hielt Bradford Führerschein vor die Augen. »So sah der Mann aus, bevor sich die Geier mit ihm beschäftigt haben.«

Das Foto zeigte ein kantiges Männergesicht mit starken, geschwungenen Lippen, einer geraden Nase und hellen Augen. Das Haar über der niedrigen, breiten Stirn war dicht und gewellt. Auf dem Foto lachte der Mann.

»Ist das Ihr Fahrer?«, fragte ich und legte das Foto auf den Schreibtisch.

Im Augenblick des Knopfdrucks hatte Patrick O'Lough gelacht. Jetzt hielt das Bild sein Lachen fest, während der Mann selbst im Kühlfach eines Leichenschauhauses lag.

»Ja, das ist Patrick O'Lough«, sagte William Bloom, Besitzer der Interstate-Spedition, Herr über ein halbes Hundert Trucks und Tanklastzüge, ein feister, untersetzter Mann in der Nähe eines Schlaganfalls. Seine Stimme zitterte.

»Haben Sie ihn gefasst?«, fragte er leise.

»Gefunden.«

Blooms trüb braune Augen verschleierten sich noch stärker. »Tot?«

Ich nickte.

»Also verunglückt?«

»Ermordet, Mister Bloom.«

Das riss ihn vom Stuhl. Wenn er stand, verriet Blooms breite Gestalt noch etwas von dem Mann, der er einmal gewesen war, als er noch selbst einen Truck über die endlosen Straßen des amerikanischen Kontinents gefahren hatte. »Und mein Truck?«

»Verschwunden.« Ich nahm das Foto an mich.

Bloom stampfte durch sein Büro, riss die Tür eines Wandschranks auf. Ich sah Gläser und Flaschen. Bloom goss goldbraunen Whisky in ein Glas, leerte es, füllte es neu.

»Verschwunden!«, wiederholte er. »Ein Dreißig-Tonnen-Truck, ein Ding von zehn Fuß Höhe, von vierzig Fuß Länge aus Stahl und Metall, mit einem Dreihundert-PS-Motor unter der Haube verschwindet wie eine Streichholzschachtel, he? Sagen Sie Ihren Leuten, sie sollen die Augen aufreißen, G-man.« Er goss die zweite Glasfüllung in sich hinein und griff wieder zur Flasche.

»Was hatte O'Loughs Truck geladen?«

»Europäische Importware. Französische Weine und Parfüms. Zwei Container mit italienischen Schuhen. Irgendwelche Präzisionsmaschinen aus Germany und so weiter.«

»Im Wert von ...?«

»Zweihundertzwanzig Dollar.«

»Sie kennen die Summe genau?«

»Selbstverständlich. Wir haben für den Antrag an die Versicherung jede Kiste einzeln aufführen müssen.«

»Sie sind also versichert, Mister Bloom?«

»Glauben Sie, ich schaukele eine Viertelmillion Dollar auf eigene Gefahr über den Kontinent?« Nach jedem Satz trank er.

»Und der Truck?«

»Versichert zum Tageswert. Ungefähr vierzigtausend.«

»Wird die Versicherung zahlen?«

»Klar, falls Ihre Leute meinen Truck nicht wiederfinden.«

»Haben Sie schon einmal einen Lastzug verloren?«

Er trank, füllte umständlich sein Glas.

»Haben Sie, Mister Bloom?«, wiederholte ich.

»Ja, wir verloren einen Lastzug vor sechs Monaten«, sagte eine Frauenstimme in meinem Rücken. Ich drehte mich um.

Eine schöne Frau, dreißig Jahre oder ein paar Monate darüber. Schwarzes Haar, das sie zu einem schweren Knoten aufgesteckt trug. Ein kühnes Gesicht, braun gebrannte Haut, große graue Augen. Aber das Beste in diesem Gesicht war der Mund. Große, geschwungene Lippen, üppig und rot wie eine tropische Blume.

Sie ging an mir vorbei, ohne mich anzusehen. Sie war nur einen halben Kopf kleiner als ich und damit ein paar Inch größer als William Bloom.

Ohne ein Wort nahm sie ihm Flasche und Glas aus den Händen, stellte sie auf den Schreibtisch.

»Patrick ist tot«, sagte Bloom. Er stotterte leicht.

Jetzt sah die Frau mich an.

»Polizist?«, fragte sie.

»FBI Agent Jerry Cotton.«

»Ermordet«, sagte Bloom. »Abgeknallt! Umgelegt! Durchlöchert!«

Sie schwang herum, holte aus. Die Ohrfeige knallte auf Blooms feister Wange wie ein zerplatzter Ballon. »Du verdammtes Schwein!«

Blooms Gesicht lief blaurot an. Er hob die Fäuste und stürzte vor, als wollte er sie niederboxen. Geschickt wich sie aus und ließ ihn leerlaufen. Er blieb stehen wie ein Stier, dem das Ziel aus dem Blickfeld geraten ist. Plötzlich drehte er ab, packte Flasche und Glas, ließ Whisky ins Glas laufen. Flasche und Glas klirrten aneinander, so bebten Blooms Hände.

»Wenn Sie noch Fragen haben, G-man«, sagte er rau, »richten Sie sie an meine Frau. Sie weiß über mein Geschäft so viel wie ich, und über Patrick O'Lough weiß sie viel mehr.«

Er stampfte auf die Tür zu, stieß sie mit einem Fußtritt auf, verließ den Raum und schmetterte die Tür mit einem zweiten Fußtritt ins Schloss.

Die Frau strich sich eine Haarsträhne, die sich gelöst hatte, aus der Stirn und steckte sie mit dem Knotenkamm fest.

Plötzlich legte sie den Kopf in den Nacken, öffnete ihren wundervollen Mund und lachte laut und lange.

»Tut mir leid, dass Sie sich diese hochdramatische Familienszene ansehen mussten«, sagte sie unter Gelächter. Sie streckte mir die Hand hin. »Ich bin Melissa Bloom.«

»Wann haben Sie Bloom geheiratet?«

»Vor drei Jahren. Der Altersunterschied beträgt mehr als zwanzig Jahre. Das macht William unsicher, aggressiv und treibt ihn zur Flasche.«

»Wie werden Sie von Ihren Freunden genannt, Mrs Bloom?«

»Lissa. Haben Sie Patricks Brieftasche gefunden?«

Ich zog die Brauen hoch. »Richtig.«

»Ich habe sie ihm geschenkt. Vor fünf Jahren. Zwei Jahre bevor ich Bloom begegnete und ihn heiratete, falls Sie im Kopfrechnen schwach sind, G-man.«

»Was bedeutet die Widmung Von Seattle bis San Diego?«

»Die Pazifikroute. Patrick befuhr sie einen heißen Sommer lang für die North-South-Transport. Ich fuhr mit von Seattle im Norden bis San Diego an der mexikanischen Grenze und zurück.«

»Seit wann fuhr O'Lough für Blooms Spedition?«

»William stellte ihn vor zwei Jahren ein. Patrick war arbeitslos, und ich bat William, ihm einen Job zu geben. Natürlich fand er bald heraus, dass ich Patricks Geliebte gewesen war.«

»Wurden Sie es neu, als ...?«

»... gewesen war«, wiederholte sie energisch. »Patrick versuchte zwar, das alte Feuer zu schüren. Ich ließ mich auf nichts ein. Ich vertausche nicht Blooms Reichtum mit dem Wochenlohn eines Truckfahrers. Dazu bin ich nicht dumm genug.«

»Sie haben aus Blooms Mund gehört, dass Patrick O'Lough erschossen wurde. Der Lastwagen, mit dem er unterwegs war, ist verschwunden.«

»Armer Pat! Überfälle auf Trucks sind nicht selten, G-man.«

»Das stimmt nur halb. Diebstähle und Beraubung sind nicht selten, aber dem FBI sind nur wenige Fälle von verschwundenen Trucks bekannt.«

»Wie viele Fälle?«

»Acht im Lauf der letzten sechs Monate. Der Reigen wurde von einem Truck der Middle Coast Company eröffnet. Der zweite Fall betraf einen Wagen der Interstate-Spedition, Blooms Firma.«

»Dieser Wagen verschwand nicht, sondern wurde nur ausgeraubt.«

»Aber der Fahrer verschwand, und gewisse Spuren deuteten auf Mord, wenn auch nie eine Leiche gefunden wurde.«

»Die Trucker wissen, dass ihr Beruf gefährlich ist, G-man. Sie sind stolz darauf. Sie singen Lieder über ihren Job. Ich habe mit Truckern gelebt. Sie sehen sich als die Cowboys des modernen Amerika. Der Truck ist für sie ihr Pferd, mit dem sie in die Fernen unseres Landes vorstoßen wie die Pioniere, die nach Westen gingen.«

»Immerhin zahlen sie Gewerkschaftsbeiträge«, unterbrach ich ihre Hymne. »Wie viel wissen Sie über O'Loughs Freunde und Freundinnen, Mrs Bloom?«

»Nennen Sie mich Lissa. Ich bin es nicht gewohnt, Mrs Bloom gerufen zu werden. Allen unseren Fahrern habe ich erlaubt, mich Lissa zu nennen. Ich mag die Trucker, und ich glaube, ich habe Bloom nur geheiratet, weil er selbst einmal Trucker war.«

»Damit beantworten Sie meine Frage nicht.«

»Die Frage nach Patricks Freunden und Freundinnen? Keine Antwort möglich, G-man. Sie verstehen, dass ich mich von Patrick ferngehalten habe. Ich wollte Bloom keinen Anlass zur Eifersucht geben.«

»Danke, Mrs Bloom! Wahrscheinlich ...«

»Lissa ...«, sagte sie. Das Grau ihrer Augen wurde dunkler, wärmer.

»... wahrscheinlich werden sich unsere Wege noch einige Male kreuzen müssen. Das FBI versucht herauszufinden, ob die acht Überfälle auf Trucks in mehreren Staaten auf die Rechnung einer Organisation zu setzen sind. Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie im Zusammenhang mit Patrick O'Lough Informationen für mich haben.«

»Mit Vergnügen, G-man.« Sie legte beide Hände an ihre Hüften. Die schwarze, knapp sitzende Hose betonte die Länge ihrer Beine. Nachdenklich blickte sie zur Tür, durch die Bloom das Büro verlassen hatte. »Ich fürchte, William wird heute nicht aufhören, Whisky in sich hineinzuschütten, bis er sein schlechtes Gewissen ertränkt hat. Immer verdächtigte er Patrick, den Truck und die Ladung gestohlen zu haben.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ein toter Mann ist kein Grund zur Eifersucht.«

Hielt sie Bloom für fähig, Patrick O'Lough aus Eifersucht getötet zu haben? Ich stellte die Frage nicht.

Melissa Bloom begleitete mich nach draußen. Acht große Überlandtrucks standen an der Rampe des Lagerhauses und wurden beladen. Ein Fahrer, ein großer, schlaksiger Dreißigjähriger in einem bunten Hemd, winkte der Frau zu.

»He, Lissa!«

Sie winkte zurück. »He, Dick!«

Er ließ den Motor anspringen, trat auf den Gashebel.

Der Motor brüllte wie ein aufgewachtes riesiges Tier.

»Nach St. Louis!«, schrie Dick und machte eine weite, einladende Geste. »Mitkommen, Lissa?«

Sie legte beide Hände an den Mund.

»Guten Ritt, Dick!«, rief sie.

Er hob den Daumen, ließ den Truck anrollen und schaltete, während er über den Hof fuhr, alle Lampen ein wie ein Schiff, das bis über die Toppen geflaggt den Hafen verlässt. Als er das Tor passierte, ließ er das Signalhorn aufröhren, Abschiedsgruß an die Frau, die ihm nachwinkte.

Ich zweifelte nicht daran, dass die meisten Fahrer der Interstate-Spedition in die Frau ihres Chefs verliebt waren.

2

Noch immer sind die USA ein leeres Land. Zwischen den Zusammenballungen der Millionenstädte liegen Hunderte Quadratmeilen dünn besiedelter Gebiete.

Wie ein Nervengeflecht überziehen die Highways das Land, verbinden die gewaltigen Hafenstädte der Ostküste mit den endlosen Weizenfeldern des Mittleren Westens, die Industriegebiete des Nordens mit den paradiesischen Obstplantagen des Südens. Auf den grauen Betonbahnen rollen bei Tag und Nacht die Trucks, gesteuert von Männern, für die die Straße und die Weite des Landes Lebenselixier sind.

Die Belman-Familie hatte auch ihren letzten Lastzug auf den Namen The Rolling Hamburger getauft. Ein Hacksteakbrötchen mit Rädern auf beiden Türen symbolisierte den Namen.

Chris Belman hätte sich eine bedeutungsvollere, klingendere Bezeichnung für den Truck gewünscht, aber es war unmöglich gewesen, den Wunsch gegen seinen Vater durchzusetzen. Seit dreißig Jahren nannte Belman senior jeden seiner Lastwagen The Rolling Hamburger. Er bestand auf dem Namen, weil er glaubte, er brächte der Familie Glück, auch wenn jetzt sein Sohn Chris am Steuer saß.

Auf der langen Steigung wechselte Belman den Gang. The Rolling Hamburger rollte langsamer.

Belman nahm das Mikrofon der Sprechfunkanlage aus der Halterung und schaltete auf Empfang. Aus dem Lautsprecher drang eine Männerstimme, deren singender Texanerslang trotz der Verzerrung unverkennbar war.

»... hängte ihn bei der Kreuzung ab, blies ihm 'ne dicke Staubschicht auf die Windschutzscheibe, gab meinem Wild Fire volles Gas ...«

Der Texaner schilderte seine Heldentat im ständigen Kleinkrieg der Trucker mit der Highwaypolizei ausführlich und in blumigen Übertreibungen.

Belman schaltete sich in den Sprechverkehr ein.

»Hier Rolling Hamburger auf 14. Krieche die Roodwood-Steigung hoch. Guten Abend, Leute! Wer kennt den Spritpreis an der Hopkin-Station? Ich höre euch, Leute!«

»Big Wheel an Rolling Hamburger«, dröhnte ein Bass aus dem Lautsprecher. »Sie verlangen zwei Cents mehr als Nesdal-Station. Ich rate dir, Freund, steure Nesdal an, falls dein Saft noch reicht. Nesdal ist billiger!«

»Aber Mary im Hopkin Motel nimmt fünf Dollar weniger für eine Full-Service-Behandlung als die blonde Sally in Nesdal«, löste eine andere Stimme den Bass ab. »Ich weiß es seit gestern. Empfehlung von Flat Foot, Freunde!«

Gelächter der Männer. Chris Belman drückte den Sendeknopf. »Hab keinen Bedarf an Mary oder Sally. Komme gerade von zu Hause.«

Der texanische Wild Fire meldete sich. »Lasst euch meine Story erzählen, Leute. Ich zeige euch, wie man die Patrol Cops an der Nase herumführt und Dollars spart ...«

»Erzähl lieber einen Witz«, dröhnte der Big-Wheel-Bass. »Aus der superscharfen Kiste!«

»Flat Foot kann dienen!«, rief der Mann, der die Preise in Hopkin und Nesdal kannte. »Ein Boss und ein Girl trafen sich ...«

Immer wenn Trucker über Sprechfunk miteinander in Verbindung treten, Informationen austauschen, Witze erzählen, sich vor Straßenkontrollen warnen, benutzen sie die Bezeichnung ihrer Wagen, nie die eigenen Vor- oder Zunamen.

In dieser Nacht redeten Wild Fire, Wildes Feuer, Big Wheel, Großes Rad, Flat Foot«, Plattfuß und Belmans Rolling Hamburger miteinander. Einmal schaltete sich ein Trucker zu, dessen Fahrzeug Fast Arrow, Schneller Pfeil, hieß. Er bewegte sich an der Grenze der Sendereichweite und wurde nur bruchstückhaft verstanden.

Flat Foot erzählte den vierten Witz, als Musik den Empfang überlagerte.

Chris Belman hörte noch den Big-Wheel-Bass, der brüllte: »Geh raus mit dem verdammten Geplärr!« Dann schwoll die Musik so stark an, dass die Stimmen der Männer darin untergingen.

Die Musik überdröhnte das Brummen der Maschine. Belman drehte den Lautstärkenregler.

Er kannte die Musik. Es war eine verrockte Nummer von Keep The Road to Eternity, jenes Lied, das die Truckfahrer als ihre Nationalhymne ansehen.

Er fühlte ein Frösteln zwischen den Schulterblättern. Trucker sprechen ungern über Unfälle und Unglücke. Die meisten sind abergläubisch und fürchten, ein Unglück heraufzubeschwören, wenn sie darüber reden. Aber vor einigen Wochen hatte Belman in einem Rasthaus an einem Tisch gesessen, und ein Mann in der Runde hatte über die Highway-Wölfe gesprochen. Der Mann war kein Trucker gewesen, sondern ein Wohnwagentramp, unterwegs zur Baumwollernte.

»Sie machen den Sprechfunkverkehr zwischen allen Trucks auf hundert Meilen im Umkreis unmöglich«, hatte er erzählt. »Sie senden Störgeräusche auf der Truckerwelle, und sie senden mit einer Leistung, gegen die sich kein Sprechfunkgerät durchsetzen kann.«

Belman erinnerte sich an das zahnlückige Grinsen des Mannes.

»Wisst ihr, was sie oft zur Störung benutzen? Euer Lied! Keep The Road to Eternity. Leute, denkt daran! Wenn ihr euer Lied plötzlich aus den Lautsprechern hört, dann ist einer von euch wirklich auf der Straße zur Ewigkeit.«

»Woher willst du das alles wissen?«, fragte ein Tankzugfahrer aus Virginia.

»Früher hatte ich ein Sprechfunkgerät in meinem Wohnwagen. Illegal selbstverständlich, und bei einer Straßenkontrolle fanden es die Cops und holten es raus. Aber als ich es noch besaß, habe ich im Appalachen-Gebirge mitgehört, wie die Wölfe einen Truck rissen.«

»Und wie hört sich das an?«

Das Grinsen des Tramps verstärkte sich zur Grimasse. »Wie jeder andere Todesschrei! Als sie ihn killten, schrie er so laut, dass alle es trotz der Musik hörten.«

Der Tankzugfahrer spucke wütend aus. »Hirngespinste! – Kommt, Leute!«

Die Trucker wechselte den Tisch. Chris Belman war mit ihnen aufgestanden, aber in der Nacht hatte er wirr von einer hechelnden Wolfsmeute geträumt, die mit grausiger Gleichmäßigkeit über das Betonband eines Highways trabte.

Belman blickte in den Rückspiegel. Dunkel und leer lag das Betonband hinter ihm. Auch die Gegenfahrbahn war leer bis zur Kuppe der Roodwood-Steigung.

Er sprach ins Mikrofon: »Rolling Hamburger vermisst euch, Freunde! Hört ihr mich? Bitte melden!«

Er drehte die Lautstärke hoch, beugte sich vor und bemühte sich angestrengt, Worte durch das Dröhnen der Musik zu verstehen.

Vergeblich. Nach dem Schlussakkord setzte das Truckerlied sofort mit den ersten Tönen wieder ein, als käme es von einem endlosen Band.

Belman trat den Gashebel durch. Auf der Steilstrecke wurde der schwere Lastwagen kaum schneller.

Der Rückspiegel füllte sich mit weißem Licht, das Belman zwang, für einen Sekundenbruchteil die Augen zu schließen.

Mit hoher Geschwindigkeit und aufgeblendeten Scheinwerfern rasten zwei Wagen heran, schlossen zu dem Belman-Truck auf, überholten nicht.

Er stemmte den Fuß auf das Gaspedal. Langsam bewegte sich die Nadel des Geschwindigkeitsmessers.

Er versuchte, seine Verfolger zu identifizieren. Beide Wagen schienen nicht normale Personenautos zu sein. Belman glaubte, hinter den gleißenden Scheinwerfern die Umrisse von kompakten, gedrungenen Fahrzeugen zu erkennen.

Weiße Lichtkegel kreuzten die Fahrbahn des Trucks. Aus den Randsträuchern schoss ein flacher, geschlossener Sportwagen.

Belmans Fuß zuckte instinktiv zur Bremse. Sofort verlor der schwere Laster auf der starken Steigung an Geschwindigkeit. Eine knappe Wagenlänge vor der Stoßstange des Trucks schlitterte der Sportwagen auf den Highway. Seine Bremslichter glühten auf.

Das vorderste Verfolgerauto schloss bis zur Höhe des Fahrerhauses auf. Belman warf einen schnellen Blick zur Seite.

Auf der Ladefläche kauerte sprungbereit eine dunkle Gestalt.

Verzweifelt stampfte Belman zurück aufs Gas, wechselte den Gang, übertourte den Motor. Heulend gewann The Rolling Hamburger an Fahrt. Für Sekunden schien es, als würde der Truck den Sportwagen überrollen, dann tippte dessen Fahrer aufs Gas. Das flache Auto zog davon, legte mit spielerischer Mühelosigkeit ein Dutzend Yards zwischen sich und den Truck, blieb aber im Bereich der Scheinwerfer.

Chris Belman schwitzte. Der Verfolgungswagen mit dem sprungbereiten Mann auf der Ladefläche war zurückgefallen, und der zweite Wagen lag, soweit Belman im Rückspiegel erkennen konnte, hinter dem Heck seines Trucks.

Noch immer füllte die Musik von Keep The Road to Eternity das Fahrerhaus.

Belman beugte sich vor und schrie ins Mikrofon: »Die Highway-Wölfe verfolgen mich, kreisen mich ein! Hilfe, Leute!«

Entsetzt merkte er, dass der Laster langsamer wurde.

Die letzte Meile der Roodwood-Steigung hatte noch einige Prozente mehr als die Gesamtstrecke.

Das Getriebe begann zu rütteln. Belman schaltete runter und hielt den Truck in Gang, aber er quälte sich jetzt so langsam die Steigung hoch, dass ein Fahrrad ihn hätte überholen können.

Der Verfolgerwagen schob sich an das Fahrerhaus heran. Der Mann auf der Ladefläche stand aufrecht, schwang einen langstieligen Hammer und zerschlug das Seitenfenster.

Belman schrie auf, bog den Oberkörper zurück. Glassplitter prasselten auf ihn herunter.

»Ihr Schweine!«, brüllte er. »Ich zerquetsch euch, verdammte Bastarde!«

Mit zwei vollen Drehungen des Steuerrads zog er die Zwanzig-Tonnen-Masse des Trucks nach links.

Der Fahrer des Verfolgerautos reagierte blitzschnell, machte die Bewegung mit und stoppte sein Fahrzeug scharf ab. Knapp vor dem Heck kam er frei.

»Noch habt ihr mich nicht!«, schrie Belman. Er hielt den Truck auf der Überholspur, dicht am Grünstreifen.

Der rechte Rückspiegel füllte sich mit Licht der Scheinwerfer des zweiten Verfolgerautos. Sekunden später zertrümmerten Hammerschläge das rechte Seitenfenster.

Belman drückte die Daumen auf den Signalring. Das Horn seines Trucks heulte. Klang es nicht wie das letzte Aufbrüllen eines gestellten Tiers?

Mit fünfzehn Stundenmeilen kroch der Laster vorwärts. Ohne Anstrengung schwang sich ein Mann von der Ladefläche des Verfolgerwagens auf das Trittbrett am Fahrerhaus. Mit einer Hand hielt er sich an der Haltestange fest, griff mit der anderen durch das zertrümmerte Fenster und entriegelte die Tür.

Belman bückte sich und griff nach dem schweren Schraubenschlüssel unter seinem Sitz.

Die Tür schwang auf. Mit der Gewandtheit einer Katze turnte der Mann ins Fahrerhaus. Er trug einen eng anliegenden Overall. Eine Strumpfmaske bedeckte seinen Kopf.

»Stopp den Schlitten!«, befahl er.

Chris Belman schlug mit dem Schraubenschlüssel zu. Der Maskierte warf sich zurück, zog die Knie an und trat Belman ins Gesicht. Belmans Fuß rutschte vom Gaspedal. In Sekundenschnelle würgte die gewaltige Last des Trucks den Motor ab.

Der Gangster riss einen Revolver aus seinem Gürtelholster.

»Ich zerblase dir den Schädel, Mann!«, fauchte er.

Der Truck begann rückwärtszurollen. Im Reflex trat Belman auf die Bremse.

Die Tür auf der Fahrerseite wurde aufgerissen. Ein zweiter Maskierter enterte das Fahrerhaus, drängte Chris Belman vom Steuer. Belman wollte sich wehren. Der Revolverlauf traf seinen Kopf und löschte sein Bewusstsein aus.

Als er wieder zu sich kam, brauste The Rolling Hamburger über den Highway, als wäre nichts geschehen. Nur durch die glaslosen Seitenfenster fegte der Fahrtwind ins Fahrerhaus, und auf Belmans Platz am Steuer saß ein maskierter Mann. Der zweite Maskierte spielte mit seinem Revolver.

Belman richtete sich ächzend auf. Im Scheinwerferlicht des Trucks sah er zwei Jeepwagen mit offener Ladefläche. Der Sportwagen war verschwunden.

Aus dem Lautsprecher der Sprechfunkanlage drangen Stimmen.

»Zum Teufel, ich will wissen, wer unsere Unterhaltung durch Keep The Road verdorben hat«, sagte der Big-Wheel-Bass. »Verdammt unfaires Benehmen!«

»Ich war es nicht«, beteuerte Wild Fire aus Texas.

Flat Food war inzwischen aus dem Empfangsbereich geraten. Seine Worte blieben unverständlich.